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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 17.02.2005
Aktenzeichen: I-24 U 119/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 675
BGB § 276
BGB § 779
1. Auch wenn der Mandant grundsätzlich die Umstände einer fehlerhaften Beratung (hier vor Widerruf von zwei Prozessteilvergleichen) darzulegen und zu beweisen hat, darf sich der Rechtsanwalt nicht mit bloßem Bestreiten des behaupteten Beratungsinhalts begnügen, sondern hat seinerseits den Inhalt der Beratung vorzutragen. Sache des Mandanten ist es dann, die Gegendarstellung des Rechtsanwalts auszuräumen.

2. Zum Anscheinsbeweis des beratungskonformen Verhaltens und zum Mitverschulden des Mandanten.


Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss

In Sachen

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung seiner Richter Z, E und T am 17. Februar 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlussverfahren zurückzuweisen. Der Beklagte erhält Gelegenheit, zu den Gründen binnen einer Frist von z w e i W o c h e n schriftsätzlich Stellung zu nehmen.

Gründe:

Das Rechtsmittel hat keine Erfolgsaussicht. Das Landgericht hat den beklagten Rechtsanwalt zu Recht zu Schadensersatz (8.851,04 EUR nebst Zinsen) verurteilt. Die dagegen vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine günstigere Entscheidung.

I. Der Beklagte hat den Kläger im Zusammenhang mit dem am 05. Juni 2001 erklärten Widerruf der beiden Teilvergleiche vom 22. Mai 2001 (4 Ca 618/01 ArbG Wuppertal) defizitär beraten.

1. Unstreitig ist, dass der Zahlungsteilvergleich (nachfolgend Zahlungsvergleich genannt) Verpflichtungen des Klägers gegenüber seiner Arbeitnehmerin Frau D (nachfolgend Arbeitnehmerin genannt) enthielt, die im Vergleich zur Sach- und Rechtslage für den Kläger eher ungünstig waren, weil er der Arbeitnehmerin geringeren Lohn für die umstrittene Zeit von Mai bis August 2000 schuldete. Unstreitig ist ferner, dass der Teilvergleich zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der Arbeitnehmerin zum 28. Februar 2001 (nachfolgend Auflösungsvergleich genannt) für den Kläger im Vergleich zur Sach- und Rechtslage sehr günstig gewesen ist, weil der Kläger bei streitiger Entscheidung damit rechnen musste, dass die Arbeitnehmerin mit ihrer erhobenen Feststellungsklage (Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses wegen Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 29. August 2000) Erfolg haben werde und nachfolgend begründete Lohnansprüche für die Zeit ab Zustellung der Feststellungsklage (16. Februar 2001) geltend machen könne. Schließlich ist unstreitig, dass die Teilvergleiche einzeln widerrufen werden konnten, also der Widerruf des eines Vergleichs die Wirksamkeit des anderen nicht berührt hätte.

2. Streitig ist, ob der Beklagte den Kläger über die dargestellten rechtlichen Verhältnisse nach Abschluss und vor dem Widerruf der Vergleiche hinreichend aufgeklärt hat. Das ist, wie das Landgericht im Ergebnis richtig erkannt hat, nicht geschehen.

a) Richtig ist, dass den Kläger nach allgemeinen Grundsätzen im Regressprozess die Darlegungs- und Beweislast für eine Vertragsverletzung des Beklagten in Gestalt defizitärer Beratung trifft. Der Beklagte irrt indes, wenn er meint, er könne die Vertragsverletzung schlicht bestreiten und behaupten, er habe "den Sachverhalt noch einmal eingehend hinsichtlich aller in Rede stehenden Besonderheiten und Risiken besprochen" und es sei "auch die Verzugsproblematik erörtert (worden)". Geht es wie hier um die Führung eines so genannten Negativbeweises, sind die damit verbundenen Schwierigkeiten dadurch zu beheben, daß die andere Partei nach Lage des Falles die Behauptung substantiiert bestreiten und diejenige Partei, welche die Beweislast trägt, die Unrichtigkeit der Gegendarstellung beweisen muß (vgl. BGH NJW 1987, 1322 1323). Die Anforderungen an die Substantiierungspflicht des wegen unzureichender oder unrichtiger Belehrung in Anspruch genommen Anwaltes werden durch die Umstände des Einzelfalles bestimmt. Keinesfalls kann sich der Anwalt damit begnügen, eine Pflichtverletzung zu bestreiten oder ganz allgemein zu behaupten, er habe den Mandanten ausreichend unterrichtet. Vielmehr muß er den Gang der Besprechung im einzelnen schildern, insbesondere konkrete Angaben darüber machen, welche Belehrungen und Ratschläge er erteilt und wie der Mandant darauf reagiert hat (BGH aaO).

b) Eine solche geschuldete detaillierte Beratung behauptet der Beklagte selbst nicht.

aa) Das gilt zunächst für die verfahrensrechtliche Frage, ob die Vergleiche getrennt widerrufen werden konnten. Der Beklagte hat im ersten Rechtszug gerade nicht behauptet, er habe den Kläger diesbezüglich belehrt, sondern nur darauf verwiesen, dass dem Kläger das Vorhandensein zweier Vergleiche bekannt gewesen sei.

bb) Das gilt weiter aber auch für die schwerwiegendere Frage, welche Folgen der Widerruf des Auflösungsvergleichs haben werde. Diesbezüglich steht fest, dass der Beklagte den Kläger sogar noch nach erfolgtem Widerruf falsch beraten hat. Noch in dem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 12. Juli 2001 hat der Beklagte den Kläger nämlich dahin belehrt, er habe Lohnforderungen der Arbeitnehmerin nicht zu gewärtigen, "weil sie ihre Arbeitsleistung zu keiner Zeit angeboten" habe. Das widerspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach der Arbeitnehmer seine Arbeitswilligkeit auch konkludent, etwa durch eine Kündigungsschutzklage, einen Widerspruch gegen die Kündigung (vgl. BAGE 46, 34; BAGE 78, 333; EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr 9) oder auch durch eine gegen die Kündigung gerichtete Feststellungsklage (Urt. v. 21.11.1996 -AZR 660/95-, RzK I 13b Nr. 31 [LS] und juris mit Gründen) zum Ausdruck bringen kann. In allen diesen Fällen entgeht der Arbeitgeber dem Annahmeverzug (§ 296 BGB) nur dann, wenn er (mit oder ohne Vorbehalt zum Ausgang eines etwaigen Kündigungsrechtsstreits) dem Arbeitnehmer konkret eine Arbeit zuweist, die den vertraglichen Vereinbarungen entspricht.

3. Wenn der Beklagte die geschuldete Beratung erteilt hätte, kann angenommen werden, dass der Kläger ihn ausdrücklich angewiesen hätte, jedenfalls den Widerruf des Auflösungsvergleichs zu unterlassen. Dann wäre es zu der Unklarheit, die der Beklagte diesbezüglich beklagt, nicht gekommen. Eine solche Reaktion des Klägers steht fest nach Anscheinsbeweisgrundsätzen (vgl. dazu BGH MDR 2003, 897, 898 m. w. N.). Denn es ging ihm (unstreitig) einerseits (und in erster Linie) darum, keinesfalls mehr mit der Arbeitnehmerin zusammenarbeiten zu müssen, andererseits auch darum, an sie so wenig wie möglich zahlen zu müssen. Diese Ziele des Klägers waren legitim und der Beklagte als sein rechtlicher Berater musste ihm zu deren Erreichung verhelfen, wenn dies möglich war. Beide Ziele konnten nur dadurch erreicht werden, dass der Auflösungsvergleich nicht widerrufen wird. Mit Blick auf die Sach- und Rechtslage waren die Vorteile des Auflösungsvergleichs so eindeutig, dass der Beklagte den Kläger sogar dringend davor hätte warnen müssen, es zum Widerruf kommen zu lassen. Das ist unstreitig nicht geschehen.

4. Ohne Erfolg wendet der Beklagte ein, der Kläger sei als Zahnarzt und Verbandsvertreter nicht beratungsbedürftig gewesen, jedenfalls treffe ihn gemäß § 254 Abs. 1 BGB ein Mitverschulden schon bei der Schadensentstehung. Die Erfüllung der Mandatspflichten obliegt allein dem Rechtsanwalt. Auch ein rechtskundiger Mandant darf grundsätzlich darauf vertrauen, daß sein Rechtsanwalt seine Pflichten vertragsgerecht erfüllt, ohne dass dafür eine Kontrolle notwendig ist. Deswegen kann auch einem solchen Auftraggeber in der Regel nicht vorgeworfen werden, er hätte das, worüber ihn sein Rechtsanwalt hätte unterrichten müssen, bei genügender Sorgfalt selbst feststellen können und müssen (BGH WM 1992, 739, 740; WM 1993, 1889, 1894; WM 1993, 1508, 1511; WM 1997, 1392, 1395; WM 2000, 959, 962).

5. Ohne Erfolg macht der Beklagte schließlich geltend, den Kläger treffe wenigstens ein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 2 BGB, weil er durch Beschäftigung der Arbeitnehmerin den Schaden hätte gering halten können. Dabei verkennt der Beklagte, dass nach seiner eigenen Darstellung das persönliche Verhältnis zwischen den Arbeitvertragsparteien zerrüttet gewesen ist und es dem Kläger gerade deshalb in erster Linie darauf ankam, mit der Arbeitnehmerin in seiner Zahnarztpraxis (mit weniger als fünf Arbeitnehmerinnen) nicht noch einmal persönlich zusammenarbeiten zu müssen. Dem Kläger, der durch das vertragswidrige Verhalten des Beklagten die diesbezüglich schon gewonnene Option wieder verloren hatte, war es deshalb nicht zumutbar, mit Rücksicht auf den Beklagten das Arbeitsangebot der Arbeitnehmerin zu akzeptieren und für eine Restlaufzeit von nur einem Monat seine Praxisorganisation zu ändern. Ob dem Beklagten ein Arbeitsangebot dann zumutbar gewesen wäre, wenn er hätte sicher sein können, dass die Arbeitnehmerin trotz ausdrücklicher Demonstration ihrer Arbeitswilligkeit das Angebot ausgeschlagen hätte, bedarf keiner Untersuchung. Einen solchen Sachverhalt behauptet der Beklagte nicht.

II. Der Senat weist darauf hin, dass die Berufungsrücknahme vor Erlass einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO kostenrechtlich privilegiert ist.



Ende der Entscheidung

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