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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 21.10.2008
Aktenzeichen: I-20 U 154/08
Rechtsgebiete: ZPO, UWG


Vorschriften:

ZPO § 296a Satz 1
ZPO § 533
UWG § 4 Nr. 9 a
UWG § 8 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 14. Mai 2008 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf geändert und wie folgt neu gefasst:

Die durch Beschluss vom 17. März 2008 erlassene einstweilige Verfügung des Vorsitzenden der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird mit der Maßgabe bestätigt, dass sich das ausgesprochene Verbot auf das Gebiet der Europäischen Union erstreckt und dass sich die genannte Ein- und Ausfuhr ebenfalls auf das Gebiet der Europäischen Union, nicht dasjenige der Bundesrepublik Deutschland, bezieht.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens einschließlich des Berufungsverfahrens.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Antragstellerin hat in der Sache in vollem Umfang Erfolg. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unter Aufhebung der zuvor erlassenen Beschlussverfügung zu Unrecht zurückgewiesen. Der Antragstellerin steht aufgrund ihres eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters ein Unterlassungsanspruch aus Artikel 19 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Artikel 89 Abs. 1 a) GGV, gerichtet auf ein Verbot der nach Artikel 19 Abs. 1 Satz 2 GGV untersagten Handlungen, zu. Danach gewährt das eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster seinem Inhaber das ausschließliche Recht, es zu benutzen und Dritten zu verbieten, es ohne seine Zustimmung zu benutzen. Die Ergänzungen der Antragstellerin im Senatstermin haben hinsichtlich der räumlichen Reichweite des Verbots lediglich klarstellenden Charakter. Soweit in ihnen im Übrigen, also hinsichtlich der Ein- und Ausfuhr der angegriffenen Leuchte, eine geringfügige Erweiterung des Antrags gesehen werden könnte, ist dies jedenfalls gemäß § 533 ZPO zulässig.

1. Die Antragstellerin ist Inhaberin des Gemeinschaftsgeschmacksmusters 362..., angemeldet und eingetragen am 13.6.2005 (Anlage K 1, Bl. 11 ff. GA). Im Rahmen des vorliegenden Verletzungsverfahrens ist gemäß Artikel 85 Abs. 1 Satz 1 GGV von der Rechtsgültigkeit dieses Gemeinschaftsgeschmacksmusters auszugehen. Das bedeutet, dass die Schutzvoraussetzungen des Artikel 4 Abs. 1 GGV vermutet werden. Danach wird ein Geschmacksmuster durch ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt, wenn es neu ist und Eigenart hat. Einwendungen hiergegen hat die Antragsgegnerin vorzutragen; dabei ist im vorliegenden Verfügungsverfahren gemäß Artikel 90 Abs. 2 Satz 1 GGV eine Widerklage nicht erforderlich.

Derartiger Vortrag, der anhand des vorbekannten Formenschatzes zu erfolgen hätte, ist allenfalls in Ansätzen zu erkennen und auch auf intensive Nachfrage durch den Senat in der mündlichen Verhandlung durch den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin kaum vertieft worden. Die Antragsgegnerin hat zunächst Abbildungen aus ihrem eigenen Prospekt (Anlage B 2) vorgelegt. Ob es sich dabei um vorbekannte, also vor der Anmeldung des Verfügungsgeschmacksmusters auf dem Markt befindliche oder nachträglich verwendete Formen handeln soll, ergibt sich aus dem schriftsätzlichen Vortrag der Antragsgegnerin nicht. Sie hat die Abbildungen lediglich zum Beleg ihrer Darlegung (Bl. 45 GA) angeführt, es würden allein im (wohl derzeitigen) Sortiment der Antragsgegnerin "fast 25 Stromschienenleuchten mit den entsprechenden Bügeln" angeboten. Schon mangels Angaben zum Zeitpunkt der Veröffentlichungen können diese Formen nicht als vorbekannt berücksichtigt werden. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung nur ganz allgemein, das heißt ohne nähere zeitliche Angaben, die Vorbekanntheit behauptet hat, kann dies schon wegen des Bestreitens der Gegenseite nicht zugrunde gelegt werden; glaubhaft gemacht mit einem Vortrag zu den einzelnen Leuchten hat die Antragsgegnerin ihre Behauptung nicht.

Im Übrigen finden sich in diesen Abbildungen - ihre Vorbekanntheit unterstellt - keine Formen, die die Merkmale aufweisen, für die die Antragstellerin nach ihrem Verfügungsantrag Schutz beansprucht. Das gilt auch für die Leuchte aus dem - unterstellt - vorbekannten Formenschatz der Anlage B 2, die der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin im Senatstermin als dem Verfügungsgeschmacksmuster am nächsten kommend genannt hat. Es handelt sich um die in der Anlage B 2 auf Seite 217 unten unter "J." abgebildete Leuchte. Sie weist zwar einen uförmigen Bügel auf, der auch ansonsten bei anderen als vorbekannt unterstellten Leuchten zur Aufhängung unter der Decke häufiger zu sehen ist. Er prägt das Verfügungsgeschmacksmuster indes nicht allein, sondern nur in Verbindung mit den übrigen Merkmalen, wie sie im Verfügungsantrag genannt sind. Der mit ihnen erzeugte Eindruck findet sich auch in der Leuchte "J." nicht. Sie weist nämlich, anders als das Verfügungsgeschmacksmuster, keine (zweischalige) Rahmenkonstruktion auf. Vielmehr besteht die Leuchte aus zwei Teilen, die nicht durch einen Rahmen, sondern durch zwei längliche Verbindungsstücke aneinander befestigt sind. Der Lampenkorpus der vorbekannten Leuchte ist demgemäß auch nicht in dem vorderen Teil des Rahmens angebracht und verjüngt sich im Übrigen auch nicht in zwei Schalen. Das hintere rechteckige Gehäuse erscheint mangels eines Rahmens nicht als Teil desselben, sondern ist - wie erwähnt - durch zwei stabartige Verbindungsstücke am Lampenkorpus befestigt.

Entsprechendes gilt für die Formen, die die Antragstellerin selbst vorgelegt hat (Anlage K 6 = Bl. 63 ff. GA). Unklar ist auch insoweit, ob diese vorbekannt sind. Auch hier sind im Übrigen die Formmerkmale der Schutz beanspruchenden Leuchte in keiner der Abbildungen erkennbar. Gegenteiliges wird offenbar auch von der Antragsgegnerin nicht vertreten.

Die Leuchtenformen, die aus den im Senatstermin überreichten Unterlagen hervorgehen, sind schon deshalb nicht als vorbekannt zu berücksichtigen, weil sie erst den Stand des Jahres 2007 belegen bzw. - im Fall von C. - eine Leuchte zeigen, die sich erst seit drei Jahren, also seit September 2005, auf dem Markt befinden soll. Das betrifft in sämtlichen Fällen einen Zeitraum nach der Eintragung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters am 13.6.2005 und stellt aus diesem Grunde keinen vorbekannten Formenschatz dar. Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgte Vortrag zu einer Leuchte "L." und zu weiteren Strahlern (Schriftsatz vom 29.9.2008, Eingang bei Gericht am 30.9.2008) ist gemäß § 296a Satz 1 ZPO verspätet und nicht zu berücksichtigen. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung kommt wegen des Eilcharakters des Verfügungsverfahrens nicht in Betracht. Sie wäre im Übrigen auch deshalb nicht angezeigt, weil der Schriftsatz der Antragsgegnerin wiederum auf die einzelnen Formmerkmale der Schutz beanspruchenden Leuchte im Verhältnis zu den angeblich vorbekannten Formen gar nicht eingeht.

Der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin hat in diesem Schriftsatz vielmehr erneut ausgeführt, dass es auf den vorbekannten Formenschatz seiner Ansicht nach überhaupt nicht ankomme. Das trifft indes mitnichten zu, weil ohne eine Diskussion der vorbekannten Formen weder die Neuheit und Eigenart der Verfügungsgeschmacksmusters, die die Antragsgegnerin wohl in Frage stellen will, noch - bei Bejahung dieser Schutzvoraussetzungen des Artikels 4 Abs. 1 GGV - der Schutzbereich des Geschmacksmusters bestimmt werden kann. Fehlt - wie hier - jeder oder nahezu jeder Vortrag zum vorbekannten Formenschatz, so ist von einem sehr weiten Schutzbereich auszugehen, der hier durch die Kombination der Merkmale beschrieben ist, die im Verfügungsantrag und der Beschlussverfügung aufgeführt sind.

2. Vor diesem Hintergrund verletzt die Leuchte der Antragsgegnerin die Rechte der Klägerin aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Gemäß Artikel 10 Abs. 1 GGVO erstreckt sich der Umfang des Schutzes aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster auf jedes Geschmacksmuster, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt. Das ist hinsichtlich der Leuchte der Antragsgegnerin der Fall. Sie greift die wesentlichen, im Verfügungsantrag genannten und in der Beschlussverfügung wiedergegebenen Gestaltungsmerkmale der Schutz beanspruchenden Leuchte auf. Bei dieser Einschätzung ist der - wie ausgeführt - sehr weite Schutzbereich des Verfügungsgeschmacksmusters maßgeblich zu berücksichtigen, der sich auf sämtliche Gestaltungen bezieht, die die aufgeführten Merkmale aufweisen, also eine zweischalige, rechteckige, in der Mitte teilweise offene Rahmenkonstruktion mit rechteckiger bügelförmiger Aufhängung, die etwa mittig links und rechts von der Rahmenkonstruktion befestigt ist, einen im vorderen Bereich der Rahmenkonstruktion angebrachten runden Strahlerkorpus mit Reflektor und einen sich in zwei Schalen verjüngenden Leuchtenkorpus sowie einen im hinteren Bereich als Einheit mit dem Rahmen angebrachten rechteckigen Gehäuse.

Die Formunterschiede zwischen der Schutz beanspruchenden und der angegriffenen Leuchte, wie sie die Antragsgegnerin und - ihr folgend - das Landgericht beschrieben hat, sind sicherlich vorhanden und ohne weiteres erkennbar. Auf die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts kann Bezug genommen werden. Angesichts des weiten Schutzbereichs der Schutz beanspruchenden Leuchte, von dem der Senat auszugehen hat, haben sie indes nicht zur Folge, dass eine Verletzung des Verfügungsgeschmacksmusters zu verneinen wäre. Sie betreffen nämlich - wie beispielsweise die abgerundeten oder eher eckigen Kanten oder die Anordnung der Lüftungsschlitze - relative Kleinigkeiten, die nur Varianten innerhalb des Schutzbereichs beschreiben, wie er durch die oben wiedergegebenen Merkmale geprägt ist. Ein anderer Gesamteindruck, der aus dem weiten Schutzbereich hinausführen könnte, wird dadurch nicht begründet.

3. Der Senat geht davon aus, dass der in der Antragsschrift in zweiter Linie noch angeführte Anspruch aus § 8 Abs. 1 i. V. m. § 4 Nr. 9 a) UWG nur hilfsweise geltend gemacht werden soll und über ihn daher nicht mehr zu entscheiden ist.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit unterbleibt, § 704 Abs. 1, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 100.000,-- € nach der Wertfestsetzung des Landgerichts.

Ende der Entscheidung

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