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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 03.01.2006
Aktenzeichen: I-23 U 113/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 513
ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
ZPO § 529
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 313
BGB § 631
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 20.1.2006.

Der Verhandlungstermin vom 24.1.2006 wird aufgehoben.

Gründe:

I.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO.

Der Klägerin steht der zuerkannte Vergütungsanspruch gemäß § 631 BGB zu. Die Beklagte war nicht berechtigt, einen Teil der monatlich zu zahlenden Vergütung deshalb einzubehalten, weil sich die Lohnkosten der Klägerin mit Wirkung ab dem 1.4.2004 verringert haben. Ein Recht zur Anpassung der Vergütung ergibt sich weder aus § 7 des Vertrages vom 21.12.1999 noch aus § 313 BGB.

1.

Die Beklagte ist nicht aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung des § 7 der Vereinbarung vom 21.12.1999 gemäß §§ 133, 157 BGB zur Reduzierung der Vergütung der Klägerin berechtigt.

Auf das Vertragsverhältnis der Parteien des Rechtsstreits findet Werkvertragsrecht Anwendung. Gemäß § 631 BGB schuldet der Auftraggeber für die erbrachten Leistungen die vereinbarte Vergütung. Mit Vertragsschluss entsteht die Bindung an den vereinbarten Preis; eine Änderung des Preises ist bei unveränderter Leistung grundsätzlich nur mit Zustimmung des Vertragspartners möglich. Dies bedeutet, dass der Unternehmer das Risiko seiner Kostenkalkulation trägt. Materialpreis- und Lohnkostenerhöhungen, die sich während der Vertragsdurchführung ergeben, kann er grundsätzlich nicht an den Auftraggeber weitergeben. Auf der anderen Seite ist der Auftraggeber nicht zu einer Reduzierung der vereinbarten Vergütung bei einer Ermäßigung der Material- und Lohnkosten berechtigt. Den Vertragsparteien steht es allerdings frei, Preisanpassungsregeln für den Fall zu vereinbaren, dass sich das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung bei länger laufenden Verträgen durch Änderungen der Kosten des Unternehmers verändert. Eine allerdings beschränkte Vergütungsanpassung haben die Klägerin und die Beklagte in dem Vertrag vom 21.12.1999 unter § 7 vereinbart. Diese Regelung lautet:

"Die vereinbarte Vergütung basiert auf dem zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gültigen Lohntarifvertrag des Gebäudereiniger-Handwerks NRW und Rahmentarifvertrag des Gebäudereiniger-Handwerks Bundesrepublik. Tarifänderungen werden in der Höhe anerkannt, in der die M-U D Tariferhöhungen akzeptiert."

Eine solche Kostenklausel dient dazu, einerseits dem Unternehmer das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher, ihn belastender Kostensteigerung zu sichern, und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Unternehmer mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht (vgl. grundsätzlich zu solchen Kostenelementklauseln BGH Urteil v. 21.9.2005 - VIII ZR 38/05; BGH Urteil v. 12. 7. 1989 - VIII ZR 297/88, NJW 1990, 115 unter II 2 b). Die hier vorliegende Anpassungsklausel ist zum einen beschränkt auf den Fall der Erhöhung der Lohntarife für Gebäudereiniger und zusätzlich daran geknüpft, dass der Hauptauftraggeber - die U D - die Erhöhung ihrem Vertragspartner, der Beklagten, gegenüber akzeptiert, d.h. deren Vergütung erhöht. Für den Fall der Senkung der Tariflöhne enthält die Klausel keine Regelung. Eine ergänzende Vertragsauslegung mit dem Inhalt, dass die Beklagte bei einer Senkung der Tariflöhne unabhängig von dem Verhalten des Hauptauftraggebers zu einer Reduzierung der Vergütung berechtigt ist, ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gerechtfertigt.

Das Landgericht hat eine ergänzende Vertragsauslegung mangels einer planwidrigen Lücke abgelehnt und die Entscheidung hilfsweise damit begründet, dass eine ergänzende Vertragsauslegung die Reduzierung der Vergütung nicht zur Folge hat. Der Senat hat die vom Landgericht vorgenommene Auslegung der Klausel auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob die Auslegung überzeugt (vgl. zur Überprüfung der erstinstanzlichen Auslegung einer Individualvereinbarung durch das Berufungsgericht BGH Urteil v. 14.7.2004 - VIII ZR 164/03, NJW 2004, 2751ff). Es mag dahin stehen, ob die Parteien die vertragliche Regelung in § 7 als abschließend gewollt haben, wie das Landgericht meint. Jedenfalls trifft es zu, dass eine Reduzierung der Vergütung auch für den Fall, dass der Hauptauftraggeber der Beklagten die in der Höhe unveränderte Vergütung zahlt, nicht gerechtfertigt ist, §§ 157, 133 BGB.

Die ergänzende Vertragsauslegung muss sich an dem hypothetischen Parteiwillen orientieren, d.h. es ist darauf abzustellen, was die Parteien bei Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten (BGH Urteil v. 25.11.2004 - I ZR 49/02, NJW-RR 2005, 687, 690; BGH Urteil vom 17.5.2004 - II ZR 261/01, NJW 2004, 2449). Dabei ist an den Regelungen und Wertungen des Vertrages anzuknüpfen. Es sind neben den individuellen Kriterien auch die objektiven Gegebenheiten zu berücksichtigen. Zum Verständnis dessen, was Treu und Glauben entspricht kommt hierbei den Wertungen, die in den gesetzlichen Vorschriften Ausdruck gefunden haben, entscheidende Bedeutung zu (BGH Urteil vom 17.5.2004 - II ZR 261/01, NJW 2004, 2449). Die nach diesen Grundsätzen vorzunehmende Auslegung ergibt, dass die Vergütung der Klägerin nur dann zu reduzieren ist, wenn die Lohntarife gesenkt werden und die Universität Duisburg den an die Beklagte zuzahlenden Werklohn deswegen kürzt.

Für den Fall einer Erhöhung der Lohnkosten haben die Parteien vereinbart, dass dies nicht automatisch eine Erhöhung der Vergütung der Klägerin nach sich ziehen soll. Die Klägerin trägt danach zunächst unverändert das Kostenrisiko. Nur für den Fall, dass der Hauptauftraggeber der Beklagten eine höhere Vergütung zahlt, d.h. deren Gewinn bei gleichzeitiger Gewinnreduzierung der Klägerin steigt, soll die Tariferhöhung auch den Werklohnanspruch der Klägerin beeinflussen. Erst und nur dann liegen die Voraussetzungen vor, die die Parteien als maßgeblich für eine Vergütungsanpassung gesehen haben. Es handelt sich nicht um die Übernahme des Kostenrisikos durch die Beklagte, was dann vorläge, wenn eine Tariferhöhung zu ihren Lasten ginge. Die Regelung schöpft vielmehr lediglich einen etwaigen zusätzlichen Gewinn der Beklagten ab, ohne dass die Beklagte das Risiko von Kostensteigerungen übernehmen muss. Überträgt man diese Vereinbarung in § 7 des Vertrages auf den Fall der Senkung der Tariflöhne hat dies zur Folge, dass auch dann keine automatische Reduzierung des Werklohnanspruches der Klägerin erfolgt. Erst wenn der Hauptauftraggeber die Vergütung der Beklagten herabsetzt, tritt eine der vertraglichen Regelung entsprechende Sachlage ein. Denn dann würde sich der Gewinn der Klägerin erhöhen bei gleichzeitiger Gewinnreduzierung der Beklagten. So, wie bei der Abschöpfung eines zusätzlichen Gewinns der Beklagten im Falle der Steigerung ihrer Vergütung wegen Tariflohnerhöhungen, muss dann, aber auch nur dann ihr Verlust von der durch die Lohnsenkung profitierenden Klägerin übernommen werden. Eine andere, das heißt automatische Vergütungsanpassung, hätten die Parteien angesichts der getroffenen Regelung für Tariferhöhungen redlicherweise nicht vereinbart. Daran ändert sich nichts, wenn die Parteien, wie die Beklagte behauptet, davon ausgegangen sind, die Universität werde sich im Falle von Tariferhöhungen in jedem Fall zu einer Erhöhung des Werklohns der Beklagten bereit erklären. Dies bedeutet nicht, dass durch Kostenersparnis erzielte zusätzliche Gewinne der Klägerin, die keinen Einfluss auf die Gewinne und Verluste der Beklagten haben, automatisch zu einer Übertragung der Zusatzgewinne auf die Beklagte führen müssten. Es kann dahin stehen, ob die Beklagte eine geringere als die übliche Marge mit der Klägerin vereinbarte. Die Änderung der Preisgrundlagen der Klägerin rechtfertigt es nicht, die Gewinnmarge der Beklagten zu erhöhen. Ebensowenig spielt es eine Rolle, dass die Klägerin nur durch die Auftragsvergabe der Beklagten "im Geschäft geblieben ist", wie die Beklagte behauptet. Auch dies rechtfertigt keine Vertragsanpassung mit einer Kürzung der Gewinne der Klägerin trotz unveränderter Gewinne der Beklagten.

2.

Eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen über die Änderung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB scheidet aus. Die Anpassung des Vertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage ist nachrangig, d.h. sie kann vorgenommen werden, wenn, wie hier, eine Vertragsanpassung nicht bereits infolge der Vertragsauslegung vorzunehmen ist. Die Voraussetzungen für eine Vergütungsreduzierung wegen Störung der Geschäftsgrundlage liegen aber nicht vor. Nur im Ausnahmefall kann eine unvorhergesehene Materialpreis- oder Lohnkostenerhöhung, Erhöhung öffentlicher Lasten, Steuern oder von Versicherungsbeiträgen einen Anspruch auf Preisanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage begründen. Grundsätzlich fallen die Preisbildung und damit auch die Entwicklung der preisbildenden Umstände in den Risikobereich einer Partei, regelmäßig des Unternehmers (BGH, Urteil v. 19.12.1985 - VII ZR 188/84, BauR 1986, 334). Nur ganz extreme, nicht vorhersehbare Preisentwicklungen können eine Anpassung des Vertrages rechtfertigen (BGH, Urteil v. 13.7.1995 - VII ZR 142/95, BauR 1995, 842; Kniffka, Bauvertragsrecht, ibr-online-Kommentar, § 631 Rn. 189).

II.

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) noch ist eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO).

Ende der Entscheidung

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