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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 30.01.2004
Aktenzeichen: I-23 U 68/03
Rechtsgebiete: ZPO, EGBGB, EStG, StBerG, AO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 513
ZPO § 529
EGBGB Art. 229 § 5 Satz 1
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 1
EStG § 34
EStG § 34 a a. F.
StBerG § 68
AO § 44 Abs. 1
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1 n. F.
BGB § 209 Abs. 1 a. F.
BGB § 288
BGB § 291
BGB § 432
BGB § 744 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 9. April 2003 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

A.

Der Kläger nimmt den Beklagten als seinen steuerlichen Berater auf Schadensersatz wegen einer unzutreffenden Beratung bei dem Abschluss eines Abfindungsvergleichs mit seinem damaligen Arbeitgeber in Anspruch. Letzterer verpflichtete sich im Jahre 1993 in einer Vereinbarung mit dem Kläger, diesem eine Abfindung von 540.000 DM zu zahlen, und zwar in zwei Raten von 300.000 DM am 30.9.1993 und 240.000 DM am 30.4.1994. Der Kläger und der Arbeitgeber gingen davon aus, dass die Abfindung zu einem ermäßigten Satz zu versteuern sei. Dies verweigerte die Finanzverwaltung später, bestätigt vom Finanzgericht Münster, mit der Begründung, eine Abfindung sei nur dann steuerlich begünstigt, wenn sie innerhalb eines einzigen Veranlagungszeitraums ausgezahlt werde. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 133 ff. GA) Bezug genommen.

Das Landgericht hat den Beklagten gemäß dem Antrag des Klägers zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 69.426,35 EUR verurteilt. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.

Der Beklagte meint, eine schadensursächliche Pflichtverletzung seinerseits liege nicht vor. Er behauptet dazu, erst nach Abschluss der Abfindungsvereinbarung mit diesem Vertrag befasst worden zu sein. Im übrigen sei eine seinerseits unterlassene Beratung auch deshalb nicht ursächlich für den geltend gemachten Schaden geworden, weil der Arbeitgeber zu einer anderen als der getroffenen Vereinbarung weder bereit noch finanziell in der Lage gewesen sei. Der Beklagte meint, die Kosten der Aussetzung und der erfolglosen Klage vor dem Finanzgericht könnten ihm nicht zugerechnet werden. Soweit der Arbeitgeber später Zahlungen zum Ausgleich der unerwarteten steuerlichen Nachteile geleistet habe, seien diese mit ihrem Bruttobetrag, also ohne Steuerabzug auf den Schaden des Klägers anzurechnen. Ein Schaden des Klägers liege auch deshalb nicht vor, weil der Kläger inzwischen einschließlich der nachträglichen Zahlungen insgesamt rund 750.000,-- DM erhalten, selbst zuvor aber nur 650.000,-- DM verlangt habe. Weiter beruft der Beklagte sich auf Verjährung, da der Kläger erst alleiniger Anspruchsinhaber geworden sei, als seine mit ihm gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagte Ehefrau ihm am 28.9.2003 ihre Ansprüche abtrat und zu diesem Zeitpunkt die Schadensersatzansprüche bereits verjährt gewesen seien, da die Verzichtserklärungen bezüglich der Verjährungseinrede nur bis zum 1.1.2003 wirkten. Ein Verzicht auf die Verjährungseinrede sei im übrigen bezüglich der Ansprüche der Ehefrau als Mitgläubigerin nicht erklärt worden.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt und vertieft ebenfalls seinen erstinstanzlichen Vortrag und behauptet, er habe den Beklagten vor Abschluss der Abfindungsvereinbarung um Rat gebeten. Hätte dieser ihn zutreffend belehrt, dann hätte er mit seinem Arbeitgeber eine Auszahlung auch der zweiten Rate noch im Jahre 1993 vereinbart.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 16.12.2003 (Bl. 293 f. GA). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk vom 13.1.2004 (Bl. 312 f.) Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat der Klage mit dem erstinstanzlich zuletzt noch gestellten Antrag zu Recht in vollem Umfang stattgegeben. Dies beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO.

Soweit es auf die Anwendung bürgerlichen Rechts ankommt, ist - mit einer bei der Frage der Verjährung zu erörternden Ausnahme - das bis zum 31.12.2001 geltende Recht maßgeblich, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung in vom Landgericht zuerkannter Höhe von 69.426,35 EUR nebst Zinsen.

I.

Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass der Beklagte eine Pflicht aus dem Steuerberatervertrag verletzte. Er wies den Kläger nämlich nicht darauf hin, dass die Aufteilung der Abfindung auf zwei verschiedene Veranlagungszeiträume (1993 und 1994) steuerliche Nachteile, nämlich die Anwendung des vollen anstatt des ermäßigten Steuersatzes zur Folge hatte. Offen bleiben kann, in welchem Umfang im einzelnen der Beklagte vor dem 9.7.1993 in die Entscheidung über die Gestaltung der Abfindungsvereinbarung eingebunden war. Unstreitig nahm er nicht an der Seite des Klägers an den Verhandlungen teil. Ob der Kläger den Beklagten (telefonisch) zu der Gestaltung der Abfindungsvereinbarung um Rat fragte, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls räumt auch der Beklagte ein, dass der Kläger ihm am 9.7.1993 per Fax den Entwurf einer Abfindungsvereinbarung vom 3.4.1993 (Bl. 175 ff. GA) zusandte. An diesem Entwurf nahm der Beklagte handschriftliche Änderungen vor (Bl. 175 GA, betr. § 2), die sich auch in dem endgültigen Vertrag in leicht veränderter Form wiederfinden (Bl. 12 GA). Daraus ergibt sich, dass der Beklagte als der allgemeine steuerliche Berater des Klägers inhaltlich mit der Abfindungsvereinbarung befasst war. Das bestreitet der Beklagte auch nicht weiter und hat bei seiner Anhörung durch den Senat sogar eingeräumt, dass zwar nicht er, wohl aber "sein Büro" - gemeint offenbar der Kollege und Sozius X. des Beklagten - vor dem 9.7.1993 mit der Sache befasst war, das heißt von den Abfindungsverhandlungen Kenntnis hatte. Mit den Ausführungen in der Berufungsbegründung zum zeitlichen Ablauf wendet der Beklagte sich vielmehr gegen die Kausalität seines Tätigwerdens für den Abschluss der Vereinbarung, nicht gegen die Pflichtverletzung selbst. Aus dem zugesandten Entwurf vom 3.4.1993 ergab sich für den damit befassten Beklagten eindeutig, dass eine Aufteilung der Zahlung der Abfindung von insgesamt 540.000,-- DM auf zwei Teilzahlungen von 300.000,-- DM am 30.9.1993 und von 240.000,-- DM am 30.4.1994 beabsichtigt war. Der Beklagte hat bei seiner Anhörung durch den Senat auch ausdrücklich eingeräumt, die Angelegenheit nach Erhalt des Faxes mit seinem Kollegen X. besprochen zu haben und zu dem Ergebnis gelangt zu sein, dass eine Aufteilung der Abfindung auf zwei Raten in zwei Veranlagungszeiträumen unschädlich sei.

Diese Auffassung trifft indes steuerrechtlich nicht zu. Die Aufteilung auf zwei getrennte Veranlagungszeiträume war nämlich mit steuerlichen Nachteilen für den Kläger als dem damaligen Mandanten des Beklagten verbunden. Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß §§ 34, 34a EStG a. F. kam dann nicht in Betracht. Zur näheren Begründung nimmt der Senat auf die Ausführungen im Urteil des Finanzgerichts Münster vom 28.6.2002 (15 K 1686/97 E, Bl. 29 ff. GA) Bezug, das der damaligen ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entsprach. Spätestens nach der Zusendung des Faxes am 9.7.1993 hätte der Beklagte hierauf hinweisen müssen. Das hat er pflichtwidrig nicht getan.

II.

Diese Pflichtverletzung des Beklagten war auch ursächlich für den geltend gemachten Schaden.

1. Eine Ursächlichkeit des unterlassenen Hinweises des Beklagten für die Gestaltung des Vertrages scheidet entgegen der Auffassung der Berufung nicht schon deshalb aus, weil im Zeitpunkt der - unterstellt erstmaligen - Befassung des Beklagten mit der Frage am 9.7.1993 die Abfindungsvereinbarung bereits unabänderlich in der endgültigen Fassung vereinbart gewesen wäre. Der Beklagte vermutet dies wegen des Vortrags des Klägers in der Klageschrift, dem zufolge die Vereinbarung Ende Mai 1993, rückdatiert auf den 31.3.1993 unterzeichnet wurde. Der Kläger erläutert seine missverständlichen Äußerungen in der Klageschrift jetzt dahin (Bl. 231 f. GA), dass am 25.5.1993 lediglich ein Gespräch zwischen ihm und seinem Arbeitgeber stattgefunden habe, in dem eine Einigung über die Höhe des Abfindungsbetrages auf 540.000,-- DM stattfand. Die "endgültige Unterzeichnung" soll, so der Kläger weiter, erst später erfolgt sein.

Wie auch immer die zeitliche Abfolge im einzelnen war, so stand der Inhalt der Abfindungsvereinbarung am 9.7.1993 jedenfalls noch nicht unabänderlich fest. Das folgt schon daraus, dass die kleine handschriftliche Änderung des Beklagten in dem am 9.7.1993 zugesandten Entwurf in den endgültigen Vertragstext eingeflossen ist. Im übrigen hätte der Vortrag des Beklagten in der Berufungsbegründung, am 9.7.1993 sei der Vertrag zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber bereits endgültig mit dem Inhalt der unstreitig rückdatierten Vereinbarung vom 31.3.1993 geschlossen gewesen, die Folge, dass der Kläger dem Beklagten am 9.7.1993 ein völlig sinnloses Fax zur Prüfung übersandt hätte, was unwahrscheinlich ist. Das Ergebnis der Prüfung durch den Beklagten hätte dann nämlich nicht mehr berücksichtigt werden können. Außerdem weicht das Fax vom 9.7.1993 in mehreren Punkten von dem endgültigen Text ab, was man bereits daran sieht, dass in dem Fax noch 10 Paragraphen aufgeführt sind, während die endgültige, unstreitig rückdatierte Vereinbarung nur 6 Paragraphen enthält. Der Kläger hätte dann also ein den damaligen Stand der Vereinbarung gar nicht wiedergebendes Fax, dies zudem zu einem Zeitpunkt übersandt, in dem Änderungen an dem (nicht übersandten) Text gar nicht mehr möglich gewesen wären. Das liegt fern.

2. Auch im übrigen liegt die Kausalität der unterlassenen Beratung des Klägers durch den Beklagten für den geltend gemachten Schaden vor. Es spricht nach Auffassung des Senats eine überwiegende Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) dafür, dass der Kläger sich - steuerlich richtig beraten - mit seinem Arbeitgeber über die Auszahlung der gesamten Abfindung noch im Jahre 1993 geeinigt hätte.

a) Der Kläger wäre zum Abschluss einer derartigen Vereinbarung nach dem Eindruck des Senats ohne weiteres bereit gewesen und hätte sich im Rahmen der Abfindungsverhandlungen gegenüber seinem Arbeitgeber dafür eingesetzt, weil die damit verbundene frühere Auszahlung der zweiten Rate für ihn ausschließlich vorteilhaft gewesen wäre. Das betrifft nicht nur den dann anwendbaren ermäßigten Steuersatz; auch im übrigen hätte die frühere Auszahlung an den Kläger diesem offensichtlich nur Vorteile gebracht.

b) Der Senat sieht es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als überwiegend wahrscheinlich an, dass sich auch der Arbeitgeber mit einer derartigen geänderten Abfindungsvereinbarung einverstanden erklärt hätte. Es hätte genügt, dass die zweite Rate nicht - wie vereinbart - am 30.4.1994, sondern am 31.12.1993 gezahlt worden wäre. Der Arbeitgeber hätte zur Erlangung der steuerlichen Vorteile die Rate also nur wenige Monate früher auszahlen müssen. Dass ihm dies aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen sein sollte oder dass er dies angesichts der zu erzielenden Steuervorteile aus anderen Erwägungen heraus abgelehnt hätte, erscheint kaum denkbar.

Das gilt umso mehr angesichts des Ergebnisses der Beweisaufnahme. Die vernommenen Zeugen Hagemeier und Becker haben eindrucksvoll die damalige Situation des Arbeitgebers geschildert. Danach fielen die Abfindungsverhandlungen in eine Phase der Umstrukturierung des damaligen Arbeitgebers des Klägers. Zu diesem Zweck wurde eine Vielzahl von Abfindungen vereinbart. Wegen der damaligen finanziellen Engpässe des Arbeitgebers bestand ein Interesse seinerseits daran, die Abfindungszahlungen möglichst zu strecken. Dabei bestand die unzutreffende Vorstellung auch auf Seiten des Arbeitgebers, dass dies auf die steuerlichen Vorteile keinen Einfluss habe. Insbesondere der Zeuge X. hat dargelegt, dass die steuerlichen Vorteile bei den Abfindungsverhandlungen hinsichtlich der Höhe der Abfindungen eine große Rolle spielten. Dafür spricht auch, dass der Arbeitgeber dem Kläger in der Folgezeit, als sich dessen unerwartete steuerliche Belastung herausstellte, erhebliche Nachzahlungen von 92.000,-- DM (1998)und 60.000,-- EUR (2002) erbrachte. Beides spricht dafür, dass auch aus der Sicht des Arbeitgebers Lösungen bei den Abfindungsvereinbarungen sicher vermieden worden wären, die zu einem Verlust dieser Steuervorteile geführt hätten.

Die Zeugen haben weiter dargelegt, dass jedenfalls im Falle des Klägers aufgrund von dessen herausgehobener Stellung im Unternehmen eine vollständige Auszahlung im Jahre 1993 ohne weiteres möglich gewesen und vereinbart worden wäre, also nicht an fehlenden finanziellen Mitteln des Arbeitgebers gescheitert wäre. Dagegen spricht auch nicht, dass in der Vereinbarung "Liquiditätsgründe" als Grund für die Aufteilung auf zwei Raten genannt wurden. Das geschah - wie auch aus den Aussagen der Zeugen folgt - mit Blick auf die "Anrufungsauskunft" vom 25.6.1992 (Bl. 66 GA). Dort hatte das zuständige Finanzamt dem Arbeitgeber mitgeteilt, dass der halbe Steuersatz auch dann in Betracht kommt, wenn die Abfindung "aus vom Arbeitnehmer nicht zu vertretenden Gründen" in zwei Teilraten ausgezahlt werde. Diese Möglichkeit sollte offensichtlich erhalten werden, wobei freilich unberücksichtigt blieb, dass eine ratenweise Auszahlung infolge von Liquiditätsengpässen steuerrechtlich allenfalls dann unschädlich für den Erhalt des Steuervorteils sein kann, wenn zuvor die Einmalzahlung in einem einzigen Veranlagungszeitraum beabsichtigt war und sich die Liquiditätsprobleme erst anschließend ergeben (vgl. das Urteil des FG Münster vom 28.6.2002, S. 8 f., Bl. 36 f. GA).

Der Vernehmung des Zeugen X., den der Beklagte gegenbeweislich außerdem noch benannt hat, bedarf es nicht. Der Zeuge ist nach der Erklärung der Prozessbevollmächtigten des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erst nach 1993, nach Abschluss der Umstrukturierung des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers zu dem Unternehmen gekommen. Er kann deshalb zu der Situation des Jahres 1993 und insbesondere zu der maßgeblichen Entscheidungslage innerhalb des damaligen Unternehmens bei der Durchführung der Umstrukturierung und den für die Abfindungsvereinbarungen ausschlaggebenden Erwägungen keine Angaben machen.

III.

Durch diese Pflichtverletzung ist dem Kläger der geltend gemachte Schaden entstanden.

1. Der haftpflichtige Berater hat den Mandanten vermögensmäßig lediglich so zu stellen, wie dieser bei pflichtgemäßem Verhalten stünde; der Geschädigte darf im Wege des Schadensersatzes nicht mehr erhalten als das, was er nach der materiellen Rechtslage verlangen kann (BGH NJW 2001, 673, 674 m. w. Nachw.). Die hierzu erforderliche Differenzrechnung setzt grundsätzlich einen Gesamtvermögensvergleich voraus, bei der alle Folgen des schädigenden Ereignisses zu berücksichtigen sind, die bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eingetreten oder mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Der Auftraggeber genügt seiner Obliegenheit zum Nachweis eines Schadens deshalb nicht bereits dadurch, dass er einen einzelnen ihm entstandenen Vermögensnachteil herausgreift und hieraus seinen Schaden ableitet; er hat vielmehr in die von ihm vorzunehmende Vergleichsrechnung alle - auch ihm günstige - Umstände einzustellen, die auf der Pflichtverletzung des Beraters beruhen (BGH NJW 1998, 982, 983; OLG Köln OLGR 1999, 265, 267). Ist - wie hier - zu ermitteln, ob und inwieweit sich eine Vermögensdisposition, die jemand im Vertrauen auf den Rat oder die Auskunft eines anderen getroffen hat, als für ihn günstig oder ungünstig erweist, so lässt sich ein etwaiger Schaden erst dann feststellen, wenn sich die Vermögenslage "unter dem Strich" schlechter darstellt, als sie es sein würde, wenn die Maßnahme unterblieben wäre (BGH a.a.O. m. w. Nachw.; Senat, GI 2002, 241 = OLGR 2002, 332).

Diese Grundsätze finden auch im vorliegenden Fall Anwendung, weil der Kläger eine abweichende Gestaltung der Abfindungsvereinbarung bei pflichtgemäßer Beratung durch den Beklagten behauptet.

2. In diesem Rahmen hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass die geltend gemachten Schadenspositionen sämtlich zu ersetzen sind. Im einzelnen ergibt sich die folgende Berechnung:

Mehrsteuern, die bei anderer Gestaltung der Abfindungsvereinbarung nicht angefallen wären 159.388,15 DM Aussetzungszinsen 47.851,-- DM Avalprovisionen 2.531,58 DM Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens 12.139,-- DM 1.221.909,73 DM

a) Gegen die Richtigkeit der landgerichtlichen Feststellungen zur rechnerischen Höhe der entsprechenden Beträge wendet sich die Berufung nicht.

b) Soweit der Beklagte meint, es seien zu Lasten des Klägers noch Zinsvorteile als Folge der Aussetzung zu berücksichtigen, trifft dies nicht zu. Die Aussetzungszinsen sind in vollem Umfang Folge der Pflichtverletzung des Beklagten. Hätte dieser eine pflichtgemäße Beratung im Jahre 1993 vorgenommen, so wäre dem Kläger der gesamte Betrag der Mehrsteuern in Höhe von 159.388,15 DM dauerhaft erhalten geblieben. Er hätte ihn überhaupt nicht, auch nicht nach Abschluss des finanzgerichtlichen Verfahrens im Jahre 2002 an das Finanzamt zahlen müssen und ebenfalls mit diesem Betrag in dem fraglichen Zeitraum wirtschaften können. Bei eventl. Zinsgewinnen aus dem einbehaltenen Betrag handelt es sich also nicht um Vorteile, die dem Kläger als Folge der Pflichtverletzung des Beklagten zugeflossen wären.

c) Vom zu ersetzenden Schaden erfasst sind auch die Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens, und zwar unabhängig von der im einzelnen streitigen Rolle des Beklagten bei der Entscheidung, ob das Klageverfahren durchgeführt werden soll. Die Kosten sind adäquate Folge der Pflichtverletzung des Beklagten: Wäre die Abfindungsvereinbarung auf dessen Rat hin steuerlich vorteilhaft abgefasst worden, wäre es nicht zu dem finanzgerichtlichen Verfahren gekommen. Es liegt auch keine Unterbrechung des Kausalverlaufs deshalb vor, weil der Kläger etwa eine völlig außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegende, unvernünftige Entscheidung eigenverantwortlich getroffen hätte. Der Beklagte behauptet selbst nicht, dass er dem Kläger ausdrücklich von einem Prozess abgeraten hätte. Auch soweit der Kläger im übrigen bei der Durchführung des finanzgerichtlichen Verfahrens durch andere Rechtsanwälte beraten worden sein sollte, folgt daraus nichts anderes. Dabei kann offen bleiben, ob die Erfolgsaussichten von ihnen in pflichtwidriger Weise unzutreffend eingeschätzt wurden. Diese zusätzliche Pflichtverletzung weiterer Berater würde jedenfalls nicht zur Verneinung einer Pflichtverletzung des Beklagten und dessen Ursächlichkeit für den Finanzgerichtsprozess führen. Ein Mitverschulden des nicht fachkundigen Klägers liegt schließlich bei dem Beratungsverhalten des Beklagten nicht vor.

3. Bei einer Abfindungsvereinbarung, die die Auszahlung sämtlicher Raten bereits 1993 vorgesehen hätte, sind im übrigen keine Nachteile denkbar, die der Kläger noch über die vorstehende Aufstellung hinaus in die Vergleichsrechnung hätte einstellen müssen. Eine frühere Auszahlung der zweiten Rate wäre für ihn nicht nur hinsichtlich des ermäßigten Steuersatzes, sondern auch hinsichtlich der sonstigen vermögensmäßigen Folgen lediglich vorteilhaft gewesen.

4. Von dem oben ermittelten Schadensbetrag von 221.909,73 DM sind die Beträge abzuziehen, die der Kläger von seinem früheren Arbeitgeber als Ausgleich für die unerwartet eingetretene Steuerbelastung später erhielt. Das sind 92.000,-- DM und 60.000,-- EUR. Das Landgericht hat diese Beträge zu Recht nicht in vollem Umfang, sondern nur vermindert um die hierauf entfallende und von dem Kläger gezahlte bzw. zu zahlende Einkommensteuer zugunsten des Beklagten berücksichtigt. Nur soweit dem Kläger tatsächlich Beträge zugeflossen sind, kann der eingetretene Schaden durch diese Zahlungen kompensiert werden. Das ist nur in Höhe der Nettobeträge der Fall.

aa) Dass auf die Leistungen des Arbeitgebers Steuern zu zahlen waren, verneint der Beklagte mit der Berufung zu Unrecht. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Einspruchsentscheidung des Finanzamts Köln-West vom 6.9.2002 (Bl. 247 ff. GA). Die Ausführungen des Beklagten in der Berufungsbegründung rechtfertigen keine abweichende Auffassung und begründen keine hinreichende Erfolgsaussicht einer Klage gegen diese Entscheidung. Es handelt sich bei den Zahlungen tatsächlich um eine nachträgliche Aufstockung der Abfindung, die genauso wie die ursprünglichen Abfindungszahlungen selbst zu versteuern sind. Letztlich bedeuten die weiteren Zahlungen nichts anderes als eine 3. und 4. weitere Rate der Abfindung.

Im übrigen hätte der Beklagte bei Annahme der jetzt von ihm vertretenen Erfolgsaussicht einer Klage eine weitere Pflichtverletzung begangen: Er war nämlich entgegen seinem Vortrag in der Berufungsbegründung sehr wohl mit der Prüfung der Erfolgsaussicht einer Klage befasst. Zunächst war er auch im Zeitpunkt der o. g. Einspruchsentscheidung vom 6.9.2002 betr. die Versteuerung der 92.000,-- DM immer noch der allgemeine steuerliche Berater des Klägers, wie der Beklagte in der Klageerwiderung selbst vorträgt (Bl. 58 GA, Klageerwiderung vom 20.2.2003: "...zutreffend, dass der Beklagte der steuerliche Berater des Klägers war und ist"). Sodann hat der Beklagte die nachteilige Einspruchsentscheidung selbst erhalten und dem Kläger am 18.9.2002 weitergeleitet mit der Bitte um Mitteilung, wie weiter verfahren werden soll. Daraufhin hat der Kläger dem Beklagten mit Schreiben vom 28.9.2002 (Bl. 254 f. GA) mitgeteilt, dass er beabsichtige, die geforderte Steuer auf die 92.000,-- DM zu zahlen, falls der Beklagte ihm nicht etwas anderes mitteile. Hätten die jetzt von dem Beklagten vertretenen Erfolgsaussichten der Klage tatsächlich bestanden, hätte der Beklagte den Kläger entsprechend belehren und ihm zur Klageerhebung raten müssen. Das hat er auch nach seinem eigenen Vortrag nicht getan. Dabei spielen die weiteren streitigen Einzelheiten der Rolle des Beklagten in diesem Zusammenhang ebenso wenig eine Rolle wie die Frage, ob der Kläger in der Frage auch durch einen Rechtsanwalt beraten wurde.

bb) Hinsichtlich der zunächst gezahlten 92.000,-- DM hat das Landgericht - vom Beklagten insoweit rechnerisch nicht angegriffen - eine darauf entfallende Steuer von 58.061,88 DM festgestellt. Entsprechendes gilt für die Besteuerung der später gezahlten weiteren 60.000,-- EUR, hinsichtlich derer das Landgericht eine Steuerbelastung von 33.318,-- EUR festgestellt hat.

Daraus folgt folgende Berechnung der Schadenshöhe:

Summe der Schäden (oben unter b) 221.909,73 DM abzüglich 92.000,-- DM zuzüglich 58.061,88 DM 1.187.971,61 DM entspricht 96.108,35 EUR abzüglich 60.000,-- EUR zuzüglich 33.318,-- EUR Summe (= vom Landgericht zugesprochen) 69.426,35

5. Dem Anspruch des Klägers auf Ersatz des in dieser Höhe entstandenen Schadens kann der Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass der Kläger damit mehr als das erhielte, was in den Abfindungsverhandlungen mit seinem Arbeitgeber ursprünglich von ihm einmal als Abfindung angedacht gewesen war, nämlich 650.000,-- DM. Auf einen früheren Stand der Verhandlungen kommt es nicht an. Maßgeblich sind die Nachteile, die dem Kläger infolge der nachteiligen Gestaltung der Abfindungsvereinbarung, die ein pflichtgemäßes Verhalten des Beklagten verhindert hätte, tatsächlich entstanden sind. Das gibt die o. g. Berechnung wieder.

6. Der Kläger kann den Schaden jedenfalls jetzt, das heißt nach der Abtretung durch seine Ehefrau am 28.9.2003 (Bl. 269 GA), auch allein im eigenen Namen geltend machen.

IV.

Der Anspruch des Klägers ist nicht verjährt.

1. Die dreijährige Frist des § 68 StBerG begann mit dem Zugang des belastenden Steuerbescheids vom 9.10.1996 (Bl. 16 GA). Vor Ablauf der Frist verzichtete der Beklagte am 8.10.1999 (Bl. 102 GA) befristet auf die Einrede der Verjährung. Daran schloss sich nach den vom Beklagten nicht angegriffenen, zutreffenden Feststellungen des Landgerichts eine "lückenlose Reihe von Verzichtserklärungen" an (Bl. 103 ff. GA). Zuletzt verzichtete der Versicherer des Beklagten auf die Verjährungseinrede bis zum 1.1.2003 (Bl. 107 GA). Die am 27.12.2002 beim Landgericht eingereichte Klage hemmte deshalb die zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingetretene Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n. F., der hier wegen Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB bereits anwendbar ist.

2. Sämtliche Verzichtserklärungen betrafen nach ihrem Wortlaut entgegen der Auffassung des Beklagten nicht nur die Ansprüche des Klägers, sondern ohne Einschränkung den gesamten Schadensersatzanspruch, also auch insoweit, als dieser der Ehefrau des Klägers zugestanden haben mag, die zusammen mit dem Kläger veranlagt wurde.

3. Verjährung ist entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht wegen des auf die Ehefrau entfallenden Teils der Klageforderung deshalb anzunehmen, weil die Ehefrau ihre Schadensersatzansprüche erst nach Klageerhebung durch ihren Ehemann am 28.9.2003 an den Kläger abgetreten hat und zu diesem Zeitpunkt bezogen auf ihre Ansprüche Verjährung bereits eingetreten wäre.

Zutreffend ist allerdings, dass nur die Erhebung der Klage durch den Berechtigten die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n. F. hemmt. Insoweit ist eine Änderung der gesetzlichen Lage nicht eingetreten, obwohl die Neufassung im Unterschied zu § 209 Abs. 1 BGB a. F. die Erhebung der Klage durch den Berechtigten nicht mehr ausdrücklich nennt (vgl. nur Palandt/Heinrichs, 63.Aufl. 2004, § 204 Randnr. 9). Der Kläger war im maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung in vollem Umfang Berechtigter, nämlich Inhaber der Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten. Ihm ist ein Steuerschaden in vollem Umfang entstanden, er schuldete die Steuer gemäß § 44 Abs. 1 AO als Gesamtschuldner mit seiner zusammen mit ihm veranlagten Ehefrau in voller Höhe. Dem entsprechend wurde er auch von dem Finanzamt in Anspruch genommen und zahlte die nachgeforderte Steuer; er allein erzielte Einkommen, wie sich aus dem Steuerbescheid ergibt. Auch wenn wegen der gesamtschuldnerischen Haftung zugleich auch der Ehefrau ein Schaden entstanden sein sollte, ändert dies nichts daran, dass der Kläger Anspruchsinhaber und klageberechtigt war.

Aber auch wenn man Mitgläubigerschaft beider Eheleute im Sinne des § 432 BGB annehmen wollte, folgte daraus kein abweichendes Ergebnis. Auch dann ist die Hemmung der Verjährung durch die vom klagenden Ehemann erhobene Klage für den Schadensersatzanspruch insgesamt zu bejahen. Denn es ist von einer für diese Gesamtwirkung ausreichenden Prozessführungsbefugnis auszugehen, die sich aus § 744 Abs. 2 BGB ergibt (vgl. BGHZ 94,117 = NJW 1985, 1826).

V.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 BGB.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 69.426,35 EUR.

Ende der Entscheidung

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