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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 05.09.2007
Aktenzeichen: I-18 U 209/06
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 475 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 24.11.2006 verkündete Urteil der Vorsitzenden der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf (39 O 1/06) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht als verpflichtet angesehen, vollen Schadensersatz für die zweite, am 30.12.2004 nicht bei der Empfängerin "R." abgelieferte Palette zu leisten. Das folgt aus § 475 Satz 1 HGB i.V.m. § 10 Abs. 1 des Vertrages vom 23.06.2000 zwischen der Beklagten und der Versicherungsnehmerin der Klägerin.

1.

Die Auslegung des Landgerichts, welches in der "Differenzmeldung" der Beklagten vom 31.01.2005 in Verbindung mit dem vorangegangenen Telefax der Versicherungsnehmerin vom 28.01.2005 und der nachfolgenden ADSp-basierten Zahlung vom 10.11.2005 ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis gesehen hat (und nicht nur, wie die Beklagte in der Berufung selbst einräumt, ein zur Umkehr der Beweislast führendes "Zeugnis gegen sich selbst"), ist nicht zu beanstanden.

Dabei braucht nicht entschieden zu werden, ob für die "Differenzmeldung" allein die Einordnung als bloßes "Zeugnis gegen sich selbst" zutreffend wäre. Das änderte sich jedenfalls durch die nachfolgende vorbehaltlose Zahlung. Diese in Verbindung mit der vorausgegangenen Korrespondenz hatte den objektiven Erklärungsinhalt, dass die Beklagte sich für den Schaden haftbar sah und vertragsgemäß für ihn aufkommen wollte. Anders war diese Zahlung nicht verständlich.

Keine Bedeutung hat es in diesem Zusammenhang, dass die in der "Differenzmeldung" mittels Ankreuzen und Durchstreichen angegebene Schadensursache "Verlust am Lager der Empfangsstation" nicht zutreffend war, war "Empfangsstation" im Rahmen der hier interessierenden Versendung doch der R.-Markt. Eine auf den vorliegenden Fall zutreffende Rubrik "Verlust bei Übergabe an den Abholer" o.ä. ist in dem Formular überhaupt nicht vorhanden. Auch die so begründete Unklarheit wurde durch die vorbehaltlose Zahlung in dem Sinne gelöst, dass ein von der Beklagten zu verantwortendes Ereignis vorlag und die Beklagte haften wollte.

Nach alledem kann schließlich offen bleiben, ob die "Differenzmeldung" tatsächlich nicht unterschrieben ist, wie die Beklagte ohne Widerspruch durch die Klägerin rügt, oder ob die als "St" mit anschließendem Strich lesbare Zeichenfolge in der Unterschriftszeile, augenscheinlich in derselben Handschrift wie die drei Datumseintragungen, nicht doch die Unterschrift eines Vertreters der Beklagten (z.B. der mit dem Telefax der Versicherungsnehmerin angesprochenen Frau S.) ist. Ein Schriftformerfordernis für deklaratorische Schuldanerkenntnisse besteht nicht, und die anschließend Zahlung der Beklagten schloss auch die Möglichkeit aus, dass die "Differenzmeldung" als bloßer Entwurf o.ä. ohne entsprechenden Erklärungswillen abgesandt worden sein könnte.

2.

Die Beklagte haftet für den Schaden unbeschränkt. Eine gesetzlich Haftungsgrenze ist im Recht des Lagervertrages nicht gegeben (s. § 475 BGB). Die Beschränkung aus § 10 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages vom 23.06.2000 greift gemäß Ziff. 27.1 ADSp nicht ein.

a)

Gemäss Ziff. 27.1 ADSp in der zum Schadenszeitpunkt (Dezember 2004) geltenden Fassung gelten die Haftungsbeschränkungen zum einen dann nicht, wenn der Lagerhalter oder einer seiner leitenden Angestellten den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass im vorliegenden Fall davon auszugehen ist, dass der Verlust der Palette auf einem groben Mangel der Lagerorganisation beruht, weil die Beklagte ihrer Einlassungsobliegenheit nicht hinreichend nachgekommen ist; auch in der Berufung geschieht dies nicht und wird nicht einmal in Aussicht gestellt.

Die Beklagte bietet vielmehr lediglich an, allgemein ihre Lagerorganisation zu schildern. Dies genügt indes nicht, um der sekundären Darlegungslast zu genügen. Hierzu wäre es vielmehr notwendig, im Einzelnen darzulegen, welche konkreten organisatorischen Maßnahmen sie durchgeführt hat, um sicherzustellen, dass bezogen auf die konkret hier in Rede stehende Palette die nach der Betriebsorganisation vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen tatsächlich auch ergriffen und die danach vorgesehenen Kontrollen auch tatsächlich durchgeführt wurden. Konkrete, auf die hier in Rede stehende Palette bezogene Sicherungskontrollen tut die Beklagte demgegenüber nicht einmal ansatzweise dar; irgendetwas zum Schicksal und Verbleib gerade dieser Palette beitragen, kann sie nach eigener Angabe nicht.

b)

Gemäß Ziff. 27.1 ADSp geltend die Haftungsbeschränkungen ferner dann nicht, wenn der Schaden auf der Verletzung einer vertragswesentlichen Pflicht beruht. Auch diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben. Denn die Beklagte hat schuldhaft eine vertragswesentliche Pflicht verletzt. Beim Lagervertrag stellt die Verpflichtung zur Herausgabe des Lagergutes eine vertragswesentliche Hauptpflicht dar (vgl. BGH VersR 1988, 1049; Senat 25.10.2006 - I-18 U 68/06 -). Ihre Verpflichtung zur Herausgabe der eingelagerten Palette hat die Beklagte schuldhaft verletzt, da ihr die Erfüllung dieser Pflicht unmöglich geworden ist.

Die Beklagte argumentiert in diesem Zusammenhang ohne Erfolg, dass überhaupt nicht von einem Verlust aus ihrem Lagerhaltergewahrsam ausgegangen werden könne, weil die Palette dann, wenn sie nicht dem Abholer übergeben wurde, sich noch in ihrem Lager befinden müsse. Die dritte Möglichkeit besteht darin, dass die Palette aus dem Lager abhanden gekommen ist, sei es im Zusammenhang mit der vorgesehenen Auslagerung, sei es schon früher. Von dieser dritten Möglichkeit ist auch auszugehen, denn die Beklagte hat die Palette weder unmittelbar nach der Reklamation noch zu einem späteren Zeitpunkt der Versicherungsnehmerin zur Verfügung gestellt. Weder hat sie nach zeitnahen Nachforschungen ein Wiederauffinden gemeldet, noch ist ersichtlich, dass im Rahmen einer späteren Inventur bzw. der endgültigen Lagerauflösung eine Palette "Ramazotti" mehr als buchmäßig verzeichnet körperlich vorhanden gewesen wäre.

3.

Es trifft schließlich nicht zu, dass Ersatz für die fragliche Palette schon im Rahmen der Verfahren I-18 U 68/06 und I-18 U 54/06 vor dem Senat begehrt worden wäre. In den beiden genannten Verfahren ging es um Inventurdifferenzen zum 30.06.2004. Der hier zu beurteilende Sachverhalt spielt demgegenüber erst im Dezember 2004.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Insbesondere weicht die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses im vorliegenden Fall nicht von der Rechtsprechung des BGH aus seinem Urteil vom 01.12.2005 - I ZR 284/02 - ab. Ungeachtet der Unterschiede im Sachverhalt, hatte der BGH dort ohnehin nur darüber zu befinden, ob die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung einer Teilzahlung als "Zeugnis des Schuldners wider sich selbst" möglich war, nicht aber darüber, ob darin sogar ein Forderungsanerkenntnis hätte gesehen werden können. Das Urteil des OLG Zweibrücken vom 27.05.1997 (NJW-RR 1997, 1316) betrifft eine gänzlich andere Konstellation.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 7.559,95 €

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