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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 01.04.2009
Aktenzeichen: I-18 U 208/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 309 Nr. 12b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29. Mai 2008 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (3 O 198/07) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils von ihm zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Beklagte ist eine amerikanische Gesellschaft mit Sitz in N. Sie befasst sich mit dem Bau, der Finanzierung und dem Betrieb von Aquakulturanlagen mit dem Ziel, Kaviar mit Stören zu produzieren, die in Zuchtbecken aufgezogen werden. Das für den Aufbau ihres Unternehmens benötigte Kapital verschafft sie sich, indem sie Vorzugsaktien von sich an interessierte Investoren verkauft.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht der Zeugin B. auf Schadensersatz in Anspruch. Diesem Begehren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Sommer 2004 platzierte die Beklagte die zweite Tranche ihrer auf den Inhaber lautenden Vorzugsaktien. Diese Tranche bestand aus 4 Millionen Aktien, wobei jede Aktie einen Anteil von einem US-Dollar am Stammkapital der Beklagten repräsentierte. Diese Vorzugsaktien bot die Beklagte innerhalb Deutschlands über ihre D. Niederlassung zum Preis von 3,80 $ je Aktie durch eigene Angestellte zum Kauf an, die im Wege der Telefonaquise interessierte Investoren warben.

Im August 2004 war die Zeugin B. für das Bauunternehmen H. als Büroangestellte tätig. An ihrem Arbeitsplatz nahm sie am 27. August 2004 einen Telefonanruf des Zeugen R. entgegen, der zum damaligen Zeitpunkt bei der Beklagten angestellt war. In diesem Telefongespräch, dessen Verlauf streitig ist, bot der Zeuge R. der Zeugin B. Vorzugsaktien der Beklagten aus der zweiten Tranche zum Kauf an. Am Ende des Telefongesprächs hatte sich die Zeugin B. entschlossen, 10.000 Vorzugsaktien zu zeichnen.

Unmittelbar nach diesem Telefongespräch faxte die Beklagte der Zeugin B. ein vorgedrucktes Formular des Zeichnungsscheins. Die Zeugin B. füllte diesen Zeichnungsschein sofort aus und faxte ihn sodann an die Beklagte zurück. Am 28. August 2004 erhielt die Zeugin B. per Post den Originalzeichnungsschein. Diesen Schein füllte sie noch am 28. August 2004 aus und sandte ihn per Post an die Beklagte.

Mit Schreiben vom 31. August 2004 übersandte die Beklagte der Zeugin B. den Emissionsprospekt über die zweite Tranche vom 15. August 2003.

Am 23. September 2004 zeichnete die Zeugin B. weitere 1.500 Vorzugsaktien. Insgesamt wandte sie für den Kauf der 11.500 Vorzugsaktien 36.115,70 € auf.

Am 6. Juni 2007 trat die Zeugin B. die ihr gegenüber der Beklagten zustehenden Schadensersatzansprüche an den Kläger ab. Die Abtretung erfolgte, um es der Zeugin B. zu ermöglichen, durch ihre eigene Zeugenaussage den Inhalt des vor dem Kauf der Aktien mit dem Zeugen R. geführten Telefongesprächs beweisen zu können.

Der Kläger ist der Auffassung, zwischen der Beklagten und der Zeugin B. sei ein Auskunfts- und Beratungsvertrag über den Kauf der Vorzugsaktien zustande gekommen. Die sich hieraus ergebenden Beratungs- und Aufklärungspflichten habe der Zeuge R. verletzt, so dass der Zeugin B. ein Schadensersatzanspruch des Inhalts zustehe, so gestellt zu werden, als hätte sie keine Vorzugsaktien der Beklagten erworben.

Der Kläger hat behauptet:

Der Zeuge R. habe den Kauf der Aktien der Beklagten als eine rentierliche Kapitalanlage dargestellt, die eine totsichere Sache sei, weil die Nachfrage nach Kaviar weltweit stetig steige, während gleichzeitig die Bestände der Kaviar erzeugenden Störe in den Weltmeeren immer kleiner würden. Die Beklagte plane, noch im Jahr 2004 an die Börse zu gehen, so dass die Aktien umgehend mit hohem Gewinn wieder verkauft werden könnten.

Die Zeugin B. habe darauf vertraut, dass diese Angaben des Zeugen R. zutreffend seien. Deswegen habe sie die ihr gegebenen Informationen zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht, sich an der Beklagten zu beteiligen.

Der Emissionsprospekt über das Emissionspaket zur zweiten Tranche habe ihr vor Zeichnung der 10.000 Aktien nicht vorgelegen.

Demgegenüber habe der Zeuge R. die Zeugin B. nicht darauf hingewiesen, dass es für den An- und Verkauf der Vorzugsaktien keinen Markt gebe, die Aktien also praktisch unverkäuflich seien, falls es nicht zum Börsengang komme. Hätte der Zeuge R. sie hierüber aufgeklärt, hätte sie keine Vorzugsaktien der Beklagten gezeichnet. Denn sie habe bis zu diesem Zeitpunkt noch über keinerlei Erfahrung über derartige Kapitalanlagen verfügt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 36.115,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz Zug-um-Zug gegen Rückübertragung von 11.500 Stück Aktien Caviar Creator Inc. zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, es habe zwischen ihr und der Zeugin B. kein Auskunfts- oder Beratungsvertrag bestanden. Die insoweit von der Rechtsprechung für Bankberater, selbstständige Anlageberater und Kapitalvermittlungsgesellschaften entwickelten Rechtsgrundsätze seien nicht anwendbar, wenn - wie hier - der Emittent seine eigenen Aktien zum Kauf anbiete.

Die Beklagte hat behauptet:

Der Klägerin habe am 28. August 2004, als sie den Zeichnungsschein über die 10.000 Aktien unterzeichnet habe, der Emissionsprospekt über die zweite Tranche vorgelegen. Denn in der Regel hätten sich die Zeichnungsscheine hinten in diesem Prospekt befunden. Außerdem habe die Zeugin B. durch ihre Unterschrift auf dem Zeichnungsschein vom 28. August 2008 auch bestätigt, den Prospekt erhalten, gelesen und verstanden zu haben. Dieser Prospekt habe sie über sämtliche Risiken der getätigten Kapitalanlage zutreffend informiert. Hiervon abweichende Erklärungen habe der Zeuge R. gegenüber der Klägerin nicht abgegeben.

Schließlich sei der Zeugin B. auch kein Schaden entstanden, weil die von ihr gezeichneten Aktien nach wie vor werthaltig seien.

Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme (Vernehmung der Zeugen B. und R.) stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Beklagte hafte als Emittentin nach den Grundsätzen der uneigentlichen Prospekthaftung. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe aufgrund der glaubhaften Aussage der Zeugin B. fest, dass der Zeuge R. die Zeugin B. nicht darüber aufgeklärt habe, dass die Aktien praktisch nicht verkäuflich seien. Es stehe auch fest, dass der Zeugin B. am 28. August 2004 der Emissionsprospekt der Beklagten nicht vorgelegen habe.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts seien auf die vorliegende Fallgestaltung die Grundsätze der uneigentlichen Prospekthaftung nicht anwendbar. Darüber hinaus seien aber auch die Voraussetzungen dieser Haftung nicht gegeben.

Da sie als Emittentin ihre eigenen Aktien verkauft habe, sei das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass auch die Grundsätze zur Haftung von Anlagevermittlern nicht anwendbar seien, weil zwischen ihr und der Zeugin B. weder ein Berater- noch ein Vermittlervertrag bestanden habe.

Schließlich sie auch die Beweiswürdigung des Landgerichts fehlerhaft, weil die Aussage der Zeugin B. nicht glaubhaft sei. Die Zeugin B. habe die gleiche Anzahl von Aktien wie ihr Arbeitgeber H. gezeichnet. Da ihrem Arbeitgeber H. zum Zeitpunkt seiner Zeichnung der Emissionsprospekt vorgelegen habe, spreche alles dafür, dass H. der Zeugin B. unter Vorlage dieses Prospekts empfohlen habe, ebenfalls ihre, der Beklagten, Aktien zu erwerben. Insoweit habe das Landgericht der Aussage des Zeugen R. auch zu Unrecht einen Beweiswert abgesprochen.

Zu Unrecht habe das Landgericht angenommen, dass der Zeugin B. zum Zeitpunkt der Zeichnung der 10.000 Aktien der Emissionsprospekt nicht vorgelegen habe. Insoweit habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass der Zeuge R. bestätigt habe, dass die Originalzeichnungsscheine in den Emissionsprospekten enthalten gewesen seien. Hieraus folge nämlich, dass der Zeugin B. per Post ein Emissionsprospekt mit dem Originalzeichnungsschein per Post zugesandt worden sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage

abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger macht sich die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils zu Eigen und wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hafte die Beklagte jedoch auch nach den Rechtsgrundsätzen zur fehlerhaften Anlageberatung beziehungsweise fehlerhaften Anlagenvermittlung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache erfolglos. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Beklagte sich gegenüber der Zeugin B. aus Verschulden bei Vertragsschluss schadensersatzpflichtig gemacht hat, demzufolge sie die Zeugin so stellen muss, als hätte diese keine Vorzugsaktien der Beklagten erworben.

A.

Der Bundesgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass zwischen denjenigen, die als Kapitalanlagevermittler Kapitalanlagen verkaufen, und den von ihnen geworbenen Anlageinteressenten konkludent ein Auskunftsvertrag zustande kommt.

Aufgrund dieses Auskunftsvertrages ist die Anlagevermittlungsgesellschaft zu richtiger und vollständiger Information über die spezifischen Risiken einer beworbenen Kapitalanlage verpflichtet, wenn sie ungewöhnliche Anlagegeschäfte, die mit besonderen, über das übliche Maß hinausgehenden Risiken behaftet sind, vermittelt. Hierbei muss sie die von ihr geworbenen Kunden über die wirtschaftlichen Zusammenhänge und Risiken des Geschäfts aufklären. Diese Grundsätze gelten sowohl für Börsentermingeschäfte als auch für die Vermittlung von hochspekulativen Aktien. Nach diesen Grundsätzen hat der Vermittler solcher Geschäfte dem potentiellen Kunden ein zutreffendes Bild von den Gefahren und Chancen der vermittelten Geschäfte in der Weise zu verschaffen, dass der Kunde seine Investitionsentscheidung sachgerecht treffen kann. Dabei muss die Darstellung der Nachteile und Risiken zutreffend, vollständig, gedanklich geordnet und auch von der Gestaltung her geeignet sein, einem unbefangenen Kunden einen R.istischen Eindruck von den Eigenarten und Risiken solcher Geschäfte zu vermitteln. (BGH NJW 2005, 1784; BGH NJW-RR 2003, 1351; BGHZ 158, 110; BGH WM 2000, 426; BGH WM 2002, 1456; BGH WM 1982, 90; BGH WM 1993, 1238; BGH ZIP 1998, 1389).

Umfang und Intensität der Informationspflicht richten sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls. Dazu gehört die Gesamtsituation, wie sie sich bei der einzelnen Anlageentscheidung darstellt. Abzustellen ist auch auf die Geschäftserfahrung und den konkreten Kenntnisstand des Anlageinteressenten.

Für den hier vorliegenden Fall des Verkaufs nicht börsennotierter Aktien muss der Vermittler unter anderem auf die erschwerte Handelbarkeit dieser Wertpapiere hinweisen, sowie darauf, dass sich daran voraussichtlich nur dann etwas ändern wird, wenn ein Börsengang gelingt (OLG Oldenburg ZIP 2002, 2252 sowie OLG München 20 U 1954/07).

Dieselbe Aufklärungspflicht traf im vorliegenden Fall die Beklagte, denn der Umstand, dass die Zeugin B. nicht über einen Vermittler oder über eine Kapitalanlagegesellschaft, sondern direkt von der Beklagten die Vorzugsaktien gekauft hat, rechtfertigt keine andere rechtliche Bewertung, wobei es im Ergebnis dahinstehen kann, ob auch zwischen der Zeugin B. und der Beklagten konkludent ein Auskunftsvertrag zustande gekommen ist, oder ob die Aufklärungspflicht der Beklagten in dieser Fallgestaltung eine vorvertragliche Nebenpflicht des abgeschlossenen Kaufvertrages gewesen ist.

Dieses Ergebnis ist sachgerecht, weil die rechtsdogmatischen Überlegungen, die den Bundesgerichtshof dazu bewogen haben, eine vertragliche Aufklärungspflicht der Kapitalvermittler anzunehmen, auch für die hier vorliegende Fallgestaltung des Vertriebs der eigenen Vorzugsaktien gelten.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 83, 222) sind die Rechtsgrundsätze, wonach Vertreter und Sachwalter beim Vertrieb von Kapitalanlagen für Verschulden bei Vertragsschluss haften, wenn sie für ihre Person Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen beeinflusst haben, im Interesse eines rechtlich gebotenen Kapitalanlegerschutzes geboten. Die wirtschaftliche Bedeutung und das Verlustrisiko sowie die Tatsache, dass der Interessent im Gegensatz zum Vermittler selbst keine oder nur geringe Überprüfungsmöglichkeiten hat, rechtfertigen dieses Ausmaß der Aufklärungspflicht (BGH WM 1982, 90).

Ausgehend von dieser Ratio der BGH-Rechtsprechung kann es hinsichtlich der Frage, ob und in welchem Umfang der Anlageinteressent über die Risiken der vertriebenen Kapitalanlage aufgeklärt werden muss, nicht davon abhängen, ob der Emittent der Aktien sich für den Vertrieb seiner Aktien eines Vermittlers bedient, oder ob er den Vertrieb selbst in die Hand nimmt. Denn auch beim Vermittler weiß der Anleger, dass in dem Anlagegespräch der werbende und anpreisende Charakter im Vordergrund steht. Andererseits muss er davon ausgehen, dass er beim Kauf vom Emittenten von diesem besonders zuverlässige Informationen aus erster Quelle erhalten kann, der Emittent somit bestens geeignet ist, die mit der Anlage verbundenen tatsächlichen Risiken bis ins Detail zu überblicken. Wenn und soweit der Erwerb der Aktien mit besonderen Risiken und Gefahren verbunden ist, die dem Verkäufer bekannt sind, kann der Käufer daher erwarten, dass der Verkäufer ihm diese Risiken ebenso ungefragt offenbart wie jeder Verkäufer beispielsweise auch ihm bekannte schwerwiegende Sachmängel einer Kaufsache ungefragt offenbaren muss.

Diese Auffassung des Senats steht in Einklang mit der gefestigten Rechtsprechung des 6. Senats des Oberlandesgerichts, der den Emittenten beim Vertrieb der eigenen Aktien ebenfalls in der Pflicht sieht, geworbene Anlageinteressenten über die grundlegenden Risken aufklären zu müssen (vgl. 6 U 121/04, 6 U 163/04 und 6 U 195/04).

Der hiergegen von der Beklagten im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 19. März 2009 erhobene Einwand, diese vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze seien auf den Unternehmenskauf nicht anwendbar, verfängt nicht, weil es bei dem Kauf der hier in Rede stehenden Vorzugsaktien nicht darum ging, die Zeugin B. dafür zu gewinnen, als Unternehmerin bei der Beklagten einzusteigen. Dies belegt bereits der Umstand, dass sie lediglich Vorzugsaktien erworben hatte, sie mit dem Kauf der Aktien somit keine Möglichkeit erwerben konnte, Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen der Beklagten nehmen zu können.

Soweit - wie im vorliegenden Fall - Unternehmensbeteiligungen ausschließlich mit dem Ziel der Kapitalanlage angeboten werden und sie ausschließlich dazu dienen sollen, der Aktiengesellschaft Kapital zu beschaffen, sind die Grundsätze über den Vertrieb von Kapitalanlagen und nicht die Grundsätze zum Unternehmenskauf einschlägig. Folgerichtig ist auch der Bundesgerichtshof ist in seinen Entscheidungen BGH WM 2005, 1166, BGH ZIP 2005, 759 und BGH ZIP 2005, 753 ohne weiteres davon ausgegangen, dass die beklagten Gesellschaften, die Anleger dafür gewonnen haben, mit ihnen stille Gesellschaften zu gründen, eine umfassende Aufklärungspflicht über die Risiken und Nachteile dieser Kapitalanlage hatten.

B.

Zu Recht hat das Landgericht die erstinstanzlich erhobenen Beweise dahin gewürdigt, dass der Kläger nachgewiesen hat, dass die Beklagte die Zeugin B. vor dem Kauf der 10.000 Vorzugsaktien nicht darüber aufgeklärt hat, dass diese Aktien nicht beziehungsweise allenfalls sehr schwer wieder zu veräußern sind, weil der Zeuge R. hierauf im Verkaufsgespräch nicht hingewiesen hatte und der Zeugin zum Zeitpunkt dieses Kaufs auch der Emissionsprospekt der Beklagten nicht vorlag. Soweit die Beklagte mit ihrer Berufung diese erstinstanzliche Beweiswürdigung angreift, rechtfertigt ihr Vorbringen keine vom Landgericht abweichende Entscheidung.

Die dahingehenden Bekundungen der Zeugin B. hat das Landgericht zu Recht für glaubhaft gehalten. Zwar hat die Zeugin B. ein sehr starkes eigenes wirtschaftliches und persönliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits, weil sie wirtschaftlich die Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits ist. Die Gesamtumstände bestätigen jedoch, dass die beiden oben genannten von ihr bekundeten Tatsachen in der Sache zutreffen.

Es steht nämlich fest, dass der Zeuge R. die Zeugin B. nicht über die Risiken des von ihm beworbenen Aktienkaufs aufgeklärt hat. Der Zeuge R. war unstreitig für die Beklagte nicht als "Opener" tätig, das heißt, es gehörte nicht zu seinen Aufgaben, neue Käufer für die Vorzugsaktien zu suchen. Er war vielmehr als "Loader" tätig, das heißt, seine Aufgabe bestand darin, Aktionäre, die bereits Vorzugsaktien erworben hatten, dafür zu gewinnen, weitere Aktien zu zeichnen. Diejenigen, die erstmals für den Kauf der Aktien geworben wurden, sollten nach der Betriebsorganisation der Beklagten in erster Linie durch Übersendung des Emissionsprospekts über die Risiken dieses Geschäfts belehrt werden. Weil der Zeuge R. im Regelfall Vorzugsaktien an Personen verkauft hat, die bereits Aktionäre der Beklagten waren, ist er bei den von ihm geführten Verkaufsgesprächen daher davon ausgegangen, dass seine Gesprächspartner bereits vor dem ersten Aktienkauf hinreichend über die Risiken aufgeklärt worden sind. Folgerichtig gab es aus seiner Sicht keinen Anlass mehr, die Risiken des Aktienkaufs erneut zu thematisieren. Vor diesem Hintergrund ist die Bekundung der Zeugin B., der Zeuge R. habe ihr nicht gesagt, dass die Vorzugsaktien vor dem Börsengang praktisch unverkäuflich sind, plausibel und nachvollziehbar.

Die Beklagte hat nicht plausibel und nachvollziehbar dargetan, dass sie der Zeugin B. vor dem Kauf der 10.000 Aktien den Emissionsprospekt übersandt hat. Zwar obliegt es im Ausgangspunkt dem Kläger nachzuweisen, dass die Zeugin B. zu diesem Zeitpunkt noch nicht über den Prospekt verfügte. Weil es sich hierbei jedoch um eine sogenannte Negativtatsache handelt, kann die Beklagte sich nicht darauf beschränken, schlicht das Gegenteil zu behaupten. Vielmehr muss sie substantiiert darlegen, wann, wo und wie die Zeugin B. den Prospekt erhalten haben soll (vgl. BGH WM 2006, 1288).

Dieser gesteigerten Darlegungslast genügt das Vorbringen der Beklagten auch im Berufungsrechtszug nicht. Ihre Behauptung, zum Zeitpunkt der Zeichnung habe dem Aktionär H. der Emissionsprospekt vorgelegen und dieser Aktionär habe diesen Prospekt an die Zeugin B. vor dem Kauf der 10.000 Aktien weitergeleitet, ist reine Mutmaßung und Spekulation. Entgegen ihrer Darstellung hat der Zeuge R. diesen Sachverhalt auch nicht bestätigt. Der Zeuge R. hatte nach eigenem Bekunden keine konkrete Erinnerung mehr an das mit der Zeugin B. geführte Verkaufsgespräch und konnte deswegen nicht einmal bestätigen, dass die Zeugin B. vor Zeichnung der hier in Rede stehenden 10.000 Vorzugsaktien überhaupt wusste, dass ihr Arbeitgeber H. bereits Aktionär der Beklagten war.

Die Beklagte beruft sich des Weiteren darauf, dass dem Emissionsprospekt ein Zeichnungsformular beigefügt war, das im Regelfall von den Neukunden für die Zeichnung benutzt wurde. Hieraus lassen sich jedoch für den vorliegenden Fall keine Schlussfolgerungen ableiten. Weil der Zeuge R. nur unter den Aktionären für den Kauf weiterer Aktien geworben hatte, haben die von ihm geworbenen Kunden beim Kauf von weiteren Vorzugsaktien nicht den Zeichnungsschein aus dem Prospekt für ihre weitere Zeichnung verwendet, denn dieses Formular hatten sie ja bereits für ihre Erstzeichnung verwendet. Hieraus folgt, dass der Zeuge R. den von ihm geworbenen Kunden einen neuen Zeichnungsschein zukommen lassen musste. Einen Anlass, diese Zeichnungsscheine wiederum zusammen mit dem Emissionsprospekt zu versenden, hatte der Zeuge nicht, weil die von ihm geworbenen Käufer schon über diesen Prospekt verfügten. Weil die Zeugin B. ihren Zeichnungsschein ebenfalls vom Zeugen R. erhalten hatte, ist es mithin plausibel und nachvollziehbar, dass ihr der Zeuge R. ebenfalls nur einen Zeichnungsschein ohne Emissionsprospekt hat zukommen lassen. Der Umstand, dass die Beklagte der Zeugin B. unstreitig am 31. August 2004 ein Exemplar des Emissionsprospekts übersandt hat, spricht indiziell ebenfalls dafür, dass dieser Prospekt der vom Zeugen R. veranlassten Zusendung des Zeichnungsscheins nicht beigefügt war.

Somit ist schon nach dem Sach- und Streitstand im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Zeugin B. den Emissionsprospekt nicht in Händen hatte, als sie die Vorzugsaktien zeichnete.

Soweit die Beklagte erstmals (und ohne Beweisantritt) im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 19. März 2009 behauptet, sie habe ohne Prospekt keine Zeichnungsscheine in Umlauf gebracht, gibt dies dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Dieses Vorbringen steht zum einen im Widerspruch zum erstinstanzlich von der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 10. Dezember 2007 gehaltenen Sachvortrag, wonach sich die Zeichnungsscheine nur in der Regel hinten im Prospekt befunden haben sollen. Zum anderen hat die Beklagte auch in diesem Schriftsatz nicht plausibel und nachvollziehbar dargetan, wie sie sichergestellt haben will, dass keine Zeichnungsscheine ohne Prospekt versandt worden sind.

Diese Umstände belegen zugleich, dass die Aussage der Zeugin B., sie habe vor der ersten Zeichnung von der Beklagten keinen Emissionsprospekt erhalten, ebenfalls glaubhaft ist.

Vor diesem tatsächlichen Hintergrund kann auch dem formularmäßig vorgedruckten Text auf den Zeichnungsscheinen, wonach der jeweilige Unterzeichner bestätigt, den Emissionsprospekt erhalten, gelesen und verstanden zu haben, kein maßgeblicher Beweiswert für die Behauptung der Beklagten beigemessen werden, die Zeugin B. habe vor Zeichnung einen Prospekt in Händen gehalten. Zu Recht hat das Landgericht diese Erklärung zudem wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 12b BGB als unwirksam angesehen.

D.

Die übrigen anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Schadensersatzes wegen Verschuldens bei Vertragsabschluss sind ebenfalls gegeben.

I.

Steht die Pflichtverletzung wegen unzureichender Aufklärung fest, kann der Geschädigte verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne das schuldhafte Verhalten gestanden hätte (Ersatz des Vertrauensschadens). In diesem Zusammenhang spricht eine Vermutung beziehungsweise ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Betroffene bei sachgerechter Risikoaufklärung den Vertrag nicht abgeschlossen hätte (BGH ZIP 1998, 1389; BGH NJW-RR 1988, 831; BGH NJW 1001, 1108). Denn nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass die in einem wesentlichen Punkt unvollständige Auskunft ursächlich für die Anlageentscheidung geworden ist. Die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Kausalität liegt beim Aufklärungspflichtigen (BGH NJW 1992, 228).

II.

Der Umstand, dass die Zeugin B. noch vor Ablauf der Widerrufsfrist ihrer Zeichnung den Emissionsprospekt erhalten hat, steht diesem Schadensersatzanspruch nicht entgegen. Bei der Möglichkeit der Kenntnisnahme vor der Anlageentscheidung ist die Widerrufsfrist nämlich nicht zu berücksichtigen. Das Widerrufsrecht soll vor vertraglichen Bindungen schützen, die der Verbraucher möglicherweise übereilt und ohne gründliche Abwägung des Für und Wider eingegangen ist. Dies setzt aber voraus, dass er vor Beginn der Widerrufsfrist sämtliche maßgebenden Informationen für seine Anlageentscheidung kennt, um sich in Ruhe nochmals die Vor- und Nachteile des Geschäfts durch den Kopf gehen lassen zu können. Demgegenüber bezweckt die Frist nicht, dem Anleger erstmals die Möglichkeit einzuräumen, sich die für die Anlageentscheidung notwendigen Informationen zu verschaffen. Deswegen muss die Aufklärung vor dem Vertragsschluss erfolgen (so OLG Karlsruhe VersR 2007, 994).

III.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dieser Anscheinsbeweis nicht dadurch erschüttert, dass die Zeugin B., nachdem sie den Emissionsprospekt erhalten hatte, weitere 1.500 Vorzugsaktien gekauft hat. Denn dies beweist nicht, dass sie die 10.000 Aktien auch dann gekauft hätte, wenn sie vor dem Kauf über die praktische Unverkäuflichkeit dieser Aktien aufgeklärt worden wäre. Diese Schlussfolgerung wäre nämlich allenfalls dann gerechtfertigt, wenn feststünde, dass die Zeugin B. vor dem Kauf der 1.500 Aktien tatsächlich den Emissionsprospekt gelesen und die darin enthaltene diesbezügliche Risikoaufklärung auch zur Kenntnis genommen hatte. Dass dies der Fall gewesen ist, behauptet jedoch selbst die Beklagte nicht. Da der Zeugin B. der Prospekt auch nicht mit einem Hinweis darauf übersandt worden ist, dass sich hierin wichtige Informationen über die Risiken des Kaufs von Vorzugsaktien befinden (das beigefügte Anschreiben Anlage K 3 enthält keinen dahingehenden Hinweis) besteht auch kein Anhalt, anzunehmen, dass die Zeugin B. diesen Werbeprospekt tatsächlich umgehend nach Erhalt studiert hat. Hierzu bestand nämlich aus ihrer Sicht kein Anlass, da sie dieses beworbene Finanzprodukt ja schon zuvor gekauft hatte.

Hieraus folgt zugleich, dass sich der Schaden der Zeugin B. auch auf ihre Investitionsentscheidung, weitere 1500 Vorzugsaktien zu kaufen, erstreckt. Denn bei dieser Investitionsentscheidung handelt es sich um einen Folgeschaden, der ebenfalls durch die zuvor dargestellte Aufklärungspflichtverletzung mitverursacht worden ist.

Nachdem die Zeugin noch am Tag des ersten Anrufs die große Investitionsentscheidung (Kauf von 10.000 Vorzugsaktien) auf unzureichender Informationsgrundlage getroffen hatte, war sie durch die Werbung des Zeugen R. befangen, in der die spezifischen Risken, insbesondere die praktische Unverkäuflichkeit der Aktien, mit keinem Wort erwähnt wurde. Auf der Grundlage dieser Werbung hatte sie sich mit ihrer ersten großen Investition bereits in der Grundentscheidung für diese Anlage festgelegt, so dass ihr eine kritische Distanz zu dieser Anlage auch bei der Nachinvestition fehlte.

Deswegen hat bereits das OLG Karlsruhe (VersR 2007, 994) zu Recht entschieden, dass ein die Risiken aufzeigender Prospekt zuvor mündlich im Beratungsgespräch vorgekommene Verharmlosungen nicht mehr ausgleichen vermag. Dies gilt jedenfalls so lange, wie kein Hinweis darauf erfolgt, dass die Einzelheiten der Anlage hinsichtlich der Risiken im Prospekt nachzulesen sind.

Auch insoweit gibt der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 19. März 2009 keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Ob die Beklagte nach Erhalt des per Fax am 27. August 2004 gesendeten unterschriebenen Zeichnungsscheins oder nach Eingang des am 28. August 2004 unterschriebenen Zeichnungsscheins ohne schuldhaft zu handeln davon ausgehen durfte, dass der Zeugin B. zum Zeitpunkt ihrer Unterschriftsleistungen der Emissionsprospekt vorgelegen hat, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits bedeutungslos, denn die der Beklagten angelastete Pflichtverletzung besteht nicht darin, der Zeugin B. den Prospekt nicht rechtzeitig übersandt zu haben, sondern darin, die Zeugin vor ihrer Unterschriftsleistung nicht über die spezifischen Risiken dieser Kapitalanlage aufgeklärt zu haben. Um dieser Aufklärungspflicht zu genügen, war die rechtzeitige Übersendung des Prospekts nur eine Möglichkeit unter vielen anderen, so dass es unerheblich ist, ob es auf einem Organisationsverschulden der Beklagten beruht, dass der Zeugin B. zu diesem Zeitpunkt der Prospekt nicht vorgelegen hat.

IV.

Schließlich steht dem Schadensersatzanspruch auch nicht entgegen, dass die Vorzugsaktien möglicherweise selbst heute noch einen Wert haben, der zumindest dem gezahlten Kaufpreis entspricht. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, ist der Zeugin B. ein Schaden jedenfalls dadurch entstanden, dass sie Aktien erworben hat, die mit besonderen Risiken verbunden sind und deswegen nicht ihren persönlichen Wert- und Risikovorstellungen entsprechen (vgl. OLG Oldenburg ZIP 2002, 2252 sowie BGHZ 111, 213).

E.

Auch das sonstige neue Vorbringen der Beklagten im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 19. März 2009 gibt dem Senat keinen Anlass die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

Der neue Vortrag, die Zeugin B. habe im September 2008 6.000 Vorzugsaktien auf den Bauunternehmer H. übertragen, beeinträchtigt den auf Rückabwicklung der Kaufverträge gerichteten Schadensersatzanspruch der Zeugin nicht. Hieraus folgt nicht einmal - wie die Beklagte fälschlicherweise annimmt -, dass die Zeugin beziehungsweise der Kläger nicht imstande sind, die verkauften Vorzugsaktien zurückzugeben. Dies wäre vielmehr nur dann der Fall, wenn der Bauunternehmer H. nicht bereit wäre, diese Aktien wieder zurückzuübertragen. Dass dies der Fall ist, behauptet die Beklagte indes nicht.

Die Beklagte behauptet auch nicht, dass die Zeugin B. im Zuge der Übertragung vom Bauunternehmer H. eine Gegenleistung erhalten hat, die den ihr entstandenen Schaden gegebenenfalls hätte mindern können

Da der Zeugin B. somit der zuerkannte Schadensersatzanspruch auch dann weiterhin besteht, wenn das neue Vorbringen der Beklagen in der Sache zutreffen sollte, ist der Kläger auch weiterhin noch Inhaber dieses Schadensersatzanspruchs, den er von der Zeugin B. im Wege der Abtretung im Juni 2007 rechtswirksam erworben hat.

F.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Ein Anlass, zugunsten der Beklagten Revision zuzulassen, besteht nicht, § 543 Abs. 2 ZPO.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 36.115,70 €.

Ende der Entscheidung

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