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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 11.06.2007
Aktenzeichen: I-21 W 19/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 42
ZPO § 406
ZPO § 407 a
1. Die Ablehnung eines Untersachverständigen eines benachbarten Fachgebiets wegen Besorgnis der Befangenheit kommt ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der gerichtlich bestellte Sachverständige sich die gutachterlichen Feststellungen des Untersachverständigen nicht mehr zu eigen macht, sondern diese lediglich an das Gericht weiterleitet.

2. Der beigezogene Untersachverständige ist mangels gerichtlicher Bestellung zum Sachverständigen zwar nicht unmittelbar wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, seine gutachterlichen Feststellungen dürfen aber nicht verwertet werden.

3. Ist der gerichtliche Sachverständige nicht in der Lage, die tatsächlichen Feststellungen des beigezogenen Untersachverständigen selbst auszuwerten bzw. deren Bewertungen nachzuvollziehen und sich dadurch zu eigen zu machen, ist der beigezogene Untergutachter nicht mehr lediglich Hilfsperson, sondern selbst zum gerichtlichen Sachverständigen zu ernennen.


Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 21.02.2007 i.V.m. dem Schriftsatz vom 26.02.2007 wird der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 31.01.2007 - 7 O 332/06 - unter Ziffer II. aufgehoben.

Das Landgericht wird angewiesen, die Feststellungen des von dem gerichtlichen Sachverständigen Dipl.-Ing. L..... beigezogenen Fachmanns für Baugrundfragen, Herrn Dipl.-Geoph. B....., wegen der Besorgnis der Befangenheit insgesamt nicht zu verwerten.

Gründe:

I.

Die Klägerin ließ im Jahr 1990 ein aus drei Bauteilen bestehendes Geschäftszentrum in der H.....straße 7 - 11 in B..... errichten. Der Beklagte ist der von der Klägerin beauftragte Bodengutachter. Nachdem sich bereits während der Rohbauarbeiten Risse an der Decke über dem Erdgeschoss des Bauteils A und nach Fertigstellung des Komplexes auch solche an den Außen- und Innenwänden des Bauteils zeigten, leitete die Klägerin unter dem 23.12.1992 ein selbständiges Beweisverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf - 7 OH 24/92 - ein, welches sich zunächst gegen die die Bohrpfahlgründung ausführende Firma richtete, später aber auch auf den Beklagten und drei weitere Beteiligte ausgedehnt wurde. Das Landgericht ordnete mit Beschlüssen vom 21.01.1993 (Bl.71f. Beiakte 7 OH 24/92, im folgenden: Beiakte) und 28.12.1994 (Bl. 192 Beiakte) die Beweiserhebung über das Vorhandensein der Risse, die Ursachen und Verantwortlichkeiten für die Rissbildungen und die erforderlichen Mängelbeseitigungsmaßnahmen an und ernannte Herrn Dipl.-Ing. L..... zum Sachverständigen. Dieser zog nach entsprechendem Hinweis den Dipl.-Geophysiker B..... zur Überprüfung des anstehenden Bodens hinzu. In der Folgezeit erstellte der Sachverständige Dipl.-Ing. L..... - unter Hinzuziehung des Dipl.-Geophysikers B..... - das Gutachten vom 21.02.2000 sowie wegen Einwendungen des Beklagten zwei weitere Ergänzungsgutachten.

Auf Antrag des Beklagten vom 23.08.2005 (Bl. 1023ff Beiakte) i.V.m. dem Schreiben vom 12.08.2005 (Bl. 1025ff Beiakte) gab das Landgericht dem Sachverständigen L..... mit Beschluss vom 02.03.2006 (Bl.1110 Beiakte) auf, sein 2. Ergänzungsgutachten vom 29.06.2005 (Bl.990ff Beiakte) entsprechend zu ergänzen. Dieser nahm zum einen Bezug auf seine bereits unter dem 13.10.2005 (Bl. 1062ff Beiakte) erstellte Stellungnahme und übersandte unter dem 30.10.2006 das ergänzende Gutachten des Dipl.-Geophysikers B..... vom 23.10.2006 (Bl. 1171ff Beiakte) zu den den Baugrund betreffenden Fragen. Nach Erhalt dieses Gutachtens beantragte der Beklagte innerhalb der vom Landgericht gesetzten Stellungnahmefrist mit Schriftsatz vom 22.01.2007 "den Sachverständigen B....." aufgrund seiner unsachlichen und ihn diskreditierenden Äußerungen in seinem Gutachten vom 23.10.2006 wegen Befangenheit abzulehnen. Das Landgericht hat nach durchgeführter mündlicher Verhandlung in dem zwischenzeitlich eingeleiteten Hauptsacheverfahren durch Beschluss vom 31.01.2007 unter Ziffer II. den Befangenheitsantrag zurückgewiesen und dies damit begründet, dass sich die vom Beklagten beanstandeten Äußerungen des Sachverständigen im Grenzbereich des noch Zulässigen bewegten. Nachdem der Beklagte den Sachverständigen in seinen Schriftsätzen vom 05.08.1996 und 26.03.2004 aber selbst heftig angegriffen habe, müsse er es hinnehmen, wenn der Sachverständige auf diese Angriffe entsprechend scharf reagiere, solange seine inhaltlichen Ausführungen erkennen ließen, dass das Gutachten objektiv erstellt worden sei, was zu bejahen sei.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten, der das Landgericht mit Beschluss vom 21.03.2007 nicht abgeholfen hat.

II.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist gemäß §§ 406 Abs. 5, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO

zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

1.

Der Antrag des Beklagten vom 22.01.2007, den "Sachverständigen B....." wegen Befangenheit abzulehnen, ist zulässig. Zwar regelt § 406 ZPO die Ablehnung gerichtlich bestellter Sachverständiger, wohingegen der Dipl.-Geophysiker B..... bislang lediglich als Beirat des gerichtlichen Sachverständigen L..... tätig war. Die Ablehnung von Hilfspersonen i.S.v. § 407 a ZPO wird aber überwiegend als unzulässig angesehen (vgl. OLG Zweibrücken MDR 1986, 417, Zöller- Greger, ZPO, 26. Aufl., § 406 RN 2, Musielak- Huber, ZPO, 5. Aufl., § 407 a RN 3). Vorliegend liegt der Fall allerdings insoweit anders, als der gerichtliche Sachverständige Dipl.-Ing. L..... sich - anders als bei den Vorgutachten - die Feststellungen des Bodenfachmanns Dipl.-Geoph. B..... nicht mehr zu eigen gemacht hat, sondern sich darauf beschränkt hat, das Gutachten von Dipl.-Geoph. B..... vom 23.10.2006 zu den Akten zu reichen. In dieser Situation, in der einerseits ein Befangenheitsantrag gegen den gerichtlichen Sachverständigen L..... mangels Übernahme der Verantwortung für das Gutachten seines Beirats keine Aussicht auf Erfolg hätte (OLG Jena BauR 2006, 1177f.), andererseits eine unmittelbare Ablehnung des hinzugezogenen Bodenfachmanns mangels gerichtlicher Bestellung zum Sachverständigen nicht in Betracht kommt, erscheint es aber ausnahmsweise zulässig, in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens des § 406 ZPO ein Verwertungsverbot der Feststellungen des Dipl.-Geophysikers B..... auszusprechen. In diesem Sinne ist der Befangenheitsantrag des Beklagten zu verstehen, dem es erkennbar darum geht, dass die Feststellungen des Gutachters B..... bei der Beurteilung der Ursache der Rissbildungen und Setzungen nicht verwertet werden.

2.

Der Ablehnungsantrag des Beklagten ist auch begründet.

Nach §§ 406 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 2 ZPO setzt die Besorgnis der Befangenheit voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Sachverständigen zu rechtfertigen. Hierbei ist nicht erforderlich, dass der Sachverständige tatsächlich befangen ist oder sich befangen fühlt. Entscheidend ist allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden genügende objektive Gründe vorliegen, die auch nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit und Objektivität des Sachverständigen zu zweifeln. Daran gemessen hat das Landgericht das Ablehnungsgesuch des Beklagten zu Unrecht zurückgewiesen.

Der Sachverständige B..... hat sich in seinem Gutachten vom 23.10.2006, ohne dazu befragt worden zu sein und ohne dass es darauf für seine Bodenuntersuchungen ankommt, mit dem etwaigen Hintergrund der Beauftragung des Baugrundgutachtens des Beklagten vom 06.07.1989 befasst, indem er ausführt: "Auftrag, Art und Abfassung des Gutachtens belegen, dass es außerhalb der bestehenden Rechtsordnung der HOAI [1] angeboten und ausgeführt worden ist. Eine solche Vorgehensweise wird von manchen Ingenieuren betrieben, um sich Vorteile gegenüber seriösen Konkurrenten zu verschaffen, indem das Gutachten als Paket mit einem Untersuchungsprogramm angeboten wird, das ausschließlich im eigenen Haus ausgeführt wird." Allein diese Äußerungen, die den Beklagten in die Nähe eines unseriösen Wettbewerbers rücken, erwecken auch bei einer besonnenen Partei den Eindruck, der Gutachter setze sich nicht hinreichend mit den Sachargumenten des Beklagten auseinander. Denn sie zeigen, dass er sich durch die Schriftsätze des Beklagten und seiner Versicherung vom 12. und 23.08.2005 persönlich betroffen fühlt und nicht mehr objektiv zu den geäußerten Kritikpunkten an dem vorausgegangenen Gutachten Stellung nehmen wird. Dieser Eindruck wird durch die weiteren Formulierungen in seinem Gutachten,

- "der AG 2" (Beklagte) "war offensichtlich von seiner vorgefassten - wenn auch falschen Anschauung,....so überzeugt, dass er seinen Irrtum auch dann nicht erkannte, als er..."

- "Letztlich hat der AG zu 2) aber großes Glück gehabt, ..."

- "Der AG zu 2) ist heftig bemüht,..."

- "Der Hinweis des AG zu 2)...entbehrt nicht einer gewissen Komik."

verstärkt. Auch diese Formulierungen ergänzen den Eindruck, der Bodenfachmann sei zum Nachteil des Beklagten befangen, da sie sich nicht auf sachliche Feststellungen beschränken, sondern persönliche Werturteile über das Verhalten des Beklagten beinhalten.

Diese Formulierungen sind auch nicht vor dem Hintergrund eigener persönlich abwertender Angriffe des Beklagten gegen den Gutachter gerechtfertigt. Zwar kann ein Ablehnungsantrag als unbegründet zurückzuweisen sein, wenn der Sachverständige auf heftige Angriffe scharf reagiert, da ein Ablehnungsgrund nicht provoziert werden darf (OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1353; BB 1975, 627f). Abzustellen ist insoweit auf die dem Gutachten vom 23.10.2006 vorangegangenen Schriftsätze vom 12. und 23.08.2005. Die vom Landgericht zitierten Schriftsätze vom 05.08.1996 und 26.03.2004 können hingegen nicht herangezogen werden, weil diese angesichts der verflossenen Zeit ohnehin eine heftige Gegenreaktion nicht mehr rechtfertigen könnten, zum anderen aber auch bereits selbst Anlass für die Erstellung von Ergänzungsgutachten waren, ohne dass in diesen unsachgemäß reagiert worden ist.

Das Schreiben der Versicherung des Beklagten vom 23.08.2005 enthält bereits keinerlei Provokationen, vielmehr setzt es sich ausschließlich mit den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dipl.-Ing. L..... auseinander, denen - so die Rüge unter Ziffer 4. des Schreibens - gar nicht zu entnehmen war, ob und in welchem Umfang der Sachverständige sich von dem Sachverständigen B..... hat beraten lassen. Etwas anderes gilt zwar für das Schreiben des Beklagten vom 12.08.2005, in dem der Beklagte auch den Bodenfachmann B..... in sprachlich teilweise überzogener Weise angreift. So finden sich neben Sachargumenten und Formulierungen, die sich allein gegen den gerichtlichen Sachverständigen L..... richten ("hat...zum wiederholten Mal nicht dazu beigetragen, den realen Sachverhalt transparent zu machen." "aus nicht nachvollziehbaren Gründen", "gravierende Fehlbeurteilungen", "zeigt...nunmehr deutliche Wissenslücken bei der Beurteilung und Bewertung von Setzungen und Setzungsunterschieden") auch solche, die sich mit dem Bodenfachmann auseinandersetzen, wie "...Weder der Gutachter L..... noch der als Sondergutachter Baugrund zusätzlich eingeschaltete Gutachter B..... wissen offensichtlich nicht mit dem Kennwort "Verformungsmodul des Bodens" umzugehen" sowie "mit wenig Sachkunde bearbeitet". Ferner rügt der Beklagte die Ausführung teurer Bohrungen durch den Sachverständigen B....., obwohl es eine geologische Karte von 1993 gab. Der Bodenfachmann Dipl.-Geoph. B..... hat aber die Grenze der noch als hinnehmbar anzusehenden Gegenreaktion eines Sachverständigen auf die vorangegangenen Angriffe der Beklagtenseite seinerseits überschritten. Denn gerade die Ausführungen zur etwaigen Unseriosität des Beklagten bei Erlangung des Auftrags zur Erstellung eines Bodengutachtens stellen sich objektiv als Ausdruck einer Aversion gegen den Beklagten dar, die aus der maßgeblichen Sicht des Beklagten zeigen, dass der Sachverständige B..... seine neutrale Rolle als Gehilfe des gerichtlichen Sachverständigen und damit auch als Gehilfe des Gerichts verlassen hat (vgl. auch OLG Frankfurt OLGR 2004, 161f.; OLG Köln MDR 2002, 53; OLG Schleswig OLGR 2002, 463f.).

Da eine unmittelbare Ablehnung des Bodenfachmanns Dipl.-Geoph. B..... mangels gerichtlicher Bestellung zum Sachverständigen nicht in Betracht kam, war das Landgericht anzuweisen, dessen gutachterliche Feststellungen im Rahmen des Hauptverfahrens - das selbständige Beweisverfahren hat die für das Hauptverfahren zuständige Kammer aufgrund des Beschlusses vom 31.01.2007 an sich gezogen - nicht zu verwenden. Dies gilt nicht nur für die im Gutachten vom 23.10.2005 getroffenen Feststellungen, sondern für die von dem Dipl.-Geophysiker B..... insgesamt getroffenen Feststellungen. Das Landgericht wird bei der Auswahl eines neuen Bodengutachters zu erwägen haben, ob dieser nicht ebenfalls zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt wird. Dies wird dann zu bejahen sein, wenn es nach der Auffassung des Landgerichts für die Ursache der Rissbildungen maßgeblich auf die Begutachtung der Bodenverhältnisse ankommt und der gerichtliche Sachverständige L..... nicht in der Lage ist, die tatsächlichen Feststellungen selbst auszuwerten bzw. die Bewertungen nachzuvollziehen und sich dadurch zu eigen zu machen (vgl. Musielak, a.a.O., § 407a RN 3).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da die Kosten eines erfolgreichen Ablehnungsgesuchs zu den Kosten der Hauptsache zählen und der dortigen Kostenentscheidung folgen (OLG Schleswig OLGR 2002, 463f.; OLG Düsseldorf, OLGR 2000, 455, 456).

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Streitwert: € 14.000,--

Ende der Entscheidung

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