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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 27.09.2006
Aktenzeichen: I-18 U 61/06
Rechtsgebiete: HGB, BGB, ZPO


Vorschriften:

HGB § 425 Abs. 2 a
HGB § 429 Abs. 3 Satz 2
HGB § 435
BGB § 254
BGB § 254 Abs. 1
BGB § 254 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 287
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird auf die Berufung der Beklagten das am 23.02.2006 verkündete Urteil 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.897,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. Juli 2005 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 15 % und die Beklagte zu 85 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 13 % und der Beklagte zu 87 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt als Transportversicherungsassekuradeur der Firma h. in M. (im Folgenden: Fa. h.) die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, aus übergegangenem und abgetretenem Recht wegen Verlust von Transportgut in 2 Fällen Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Beklagte führte für die Fa. h., mit der sie in laufender Geschäftsbeziehung stand, den Transport von Paketsendungen zu fest vereinbarten Preisen im Wege der Sammelladung durch. Die Fa. h. ist als Versenderin von Paketen Großkundin der Beklagten und nimmt bei der Abwicklung der Paketversendung an dem sog. EDI-Verfahren der Beklagten teil.

Im Fall 1 beauftragte die Fa. h. die Beklagte am 04.03.2004 mit dem Transport einer aus zwei Paketen bestehenden, nicht wertdeklarierten Sendung zur Firma A. GmbH in S. Eins der beiden Pakete geriet im Obhutsgewahrsam der Beklagten in Verlust.

Die Klägerin hat behauptet, die Sendung habe 100 Mobiltelefone im Wert von 24.370 € enthalten. In dem in Verlust geratenen Paket hätten sich 50 Mobiltelefone der Marke P. befunden. Das andere Paket, in welches 50 S. E.-Handies verpackt gewesen seien, sei beschädigt abgeliefert worden; hier habe ein Handy gefehlt. Insgesamt sei ein Schaden von 12.639 € entstanden. Abzüglich von der Beklagten außergerichtlich geleisteten 510 € ergebe sich daher ein Restschaden von 12.129 €.

Im Fall 2 beauftragte die Fa. h. die Beklagte am 04.02.2004 mit dem Transport einer aus drei bestehenden, nicht wertdeklarierten Sendung zur Firma A. in R. Die Sendung geriet im Obhutsgewahrsam der Beklagten in Verlust.

Die Klägerin hat behauptet, die Sendung habe 100 Mobiltelefone im Wert von 13.080 € enthalten. Abzüglich von der Beklagten außergerichtlich geleisteten 510 € ergebe sich daher ein Restschaden von 12.570 €.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ein Mitverschulden wegen unterlassener Wertdeklaration sei nicht gegeben, weil die Beklagte seit der flächendeckenden Einrichtung eines "Scannersystems" auf die Sonderbehandlung von sog. Wertpaketen verzichte. Die Behauptung der Beklagten, die Geschäftsbedingungen aus dem Jahre 2004 seien der Fa. h. bekannt gewesen oder ihr übergeben worden, sei ohne jegliche Substanz. Die Beklagte, die ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen des öfteren ändere, könne nicht erwarten, dass ihre Kunden regelmäßig im Internet überprüfen, ob die Beklagte wieder einmal ihre Bedingungen geändert habe. Die konkrete Angabe, wann die Beklagte welche Bedingungen der Fa. h. zur Kenntnis gegeben habe, sei von Bedeutung, weil in den übrigen Papieren der Beklagten jeweils nur auf "die" Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwiesen werde, ohne dass dies von der Beklagten auf bestimmte Ausgaben konkretisiert werde.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 24.699 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Aktivlegitimation der Klägerin in Abrede gestellt, den Paketinhalt und den Wert der Waren bestritten sowie ein Mitverschulden wegen unterlassener Wertdeklaration geltend gemacht und vorgetragen, ihre Allgemeinen Beförderungsbedingungen Stand 1/2004 seien Vertragsbestandteil.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, an die Klägerin 24.010 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 12.07.2005 zu zahlen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie bestreitet weiterhin die Aktivlegitimation der Klägerin, den Paketinhalt und den Wert der Waren und macht ein Mitverschulden wegen unterlassener Wertdeklaration geltend sowie ein Mitverschulden wegen unterlassenen Hinweises auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens. Sie behauptet, beim EDI-Verfahren werde die gleiche Sicherheit wie beim papiermässigen Frachtbriefversand gewährleistet.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Sie behauptet, die Fa. h. habe die der Beklagten zum Transport übergebenen Pakete ursprünglich wertdeklariert. Später habe die Fa. h. eine Transportversicherung eingedeckt; ein Kundendienstmitarbeiter habe ihr daraufhin erklärt, unter diesen Umständen sei eine Wertdeklaration gegenüber der Beklagten und damit eine zweite Transportversicherung nicht erforderlich; hieraufhin habe die Fa. h. auf eine Wertdeklaration verzichtet.

Wegen des Sachverhaltes im übrigen und der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf das angefochtene Urteil verwiesen sowie auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Die Akten 31 O 16/04 LG Düsseldorf waren informationshalber Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg. Der der Klägerin zustehende Schadensersatzanspruch ist gemindert, weil der Versender die Beklagte nicht darauf hingewiesen hat, dass der Wert der ihr übergebenen Sendungen jeweils 5.000 € übersteigt.

I. Die Klägerin ist Inhaberin der geltend gemachten Schadensersatzansprüche.

Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass die ausdrücklich oder konkludent erklärten Abtretungen gegen das RBerG verstoßen, hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht aufgezeigt (vgl. BGH, Urteil vom 01.12.2005, I ZR 85/04).

II.

Die Beklagte haftet für den unstreitig in ihrem Obhutsgewahrsam eingetretenen Verlust der ihr von der Fa. h. übergebenen Pakete aus den vom Landgericht genannten Gründen nach § 435 HGB unbeschränkt; dies steht zweitinstanzlich außer Streit.

III.

1.

Mit dem Landgericht ist aufgrund der Rechnungen vom 04.03.2004 (Fall 1, Anl. K 1.1, Bl. 9 GA) und vom 04.02.2004 (Fall 2, Anl. K 2.1, Bl. 20 GA) ein Anscheinsbeweis für einen entsprechenden Paketinhalt anzunehmen. Aus der Aussage des im Verfahren 31 O 16/04 LG Düsseldorf vernommenen Zeugen E. geht hervor, dass eine derartige Rechnung zugleich die Funktion eines Lieferscheins hatte. Nach dessen Aussage wurde die Rechnung (im Original) dem Paket beigefügt. Auch die beiden hier in Rede stehenden Rechnungen enthalten die Seriennummern der verpackten Geräte; dies belegt, dass die in den Rechnungen aufgeführten Waren tatsächlich die Versandabteilung des Verkäufers durchlaufen haben. Ein solches Papier mit Doppelfunktion wird ein Kaufmann ebenso wenig erstellen, wenn er nicht gleichzeitig die entsprechende Ware an seinen Kunden auf den Weg bringt, wie eine Rechnung nebst herkömmlichem Lieferschein. Wenn die Rechnung, wie hier, immer mit dem Paket mitläuft und die Ware begleitet, so ist ein zusätzlicher Lieferschein entbehrlich. Ein darüber hinausgehender Beweiswert könnte auch einem Lieferschein nicht beigemessen werden, so dass bei dieser Sachlage keine vernünftigen Zweifel an dem von der Klägerin behaupteten Paketinhalt verbleiben.

Die Aussage des Zeugen E. konnte verwertet werden. Das Landgericht hat die Parteien mit Beschluss vom 11. August 2005 auf die Aussage dieses Zeugen hingewiesen; der Senat hat die Akte des Verfahrens, in welchem der Zeuge vernommen wurde, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Einwendungen gegen die Verwertung der Aussage des Zeugen haben die Parteien nicht erhoben.

2.

Im Schadensfall 1, in welchem nur ein Teilverlust eingetreten ist, ist die nach § 287 ZPO vorgenommene Schadensschätzung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Bei insgesamt 100 in zwei Paketen verpackten, zum Versand anstehenden Mobiltelefonen entspricht es der Lebenswahrscheinlichkeit, dass die Telefone gleichmäßig auf die beiden Pakete verteilt und mithin in jedes der beiden Pakete jeweils 50 Telefone verpackt wurden. Dies gilt erst recht in einem Fall wie dem hier gegebenen, in welchem 50 Telefone von einem und 50 von einem anderen Hersteller stammen.

IV.

Da die in Verlust geraten Waren feststehen, ist hinsichtlich des Wertes der Telefone die - vorliegend von der Beklagte nicht widerlegte - Vermutung des § 429 Abs. 3 Satz 2 HGB einschlägig.

V.

Der der Klägerin zustehende Anspruch ist nicht aufgrund eines Mitverschuldens wegen fehlender Wertdeklaration nach § 425 Abs. 2 HGB gemindert.

Die Versenderin nimmt an dem OnLine Worldship- bzw. EDI-Verfahren der Beklagten teil. Es ist nicht ersichtlich, dass beim Versand im EDI-Verfahren die von der Beklagten behaupteten zusätzlichen Sicherungsvorkehrungen für Wertpakete eingreifen.

Bei diesem Verfahren obliegt es dem Versender, die Pakete selbst versandfertig zu machen und mit einer von der Beklagten zur Verfügung gestellten Hard- und Software mit einem U-Versandlabel zu versehen. Aus den vergebenen Versandlabeln erstellt die von der Beklagten zur Verfügung gestellte Hard- und Software eine Versandliste, aus der sich auch die vergebenen Paketnummern ersehen lassen. Wenn diese Versandliste geschlossen und ausgedruckt wird, werden die Daten dieser Versandliste automatisch per Datenfernübertragung zur Beklagten gesandt. Der Abholfahrer der Beklagten holt die für ihn bereit gestellten Pakete ab und unterzeichnet das erste Blatt dieser Versandliste, aus dem sich nur die Gesamtzahl der Pakete aufgeteilt nach den Versandarten ergibt.

Wie dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren (z.B. I-18 U 236/02) mit Beteiligung der Beklagten bekannt ist, tritt bei einem wie im vorliegenden Fall angewandten Online-Verfahren eine gesonderte Wertdeklaration weder auf der Übernahmequittung noch auf dem Aufkleber für das Paket in Erscheinung; die Versandliste mit den Einzeldaten, aus welcher evtl. eine Wertdeklaration ersichtlich ist, wird per Datenfernübertragung übermittelt und ist dem Abholfahrer nicht zugänglich. Deswegen vermag der Fahrer den Wert des Paketes nicht zu erkennen und weiß auch nicht, dass es sich um ein wertdeklariertes Paket handelt. Unter diesen Umständen wird dieses Paket - wie die Beklagte in einer Vielzahl anderer Berufungsverfahren eingeräumt hat - trotz erfolgter Wertdeklaration wie eine Standardsendung befördert, weil der Fahrer die Wertdeklaration nicht erkennen kann und das wertdeklarierte Paket nicht gesondert von den Standardsendungen im Abholfahrzeug lagert. Die Beklagte trägt nicht vor, dass bei einer nicht unterscheidbaren Vermischung von wertdeklarierten und nicht wertdeklarierten Paketen im Abholfahrzeug die wertdeklarierten Pakete im Abholcenter ausgesondert werden und in der Folgezeit eine gesonderte Behandlung erfahren.

Im EDI-Verfahren soll daher nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten ein wertdeklariertes Paket nur dann sorgfältiger als ein nicht wertdeklariertes Paket behandelt werden, wenn der Absender das wertdeklarierte Paket dem Abholfahrer gesondert übergibt.

Auch einem Kaufmann muss es sich nicht erschließen, dass er Wertpakete von Standardpaketen trennen und Wertpakete dem Abholfahrer der Beklagten gesondert übergeben muss, damit die Beklagte Wertpakete gesondert behandelt. Der Großversender, der an dem von der Beklagten entwickelten EDI-Verfahren teilnimmt, hat im Gegenteil für eine gesonderte Übergabe von Paketen keinerlei Veranlassung. Denn er muss mangels anderweitiger Information durch die Beklagte annehmen, dass die Beklagte die ihr übergebenen Pakete im Eingangscenter scannt, hierbei (auf der Grundlage der ihr übertragenen Daten) erkennt, dass sich unter den ihr übergebenen Paketen wertdekarierte befinden, und sie hiernach auch ohne weiteres Zutun des Versenders in der Lage ist, die wertdeklarierten Pakete besonders zu behandeln.

Unberechtigt ist der von der Beklagten in diesem Zusammenhang in anderen Verfahren gegenüber dem jeweiligen Versender erhobene Vorwurf, er würde Wertpakete unter anderen Standardsendungen verstecken. Im Gegenteil hat allein die Beklagte die Unkenntnis des Versenders von einer Notwendigkeit einer separaten Übergabe von Wertpaketen zu vertreten, weil sie ihn weder schriftlich (insbesondere nicht durch ihre Allgemeinen Beförderungsbedingungen oder durch andere Unterlagen) noch mündlich noch durch ihren Internet-Auftritt hierüber in Kenntnis setzt. Hiervon muss der Senat jedenfalls ausgehen, weil die Beklagte hierfür auch im vorliegenden Verfahren nichts vorgetragen hat und auch die dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren bekannten Unterlagen der Beklagten wie etwa die umfangreiche "U Tariftabelle und Serviceleistungen" sich hierüber ausschweigen.

Wusste die Fa. h. hiernach nichts von der Notwendigkeit einer separaten Übergabe von Wertpaketen an den Abholfahrer der Beklagten und musste dies auch nicht wissen, gereicht ihr das Unterlassen einer separaten Übergabe nicht zum Verschulden. Hätte aber die Versenderin mangels derartiger Kenntnis das Paket in nicht vorwerfbarer Weise dem Abholfahrer nicht als Wertpaket übergeben, so wäre es auch nicht mit größerer Sorgfalt behandelt worden.

Im übrigen hat der Senat die Beklagte bereits in einer Vielzahl von Verfahren darauf hingewiesen, dass sie nicht nachvollziehbar dargetan hat, wie sie im EDI-Versandverfahren die Versandart "Wertpaket" organisiert hat und wie sie gewährleistet, dass dort wertdeklarierte Pakete sorgfältiger als nicht wertdeklarierte Pakete behandelt werden, selbst wenn der Versender dem Abholfahrer das wertdeklarierte Paket gesondert übergeben würde. Dies gilt auch im vorliegenden Verfahren. Die gesonderte Behandlung wertdeklarierter Pakete u.a. durch die Versendung eines sog. pre-sheets durch den Einsatzleiters des Abholcenters setzt nach dem in einer Vielzahl von anderen Verfahren gehaltenen ständigen Vorbringen der Beklagten das Vorhandensein von Frachtpapieren im herkömmlichen Sinne voraus, weil der Einsatzleiter im Abholcenter hierfür die Angaben auf den Versanddokumenten und den auf dem Paket aufgebrachten abgleichen muss. Im EDI-Verfahren existieren aber keine Versanddokumente in Papierform (mit Ausnahme der beim Versender verbleibenden Summary Section, die hier ohne Belang ist); die Versanddaten werden allein per Datenfernübertragung an die Beklagte übertragen. Deswegen scheidet im EDI-Verfahren eine Versendung eines sog. pre-sheets aus, wie die Beklagte zweitinstanzlich auch einräumt. Die Einschätzung der Beklagten, dass die mangels physischer Papiere entfallenden Maßnahmen nicht ins Gewicht fielen, vermag der Senat nicht zu teilen. Vielmehr verbleiben ohne Abgleich mit dem Frachtbrief und ohne pre-sheet überhaupt keine Besonderheiten der behaupteten Wertpaketbehandlung gegenüber der Behandlung von Standardpaketen mehr.

Soweit die Beklagte zweitinstanzlich neu und daher in nicht zu berücksichtigender Weise schriftsätzlich vorgetragen hat, beim EDI-Verfahren werde das pre-sheet, welches bei gewöhnlichen Sendungen per Telefax an die Empfangsniederlassung gefaxt werde, dadurch ersetzt, dass in der Empfangsniederlassung über das firmeneigene Intranet die Liste mit den Wertpaketen täglich routinemäßig abgerufen und überprüft werde, hat sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, dass es sich nicht rekonstruieren lasse, ob dies auch bereits zum Zeitpunkt der hier in Streit stehenden Transporte galt.

VI.

Der der Klägerin zustehende Anspruch ist jedoch deswegen gemindert, weil der Versender die Beklagte nicht darauf hingewiesen hat, dass der Wert der ihr übergebenen Sendungen jeweils 5.000 € übersteigt.

Gemäß § 425 Abs. 2 HGB hängen die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes davon ab, inwieweit bei der Entstehung des Schadens ein Verhalten des Absenders mitgewirkt hat. Die Vorschrift des § 425 Abs. 2 HGB greift den Rechtsgedanken des § 254 BGB auf und fasst alle Fälle mitwirkenden Verhaltens des Ersatzberechtigten in einer Vorschrift zusammen. Ein mitwirkender Schadensbeitrag des Versenders kann sich u.a. daraus ergeben, dass er von einem Hinweis auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens abgesehen hat. Die vom Bundesgerichtshof zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes am 1. 7. 1998 zu § 254 Abs. 1 und 2 Satz 1 BGB ergangenen Entscheidungen sind ohne inhaltliche Änderungen auf § 425 Abs. 2 HGB übertragbar (BGH, Urteil vom 01.12.2005, Az. I ZR 108/04).

Bei dem Mitverschuldenseinwand nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB kommt es nicht darauf an, ob der Auftraggeber Kenntnis davon hatte oder hätte wissen müssen, dass der Frachtführer das Gut mit größerer Sorgfalt behandelt hätte, wenn er den tatsächlichen Wert der Sendung gekannt hätte. Den Auftraggeber trifft vielmehr eine allgemeine Obliegenheit, auf die Gefahr eines außergewöhnlich hohen Schadens hinzuweisen, um seinem Vertragpartner die Möglichkeit zu geben, geeignete Maßnahmen zur Verhinderung eines drohenden Schadens zu ergreifen. Daran wird der Schädiger jedoch gehindert, wenn er über die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens im Unklaren gelassen wird.

Nach den Entscheidungen des BGH vom 1.12.2005 (Az. I ZR 4/04, I ZR 31/04, I ZR 46/04, I ZR 265/03) und vom 15.12.2005 (Az. I ZR 95/03) ist die Gefahr eines besonders hohen Schadens i.S. des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB bei der Beklagten grundsätzlich dann anzunehmen, wenn der Wert der Sendung 5.000 € übersteigt. Der Bundesgerichtshof hat in sämtlichen vorgenannten Entscheidungen hinsichtlich des ungewöhnlich hohen Schadens explizit jeweils auf den Sendungswert und nicht auf den Wert des einzelnen Pakets abgestellt (vgl. die Entscheidung I ZR 4/04 unter II. 4., I ZR 31/04 unter II. 4., I ZR 46/04 unter II. 3., I ZR 265/03 unter II. 1. c), I ZR 95/03 unter II. 3. c) cc)). Nachdem der BGH bereits in früheren Entscheidungen in Sachen der Beklagten dezidiert zwischen Paket und Sendung unterschieden hat (vgl. NJW-RR 2002, 1257), geht der Senat davon aus, dass der BGH in den genannten Entscheidungen den Sendungsbegriff bewusst verwandt hat. Aus der weiteren Entscheidung des BGH vom 1.12.2005 (Az. I ZR 103/04) ergibt sich nichts anderes. Das Berufungsgericht hatte ein Mitverschulden verneint; in der Revisionsinstanz wurde insoweit keine Rüge erhoben (siehe unter II. 3.), weswegen der BGH hierzu nichts auszuführen hatte. Auch in der weiteren Entscheidung vom 1.12.2005 (Az. I ZR 85/04) hat der BGH (unter II. 4., c) bb)) zunächst wiederum explizit auf den Sendungswert abgestellt. Bereits angesichts dessen kann aus dem den betreffenden Absatz abschließen Satz ("Dass es eines Hinweises auf den ungewöhnlich hohen Wert der zu befördernden Güter in diesen Fällen deshalb nicht bedurfte, weil der Bekl. zu 1 der Wert der Pakete bekannt war oder sie ihn jedenfalls ohne weiteres hätte erkennen können, hat das BerGer. nicht festgestellt; die Kl. hat dies auch nicht behauptet.") nicht entnommen werden, dass der BGH den ungewöhnlich hohen Schaden an dem Paketwert festmacht.

Eine Sendung umfasst gemäß Nr. 1 der insoweit seit vielen Jahren gleichlautenden Beförderungsbedingungen der Beklagten mehrere Pakete, wenn sie auf einem U-Frachtbrief bzw. Absendebeleg unter demselben Datum, derselben Empfängeradresse und Serviceart dokumentiert sind (vgl. BGH NJW-RR 2002, 1257). Im Fall 1 bildeten hiernach die beiden für die Fa. A bestimmten Pakete eine Sendung, weil sie beide in der Versendereinzelaufstellung vom 04.03.2004 (Anl. K 1.2) aufgeführt sind (und dort sogar explizit als zusammengehörig gekennzeichnet sind). Gleiches gilt im Fall 2 für die drei für die Firma A. bestimmten Pakete, weil sie alle in dem EDI-Dokument Anl. K 2.2 aufgeführt sind (und auch dort sogar explizit als zusammengehörig gekennzeichnet sind).

Die Grenze von 5.000 € war in beiden Fällen bei einem maßgeblichen Sendungswert 24.370 € und 13.080 € jeweils überschritten. Hierauf hat die Versenderin die Beklagte nicht hingewiesen. Im übrigen war der Beklagten der Warenwert der Sendungen auch nicht anderweitig bekannt. Unerheblich ist, ob die Beklagte wusste, dass die Fa. h. häufiger Warensendungen mit einem größeren Wert versendet, und die Beklagte deswegen mit einem hohen Warenwert rechnen musste. Denn die Kausalität des Mitverschuldens wegen unterlassenen Hinweises auf einen drohenden ungewöhnlich hohen Schaden lässt sich nur dann verneinen, wenn der Schädiger zumindest gleich gute Erkenntnismöglichkeiten vom Wert der Sendung wie der Geschädigte hat (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2005, Az.: I ZR 265/03). Vorliegend vermochte die Beklagte den genauen Wert der Pakete nicht zu erkennen; nicht jede Sendung eines Mobiltelefonversenders enthält Waren im Wert von mehr als 5.000,- €. Mithin hatte die Versenderin hinsichtlich des Wertes der Sendungen einen Wissensvorsprung gegenüber der Beklagten, da sie den Wert der Sendung genau kannte, während der Beklagten allenfalls bewusst sein musste, dass sich in den Paketen Ware befand, die möglicherweise höherwertig war.

Ein Mitverschulden wegen Absehens von einem Hinweis auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) setzt nicht die Feststellung voraus, dass der Frachtführer Wertsendungen generell sicherer befördert. Die Kausalität des Mitverschuldenseinwands nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB kann nur verneint werden, wenn der Transporteur trotz eines Hinweises auf den ungewöhnlich hohen Wert des Gutes keine besonderen Maßnahmen ergriffen hätte (BGH, Urteil vom 1.12.2005, Az. I ZR 265/03). Hierzu hat die Klägerin keinen Vortrag gehalten.

Dem auf das Absehen eines Hinweises auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens gestützten Mitverschuldenseinwand steht auch nicht die zweitinstanzlich neue Behauptung der Klägerin entgegen, ein Kundendienstmitarbeiter der Beklagten habe gegenüber der Versenderin erklärt, nachdem diese nunmehr über eine Transportversicherung verfüge, sei eine Wertdeklaration gegenüber der Beklagten nicht erforderlich. Dieser etwaige Verzicht auf eine Wertdeklaration beinhaltet keinen Verzicht auf den Hinweis, dass ein Paket einen ungewöhnlich hohen Wert aufweist und deswegen die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens besteht.

Im Rahmen der Haftungsabwägung berücksichtigt der Senat beim Mitverschulden wegen Absehens von einem Hinweis auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens, dass der Versender der Beklagten durch den unterlassenen Hinweis auf den ungewöhnlich hohen Wert des Gutes die Möglichkeit genommen hat, geeignete Maßnahmen zur Verhinderung eines drohenden Schadens zu ergreifen. Dieses Verschulden wiegt weniger schwer, als wenn der Versender in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis vom Bestehen zusätzlicher Sicherungsmaßnahmen für Wertpakete davon absieht, für die Beförderung seiner Güter die sicherste Transportart zu wählen. Denn hier geht es allein um den Verstoß gegen eine allgemeine Obliegenheit, während der Versender in dem anderen Fall gleichsam sehenden Auges darauf verzichtet, die sicherste Beförderungsart auszusuchen.

Bei der Bemessung der Höhe des Mitverschuldens beachtet der Senat ferner, dass nach der Rechsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls in Schadensfällen, in denen der Wert der Sendung sich in dem Rahmen bewegt, für den die Beklagte von der Möglichkeit einer vertraglichen Disposition Gebrauch gemacht hat, Haftungsrisiken von vornherein auszuschließen, das Mitverschulden des Versenders wegen Nichtversendung als Wertpaket nicht mehr als 50 % betragen kann (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 2004, Az.: I ZR 120/02).

Von Bedeutung ist schließlich der Wert der transportierten Ware. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass das Mitverschulden des Versenders, für die Beförderung des Pakets nicht die sicherste Transportart in Auftrag gegeben zu haben, umso schwerer wiegt, je wertvoller die Ware im Paket gewesen ist. Diese Überlegung muss nach Auffassung des Senats auch für den hier in Rede stehenden Mitverschuldenseinwand wegen unterlassenen Hinweises auf einen drohenden ungewöhnlich hohen Schaden gelten. Denn diese unterlassene Warnung der Beklagten wiegt umso schwerer, je höher der Warenwert der Sendung ist.

In der Gesamtschau dieser einzelnen Umstände erachtet der Senat es als angemessen, das Mitverschulden des Versenders durch eine stufenweise Kürzung des Schadensersatzanspruches zu berücksichtigen, wobei der Sendungswert bis 5.000 € außer Betracht bleibt. Sofern der Fall keine weiteren, für die Abwägung bedeutsamen Besonderheiten aufweist, erscheint es dem Senat angemessen, den Schadensersatzanspruch für den zwischen 5.000,01 € und 10.000 € liegenden Warenwert der Sendung um 20 % zu kürzen. Bei darüber hinausgehenden Warenwerten wird der Kürzungsprozentsatz für jede angefangenen weiteren 5.000 € um einen Prozentpunkt erhöht.

Weil im Fall 1 ein Teilverlust eingetreten ist, für die Höhe der Mitverschuldensquote jedoch der Wert der Warensendung maßgeblich ist, muss zunächst der Kürzungsbetrag ermittelt werden, der sich ergäbe, wenn die gesamte Warensendung verloren gegangen wäre.

Hiernach ergäbe sich im hiesigen Fall bei einem Sendungswert von 24.370 € folgende Berechnung:

 bis 5.000,- €: keine Kürzung =5.000 €
bis 10.000 €: Kürzung um 20 % = 1.000 € = 4.000 €
bis 15.000 €: Kürzung um 21 % = 1.050 € =3.950 €
bis 20.000 €: Kürzung um 22 % = 1.100 € =3.900 €
bis 24.370 €: Kürzung um 23 % = 1.005,10 € =3.364,90 €
Gesamt:20.214,90 €;

dies entspricht 82,95 % des Gesamtsendungswerts.

Kürzt man den sich auf 12.639 € belaufenden Wert der im verloren gegangenen Paket befindlichen Waren um (100 - 82,95 =) 17,05 %, ergibt sich ein Betrag von 10.484,05 €. Abzüglich außergerichtlich gezahlter 510 € verbleibt ein Schadensersatzanspruch von 9.974,05 €.

Im Fall 2 ergibt sich bei einem Warenwert von 13.080 € eine Gesamtkürzung von 1.646,80 € und unter Berücksichtigung der von der Beklagten außergerichtlich geleisteten 510 € ein verbleibender Schadensersatzanspruch von 10.923,20 €.

Insgesamt stehen der Klägerin mithin (9.974,05 € + 10.923,20 € =) 20.897,25 € zu.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für die Berufung wird festgesetzt auf 24.010 €.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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