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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 20.02.2008
Aktenzeichen: I-18 U 85/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, HGB


Vorschriften:

ZPO § 138 Abs. 4
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 254
BGB § 275
BGB § 624
BGB § 723
HGB § 449
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5. April 2007 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf (31 O 47/06) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.518,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. November 2005 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 52 % und der Beklagte zu 48 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat im zuerkannten Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet. Im Einzelnen ist hierzu folgendes auszuführen:

A.

Der Teilerfolg der Berufung beruht darauf, dass die Beklagte mit ihrem erstmals im Berufungsrechtszug erhobenen Einwand des Mitverschuldens wegen Auftragserteilung in Kenntnis des Umstandes, dass die Beklagte das Paket ohne durchgehende Schnittstellenkontrollen befördern wird, durchdringt. Außerdem muss sich die Klägerin als weiteres Mitverschulden anrechnen lassen, dass die S. F. GmbH (im folgenden S-GmbH genannt) es unterlassen hat, das Paket als Wertpaket zu versenden.

I.

Bei Auftragserteilung wusste die S-GmbH - oder sie hätte es zumindest wissen müssen -, dass die Beklagte das Paket ohne durchgehende Schnittstellenkontrollen befördern wird, weil die Beklagte ihre Kunden über diesen Organisationsmangel in Ziffer 2 ihrer Beförderungsbedingungen Stand 2005 informiert.

Diese Beförderungsbedingungen sind Vertragsbestandteil des hier in Rede stehenden Transportauftrages geworden, weil der S-GmbH zu diesem Zeitpunkt die Broschüre der Beklagten "Tariftabelle und Serviceleistungen" Stand 2005 vorlag, in der die Beförderungsbedingungen der Beklagten abgedruckt sind. Soweit die Klägerin dieses Vorbringen der Beklagten zweitinstanzlich schlicht bestreitet, ist dies aus Rechtsgründen gemäß § 138 IV ZPO unerheblich, weil sie sich zu diesem Sachverhalt, der Gegenstand der eigenen Wahrnehmung von Mitarbeitern der S-GmbH gewesen sein muss, nicht mit Nichtwissen erklären kann.

Soweit die Klägerin bereits erstinstanzlich bestritten hat, dass die von der Beklagten vorgelegten Geschäftsbedingungen diejenigen des Jahres 2005 sind, ist dieses Bestreiten deshalb unerheblich, weil gerichtsbekannt ist, dass es sich hierbei um die Beförderungsbedingungen Stand Januar 2005 handelt.

II.

Die Klägerin muss sich ferner wegen eines Mitverschuldens in Form nicht vorgenommener Wertdeklaration eine Kürzung ihres Anspruchs gefallen lassen (§§ 425 Abs. 2 HGB, 254 Abs. 1 BGB). Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass im Falle einer Wertdeklaration das Eintreffen des Pakets beim Zustellcenter und seine Zustellung an den Empfänger nachgehalten worden wäre. Demgegenüber lässt sich nicht feststellen, dass das Paket auch auf der Transportsrecke bis zum Eingangscenter sowie dort eine Sonderbehandlung erfahren hätte, wenn es wertdeklariert gewesen wäre.

Die vom Senat hierzu vernommenen Zeugen S. und (mit geringerer Detailgenauigkeit) C. haben zwar als den heutigen Stand geschildert, dass ab der Softwareversion 7.02 mit dem Tagesabschluss beim Kunden ein dem Abholfahrer zu übergebendes Dokument ausgedruckt werde, welches die wertdeklarierten Pakete mit "1Z"-Nummern und Wertangabe enthalte und welches der Fahrer zusammen mit den wertdeklarierten Paketen im Abholcenter dem Schichtleiter übergebe. Das gilt jedoch nach den Aussagen frühestens seit 2005, als mit der Einführung der Softwareversion 7.02 begonnen wurde.

Die S-GmbH hatte der Beklagten den Transportauftrag am 7. Juni 2005 erteilt. Ob die S-GmbH bereits zu diesem Zeitpunkt die Softwareversion 7.02 benutzte, oder - wie eine Vielzahl anderer EDI-Kunden zu diesem Zeitpunkt- noch die Vorgängerversion, lässt sich weder dem Vorbringen der Beklagten noch dem zu den Akten gereichten Ausdruck (Anlage K 1) aus den EDI-Versanddaten entnehmen. Mithin ist die von den Zeugen geschilderte mit der Einführung der Softwareversion 7.02 einhergegangene Einführung der Sonderbehandlung wertdeklarierter Pakete nicht bewiesen.

Soweit der Zeuge S. bekundet hat, dass im EDI-Verfahren wertdeklarierte Pakete auch in der Zeit davor auf der Transportstrecke vom Absender bis zum Eingangscenter sowie dort generell sorgfältiger als andere behandelt worden seien, konnte der Senat gleichwohl keine entsprechende Überzeugung gewinnen.

Nach der Darstellung des Zeugen S. hatten die Abholfahrer Wertpakete, die ihnen ein Kunde gesondert übergab und deren deklarierter Wert 2.500 € überstieg, an einem gesonderten Platz beim Schichtleiter oder einer sonst beauftragten Person im Abholcenter abzugeben, wo sie einen sog. Origin Scan erhielten und, sofern die Paketsortierung nicht schon begonnen hatte, bis zur Sortierung in einem Wertkäfig oder sonst gesondert aufbewahrt wurden; die Niederlassung D. kündigte das Wertpaket außerdem mittels eines sog. pre-sheet per Telefax der Zustellniederlassung an, welche am Folgetag im Zuge der Beladung der Zustellfahrzeuge den Eingang der Wertpakete überwachte. Es verbleiben indessen nicht auszuräumende Zweifel daran, ob diese geschilderte Handhabung wirklich so einheitlich und durchgängig verbreitet war, dass auf Grund dessen der Rückschluss gezogen werden könnte, dass von den Kunden dem Abholfahrer gesondert übergebene werteklarierte Pakete im Regelfall tatsächlich eine sorgfältigere Behandlung erfuhren.

So hat der Zeuge S. eingeräumt, dass er aus eigener Kenntnis nur zu der Arbeitsweise in der Niederlassung D. der Beklagten etwas sagen kann; speziell seine Äußerungen zur parallelen Beibehaltung des pre-sheets bezog er ausdrücklich nur auf diese Niederlassung. Da es aber, wie er (insoweit in Übereinstimmung mit dem Zeugen C.) weiter angegeben hat, bei der Beklagen keine bundeseinheitlichen schriftlichen oder sonst förmlichen Verfahrensanweisungen für die Behandlung von Wertpaketen im EDI-Verfahren gab, sei es direkt an die Abholfahrer, sei es an die Center- bzw. Schichtleiter gerichtet, steht keineswegs fest, dass die von dem Zeugen S. in Bezug auf die Niederlassung D. geschilderte Verfahrensweise auch tatsächlich allgemein und durchgängig in den anderen Abholcentern praktiziert wurde. Ohnehin wurde sogar in D. improvisiert; so wurde für die Quittung des Schichtleiters gegenüber dem Abholfahrer nach der Aussage des Zeugen S. die "Summary Section" verwendet, die hierfür nicht formularmäßig vorgesehen ist. Ohne eine institutionalisierte "procedure" (so der Ausdruck des Zeugen C.) ist in Einheiten von der Größe der Beklagten aber nicht sichergestellt, dass eine bestimmte Handhabung einheitlich stattfindet, sondern es bleibt den im Einzelfall tätigen Mitarbeitern überlassen, ob sie sie treffen oder nicht. Das gilt um so mehr, als die Handhabung mit persönlicher Übergabe, Origin-Scan und insbesondere pre-sheet einen Zusatzaufwand darstellt; die mit dem hochtechnisierten Verfahrensablauf des EDI-Verfahrens verbundenen Vorteile und Rationalisierungseffekte werden dadurch konterkariert.

Zudem folgen nicht auszuräumende Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen S. aus den Bekundungen des Zeugen C.. Der Zeuge C. hat zwar angegeben, dass er in seiner Vernehmung vor dem Senat am 15.08.2007 (in Sachen I-18 U 75/06, 207/06 und 36/07) falsch verstanden worden sei, soweit dort als seine Aussage protokolliert wurde, dass selbst dann, wenn Kunden dem Fahrer wertdeklarierte Pakete gesondert übergaben, diese nicht anders behandelt wurden als Standardpakete und insbesondere nicht das von den Sendungen mit Papier-Frachtbriefen her bekannte und auf solche beschränkte pre-sheet-Verfahren und auch keine andere Sonderbehandlung stattfand. Auch jetzt hat der Zeuge C. aber eine durchgehende Wertpaketbehandlung im EDI-Verfahren nicht bestätigt, sondern von Unsicherheiten und Unklarheiten gesprochen. So hat er zunächst ausgesagt, dass es wegen des Fehlens papiermäßiger Frachtbriefe den Abholfahrern nicht mehr möglich gewesen sei, sich die Ablieferung von Wertpaketen im Abholcenter quittieren zu lassen. Auf Vorhalt der Aussage des Zeugen S. hat er ergänzt, auch er habe Quittungen auf den Summary Sections schon gesehen. Schließlich hat er gemeint, dass im Regelfall für den Abholfahrer der Origin Scan ausgereicht haben dürfte. Pre-sheets seien zum Teil versandt, zum Teil aber auch weggelassen worden.

Angesichts dieser Widersprüchlichkeit der Aussagen beider zur selben Zeit in der Niederlassung Düsseldorf der Beklagten zu 1. tätig gewesenen Zeugen, die somit dieselbe Sachnähe zu den in Rede stehenden Betriebsabläufen haben, kann der Senat mangels anderweitiger eindeutiger Anhaltspunkte nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Aussage des Zeugen S. eine höhere Verlässlichkeit als der Aussage des Zeugen C. zukommt. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme kann damit nicht festgestellt werden, dass für Kunden, die noch nicht mit der Softwareversion 7.02 ausgestattet waren, besondere Kontrollen beim Wertpaketversand im EDI-Verfahren organisatorisch vorgesehen waren oder jedenfalls regelmäßig tatsächlich stattfanden. Damit steht ebenfalls nicht fest, dass die S-GmbH als Teilnehmerin am EDI-Versandsystem seinerzeit eine gesicherte Möglichkeit hatte, durch einen EDV-mäßig erteilten Auftrag zum Wertpaketversand neben einer Anhebung der Haftungshöchstgrenze auch zu erreichen, dass die Beklagte das Paket auf der Transportstrecke bis zum Eingangscenter sowie dort mit größerer Sorgfalt beförderte.

Der Senat ist jedoch davon überzeugt, dass im Falle einer Wertdeklaration das Eintreffen des Pakets beim Zustellcenter und seine Zustellung an den Empfänger nachgehalten worden wäre. Es lässt sich zwar nicht feststellen, dass das Paket mittels eines pre-sheet (Telefax) durch das Abholcenter an das Zustellcenter avisiert worden wäre, wenn es als Wertpaket versandt worden wäre. Es besteht aber kein Zweifel daran, dass man im Zustellcenter ein Wertpaket über das Intranet der Beklagten erkannt und daraufhin die entsprechenden Überprüfungen eingeleitet hätte.

Wie der Zeuge S. bekundet hat, war ein solcher Intranet-Abruf seit April 2004 EDV-mäßig möglich und als Arbeitsroutine für alle wertdeklarierten Pakete, mithin auch für solche mit einem Warenwert zwischen 510,- € und 2.500,- € vorgesehen. Diese Bekundung des Zeugen ist glaubhaft. Es handelt sich um eine folgerichtige Weiterentwicklung des EDI-Verfahrens, die das auf Papier-Frachtbriefen beruhende herkömmliche System der Sonderbehandlung wertdeklarierter Pakete auf die Besonderheiten der computergestützten Abläufe überträgt. Diese Umstellung erfolgte zunächst für den Transportabschnitt vom Zustellcenter zum Empfänger. Sobald alle EDI-Kunden mit der neuen Softwareversion 7.02 ausgerüstet sind, ist diese Umstellung abgeschlossen. Widersprüche zu anderen Umständen und insbesondere zu den Angaben des Zeugen C. bestehen insoweit nicht. Vielmehr hat auch der Zeuge C. ein solches Verfahren erwähnt; er konnte aufgrund seiner neuerdings andersartigen Arbeitsaufgaben lediglich keinen genauen Einführungszeitpunkt und keine Einzelheiten nennen.

III.

Im Rahmen der gebotenen umfassenden Gesamtabwägung der wechselseitig gesetzten Verursachungsbeiträge ist der Senat von folgenden Überlegungen ausgegangen:

Die Beauftragung eines erkennbar ungeeigneten Frachtführers begründet nach ständiger Rechtsprechung sowohl des BGH als auch des Senats ein Mitverschulden des Absenders, das durch mehrere Umstände - insbesondere einerseits die große Bedeutung von Schnittstellenkontrollen für eine ordnungsgemäße Transportdurchführung und somit die Schwere des Verstoßes des Absenders gegen seine eigenen Interessen und der Wert des so der Gefahr ausgesetzten Gutes - geprägt ist. Zu Lasten der Beklagten fällt ins Gewicht, dass sie den Schaden leichtfertig durch grobe Organisationsmängel im Transportablauf (nicht eingerichtete Schnittstellenkontrollen) mitverursacht hat.

Bei der Gewichtung des Mitverschuldens wegen unterlassener Wertdeklaration berücksichtigt der Senat zum einen die Reichweite des für wertdeklarierte Sendungen gesicherten Bereichs. Wie oben erläutert, sah die Beklagte seinerzeit bei wertdeklarierten Sendungen gegen Ende des Transports (im Zustellcenter) zusätzliche Kontrollmaßnahmen vor, so dass der Transport eines Wertpakets insofern sicherer war als der Transport eines Standardpakets. Andererseits verbleibt auch bei wertdeklarierten Sendungen ein deutliches Risiko eines tatsächlichen Verlustes.

Zum anderen ist bei der Haftungsabwägung nach § 254 BGB auch in diesem Zusammenhang der Wert der transportierten, nicht wertdeklarierten Ware von Bedeutung. Je höher der tatsächliche Wert der nicht wertdeklarierten Sendung ist, desto gewichtiger ist der in dem Unterlassen der Wertdeklaration liegende Schadensbeitrag. Denn je höher der Wert der zu transportierenden Sendung ist, desto offensichtlicher ist es, dass die Beförderung des Gutes eine besonders sorgfältige Behandlung durch den Spediteur erfordert, und desto größer ist das in dem Unterlassen der Wertdeklaration liegende Verschulden des Versenders gegen sich selbst (BGH, Urteil vom 19.01.2006, Az: I ZR 80/03).

In der Gesamtschau dieser einzelnen Umstände erachtet es der Senat bei einem Mitverschulden wegen unterlassener Wertdeklaration und wegen Auftragserteilung in Kenntnis des Organisationsmangels als angemessen, das Mitverschulden des Versenders durch eine stufenweise Kürzung des Schadensersatzanspruches zu berücksichtigen. Sofern der Fall - wie hier - keine weiteren, für die Abwägung bedeutsamen Besonderheiten aufweist, lässt der Senat bei dem hier in Rede stehenden Mitverschulden den Schadensersatzanspruch für den Paketwert bis 510,- € ungekürzt, weil die Beklagte insoweit durch die von ihr freiwillig angebotene Haftungsübernahme bis zu einem Wert von 510,- € auch das durch ihre Organisationsmängel erhöhte Verlustrisiko in voller Höhe übernimmt und nur für Pakete mit einem darüber hinausgehenden Warenwert einen Wertpaketversand anbietet. Für den zwischen 510,- € und 5.000.- € liegenden Warenwert der Sendung wird der Schadensersatzanspruch um 55 % gekürzt. Bei den darüber hinausgehenden Warenwerten wird der Kürzungsprozentsatz stufenweise für jede angefangenen weiteren 5.000,- € um zwei Prozentpunkte erhöht. Dieser Grundsatz führt im vorliegenden Fall bei dem in dem verlorenen Paket enthaltenen Warenwert von 7.255,55 € zu einer Kürzung um 3.755,16 € auf 3.500,39 €. Hinzu kommt der Anspruch auf Erstattung der Fracht in Höhe von 17,64 €, so dass sich gesamte Schadensersatzanspruch auf 3.518,03 € belauft.

B.

Im Übrigen rechtfertigt das Berufungsvorbringen keine Abänderung des landgerichtlichen Urteils.

I.

Aus dem Regressverzicht vom 3. November 1994 kann die Beklagte bereits deshalb nichts zu ihren Gunsten herleiten, weil die Klägerin diese Vereinbarung gerichtsbekannt mit Schreiben vom 21. Mai 2001 rechtswirksam gekündigt hat. Auf diesen Umstand hat der Senat die Parteien im Verhandlungstermin vom 14. Juni 2006 hingewiesen. In diesem Zusammenhang ist folgendes auszuführen:

Der Senat geht im Ausgangspunkt davon aus, dass durch dieses Schreiben ein die Klägerin einseitig verpflichtender Vertrag des Inhalts zustande gekommen ist, dass die Klägerin in zukünftigen Fällen darauf verzichtet, der Beklagten pauschal eine grob fahrlässige Betriebsorganisation vorzuwerfen, wobei für diesen Verzicht keine zeitliche Grenze vereinbart worden ist, so dass es sich rechtlich zugleich auch um ein Dauerschuldverhältnis handelt.

Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass alle unbefristeten Dauerschuldverhältnisse ordentlich kündbar sind, wenn die Vertragsparteien - wie im vorliegenden Fall - das Recht, die Vereinbarung ordentlich zu kündigen, nicht ausgeschlossen haben. Sofern für das Dauerschuldverhältnis keine spezialgesetzlich geregelten Kündigungsvorschriften eingreifen, ist eine nach Treu und Glauben angemessene Kündigungsfrist unter entsprechender Anwendung der Bestimmungen der §§ 624, 723 BGB anzusetzen (vgl. BGH NJW 1972, 1129; BGH NJW-RR 1993, 1460).

Im vorliegenden Fall kann die angemessene Kündigungsfrist keinesfalls mehr als die Sechsmonatsfrist des § 624 BGB betragen, weil die Beklagte innerhalb dieses Zeitraums ausreichend Zeit hatte, sich darauf einzustellen, dass zukünftig auch die Klägerin wieder Regressansprüche im tatsächlich bestehenden Umfang geltend machen wird. Mithin ist davon auszugehen, dass der Verzicht jedenfalls für die ab dem Jahr 2002 auftretenden Transportschäden keinerlei Rechtswirkungen mehr entfalten kann.

Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass die Klägerin im Schreiben vom 21. Mai 2001 nicht erklärt hat, den Verzicht zu kündigen, sondern vielmehr den Verzicht widerrufen hat. Denn diese Widerrufserklärung ist gemäß §§ 133, 157 BGB als Kündigungserklärung auszulegen, weil die Klägerin hierdurch unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat, dass sie zukünftig nicht mehr an den von ihr erklärten Verzicht gebunden sein will.

II.

Der Mitverschuldenseinwand wegen unterlassenen Hinweises auf einen drohenden, ungewöhnlich hohen Schaden verfängt nicht, weil die Beklagte nicht darauf reagiert hätte, wenn die Versenderin ihr bei Auftragserteilung den Warenwert des Paketinhalts bekannt gegeben hätte. Mithin steht fest, dass diese Obliegenheitsverletzung der S-GmbH nicht mitursächlich für den hier in Rede stehenden Warenverlust geworden sein kann.

III.

Soweit die Beklagte sich darauf beruft, sie habe mit der Versenderin gemäß Ziffer 2 vereinbart, dass das Paket ohne durchgehende Schnittstellenkontrollen befördert wird, vermag dies der Berufung schon deshalb nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil eine dahingehende in den allgemeinen Geschäftsbedingungen niedergelegte Vertragsabsprache gemäß § 449 HGB unwirksam ist.

IV.

Schließlich steht der Beklagten gegen die Klägerin beziehungsweise gegenüber der S-GmbH kein Herausgabeanspruch wegen der wieder aufgefundenen Waren zu.

In diesem Zusammenhang bedarf die Frage keiner vertiefenden Betrachtung, ob der Beklagten ursprünglich einmal ein dahingehender Herausgabeanspruch zugestanden hat; ebenso kann dahinstehen, ob sie wegen dieses Anspruchs ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber der Klageforderung geltend machen könnte. Denn aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Versenderin die Warensendung aus dem wieder aufgefundenen Paket zum größten Teil weggeworfen hat; einige wenige Teile hat sie bei Reparaturarbeiten in Sachen ihrer Kunden eingebaut. Aufgrund dieser Ereignisse ist ein etwaiger Herausgabeanspruch der Beklagten jedenfalls gemäß § 275 BGB untergegangen.

C.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.

Ein Anlass, zu Gunsten einer Partei die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 543 Abs. 2 ZPO.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 7.273,19 €.

Ende der Entscheidung

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