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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 25.01.2007
Aktenzeichen: I-24 U 143/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 535
BGB § 542 Abs. 2
BGB § 133
BGB § 157
Zur Auslegung der Klausel "Das Mietverhältnis endet am 31. Dezember des 15. Mietjahres nach der Übergabe bei einer Vermietung "vom Reißbrett".
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung seiner Richter Z., T. und H. am 25. Januar 2007

beschlossen:

Tenor:

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlussverfahren zurückzuweisen. Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu den Gründen binnen einer Frist von zwei Wochen schriftsätzlich Stellung zu nehmen.

2. Der für den 30. Januar 2007 geplante Senatstermin entfällt.

Gründe:

I.

Das Rechtsmittel, mit welchem die Klägerin (Vermieterin) in Weiterverfolgung des abgewiesenen Teils ihrer Klage festgestellt haben will, dass das zwischen den Parteien auf der Grundlage des gewerblichen Mietvertrags (MV) vom 12./15. Juni 1989 am 01. Juli 1991 begonnene Vertragsverhältnis über den 31. Dezember 2006 hinaus bis zum Ablauf des 31. Dezember 2010 fortbesteht, hat keine Erfolgsaussicht, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine günstigere Entscheidung. Auch die sonstigen Voraussetzungen für eine Entscheidung im Beschlussverfahren sind erfüllt. Die Rechtssache hat nämlich weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats im Urteilsverfahren (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).

1. Zutreffend und insofern auch ohne Angriffe der Berufung geht das Landgericht davon aus, dass die Beantwortung der umstrittenen Frage nach der Beendigung des Mietvertrags (und dem davon abhängigen Eingreifen der Optionsklausel, § 4 Abs. 1 MV) entscheidend davon abhängt, wie § 3 Abs. 4 MV (Beendigungsklausel) auszulegen ist, die lautet:

"Das Mietverhältnis endet am 31. Dezember des 15. Mietjahres nach der Übergabe."

a) Der Senat folgt dem Landgericht in der Beurteilung, dass die Beendigungsklausel wegen Mehrdeutigkeit gemäß §§ 133, 157 BGB auslegungsbedürftig ist. Denn ihr Wortlaut kann (mit Blick auf den Beginn der Mietzeit am 01. Juli 1991, vgl. §§ 2 Abs. 4 Satz 1, 8 Abs. 1 Satz 1 MV) einerseits bedeuten, dass das Mietverhältnis bereits während des (vom 01. Juli 2005 bis 30. Juni 2006 laufenden) 15. Mietjahres mit Ablauf des 31. Dezember 2005, also schon nach 141/2 Jahren enden sollte (so im Ergebnis die Auslegung der Klägerin) oder erst mit dem Ende des Jahres nach Vollendung des 15. Mietjahres (Auslauffrist), also erst am 31. Dezember 2006 (so die Auslegung der Beklagten). Der Senat teilt nicht die Ansicht der Klägerin, der Klauselwortlaut ermögliche nur das erstgenannte Verständnis. Zu inhaltlicher Eindeutigkeit hätte nur eine attributive Ergänzung der Klausel geführt, um zu verdeutlichen, ob als Anknüpfungspunkt schon das begonnene oder erst das beendete 15. Mietjahr gemeint ist.

b) Der Senat folgt mit dem Landgericht der Auslegung der Beklagten. Die daran geübte Kritik der Klägerin ist unberechtigt. Für die vom Landgericht bevorzugte Auslegung der Beendigungsklausel sprechen mehrere Indizien.

aa) Bei der Vermietung vom "Reißbrett" liegt es regelmäßig im Interesse beider Vertragsparteien, eine längere Mindestvertragslaufzeit zu vereinbaren, um kalkulatorisch zu einer verlässlichen Amortisationsgrundlage zu gelangen, wobei mit Blick auf die im Verhältnis zum Gebäude deutlich geringere betriebsnotwendige Nutzungsdauer der betrieblichen Ausstattung (Inventar, Einbauten) eine verlässliche Amortisationsgrundlage für den Mieter ungleich wichtiger ist als für den Vermieter. Dass die Klägerin nach dem Ablauf von rund 15 Jahren eine Anschlussfinanzierung vereinbaren musste, spricht deshalb nicht gegen eine fest vereinbarte Mindestlaufzeit. Der Einwand der Klägerin hingegen, die Beklagte habe mit Blick auf die Verpflichtung der Vermieterin zur schlüsselfertigen Übergabe der Mietsache (§ 7 Abs. 2 Satz 1 MV) keine amortisierbaren Investitionen gehabt, ist evident unrichtig. Die Beklagte hatte (auf ihre Kosten) das Mietobjekt auszustatten (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 MV in Verbindung mit Nr. 1.1 lit. g der Anlage 1 zum MV). Dieser von kaufmännischen Überlegungen indizierten Interessenlage widerspräche die Vereinbarung einer variablen Mindestvertragslaufzeit zwischen vierzehn und fünfzehn Jahren, zu der die Auslegung der Beendigungsklausel nach der Lesart der Klägerin (je nach dem Zeitpunkt der Überlassung der Mietsache) aber führen würde.

bb) Für das vom Landgericht gewonnene Auslegungsergebnis spricht auch die vom Senat in mehr als 15-jähriger richterlicher Praxis auf dem Gebiet des gewerblichen Mietrechts gemachte Erfahrung, dass bei langfristigen Mietverträgen bevorzugt Zeitintervalle gewählt werden, die durch fünf teilbar sind, also Verträge mit Laufzeiten von 5, 10, 15 oder 20 Jahren die Regel sind. Dass es sich auch im Streitfall so verhält, bestätigt die Optionsklausel (§ 4 Abs. 1 Satz 1 MV), die es der Mieterin erlaubt, einseitig die Vertragszeit in drei Schritten um jeweils fünf, insgesamt also um 15 Jahre zu verlängern.

cc) Ferner steht die (insgesamt) 15-jährige Optionszeit mit einer Mindestmietzeit von ebenfalls 15 Jahren mit Blick auf § 544 Satz 1 BGB durchaus in plausibler Korrespondenz. Diese Regelung schöpft nämlich mit 30 Jahren Gesamtlaufzeit zugunsten des Mieters die vom Gesetz vorgesehene höchst zulässige Vertragszeit von bestimmter Dauer aus. Nach dem von der Klägerin vertretenen Klauselverständnis könnte die Mieterin diese Höchstzeit nicht zuverlässig in Anspruch nehmen.

dd) Die Beendigungsklausel mit Auslauffrist ergibt schließlich auch einen eigenständigen Sinn. Er besteht erkennbar darin, unabhängig vom Mietzeitbeginn einerseits die Mindestmietzeit zu wahren, andererseits den Vertragsablauf mit dem Ende des (maßgeblichen) Kalenderjahrs in Übereinstimmung zu bringen, in welchem die 15-jährige Mietzeit vollendet wird und diese Übereinstimmung für die künftigen Optionszeiten von jeweils fünf Jahren (§ 4 Abs. 1 Satz 1 MV) beziehungsweise (bei bloßem Widerspruch gegen die Option) mit der dann eintretenden Verlängerungsautomatik um jeweils ein Jahr (§ 4 Abs. 2 MV) aufrechtzuerhalten. Es macht aus kaufmännisch-planerischer Sicht durchaus Sinn für beide Vertragsseiten, sich mit den vielfältigen Aufgaben, die mit der Vertragsbeendigung regelmäßig verbunden sind, nur zum Ablauf eines Kalenderjahres befassen zu müssen.

II.

Es wird darauf hingewiesen, dass die Zurücknahme der Berufung vor Erlass einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO kostenrechtlich privilegiert ist.

Ende der Entscheidung

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