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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 11.01.2005
Aktenzeichen: I-24 U 125/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 311 Abs. 2
BGB § 812 Abs. 1
BGB § 818 Abs. 3
BGB § 819
1. Der Rechtsanwalt - nicht sein Mandant - ist Bereicherungsschuldner, wenn der Gläubiger in Erwartung eines Treuhandverhältnisses, das dann nicht zustande kommt, an den Rechtsanwalt Zahlungen erbracht hat

2. Auf den Wegfall der Bereicherung kann sich der Rechtsanwalt nicht berufen, wenn er die Treuhandgelder in Kenntnis der Umstände seinem eigenen Vermögen zuführt.

3. Will oder darf der Rechtsanwalt den Treuhandauftrag nicht annehmen, ist er zur unverzüglichen Rückzahlung der voraus gezahlten Geldbeträge verpflichtet und haftet andernfalls dem Gläubiger auf Schadensersatz.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I-24 U 125/04

Verkündet am 11. Januar 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2004 durch seine Richter Z, T und H

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 26. Mai 2004 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges tragen die Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin hatte für die D.-GmbH & Co. KG (im folgenden: Schuldnerin) eine Prozessbürgschaft gestellt. Gläubigerin war die R.-GmbH & Co. KG (im folgenden: Mandantin). Diese nahm die Klägerin in dem Verfahren 4 O 343/02 LG Wuppertal und 9 U 37/03 OLG Düsseldorf aus der Prozessbürgschaft in Anspruch. Die Mandantin wurde in diesem Rechtsstreit von den Beklagten vertreten.

Nachdem die Klägerin im Berufungsrechtszug mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 4. Juli 2003 die Bürgschaftsforderung anerkannt und die Beklagten um Bestätigung ihrer Geldempfangsvollmacht gebeten hatte, erwiderten diese, sie sähen dem Ausgleich der Klageforderung nebst Zinsen "auf unserem Anwaltsanderkonto... Nr. 550012" entgegen. Bei diesem Konto handelt es sich um das allgemeine Geschäftskonto der Beklagten. Zugleich boten sie an, Zug um Zug die Originalbürgschaft an die Schuldnerin zurückzureichen. Am 8. Juli 2003 überwies die Klägerin von dem bei ihr geführten Konto der Schuldnerin die Bürgschaftssumme von 11.599,26 € auf das von den Beklagten angegebene Konto.

Am 11. Juli 2003 überwies die Klägerin auf das genannte Konto einen weiteren Betrag von 11.607,70 €. Mit Schreiben vom selben Tage setzte sie die Beklagten von dieser Zahlung in Kenntnis und machte ihnen zur Auflage, von dem Betrag nur Gebrauch zu machen, wenn sichergestellt sei, dass die Klägerin die Originalbürgschaft im Gegenzug zurückerhielt. Außerdem forderte sie die Beklagten auf, "die Annahme unseres Treuhandauftrages auf der beigefügten Briefkopie zu bestätigen". Dieses Schreiben ging den Beklagten am 14. Juli 2003 gegen 11.00 Uhr zu.

Am Vormittag desselben Tages händigte der Vertreter der Mandantin im Termin vor dem Oberlandesgericht dem Vertreter der Schuldnerin die Bürgschaftsurkunde aus, nachdem dieser die Bürgschaftsforderung das Anerkenntnis zu Protokoll erklärt hatte.

Mit Schreiben vom 4. August 2003 forderte die Klägerin durch ihre anwaltlichen Vertreter die Beklagten auf, den Betrag von 11.607,70 € wegen versehentlich erfolgter Doppelzahlung zurückzuerstatten. Dies lehnten die Beklagten u. a. unter Berufung auf Gegenforderungen der Mandantin ab. Der daraufhin erhobenen Klage hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil stattgegeben und die Beklagten zur Rückzahlung von 11.607,70 € nebst Zinsen verurteilt.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie machen geltend, sie seien um den überzahlten Betrag nicht bereichert, weil Leistungsempfängerin die Mandantin sei.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Außerdem haben sie im Hinblick auf zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil von ihnen geleistete Zahlungen Hilfswiderklage erhoben und beantragen,

die Klägerin zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger einen Betrag von 15.449,13 € nebst 11,0 % p.a. aus 12.304,13 € seit dem 15. Juli 2004, aus 2.385,00 € seit dem 26. Juli 2004 und aus 760,00 € seit dem 6. August 2004, abzüglich der am 20. August 2004 erfolgten Erstattung von 445,50 €, zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Widerklage abzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und behauptet zur Widerklage, die Beklagten hätten lediglich 14.933,16 € gezahlt.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Im Ergebnis hat das Landgericht die Beklagten zu Recht zur Rückzahlung der ausgeurteilten Summe verurteilt. Das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz rechtfertigt keine andere Entscheidung.

1.

Der Anspruch der Klägerin rechtfertigt sich aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB, weil die Beklagten durch Leistung der Klägerin um den Betrag von 11.607,70 € ungerechtfertigt bereichert sind.

a.

Allerdings ist den Beklagten zuzugeben, dass Sie nicht Bereicherungsschuldner wären, wenn Ihnen der ausgeurteilte Betrag als zum Geldempfang bevollmächtigten Rechtsanwälten der Mandantin zugeflossen wäre. Dann wären Sie nicht Leistungsempfänger gewesen. Denn bei der Leistungskondiktion werden die Beteiligten durch die Lage der Zweckbeziehungen bestimmt. Dieses Merkmal tritt insbesondere beim Bereichungsausgleich im Drei-Personen-Verhältnis an die Stelle der Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung. Im Rahmen einer Leistungskondiktion reduziert daher das Erfordernis der Einheitlichkeit des Bereicherungsvorgangs den Bereicherungsausgleich grundsätzlich ausschließlich auf die Partner des Leistungsverhältnisses (BGHZ 40, 272; 50, 227; NJW 1993, 1914; 1999, 1393). Das waren hier die Partner des Bürgschaftsvertrages, die Klägerin und die Mandantin.

Ist der Rechtsanwalt demnach nur "Zahlstelle", bei der die Geldzahlung eingeht, so ist er nicht Leistungsempfänger, sondern bloßer Leistungsmittler, und damit nicht Bereicherungsschuldner i. S. v. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB.

In dieser Position hätten sich die Beklagten befunden, wenn Ihnen die Zahlung vom 11. Juli 2003 ersichtlich zur Tilgung der Bürgschaftsforderung Ihrer Mandantin gegen die Klägerin zugeflossen wäre. Denn ihr bloßer Hinweis im Schreiben vom 4. Juli 2003, die Klägerin solle auf das Anwaltsanderkonto Nr. 550012 zahlen, änderte an der Position der Beklagten als Stellvertreter nichts. Die Beklagten wurden dadurch nicht zu dem selbstständig dazwischen tretenden Treuhänder, der gleich dem mittelbaren Stellvertreter die Leistung im eigenen Namen empfängt und damit Bereicherungsschuldner wird (vgl. BGH NJW 1961, 1461). Mit der bloßen Angabe ihres Geschäftskontos als Anwaltsanderkonto sind die Beklagten aus der Rolle des unmittelbaren Stellvertreters und Geldempfangsbevollmächtigten nicht herausgetreten, so dass in Ermangelung weiterer Umstände (dazu sogleich unter b.) die Zahlung der Klägerin den Zweck verfolgt hätte, die Bürgschaftsforderung der Mandantin zu tilgen.

b.

Indessen haben die Beklagten den ausgeurteilten Betrag deshalb ohne Rechtsgrund durch Leistung der Klägerin erlangt, weil Ihre Geldüberweisung den Zweck verfolgte, einen eigenen Treuhandvertrag der Klägerin mit den Beklagten zu begründen. Es ist anerkannt, dass eine vereinbarte Zweckbestimmung alleinige Grundlage der Leistung sein kann und bei Fehlschlagen des bezweckten Erfolgs die Zuwendung rückforderbar macht. Dies ist regelmäßig in solchen Fällen gegeben, in denen eine Hingabe des Bereicherungsgegenstandes in der Erwartung eines erst noch zustande kommenden Vertrages erfolgt (vgl. BGH MDR 1976, 38; ferner die Beispiele bei Palandt/Thomas BGB 64. Aufl. § 812 Rn. 89). Dabei ist unerheblich, ob die vereinbarte Zweckbestimmung neben einen anderen Rechtsgrund tritt und ob es tatsächlich zu einer Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner kommt. Entscheidend ist, dass der Zuwendende eine entsprechende Tilgungsbestimmung trifft, deren Voraussetzungen sich im Nachhinein als nicht vorhanden herausstellen. So liegen die Dinge hier zum Nachteil der Beklagten

Mir Schreiben vom 11. Juli 2003 bestimmte die Klägerin den Zweck Ihrer Zahlung von 11.607,70 € ausdrücklich dahin, dass der Betrag "zu treuen Händen überwiesen" sei, und machte den Beklagten zur Auflage, von dem Betrag nur Gebrauch zu machen, wenn sichergestellt sei, dass die Klägerin die Originalbürgschaften im Gegenzug zurückerhielt. Schließlich forderte sie die Beklagten auf, die Annahme ihres Treuhandauftrages auf der beigefügten Briefkopie zu bestätigen. Damit war aus Sicht der Beklagten deutlich, dass der überwiesene Geldbetrag nur im Rahmen eines der Klägerin schriftlich bestätigten Treuhandvertrages verwendet werden durfte. Zugleich hatte die Klägerin damit neben das Kausalverhältnis zur Mandantin der Beklagten einen anderen, zusätzlichen Leistungszweck gesetzt.

Dagegen können die Beklagten nicht mit Erfolg einwenden, dass ihnen das Schreiben der Klägerin erst nach Aushändigung der Bürgschaftsurkunden im Laufe des 14. Juli 2003 zugegangen sein. Zum einen ändert dies an der von der Klägerin getroffenen Leistungsbestimmung nichts. Zum anderen ergab sich aber auch aus dem Überweisungsträger, der zur Gutschrift von 11.607,70 € auf dem Konto der Beklagten führte, dass die Überweisung einem "Treuhandauftrag vom 11.07.2003" diente. Damit war für die Beklagten als Empfänger, auf deren Horizont abzustellen ist, ersichtlich, dass ihnen ein Geldbetrag für einen nicht oder noch nicht existierenden Treuhandauftrag zugewendet worden war. Als sie aber nach Eingang des Schreibens vom 11. Juli 2003 die Einzelheiten des Treuhandauftrags erkennen konnten, nahmen sie diesen Auftrag nicht an. Denn dazu hätten sie gem. § 154 Abs. 1 BGB der Klägerin, wie von ihr verlangt, eine schriftliche Bestätigung des Treuhandvertrages zukommen lassen müssen.

Selbst wenn über das Schriftformerfordernis hinweggesehen würde, könnte die Aushändigung der Bürgschaftsurkunden in der mündlichen Verhandlung vor dem 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf am 14. Juli 2003 nicht als Annahme des Treuhandauftrags gewertet werden. Zum einen waren den Beklagten, wie sie selbst vortragen, die Einzelheiten des Treuhandauftrags gar nicht bekannt. Dann konnte aus der objektiven Sicht des die Urkunde entgegennehmenden Vertreters der Klägerin die Übergabe nicht den Erklärungswert der Annahme des Treuhandvertrages enthalten. Zum anderen konnte aber die Aushändigung der Bürgschaftsurkunde den Erklärungsgehalt haben, dass damit das Bürgschaftsverhältnis zwischen Klägerin und Mandantin endgültig abgewickelt werden sollte. Unstreitig war die zu erst erfolgte Zahlung auf dieses Bürgschaftsverhältnis geleistet worden und hatte es zum Erlöschen gebracht mit der Folge, dass die Mandantin die Bürgschaftsurkunde nicht länger behalten durfte.

Damit steht auch fest, dass die Beklagten den Betrag von 11.607,70 € ohne Rechtsgrund erlangt haben, weil sie das Treuhandverhältnis zur Klägerin, dessen Schaffung die Zahlung bezweckte, nicht eingegangen sind.

Die Beklagten können sich nicht mit Erfolg auf den Wegfall der Bereicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB berufen. Denn sie hatten zum Zeitpunkt der Verrechnungen und Aufrechnungen in ihrem Schreiben vom 11. August 2003 Kenntnis von allen Vorgängen, also auch von der rechtsgrundlosen Zahlung der Klägerin. Dies führt gem. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB zu ihrer Haftung nach den allgemeinen Vorschriften.

2.

Die Klageforderung rechtfertigt sich im übrigen auch als Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (§ 311 Abs. 2 BGB). Da ein Treuhandverhältnis zwischen den Parteien nicht zustande gekommen ist und damit ein Geschäftsbesorgungsvertrag die Parteien nicht miteinander verband, konnten daraus Schadensersatzansprüche der Klägerin auch nicht entstehen. Ein Schuldverhältnis ist zwischen den Parteien gem. § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB dennoch entstanden, weil die Klägerin in der Erwartung der Anbahnung eines Treuhandvertrages den Beklagten durch Zuwendung des streitigen Geldbetrages die Möglichkeit zur Einwirkung auf ihre Rechtsgüter und Interessen gegeben hat. Damit entstand ein vorvertragliches Schuldverhältnis, aus dem zwar nicht primäre Leistungspflichten, sondern nur die in § 241 Abs. 2 BGB angesprochenen Pflichten zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils erwachsen sind. So liegen die Dinge auch im Entscheidungsfall.

Mit Schreiben vom 4. Juli 2003 hatten die Beklagten die Klägerin aufgefordert, auf ihr Anwaltsanderkonto Nr. 550012 die Bürgschaftssumme zu leisten, nach dem die Vertreter der Klägerin sie um Bestätigung der Geldempfangsvollmacht gebeten hatten. Wenn die Klägerin ihre Zahlung von einer treuhänderischen Bindung der Beklagten abhängig machte, durften die Beklagten dieses Geld nicht vereinnahmen. Vielmehr waren sie bei Ablehnung des Treuhandauftrags verpflichtet, der Klägerin unter Darlegung dieses Umstandes das Geld zurückzuzahlen. Erst recht durften sie dieses Geld nicht länger behalten, nachdem sie erkannt hatten, dass die Bürgschaftssumme ein zweites Mal auf ihr Geschäftskonto gelangt war. Gem. § 280 Abs. 1 BGB haben Sie, da sie die Gelder anderweitig verrechnet haben, der Klägerin den vereinnahmten Betrag auch als Schadensersatz zu erstatten.

3.

Zur Höhe haben die Beklagten im zweiten Rechtszug Einwendungen nicht erhoben. Gleiches gilt für die Zinsverpflichtung.

III.

Da die Klage auch im zweiten Rechtszug Erfolg hat, ist die Hilfswiderklage gegenstandslos.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht (§ 543 Abs.2 ZPO).

Streitwert für die Berufungsinstanz: 11.607,70 €

Ende der Entscheidung

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