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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.06.2005
Aktenzeichen: I-23 U 3/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, WHG, VwVfG


Vorschriften:

ZPO § 287
ZPO § 513
ZPO § 529
BGB § 398
BGB § 633
BGB § 633 Abs. 1
BGB § 635
WHG § 2 Abs. 1
WHG § 3 Abs. 2
WHG § 6
VwVfG § 38
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8.12.2004 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kleve unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.204,81 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.9.2003 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 88 % und die Klägerin zu 12 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts beruht insoweit auf einem Rechtsfehler, als der zu verrechnenden Vergütungsanspruch nicht von der Klageforderung, sondern von einer darüber hinausgehenden, nicht streitgegenständlichen Schadensersatzforderung in Abzug gebracht wurde. Im Übrigen beruht die Entscheidung weder auf einem Rechtsfehler (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO.

Auf das Schuldverhältnis der Parteien sind die bis zum 31.12.2001 geltenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches anzuwenden.

I.

Der Klägerin steht nach Verrechnung mit dem restlichen Vergütungsanspruch der Beklagten ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 13.204,81 EUR gegen die Beklagte aus §§ 635, 398 BGB zu, weil die Beklagte die ihr in Auftrag gegebenen Architektenleistungen mangelhaft ausgeführt hat.

1.

Die zutreffende Feststellung des Landgerichts, dass der Ehemann der Klägerin ihr seine Ansprüche aus dem Architektenvertrag mit der Beklagten abgetreten hat, wird in der Berufungsinstanz nicht angegriffen.

2.

Die Beklagte hat eine mangelhafte Leistung im Sinne des § 633 BGB erbracht, weil sie die Einbringung des genehmigungsbedürftigen, aber nicht genehmigungsfähigen Recyclingmaterials plante, die entsprechenden Arbeiten ausschrieb und auch im Rahmen der Bauüberwachung keine Bedenken erhob.

Ein Mangel der Planung liegt nicht nur dann vor, wenn die Baugenehmigung nicht erteilt wird, sondern auch dann, wenn bei erteilter Baugenehmigung notwendige Genehmigungen oder Erlaubnisse nach anderen Rechtsvorschriften nicht erteilt werden, so dass der Bauherr das Bauvorhaben nicht unbeanstandet realisieren kann. Die Planung des Architekten muss auch die Frage der Zulässigkeit der technischen Konstruktion und der Verwendbarkeit der vorgesehenen Baustoffe Rechnung tragen. Dazu gehört die Prüfung, ob der vom Architekten vorgesehene Baustoff entsprechend den öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingesetzt werden kann. Diese Planung hat die Beklagte unterlassen und die Verfestigung des Baugrundes mit nicht genehmigungsfähigem Recyclingmaterial geplant und ausführen lassen.

a)

Der Kreis W hat die nachträgliche Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis für das eingebrachte Verfestigungsmaterial zu Recht versagt. Eine fehlende Genehmigungsfähigkeit kann allerdings nicht allein deshalb unterstellt werden, weil der Bescheid des Kreises W bestandskräftig geworden ist. Im Zivilprozess ist die Frage der Genehmigungsfähigkeit ohne Bindung an die Bestandskraft einer entsprechenden Behördenentscheidung zu prüfen. Es ist für den zivilrechtlichen Anspruch gegen den Architekten zu prüfen, ob die Ablehnung der Genehmigung wegen Verstoßes gegen das materielle Recht zu Recht erfolgt ist oder nicht (Jacob, BauR 2003, 1623, 1629; Locher BauR 2002, 1303, 1307; Bönker NZBau 2003, 80, 82). Dies entspricht den für den Amtshaftungsprozess entwickelten Grundsätzen, für den die Kompetenz der Zivilgerichte zur Überprüfung bestandskräftiger Verwaltungsakte, die nicht in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren überprüft worden sind, anerkannt ist (BGHZ 117, 17; BGHZ 127, 223; Steinweg NJW 2003, 3036 ff; a.A. Stuttmann NJW 2003, 1432 ff).

Der Bescheid des Kreises W vom 23.07.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung D vom 25.03.2004 ist zu Recht ergangen. Die Einbringung des Recyclingmaterials bis zu einer Tiefe von 2 m war genehmigungsbedürftig nach §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 2, 6 WHG. Die Versagung der Genehmigung liegt nach § 6 WHG nicht im Ermessen der Behörde, sondern muss zwingend erfolgen, wenn Gefährdungstatbestände vorliegen. Solche sind hier gegeben. Für die Beurteilung der Grundwassergefährdung durch Recyclingmaterial sind die technischen Regeln der LAGA vom 6.11.1997 maßgebend. Für die Verwendbarkeit gibt es danach gestufte Zuordnungswerte: Z 0 berechtigt zur uneingeschränkte Nutzung, Z 1.1 und Z 1.2 erlauben nur eine eingeschränkte Nutzung und Z 2 gestattet die Nutzung nur mit besonderen Sicherungsmaßnahmen. Der Sachverständige Dr. J hat die Stoffe nach eingehender Prüfung der Gruppe Z. 1.1 zugeordnet. Zutreffend hat die Widerspruchsbehörde darauf abgestellt, dass bei Grundwasserhöchstständen, Abfallprodukte und Belastungen angesichts der Lagerung der Recyclingstoffe in einer Tiefe bis zu 2 m in das Grundwasser gelangen können. Es ist hierbei nicht zu beanstanden, dass die Behörde wegen der Beurteilung auf die Erfahrungswerte aus der Rundverfügung vom 1.2.2000 Bezug genommen hat, da das Material erst im März 2000 eingebracht wurde. Die Möglichkeit schädlicher Einflüsse ist danach so nahe liegend, dass die Ablehnung einer wasserrechtlichen Genehmigung gerechtfertigt ist, auch wenn schädliche Einflüsse nicht unmittelbar drohen.

b)

Ein Mangel im Sinne des § 633 Abs. 1 BGB wäre allerdings dann zu verneinen, wenn der Ehemann der Klägerin aufgrund der Duldung der Behörde die gleiche Rechtsposition erlangt hätte, wie im Falle einer Genehmigung. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Duldung ist die vorübergehende Hinnahme eines ordnungsrechtlich erheblichen Zustandes. Sie kann von ihren Voraussetzungen und den Rechtsfolgen her einem Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG) nicht gleichgesetzt werden (Rogall NJW 1995, 922, 923 mit weiteren Nachweisen). Selbst wenn die Zusage des Nichteinschreitens wegen des dadurch begründeten Vertrauenstatbestandes im Einzelfall einer Zusicherung im Sinne des § 38 VwVfG gleichkommt (vgl. Stelkens/Bonks/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Auflage 2001, § 38 Rdnr. 24), ist es deswegen der Behörde für die Zukunft nicht verwehrt, ihre Rechtsposition zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern. Jegliche Änderung der Sach- und Rechtslage kann eine neue Entscheidung der Behörde veranlassen (vgl. VGH Mannheim NJW 1990, 3163 zur wasserrechtlichen Duldung). Ein Bestandsschutz, wie ihn die erteilte Genehmigung als Verwaltungsakt gewährt (§§ 43 ff VwVfG), begründet die bloße Duldung gerade nicht. Der Ehemann der Klägerin muss damit rechnen, dass nicht nur bei Änderungen der maßgeblichen Richtlinien, sondern auch bei sonstigen Änderungen, wie bei Durchführung einer Baumaßnahme oder der Veräußerung des Grundstücks, die Behörde von der Duldung Abstand nimmt und die Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes verlangt.

3.

Dem Ehemann der Klägerin ist ein Schaden in Form des Minderwertes des Grundstückes entstanden. Die Höhe des Schadens schätzt der Senat gemäß § 287 ZPO auf 15.000 EUR. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung liegen aufgrund des Privatgutachtens des Sachverständigen K ausreichende Anhaltspunkte vor, die eine ausreichende Grundlage für die Schätzung des Minderwertes bieten. Der Privatgutachter K hat, insoweit unangegriffen, den Wert des bebauten Grundbesitzes ohne Berücksichtigung des nicht genehmigten Recyclingmaterials mit 324.860 EUR ermittelt. Der Eigentümer des Grundstücks muss damit rechnen, dass ihm im Falle einer neuen Entscheidung der Behörde erhebliche Kosten durch die Beseitigung des Materials treffen. Diese Belastung muss er im Falle einer Verkaufsabsicht potentiellen Erwerbern offenbaren, was zu einer Reduzierung des möglichen Veräußerungswertes führt. Dies führt zu einer nicht unerheblichen Reduzierung des Verkehrswertes. Maßstab der Berechnung des Minderwertes sind die möglichen Beseitigungskosten, wobei aber nicht außer Acht gelassen werden kann, dass wegen des von der Verwaltung angewandten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Beseitigungsverfügung dann droht, wenn erhebliche bauliche Änderungen vorgenommen werden. Es können daher nicht Abrisskosten des Gebäudes in Ansatz gebracht werden, sondern lediglich die Beseitigungskosten des Materials. Danach sind die von dem Gutachter Klein angenommenen Sanierungskosten von 160.000 EUR überhöht, da das Recyclingmaterial der Stufe Z 1.1. nach Entfernung aus dem Grundstück keiner besonders Behandlung bedarf. Aus dem zwischen der Klägerin und der Bauunternehmung geführten Rechtsstreit (LG Kleve 3 O 495/00) ergibt sich das ca. 270 m³ RC-Material eingebracht wurde. Da neben RC-Material auch sonstiger Bodenaushub eingebracht wurde, der mit zu entfernen ist, wird sich der gesamte Aushub auf ca. 680 m³ (Fläche 340 ², Tiefe 2 m) belaufen. Die Kosten der Beseitigung dieses Aushubs hat die Klägerin in dem Verfahren gegen den Bauunternehmer selbst auf 25.000 DM geschätzt, eine realistische Angabe, wie dem Senat aus Bauprozessen bekannt ist. Diese Kosten und das Risiko einer ordnungsbehördlichen Verfügung rechtfertigen die Annahme einer Minderung des Verkehrswertes um 15.000 EUR, das sind annähernd 5 % des Verkehrswertes ohne Berücksichtigung des Recycling Materials.

4.

Dieser abschließend berechnete Schaden ist mit der Restvergütung der Beklagten von 1.795,19 EUR zu verrechnen. Die Entscheidung des Landgerichts, die Vergütung mit einem nicht streitgegenständlichen weitergehenden Schadensersatzanspruch zu verrechnen, ist nach dem Ansatz des Landgerichts, wonach der Schaden 15.000 DM übersteigt, unrichtig. Denn dadurch wurde der Klägerin, die eine Erhöhung der Klageforderung nicht vorgenommen hat, mehr zugesprochen, als sie beantragte.

5. Der Zinsanspruch ist aus Verzug begründet.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen.

Streitwert der Berufung: 15.000 EUR

Ende der Entscheidung

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