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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 06.11.2003
Aktenzeichen: I-24 U 116/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 535
BGB § 765
Zu den Auswirkungen eines Beherrschungsvertrages zwischen Vermieterin und Mieterin (beherrschtes Unternehmen) auf Bürgschaften, die ein Gesellschafter der Mieterin gegenüber der Vermieterin vor der Beherrschung übernommen hatte.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I-24 U 116/02

Verkündet am 06. November 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die am 29. Juli 2003 geschlossene mündliche Verhandlung unter Mitwirkung seiner Richter Z, E und T

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 12. Juli 2002 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg -Einzelrichter- teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Klägerin 32.318,62 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. Juli 2001 zu zahlen.

Die Kosten des ersten Rechtszuges werden gegeneinander aufgehoben, die des zweiten Rechtszuges tragen die Klägerin zu 40 %, der Beklagte zu 60%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien bleibt nachgelassen, die gegen sie jeweils gerichtete Zwangsvollstreckung durch eine Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden

Gründe:

A.

Die Klägerin vermietete im Jahre 1991 an die R-GmbH die Gaststätte Fplatz 8 in O. und gewährte ihr ein Betriebsmitteldarlehen von 100.000 DM. Gesellschafter der R-GmbH waren zu diesem Zeitpunkt die Klägerin zu 51%, der Beklagte zu 30% und der frühere Mitgesellschafter S zu 19%. Der Beklagte und S, seinerzeit auch gemeinsam Geschäftsführer der R-GmbH, verbürgten sich gegenüber der Klägerin selbstschuldnerisch für die beiden vorgenannten Verbindlichkeiten, und zwar mit der Mietbürgschaft in Höhe von 49% aller aus dem Mietverhältnis entstehenden Forderungen nebst Kosten und Zinsen und mit der Darlehensbürgschaft in Höhe eines Betrages von 49.000 DM nebst Kosten und Zinsen. Im Jahre 1992 erwarb die Klägerin die Geschäftsanteile des Gesellschafters S hinzu.

Am 04. November 1992 vereinbarte sie mit der R-GmbH in notarieller Form und mit Wirkung ab 01. Januar 1992 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, dem die Gesellschafterversammlungen beider Gesellschaften einstimmig zustimmten.

Die R-GmbH unterhielt in O., L-str. eine zweite Betriebsstätte. Die Räume hatte sie von der K-Brauerei) gemietet, die ihr ein weiteres Betriebsmitteldarlehen von 150.000 DM gewährte. Am 25. August 1993 verbürgte sich die Klägerin für diese Verbindlichkeiten gegenüber der K-Brauerei. Der Beklagte verbürgte sich am 30. August 1993 gegenüber der Klägerin für den Fall deren Inanspruchnahme durch die K-Brauerei in Höhe von 50% (nachfolgend Rückbürgschaft genannt):

Am 27. November 1997 wurde die R-GmbH wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht. Seit dem 11. März 1998 findet die Nachtragsliquidation statt.

Die Klägerin hat den Beklagten erstinstanzlich aus den drei Bürgschaften wie folgt in Anspruch genommen:

I. Mietbürgschaft

01 Mieten 05/95, 07 - 09/95, 01 - 10/96 (14 x 6.727,02 DM) 94.178,28 DM davon 49/100 46.147,35 DM

II. Darlehensbürgschaft

02 Raten 07/95, 08 - 09/96 (3 x 1.666,67 DM) 5.000,01 DM

III. Rückbürgschaft

03 KFB R-GmbH ./. G u.a. nebst Zinsen 8.207,26 DM 04 Mieten, Darlehen 03/96-03/97 (46.000 DM + 70.455,13 DM) 116.455,13 DM 05 Zinsen aus Zeile 04 (1.213.89 DM+8.750,43 DM, 9.964,32 DM 134.626.71 DM

davon 50% 67.313,36 DM Summe 118.460,71 DM

Eingeklagt (nebst Zinsen) 115.030,26 DM

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht: Wegen des Beherrschungsvertrags habe die Klägerin ihn, den Beklagten, von der Bürgschaftshaftung freizustellen. Das sei bei Abschluss des Unternehmensvertrags so auch versprochen worden. Der Beklagte hat ferner die Nichterfüllung der verbürgten Verbindlichkeiten bestritten.

Das Landgericht hat den Beklagten nach Beweisaufnahme zur Zahlung von 58.779,96 EUR (114.962,96 DM) nebst Zinsen unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit welcher er sein erstinstanzliches Ziel weiterverfolgt und widerklagend von der Klägerin Einsichtnahme in "sämtliche Geschäftsunterlagen" der R-GmbH sowie Auskunft über näher bezeichnete Geschäftsvorgänge der R-GmbH verlangt.

Die Klägerin, die der Widerklageerhebung nicht zustimmt, will die Berufung zurückgewiesen haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt und den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

B.

Das zulässige Rechtsmittel ist teilweise begründet. Der Beklagte haftet der Klägerin nur aus der Rückbürgschaft. Insofern und hinsichtlich der berufungserweiternd verfolgten Widerklage auf Rechenschaftslegung und Auskunft bleibt sein Rechtsmittel ohne Erfolg. Er haftet aber nicht aus der Miet- und Darlehensbürgschaft, weshalb das angefochtene Urteil in diesem Umfange abzuändern und die Klage in diesem Umfange abzuweisen ist.

I. Die Haftung des Beklagten aus den (wirksam) übernommenen Bürgschaften für Miet- und Darlehensverbindlichkeiten der R-GmbH gegenüber der Klägerin ist mit dem Abschluss des Beherrschungsvertrags erloschen. Zu dieser Beurteilung kommt der Senat unter Berücksichtigung des im ersten Rechtszug gewonnenen Beweisergebnisses nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) im Wege der Anpassung der hier in Rede stehenden Bürgschaftsverpflichtungen an die neue Lage nach Abschluss des Beherrschungsvertrags (vgl. dazu Palandt/Heinrichs BGB, 62. Aufl., § 242 Rn. 110ff).

1. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Miet- und Darlehensbürgschaften ging es den Parteien und dem damaligen Mitgesellschafter S darum, die Haftungsrisiken aus den in Rede stehenden Verbindlichkeiten der R-GmbH gegenüber der Klägerin entsprechend ihrer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an der R-GmbH untereinander aufzuteilen. Im Kreditsicherungsgeschäft entspricht es einer weit verbreiteten Praxis, dass sich Gläubiger die Erfüllung ihrer Darlehensforderungen gegenüber einer GmbH durch die persönliche Verpflichtung der Gesellschafter, sei es durch Schuldmitübernahme, sei es durch selbstschuldnerische Bürgschaft, sichern lassen. So ist hier auch die Klägerin im Prinzip vorgegangen. Abweichend vom üblichen Verlauf ist nur, dass sie in Höhe ihres eigenen Geschäftsanteils an der R-GmbH (51%) auf eine solche Kreditsicherung verzichtet hat. Dementsprechend hatte sich der Beklagte nur für 49% der Mietforderungen und für 49.000 DM des Darlehns über 100.000 DM selbstschuldnerisch verpflichtet. Das erschien aus damaliger Sicht konsequent, weil der Beklagte und S trotz ihrer Minderheitsbeteiligung als Geschäftsführer der R-GmbH den entscheidenden Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens hatten.

2. Das änderte sich mit dem Abschluss des Beherrschungsvertrags. Die unter den Parteien geregelte Haftungsverteilung verlor nun ihre wirtschaftliche Grundlage. Während bis dahin der Beklagte als Geschäftsführer der R-GmbH auf den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens den entscheidenden Einfluss hatte, gab er ihn nun auf. Die gesamte Kontrolle über das Unternehmen fiel an die Klägerin, die gemäß § 1 Beherrschungsvertrag berechtigt war, dem Geschäftsführer allgemeine und auf Einzelfälle bezogene Weisungen zu erteilen, der ihr gegenüber dichte und weit gehende Informations- und Berichtspflichten übernommen hatte (§ 2 Beherrschungsvertrag). Außerdem hatte die Klägerin Anspruch auf den Jahresüberschuss mit Verlustausgleichsverpflichtung (§ 3 Beherrschungsvertrag). Mit Abschluss des Beherrschungsvertrags hat die Klägerin somit das typische Haftungsrisiko der R-GmbH, das das Motiv für die persönliche Verpflichtung u.a. des Beklagten für die Verbindlichkeiten der R-GmbH gewesen war, selbst übernommen. In wirtschaftlicher Hinsicht sicherten die Miet- und Darlehensbürgschaften des Beklagten nicht mehr ein nicht steuerbares fremdes, sondern ein von der Klägerin selbst zu steuerndes und zu beeinflussendes eigenes Risiko ab. Da das Motiv bei Abschluss der beiden in Rede stehenden Bürgschaften die gerechte Verteilung der vom Beklagten als Geschäftsführer steuerbaren Haftungsrisiken nach den Gesellschaftsanteilen der Parteien und des damaligen Mitgesellschafters S gewesen ist, war mit dem Abschluss des Beherrschungsvertrages diese Grundlage entfallen.

Die Folgen für die künftige Rolle des Beklagten als (verbleibenden) Geschäftsführers und die Risiken seiner gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an der R-GmbH haben die Parteien bei Abschluss des Beherrschungsvertrag auch gesehen. Darauf beruht die Ausgleichsregelung in § 4 Beherrschungsvertrag. Zum Ausgleich der neuen Risiken, die von ihm in der Rolle des Minderheitsgesellschafters und weisungsunterworfenen Geschäftsführers nicht mehr zu beeinflussen waren, wurde ihm unabhängig vom Betriebsergebnis ein Gewinnanteil garantiert.

Die Parteien haben, wie das Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme ergibt, bei Abschluss des Beherrschungsvertrags allerdings nicht bedacht, dass die geschäftliche Grundlage der beiden hier in Rede stehenden Bürgschaftsverträge entscheidend verändert wurde. Hätten die Parteien das bedacht, so hätten sie unter Berücksichtigung der wohl verstandenen beiderseitigen Interessen im Beherrschungsvertrag vereinbart, dass der Beklagte für Verbindlichkeiten der R-GmbH, welche unter der Geltung des Beherrschungsvertrags begründet würden, nicht mehr haften sollte.

Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte, wie noch auszuführen sein wird, aus der Rückbürgschaft haftet. Die Geschäftsgrundlage dieser Bürgschaft ist mit derjenigen der Miet- und Darlehensbürgschaften nicht zu vergleichen. Während dort die Bürgschaftsverpflichtungen vom Beklagten mit Rücksicht auf seine Rolle als Minderheitsgesellschafter u n d die Geschicke des Unternehmens maßgebend beeinflussender Geschäftsführer übernommen worden ist, hat er sie hier übernommen, obwohl er als weisungsgebundener Geschäftsführer und Minderheitsgesellschafter deutlich weniger Einfluss auf das Unternehmen ausüben konnte.

Da die Hauptverbindlichkeiten, wegen der die Klägerin den Beklagten aus der Bürgschaft in Anspruch nimmt, unstreitig während der Geltung des bis zum 31. Dezember 1997 (§ 1 Abs. 3) abgeschlossenen Beherrschungsvertrags begründet worden sind, kann die Klägerin den Beklagten wegen des Betrags von (46.147,35 DM + 5000,01 DM) 51.147,36 DM (26.151,23 EUR) nicht in Anspruch nehmen.

II. Anders verhält es sich mit der vom Beklagten übernommenen Haftung auf der Grundlage der Rückbürgschaft.

1. Aus den vorhergehenden Ausführungen (oben B.I.) ergibt sich umstandslos, dass die Geschäftsgrundlage, unter welcher der Beklagte die Bürgschaftsverpflichtung übernommen hat, nicht verändert ist.

2. Allerdings haftet der Beklagte nur für solche Forderungen, für die die Klägerin ihrerseits auf der Grundlage der von ihr gegenüber der K-Brauerei übernommenen Bürgschaft einzustehen hat. Ausweislich jener Bürgschaftserklärung (GA 20) haftet die Klägerin nur für das von der K-Brauerei der R-GmbH gewährte Darlehen von 150.000 DM und für Ansprüche der K-Brauerei aus dem Mietverhältnis mit der R-GmbH. Davon erfasst sind die oben unter A (Zeilen 04 und 05) dargestellten Teilforderungen in Höhe von (116.455,13 DM + 9.964,32 DM) 126.419,45 DM, für welche der Beklagte mit der Hälfte, also mit 63.209,73 DM (32.318,62 EUR) aus der Rückbürgschaft haftet. Er haftet nicht für die oben (unter A Zeile 03) dargestellte Teilforderung von 8.207,26 DM. Dabei handelt es sich um Kosten nebst Zinsen, welche der R-GmbH in einem Rechtsstreit mit G und A (2 O 413/97 Landgericht Düsseldorf) entstanden sind. Es fehlen jegliche Darlegungen der Klägerin, aus welchem Grunde der Beklagte dafür einzustehen hat. Es sind auch nicht Verbindlichkeiten, die unter die Mietbürgschaft des Beklagten fallen. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit der von der R-GmbH mit G/A geführte Rechtsstreit das Mietverhältnis zwischen Klägerin und R-GmbH betrifft.

3. Hinsichtlich des Teilbetrags von 32.318,62 EUR ist die Bürgschaft auch fällig. Abgesicherte Hauptforderung ist der Rückgriffsanspruch der Klägerin gegen die R-GmbH als Schuldnerin der Hauptforderung. Der Rückgriffsanspruch entsteht, wenn die Klägerin als Erstbürgin von der Gläubigerin in Anspruch genommen worden ist. Das ist unstreitig im Rechtstreit zwischen der Klägerin und der K-Brauerei, den der Senat durch das am 07. März 2000 verkündete Urteil (24 U 196/98) in zweiter Instanz entschieden hat (nicht rechtskräftig), geschehen. Da die Klägerin belegt hat, dass sie die Forderung der K-Brauerei erfüllt hat, hat die Klägerin einen Rückgriffsanspruch gegen die Hauptschuldnerin.

4. Der Zinsanspruch ist gemäß § 284 Abs. 1, 286, 288 BGB begründet. Zinseszins ist darin nicht enthalten. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche sind einschließlich der verauslagten Kosten für Zinsen im Verhältnis der Parteien zueinander verbürgte Forderungen, die der Verzinsung unterliegen.

III. Die vom Beklagten zweitinstanzlich erhobene, auf Rechenschaftslegung und Auskunft gerichtete Widerklage ist sachlich nicht zu bescheiden. Die Klägerin hat weder ihre Zustimmung erteilt noch ist eine Entscheidung des Senats sachdienlich, § 533 ZPO. Daran fehlt es schon deshalb, weil für die Entscheidung des geltend gemachten Anspruchs nicht auf den vom Landgericht festgestellten Sachverhalt zurückgegriffen werden könnte, sondern zusätzlich umfangreiche zusätzliche Feststellungen erfordern.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Rechtsstreit gibt keinen Anlass, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO.

Berufungsstreitwert:

Berufung: 58.779,63 EUR Berufungserweiterung: 10.000,00 EUR Summe 68.000,00 EUR

Ende der Entscheidung

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