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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 03.02.2006
Aktenzeichen: I-23 W 62/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 96
ZPO § 269 Abs. 2 S. 3
ZPO § 269 Abs. 3 S. 2
ZPO § 269 Abs. 4
ZPO § 494a
ZPO § 494a Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Kleve vom 16.11.2006, Az. 2 O 151/04, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Hausgrundstücks Dr. K-Straße/A-F-Straße in G. Durch Vertrag vom 03.10.1998 beauftragten die Klägerin und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann die Beklagte mit Sanierungsarbeiten an dem in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts errichteten Haus, insbesondere mit der Behebung von Feuchtigkeitsproblemen im Kellergeschoss. Da die Klägerin nach Ausführung der Arbeiten weiterhin verstärkt den Auftritt von Feuchtigkeit im Kellergeschoss beobachtete, beantragte sie die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens. Der durch Beschluss des Landgerichts Kleve vom 01.12.2000 - 3 OH 25/00 - beauftragte Sachverständige stellte fest, dass die Feuchtigkeitsschäden zum einen auf der im Zuge der Sanierungsarbeiten mangelhaft durchgeführten Abdichtung der Kelleraußenwände beruhten, zum anderen auf einer fehlenden Horizontalsperre. Da die Beklagte nicht beauftragt worden war, eine Horizontalsperre einzubringen, erachtete der Sachverständige u. a. die insoweit für die Sanierung der Innenwände anfallenden Kosten in Höhe von 9.425,- DM als sog. "Sowieso-Kosten".

In der Folgezeit führte die Beklagte Nachbesserungsarbeiten in Bezug auf die Außenisolierung durch, zog aber keine Horizontaldichtung ein. Mit der Klage hat die Klägerin Kostenvorschuss für die Durchführung von weiteren Nachbesserungsarbeiten verlangt. Nach Einholung eines weiteren gerichtlichen Sachverständigengutachtens und der Anhörung des Sachverständigen hat die Klägerin im Termin vom 19.10.2005 die Klage zurückgenommen.

Das Landgericht hat daraufhin mit am 16.11.2005 verkündeten Beschluss die Kosten des Rechtsstreits gem. § 269 Abs. 3 S.2, Abs. 4 ZPO der Klägerin auferlegt, mit Ausnahme der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens. Dessen Kosten hat es zur Hälfte der Klägerin, zur Hälfte der Beklagten auferlegt.

Zur Begründung hat es ausgeführt:

Kosten eines selbstständigen Beweisverfahrens seien auch dann Kosten des Hauptsacheverfahrens, wenn nur Teile des Gegenstandes eines selbstständigen Beweisverfahrens zum Gegenstand der anschließenden Klage gemacht würden. Aufgrund des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung müsse über diese Kosten insgesamt entschieden werden, auch wenn das Beweisergebnis nicht oder nicht vollständig verwertet worden sei. Das Gericht könne dabei von der Möglichkeit des § 96 ZPO, über die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens gesondert zu entscheiden, Gebrauch machen. Dies gelte, unter Berufung auf eine Entscheidung des 12. Senats des OLG Düsseldorf ( BauR 1996, S. 907 (Leitsatz) = BauR 1997, S. 349 ff) auch dann, wenn die Klage zurückgenommen worden sei. Eines Verfahrens nach § 494a ZPO bedürfe es aus prozessökonomischen Gründen nicht. Da die Kosten der Sanierung der Außenbeschichtung zwar Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens, nicht aber des anschließenden Rechtsstreits gewesen seien, da die Beklagte die diesbezüglichen Mängelbeseitigungsarbeiten vorgerichtlich ausgeführt habe, habe sie insofern nach dem Gedanken des § 96 ZPO die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens zu tragen.

Gegen diesen Beschluss hat die Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt.

Sie ist der Ansicht, die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens seien im Fall der Klagerücknahme nicht von der Kostenfolge des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO umfasst, jedenfalls habe die Klägerin aber sämtliche Kosten gem. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO zu tragen. § 96 ZPO sei nicht anwendbar, da die Vorschrift voraussetze, dass eine Partei obsiege, der Rechtsstreit also durch streitiges Urteil beendet werde.

Die Beklagte beantragt,

den Beschluss des Landgerichts Kleve dahingehend abzuändern, dass die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin insgesamt auferlegt werden, und zwar unter Einschluss derer des selbstständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht Kleve, Az. 3 OH 25/00.

Die Klägerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Der angefochtene Beschluss kann keinen Bestand haben. Gem. § 269 Abs. 2 S. 3 ZPO trägt die Klägerin nach der Klagerücknahme die Kosten des Rechtsstreits. Eine Ausgrenzung der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens gem. § 96 ZPO verbietet sich, da dessen Kosten nach einer Klagerücknahme vom Kostenausspruch gem. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO nicht umfasst werden.

Zu Recht hat das Landgericht allerdings ausgeführt, dass grundsätzlich die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens solche des nachfolgenden Hauptsacheverfahrens sind. Sofern Parteien und Streitgegenstand identisch sind, ist hierüber im Rahmen des Klageverfahrens zu entscheiden (BGH, Beschl. v. 24.06.2004 - VII ZB 34 / 03 - NZBau 2005, S. 44, 45). Dabei kommt es nicht darauf an, ob nur Teile des Gegenstands eines selbstständigen Beweisverfahrens zum Gegenstand der anschließenden Klage gegen den Antragsgegner gemacht werden. Soweit der Antragsteller und spätere Kläger den Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens mit der Hauptsacheklage nicht aufgreift, können ihm dessen Kosten im Klageverfahren analog § 96 ZPO auferlegt werden. Aufgrund des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung findet eine Teilkostenentscheidung gem. § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO nicht statt (BGH, Beschl. v. 24.06.2004 - VII ZB 11 / 03 - NJW 2004, S. 3121 = BauR 2004, S. 1485, 1486; BGH, Beschl. v. 21.10.2004 - V ZB 28 / 04 - NJW 2005, S. 294).

Dies gilt aber dann nicht, wenn die Klage zurückgenommen wurde, so dass die Anhängigkeit des Hauptsacheverfahrens rückwirkend entfällt und dessen Kosten kraft Gesetzes gem. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO von der Klägerin zu tragen sind.

Der Senat schließt sich in der Frage, ob der Kostenausspruch nach einer Klagerücknahme auch die vor Anhängigkeit entstandenen Kosten eines selbstständigen Beweisverfahrens umfasst, somit der in der Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen Ansicht an (OLG Koblenz, Beschl. v. 05.03.2003 - 14 W 148 / 03 - NJW 2003, S. 3281, 3282; OLG Köln, Beschl. v. 23.10.2002 - 17 W 263/02 - BauR 2003, S. 290; OLG Köln, Beschl. v. 22.04.2002 - 17 W 103/02 - MDR 2002, S. 1391; OLG München, Beschl. v. 10.12.1997 - 11 W 2427/97 - NJW-RR 1998, S.1078; Zöller-Herget, ZPO, 24. Aufl., 2004 § 494a, Rdnr. 4 und § 91, Rdnr. 13; § 269, Rdnr. 18a; Thomas/Putzo-Reinhold, ZPO, 26. Aufl., 2004, § 494a, Rdnr. 5; Musielak-Wolst, ZPO, 4. Aufl., § 2005, § 96 ZPO, Rdnr. 1; a.A. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.09.1996 - 12 W 42/96 - BauR 1997, S. 349, 350; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.01.2005 - 15 W 22 / 04 - BauR 2005, 1071 - Beschluss wurde aufgehoben durch BGH, Beschl. v. 21.07.2005 - VII ZB 44 / 05 - zitiert nach juris, der die hier entscheidende Frage ausdrücklich offen lässt; OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 10.03.2004 - 12 W 160/03 -, zitiert nach ibr-online; Musielak-Foerster, ZPO, 4. Aufl., 2005, § 269, Rdnr. 12).

Die Einbeziehung der Kosten des Nebenverfahrens in die Kostenentscheidung des Hauptverfahrens ist nur dann gerechtfertigt, wenn eine endgültige Entscheidung über die Hauptsache getroffen wird oder sich diese endgültig erledigt. Ein solcher Fall liegt aber bei einer Klagerücknahme nicht vor. Diese lässt vielmehr die Anhängigkeit rückwirkend entfallen, so dass die Klägerin den Streitgegenstand erneut zum Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung machen kann. Eine abschließende sachbezogene Entscheidung fehlt, so dass die Kosten der Beweissicherung ggf. auch dem neuen Rechtsstreit zuzuordnen sein können. Dies führt in vergleichbaren Fällen, etwa einer Klageabweisung als unzulässig, dazu, dass die Erstattung von Beweissicherungskosten im nachfolgenden Hauptsacheprozess entfällt. Richtig ist zwar, dass es im vorliegenden Fall möglicherweise nicht wahrscheinlich ist, dass die Klägerin einen neuen Rechtsstreit anstrengt, ausgeschlossen ist dies aber nicht. Zudem rechtfertigt selbst ein Verzicht auf die Klageforderung nicht den Rückgriff auf § 96 ZPO (OLG Koblenz, Beschl. v. 05.03.2003 - 14 W 148 / 03, NJW 2003, S. 3281, 3282).

Im selbstständigen Beweisverfahren ergeht in der Regel keine Kostenentscheidung, da in einem solchen Verfahren nicht festgestellt wird, wer letztlich obsiegt und unterliegt (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Aufl., 2005, Rdnr. 125). Warum von diesem Grundsatz abgewichen werden sollte, wenn die Anhängigkeit des Hauptsacheverfahrens nach Klagerücknahme rückwirkend entfällt, ist nicht ersichtlich. Eine Feststellung des Obsiegens und Unterliegens findet auch in diesem Fall nicht statt. Die Rechtsfolge des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO knüpft nicht an den Erfolg einer Partei, sondern ausschließlich an die Klagerücknahme an. Der Argumentation des 12. Zivilsenats des OLG Düsseldorf (Beschl. v. 23.09.1996 - 12 W 42/96 - BauR 1997, S. 349, 351), der Gesetzgeber habe den Fall übersehen und habe durch die Einführung des § 494a ZPO generell die Absicht bekundet, dem Antragsgegner des selbstständigen Beweisverfahrens einen einfachen Weg zur Verfügung zu stellen, eine Kostenentscheidung zu seinen Gunsten zu erreichen, spricht nach Auffassung des Senats nicht für die Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Wie die Entscheidung selbst anführt, ging der Gesetzgeber davon aus, dass § 494 a ZPO auch die Fälle erfassen sollte, in denen die Klage zurückgenommen oder als unzulässig abgewiesen worden ist. Kann der Antragsgegner aber über § 494 a Abs. 2 ZPO eine Kostenentscheidung erreichen, scheidet eine Berücksichtigung der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens über § 269 Abs. 3 ZPO aus. § 494a ZPO soll nur den Antragsgegner im selbstständigen Beweisverfahren schützen. Einen darüber hinausgehenden Zweck hat die Vorschrift nicht, insbesondere soll sie nicht den Antragsteller von den Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens befreien. Bloße Gründe der Praktikabilität rechtfertigen keine andere Entscheidung. Wenn die Beklagte eine Kostenentscheidung hinsichtlich des selbstständigen Beweisverfahrens für erforderlich hält, mag sie gem. § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO vorgehen. Inwieweit hierbei eine Fristsetzung gem. § 494a Abs. 1 als bloße Förmelei entbehrlich wäre (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 24. Aufl., 2004, § 494a, Rdnr. 4) bedarf hier keiner Entscheidung.

Der Senat verstößt mit dieser Entscheidung auch angesichts des Antrags der Beklagten in der Beschwerdeschrift nicht gegen das Verbot der Verschlechterung im Beschwerdeverfahren (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 24. Aufl., 2004, § 572, Rdnr. 39). Das Begehren der Beklagten besteht darin, dass die Klägerin die gesamten Kosten des Rechtsstreits tragen muss und sie selbst nicht, auch nicht teilweise, mit den Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens belastet wird. Diesem Begehren wird auch dann entsprochen, wenn die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens aus dem Kostenausspruch nach § 269 Abs. 3, S.2, Abs. 4 ZPO herausgenommen werden.

Da die Frage, ob die Kostenentscheidung nach § 269 ZPO auch Kosten eines vorausgegangenen selbstständigen Beweisverfahrens erfasst, in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird, lässt der Senat die Rechtsbeschwerde zu (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).

Soweit die Klägerin nach diesem Beschluss auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat, beruht dies auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Wert des Beschwerdegegenstands: bis 3.500,00 Euro

Ende der Entscheidung

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