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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 29.03.2006
Aktenzeichen: I-2 W 43/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I.

Auf die sofortige Beschwerde wird der am 6. Oktober 2005 verkündete Beschluss der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert; die Kosten des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung werden der Antragstellerin auferlegt.

II.

Die Antragstellerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem Kosteninteresse des Verfügungsverfahrens.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und auch begründet. Zu Unrecht hat das Landgericht nach der durch den Ablauf des Antragschutzrechtes eingetretenen Erledigung des Verfügungsverfahrens im Rahmen der nach § 91 a ZPO zu treffenden Kostenentscheidung die Antragsgegnerin mit den Verfahrenskosten belastet. Dies entsprach nicht dem bisherigen Sach- und Streitstand und auch nicht billigem Ermessen, denn ohne die übereinstimmende Erledigungserklärung hätte der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen werden müssen. Der Antragstellerin stand der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu, weil keine begründete Gefahr bestand, dass die Antragsgegnerin vor Ablauf des Antragsschutzrechtes ein Arzneimittel mit dem durch das Schutzzertifikat DE 193 75 084 der Antragstellerin bis zum 6. August 2005 geschützt gewesenen Wirkstoff T. und/oder T.-H. in die Lauer-Taxe aufnehmen lassen und anbieten würde.

Während die Wiederholungsgefahr durch den bereits vorgekommenen Rechtsverstoß bei einem Eingriff in ein gewerbliches Schutzrecht vermutet wird, sofern der als Verletzer in Anspruch Genommene kein vertragsstrafegesichertes Unterlassungsversprechen abgibt, muss bei einer Erstbegehungsgefahr der volle Beweis für die sie begründenden Umstände erbracht werden. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sind diese Umstände vom Verletzten und Antragsteller darzulegen und glaubhaft zu machen. Die Begehungsgefahr setzt das Vorliegen konkreter Tatsachen voraus, aus denen sich greifbar ergibt, dass ein Eingriff in das Antragsschutzrecht drohend bevorsteht (BGH GRUR 1970, 358, 360, rechte Spalte Abschnitt II - Heißläuferdetektor; Schulte/Kühnen, PatG, 7. Aufl., § 139 Rdnr. 28). Über die objektive bloße Möglichkeit einer zukünftigen Patentverletzung hinaus müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verletzung ernsthaft und greifbar zu besorgen ist (Schulte/Kühnen, a.a.O. m.w.Nachw.). Hierzu genügt einerseits die schon mit hinreichender Wahrscheinlichkeit drohende Gefahr der Benutzung, andererseits muss sich die drohende Verletzungshandlung in tatsächlicher Hinsicht so greifbar abzeichnen, dass eine zuverlässige Beurteilung unter rechtlichen Gesichtspunkten möglich ist (Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 139, Rdnr. 38 m.w.Nachw.). Zur Begründung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Rechtsverletzung genügt jedoch nicht die bloße Möglichkeit, dass sich die Gefahr eines solchen Eingriffs ergeben könnte, und zwar selbst dann nicht, wenn der in Anspruch Genommene die Übernahme einer förmlichen Unterlassungserklärung ablehnt (BGH, aaO - Heißläuferdetektor; NJW 1992, 2292, 2294 = GRUR 1992, 612, 614 - Nicola). Es müssen vielmehr Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, dass der Betreffende den Entschluss zur Verletzung bereits gefasst hat und es nur noch von ihm abhängt, ob es zu einer Verletzung kommt oder nicht. Dass jemand allgemein Gegenstände zu Verwendungszwecken vertreibt, zu denen auch der patentgeschützte Gegenstand eingesetzt werden kann, genügt noch nicht zur Annahme einer unmittelbar drohenden ernsthaften Gefahr einer erstmaligen Verletzung, und zwar auch dann nicht, wenn der in Anspruch Genommene früher ein anderes Schutzrecht verletzt hat (vgl. BGH, a.a.O. - Nicola).

Geht man hiervon aus, sind im Streitfall keine Anhaltspunkte für das unmittelbare Bevorstehen einer Verletzung des Verfügungsschutzrechtes durch die Antragsgegnerin ersichtlich. Zwar können Vorbereitungshandlungen eine Erstbegehungsgefahr begründen, und es liegt nahe, dass derjenige, der eine Marke anmeldet, sie auch benutzen und derjenige, der eine Titelschutzanzeige schaltet, den angezeigten Titel auch verwenden wird. Aus dem Betreiben eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens lässt sich aber nicht generell schließen, der Betreiber werde nach Erhalt der Zulassung das betreffende Arzneimittel ohne Rücksicht auf den zugunsten eines anderen bestehenden Patentschutz auf den Markt bringen. Das Bemühen um eine arzneimittelrechtliche Zulassungsverfahrens lässt nur erwarten, dass der Betreiber dieses Verfahrens das betreffende Präparat nach Erteilung der Genehmigung auf den Markt bringen wird. Ein Hinweis auf einen bestimmten Zeitpunkt des bevorstehenden erstmaligen Inverkehrbringens ist darin jedoch nicht enthalten. Dass dies ohne Rücksicht auf bestehende Schutzrechte noch vor deren Ablauf geschehen wird, lässt sich einem solchen Verhalten indessen jedenfalls dann nicht entnehmen, wenn der Ablauf des Schutzrechts in relativ kurzer Zeit bevorsteht. In einem solchen Fall kann das Betreiben des Zulassungsverfahrens auch zu dem Zweck erfolgen, um am ersten Tag nach dem Ablauf des Schutzrechtes alle Voraussetzungen zu erfüllen, um das Erzeugnis in der nunmehr schutzrechtsfreien Zeit auf den Markt zu bringen. Davon ist auch das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgegangen.

Umstände, die im Streitfall darauf hätten schließen lassen, die Antragsgegnerin werde schon vor Ablauf des Antragsschutzrechts das angegriffene Präparat in die Lauer-Taxe aufnehmen lassen, sind weder dargetan noch ersichtlich. Dass es für Generika-Hersteller nach dem Auslaufen bestehenden Patent- oder Zertifikatsschutzes besonders wichtig ist, ihre Produkte so schnell wie möglich in der Lauer-Taxe zu veröffentlichen, um sich auf dem neu eröffneten Markt möglichst große Anteile zu sichern und dass erfahrungsgemäß aus diesem Grund einige Generika-Hersteller tatsächlich ihr Medikament schon vor Schutzrechtsablauf in die Lauer-Taxe aufnehmen lassen, besagt nichts darüber, dass auch die Antragsgegnerin zu einem solchen Schritt entschlossen war. Ein derartiger Entschluss der Antragsgegnerin wäre vielmehr nur dann zu befürchten gewesen, wenn gerade sie in jüngerer Zeit mit einem entsprechenden Verhalten aufgefallen wäre und zu erkennen gegeben hätte, dass sie das Erreichen eines möglichst hohen Marktanteils über die Beachtung fremder Schutzrechte stellt. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Zwar hatte die Antragsgegnerin sich am 1. Mai 2003 mit ihrem Generikum "S.-I." in der Lauer-Taxe listen lassen, obwohl das entsprechende Schutzzertifikat erst am 6. Mai 2003 ablief, die Antragstellerin ist jedoch dem Vorbringen der Antragsgegnerin nicht entgegengetreten, dass es sich dabei um einen Einzelfall handelte und die Antragsgegnerin dieses Verhalten seither nicht wiederholt hat, sondern in der Zeit von Juni 2003 bis Juni 2005 in allen - insgesamt sechs - Fällen ein von ihr neu auf den Markt gebrachtes Generikum erst nach Ablauf der betreffenden Schutzrechte in der Lauer-Taxe hat verzeichnen lassen. Dass die Antragsgegnerin während dieses Zeitraums oder danach weitere Arzneimittel vor Ablauf des sie betreffenden Schutzrechtes hat in der Lauer-Taxe verzeichnen lassen, behauptet auch die Antragstellerin nicht.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ergibt sich eine Begehungsgefahr auch nicht daraus, dass die letzte Lauer-Taxe vor Ablauf des Antragsschutzrechtes am 1. August 2005 und die erste nach Ablauf des Antragsschutzrechtes erst am 15. August 2005 erschien und eine sofort nach Veröffentlichung der letzten Lauer-Taxe vor Ablauf des Antragsschutzrechtes am 1. August 2005 von der Antragstellerin erwirkte einstweilige Verfügung die Schutzrechtsverletzung nicht mehr hätte verhindern können, weil selbst für die am 15. August 2005 erschienene Lauer-Taxe bereits am 28. Juli 2005 Annahmeschluss war. Dass die Antragsgegnerin die Möglichkeit gehabt hätte, sich diese Umstände zu Nutze zu machen, lässt nicht darauf schließen, dass sie das auch tatsächlich getan hätte. Daran ändert auch die große wirtschaftliche Bedeutung einer möglichst frühzeitigen Listung in der Lauer-Taxe nichts, denn in den sechs zurückliegenden Fällen hat sich die Antragsgegnerin nicht von diesem Interesse leiten und das jeweils von ihr auf den Markt gebrachte Generikum erst nach Schutzrechtsablauf listen lassen.

Dass die Antragsgegnerin das Abmahnschreiben der Antragsstellerin vom 22. Juni 2005 (Anl. Ast 9) unbeantwortet ließ und nicht einmal eine formlose Mitteilung abgegeben hat, sie beabsichtige nicht, dass Arzneimittel T.-I. vor Ablauf des Schutzzertifikats in die Lauer-Taxe aufnehmen zu lassen, ändert daran ebenfalls nichts. Zwar hätte eine solche Erklärung zur Beseitigung einer Erstbegehungsgefahr genügt, indessen bestand eine solche Erstbegehungsgefahr, wie vorstehend dargelegt wurde, nicht. Dass die meisten anderen von der Antragstellerin angeschriebenen Generika-Hersteller zumindest eine solche formlose Erklärung abgegeben haben, besagt ebenfalls nicht, dass die Antragsgegnerin die Abgabe einer inhaltsgleichen Erklärung nur deshalb unterlassen hat, weil sie tatsächlich das Präparat schon vor Ablauf des Antragsschutzrechtes listen lassen wollte. Ein vorbeugender Unterlassungsanspruch, um zu vermeiden, dass ein möglicher Eingriff in ein Schutzrecht, wenn er denn vorgenommen würde, wegen des kurz bevorstehenden Ablaufs durch gerichtliche Maßnahmen nicht mehr rechtzeitig verhindert werden kann, ist in der Rechtsordnung nicht vorgesehen.

Unter diesen Umständen war der angefochtene Beschluss des Landgerichts mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO abzuändern.

Ende der Entscheidung

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