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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 27.11.2007
Aktenzeichen: I-24 U 100/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 313
BGB § 320
BGB § 535
1. Beim Leasing einer Fernsehanlage nebst Programm ("Wartezimmer-TV") kann der Leasingnehmer dem Leasinggeber Rechte aus mangelhafter Programmgestaltung des Lieferanten grundsätzlich nicht entgegenhalten.

2. Verspricht der Lieferant eines Leasingobjekts ohne Mitwirkung des Leasinggebers dem Leasingnehmer über die Lieferung hinaus Zusatzleistungen (hier. TV-Programm), bleibt der Leasingvertrag davon unberührt.

3. Infolge einer Insolvenz ausbleibende Zusatzleistungen des Lieferanten bewirken nicht den Wegfall der Geschäftsgrundlage des Leasingvertrages.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I-24 U 100/07

Verkündet am 27. November 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2007 durch seine Richter Z., S. und H.

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19. April 2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld teilweise abgeändert unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 5.162,71 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. August 2005 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 7 % und die Beklagte zu 93 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht die Zahlung rückständiger Leasingraten sowie Ersatz des Nichterfüllungsschadens nach fristloser Kündigung eines Leasingvertrages über ein Multi Media TV-Gerät mit Zubehör. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat in seinem am 19. April 2007 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte sei gemäß § 313 Abs. 3 S. 1 BGB zum Rücktritt berechtigt gewesen, weil ihr wegen Wegfalls des Dienstvertrages mit der V.-AG aufgrund der am 21. April 2005 ausgesprochenen fristlosen Kündigung ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zuzumuten gewesen sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil verwiesen, welches der Klägerin am 25. April 2007 zugestellt worden war. Hiergegen richtet sich ihre am 18. Mai 2007 eingelegte Berufung, die sie mit einem am 20. Juni 2007 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft die Grundsätze zum Wegfall der Geschäftsgrundlage angenommen. Vielmehr seien die Verträge unabhängig voneinander zu beurteilen. Die Leasingraten seien im Hinblick auf den Wert der TV-Anlage angemessen gewesen.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen, an sie 5.575,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. August 2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und behauptet, bei dem Gegenstand des Leasingvertrages habe es sich lediglich ein einfaches TV-Gerät gehandelt, welches im Fachhandel für EUR 600,-- erworben werden könne.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die Berufung der Klägerin ist ganz überwiegend begründet. Die Beklagte schuldet Erfüllung des Leasingvertrages bis zur Kündigung und Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 S. 1 BGB an die (aus abgetretenem Recht legitimierte) Klägerin aus dem Leasingvertrag, welcher zwischen der Beklagten und der G.-GmbH (im folgenden: Zedentin) unter dem 12. Juli / 07. Oktober 2004 geschlossen worden war. Ein Zahlungsanspruch besteht jedoch lediglich in Höhe von EUR 5.162,71, weshalb die weitergehende Klage und auch die weitergehende Berufung zurückzuweisen sind.

I.

Der Senat teilt nicht die Auffassung des Landgerichts, dass mit der wirksamen Kündigung des zwischen der Beklagten und der nunmehr insolventen V.-AG bestehenden Dienstvertrages über die Programmlieferung die Geschäftsgrundlage für den Leasingvertrag gemäß § 313 BGB entfallen sei. Der Beklagten stand weder ein Leistungsverweigerungsrecht noch ein Recht zur Kündigung des Leasingvertrages zu.

Durch die unberechtigte Zahlungsverweigerung der Beklagten konnte die Zedentin somit den Leasingvertrag mit Schreiben vom 11. August 2005 wirksam kündigen und hat Anspruch auf Erfüllung des Vertrages und Schadensersatz im tenorierten Umfang.

1.

Die Beklagte hat kein Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 Abs. 1 BGB. Ein solches Recht hätte sie nur dann, wenn die Klägerin neben der (unstreitig erfolgten) Gebrauchsüberlassung der TV-Anlage auch die Lieferung des TV-Programms schulden würde. Das ist indes nicht der Fall, auch wenn der Leasingvertrag mit der Klägerin und der Vertrag mit der V.-AG als Programmanbieterin in zeitlichem Zusammenhang abgeschlossen worden sind. Die eindeutige rechtliche Trennung beider Verträge lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Klägerin die hier umstrittenen Leistungen nicht schuldet (vgl. BGH NJW-RR 2004, 628 sub Nr. II; siehe auch Senat, Beschluss vom 19. April 2007, I-24 U 189/06, OLGR Düsseldorf 2007, 773 veröffentlicht ferner in juris-de).

2.

Die Beklagte hat auch keinen auf das negative Interesse, nämlich auf die Befreiung von der Zahlungsverbindlichkeit gerichteten Schadensersatzanspruch gemäß §§ 241 Abs. 2, 276, 278, 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB.

Der Zeuge S. war zwar als Vermittler Erfüllungsgehilfe der Zedentin, soweit es um die Vorbereitungen zum Abschluss des Leasingvertrags gegangen ist. Es ist jedoch weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Vermittler in diesem Zusammenhang die Zedentin treffende und ihr zurechenbare Pflichten verletzt hat.

Im Unterschied zu dem vom Senat durch Urteil vom 14. Dezember 1999 entschiedenen Fall (OLGR Düsseldorf 2001, 2, 4f) gibt es im Streitfall mit Blick auf die deutliche Trennung der Verträge sowie die eindeutige Abgrenzung der jeweils aus dem einen und dem anderen Vertrag geschuldeten Leistungen keinen vernünftigen Zweifel am jeweiligen Leistungsumfang und daran, wer der jeweilige Schuldner ist. Der Beklagten war unstreitig bekannt, dass sie mit der V.-AG einen Vertrag über die Lieferung des Gerätes samt Zubehör sowie die Einspeisung der Programme und mit der Zedentin einen Leasingvertrag abgeschlossen hat. Sie wusste demgemäss, dass weder die Lieferung des Leasinggegenstandes noch die Lieferung der Programme durch die Zedentin erfolgen sollten. Außerdem verpflichtete sich die Lieferantin der Beklagten das "Wartezimmer-TV" mit monatlich EUR 150,86 zu "subventionieren". Da dieser Betrag die Leasingrate (netto) überstieg, rechtfertigte sich daraus die weitere Zusage der Lieferantin, für die Beklagte seien "die Investitionen kostenneutral". Indessen traf die Beklagte weiterhin die vertraglich begründete und zu keinem Zeitpunkt veränderte Pflicht, der Zedentin die vertraglich geschuldeten Leasingraten zu entrichten. Deutlicher konnten beide Verträge nicht getrennt werden.

Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Aufklärung der Beklagten über die mit einer Insolvenz der V.-AG verbundenen Folgen überhaupt geschuldet war; denn eine solche Aufklärungsverpflichtung fiele jedenfalls in den Pflichtenkreis der V.-AG und nicht der Zedentin (siehe auch BGH CR 1995, 527 (529 f.); Beschluss des Senats vom 19. April 2007, a.a.O.).

Ob etwas Anderes dann gelten würde, wenn das Geschäftskonzept der Programmanbieterin auch für die Klägerin erkennbar betrügerisch angelegt gewesen wäre (vgl. dazu BGH NJW-RR 2004, 628 sub Nr. III.2 und neuerdings zum Fall vermittelter und bankfinanzierter "Schrottimmobilien" BGH, NJW 2007, 2396), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Derartige Anhaltspunkte hat die Beklagte nicht aufgezeigt. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich (vgl. auch insoweit Beschluss des Senats vom 19. April 2007, a.a.O.) .

3.

Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung ist mit dem Insolvenzeintritt des TV-Anbieters auch nicht die Geschäftsgrundlage der Leasingverträge im Sinne des § 313 BGB in Wegfall geraten. Das Verwendungsrisiko trägt der Leasingnehmer (§ 537 Abs. 1 BGB) und kann nicht unter Anwendung des § 313 BGB auf den Leasinggeber abgewälzt werden (vgl Senat OLGR Düsseldorf 2006, 103 = DWW 2006, 23 = GuT 2006, 26 m.w.N.; Beschluss des Senats vom 19. April 2007, a.a.O.). § 313 BGB ist nicht anwendbar, wenn sich durch die Störung ein Risiko verwirklicht hat, das eine Partei zu tragen hat (BGHZ 73, 370 (373); 101, 152; NJW 2000, 1714 (1716); NJW 2006, 899 (901); Palandt/Grüneberg, BGB, 66. Auflage, § 313 Rn. 19). Im Übrigen haben die Parteien in Ziffer 3. des Leasingvertrages die oben dargelegte rechtliche Situation und daraus folgende Risikoverteilung ausdrücklich vereinbart: "Sind Gewährleistungsansprüche des LN wegen Insolvenz der Lieferfirma nicht durchsetzbar, so trifft das Risiko, mit der Folge zur Zahlung der Leasingraten verpflichtet zu sein, den LN, da er es war, der die Lieferfirma ausgesucht hat.".

II.

Die Klägerin hat danach einen Anspruch auf Zahlung von insgesamt EUR 5.162,71, der sich wie folgt zusammensetzt:

 - rückständige Leasingraten für Mai bis Juli 2005 à EUR 171,89 brutto = EUR 515,67
- abgezinste Schadensersatzforderung EUR 4.994,04
- schlüssiger Verzugsschaden EUR 23,00
Zwischensumme: EUR 5.532,71
./. ersparte Vertragskosten für 37 Monate EUR 370,00
  EUR 5.162,71

1.

Die rückständigen Leasingraten für die Monate Mai bis Juli 2005 in Höhe von EUR 171,89 brutto sind unstreitig von der Beklagten nicht gezahlt worden, insgesamt 515,67 EUR.

2.

Wegen der vorzeitigen Vertragsbeendigung erhält die Klägerin das Kapital vorzeitig zurück. Der damit verbundene Zinsvorteil muss durch Abzinsung der restlichen Leasingraten von monatlich EUR 148,18 (netto) auf den Kündigungszeitpunkt ausgeglichen werden. Der Betrag von EUR 4.994,04 ist der Höhe nach unstreitig.

3.

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin auf Verzugskosten ist lediglich in Höhe von EUR 23,00 begründet (Mahnkosten à EUR 9,00 und Gebühren für Rücklastschriften über 14,00). Die mit EUR 40,00 angegebenen Pauschalkosten für die Kündigung und die mit EUR 2,64 bezifferten Verzugszinsen sind nicht nachvollziehbar aufgeschlüsselt worden, weshalb die Klage insoweit abzuweisen ist.

4.

Wegen der vorzeitigen Beendigung des Vertrags erspart die Klägerin laufende Vertragskosten (Allgemeinkosten für EDV, Software, Personal etc.). Entgegen der von ihr in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 13. November 2007 geäußerten Auffassung ist die Verwaltung eines Leasingvertrages somit nicht kostenlos. Vielmehr schätzt der Senat diese Kosten regelmäßig und auch in diesem Fall auf 10 EUR/Monat, so dass für die restliche Vertragslaufzeit von 37 Monaten 370 EUR von den ausgefallenen Leasingraten abzuziehen sind (vgl. auch Senat, OLGR 2006, 781 f. = DB 2007, 1355 (nur Leitsatz)). Im Übrigen hat die Klägerin auch Mahnkosten (pro Schreiben EUR 9,00; siehe oben unter II. 3.) berechnet. Diese regelmäßig mit Hilfe der EDV erstellten Schreiben hat sie mithin auch nicht als kostenneutral angesehen.

III.

Die Entscheidung zum Zinsanspruch ergeht gemäß §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 11, 713.

Der Streitwert in der Berufungsinstanz beträgt EUR 5.575,35.

Anlass, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, besteht nicht. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Ende der Entscheidung

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