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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 29.11.2004
Aktenzeichen: I-24 U 157/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 546
BGB § 546a
BGB § 556
BGB § 557 a.F.
1. Der Vermieter gerät, obwohl er die Schlüssel zurückerhalten hat, nicht in Annahmeverzug, wenn er die Rücknahme des Mietobjekts ablehnt, weil vom Mieter dort nicht nur einzelne Gegenstände zurückgelassen worden sind.

2. Unter diesen Umständen stellt es kein widersprüchliches Verhalten des Vermieters dar, wenn er dem Nachmieter die Schlüssel für die Renovierung überlässt.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-24 U 157/04

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung seiner Richter Z, T und H am 29. November 2004 einstimmig

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 22. Juni 2004 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal -Einzelrichter- wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Berufungsstreitwert: 6.217,32 EUR

Gründe:

I. Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht (auch) für die Zeit von August bis einschließlich November 2003 zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe von (4 Mon. x 1.554,33 EUR/Mon.) 6.217,32 EUR nebst gesetzlicher Zinsen verurteilt. Zur Begründung und um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, nimmt der Senat Bezug auf die dem Beklagten mit Beschluss vom 02. November 2004 erteilten Hinweise.

(Darin hat der Senat ausgeführt:

1. Richtig ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt, wonach ein annahmefähiges und deshalb auch annahmepflichtiges Rückgabeangebot dann vorliegt, wenn der Mieter dem Vermieter die tatsächliche Gewalt über die Mietsache im Sinne des § 854 Abs. 1 BGB anbietet und einräumt. Bei Räumen geschieht das regelmäßig dadurch, dass der Mieter sie (vollständig) räumt und dem Vermieter die Schlüssel anbietet. Ein Vermieter, der ein solches Angebot zurückweist (etwa mit der Begründung, die Räume seien in einem schlechten Erhaltungszustand oder fällige Schönheitsreparaturen noch nicht erledigt), kommt in Annahmeverzug mit der Folge, dass der Mieter die Räume nicht (mehr) vorenthält und eine Nutzungsentschädigung nicht (mehr) schuldet (vgl. BGH NJW 1983 1049 und 1988, 2665, 2666; Senat MDR 2002, 1244=ZMR 2003, 23 und MDR 2003, 1411=ZMR 2004, 27 jew. m.w.Nachw.).

Umgekehrt bedeuten diese Grundsätze, dass ein Mieter, der zwar die Schlüssel übergibt, aber nicht (vollständig) räumt, den Rückgabeanspruch des Vermieters nicht erfüllt. Ein Vermieter, der die Rücknahme nicht geräumter Mietflächen ablehnt, gerät deshalb auch nicht in Annahmeverzug (BGH NJW 1983, 1049, 1050 und NJW 1988, 2665; Senat aaO). Bis zur (vollständigen) Räumung bleibt dem Vermieter die Mietsache vorenthalten und der Mieter zur Zahlung der Nutzungsentschädigung verpflichtet.

Im Einzelfall kann die Zurückweisung eines Rückgabeabgebots treuwidrig im Sinne des § 242 BGB sein, wenn der Mieter nur einzelne Gegenstände zurücklässt, die die Besitzausübung des Vermieters nur unwesentlich beeinträchtigen (BGH aaO; Senat aaO). Ob das zutrifft, muss in jedem Einzelfall geprüft werden.

2.

Das Landgericht hat diese Rechtsgrundsätze auf den Streitfall richtig angewendet.

a) Der Beklagte mag zwar die Schlüssel zurückgegeben haben, geräumt hat er die Werkstatt indes nicht. Von einzelnen zurückgelassenen Gegenständen kann nicht die Rede sein. Vielmehr hat der Beklagte in Werkstatt, Büroräumen, Keller und Außengelände zahlreiche Sachen zurückgelassen (Müll in großem Umfang einschließlich Sondermüll, schrottreife Kraftfahrzeuge, Werkstatteinrichtungen, Mobiliar). Das ergibt sich aus der insoweit nicht konkret angegriffenen Aussage des Zeugen T (Mietnachfolger) In Verbindung mit den von der Klägerin überreichten Fotographien.

b) Der Umstand, dass der Zeuge dem Beklagten einige Werkstatteinrichtungen abgekauft und in der Werkstatt belassen hat, vermag an der rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern. Dass diese Gegenstände in der Werkstatt belassen wurden, stand vorrangig im Interesse des Beklagten, der nicht nur die Kosten der Räumung und Beseitigung der Sachen (deren isolierte Verwertbarkeit äußerst fraglich gewesen ist) sparen wollte, sondern sich vom Verkauf der Sachen an einen Mietnachfolger mit identischem Nutzungswillen (Kraftfahrzeug-Werkstatt) auch einen namhaften Verkaufserlös versprach. Dieses (verständliche) wirtschaftliche Interesse des Beklagten ist indes rechtlich nicht geschützt, was regelmäßig zu Lasten des Vermieters ginge. Anders wäre der Fall nur dann zu entscheiden, wenn die Vermieter den Beklagten gebeten hätten, die Sachen (einstweilen) in den Räumen zu lassen, um sie einem potentiellen Mietnachfolger zur Übernahme anbieten zu können (vgl. dazu BGH NJW 1988, 2665 und Senat MDR 2002, 1244=ZMR 2003, 23), oder sonst mit einem Verbleib der Sachen in den Mieträumen einverstanden gewesen wären. So verhält sich aber der Streitfall nicht. Die Vermieter haben den Beklagten mit Schreiben vom 24. Juli 2003 (GA 15) vielmehr unmissverständlich aufgefordert, seine Sachen aus den Räumen zu entfernen; sie haben lediglich angekündigt, das Zurücklassen einzelner Gegenstände nach Prüfung zu dulden, wenn der Beklagte diese Gegenstände konkret bezeichnet und auflistet. Das hat der Beklagte indes nicht getan. Es verstößt nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben im Rechtsverkehr (§ 242 BGB), wenn unter den hier gegebenen Umständen der Beklagte das Risiko der Nichträumung (hier in Gestalt des Mietausfalls vom Vertragsende bis November 2003) trägt. Denn der daraus erwachsene wirtschaftliche Vorteil (Einsparung der Räumungs- und Verwertungskosten, Erzielung eines Kaufpreises) bleibt ihm ebenfalls alleine.

Die dagegen noch vorgebrachten Einwendungen (Schriftsatz vom 16. November 2004) rechtfertigen keine ihm günstigere Entscheidung.

1. Rechtsirrtümlich ist die Auffassung des Beklagten, er habe den Rückgabeanspruch der Klägerin aus § 546 BGB bereits Ende Juli 2003 (vollständig) erfüllt, weil die Klägerin die unvollständige Räumung Grundstücks als vertragsgemäß akzeptiert habe. Diesen Willen der Klägerin möchte der Beklagte daraus ableiten, dass die Klägerin dem späteren Nachmieter Schlüssel zu dem Gebäude überlassen und ihm gestattet haben soll, dort mit Renovierungsarbeiten zu beginnen. Eine solche Auslegung des Verhaltens der Klägerin widerspricht den gemäß §§ 133, 157 BGB zu beachtenden Auslegungsgrundsätzen. Der Wille einer Vertragspartei ist in erster Linie ihren Erklärungen zu entnehmen, hier also dem Schreiben der Klägerin vom 24. Juli 2003. Aus ihm ergibt sich, dass sie die Räumung verlangt. Mit dieser Erklärung steht nicht im Widerspruch, dass sie dem Nachmietinteressenten Schlüssel zum Gebäude überlassen und ihm gestattet hat, dort mit Renovierungsarbeiten zu beginnen.

a) Mit der Schlüsselübergabe hat sie (wenn sie alle Schlüssel übergeben hat) möglicherweise ihren Besitz an den Räumen an den Nachmietinteressenten übertragen. So wenig, wie die bloße Übertragung des Besitzes zuvor an sie selbst den daneben bestehenden Räumungsanspruch zu erfüllen vermochte, so wenig wurde er durch die (mögliche) Besitzübertragung an den Nachmietinteressenten erfüllt. Die Klägerin hat damit auch nicht stillschweigend gegenüber dem Beklagten erklärt, auf die ausdrücklich verlangte Räumung des Grundstücks zu verzichten. Sie hat mit diesem Entgegenkommen allenfalls die Vertragsabschlussbereitschaft des Mietinteressenten gefördert, was mit Blick auf dessen Kaufinteresse an Einrichtungen des (Alt)Mieters im wirtschaftlichen Interesse des Beklagten gewesen ist. Sie wollte damit aber ersichtlich nicht das beim Beklagten liegende Risiko der (vollständigen) Erfüllung des Räumungsanspruchs übernehmen. Vielmehr wollte sie ausweislich des Schreibens vom 24. Juli 2004 ausdrücklich die Übernahme dieses Risiko nur prüfen. Voraussetzung für eine solche Prüfung war aber die Mitwirkung des Beklagten (Benennung der Gegenstände, die veräußert werden sollten und Räumung der übrigen Gegenstände). Diese Mitwirkung hat der Beklagte vollständig verweigert, so dass das Räumungsrisiko vollständig bei ihm geblieben ist. Dass er das auch so gesehen hat, belegt im Übrigen der Umstand, dass er schließlich (wenn auch mit Unterstützung des Nachmietinteressenten) den Räumungsanspruch der Klägerin im Oktober/November 2003 vollzogen und die dabei entstehenden Kosten übernommen hat. Ein solches Verhalten wäre ganz unverständlich, wenn das Räumungsrisiko schon, wie der Beklagte jetzt meint, bei der Klägerin gelegen hätte.

b) Dasselbe gilt hinsichtlich der behaupteten Gestattung an den Nachmietinteressenten, mit Renovierungsarbeiten zu beginnen. Auch das war ein Entgegenkommen nicht nur gegenüber dem Nachmietinteressenten, sondern vor allem auch gegenüber dem Beklagten selbst, der gemäß § 8 Nr. 2 Mietvertrag verpflichtet war, die Schönheitsreparaturen zu tragen.

c) Zu Unrecht macht der Beklagte geltend, (auch) die Klägerin habe ein wirtschaftliches Interesse an der Vermietung des Grundstücks an den Zeugen T gehabt. Der Beklagte übersieht, dass die Klägerin in der Auswahl des Nachmieters ganz frei gewesen wäre, wenn ihr ein vollständig geräumtes Grundstück zurückgegeben worden wäre. Dementsprechend wäre das von ihr zu tragende Vermietungsrisiko gering gewesen. Hoch war es nur deshalb, weil wegen der unterlassenen Räumung und des Zustands des Grundstücks der Interessentenkreis praktisch auf Nachmieter des Kraftfahrzeuggewerbes beschränkt gewesen ist. Es war seitens der Klägerin unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben im Rechtsverkehr (§ 242 BGB) deshalb rechtens, die Übernahme des Räumungsrisikos abzulehnen (und sich damit den Entschädigungsanspruch aus § 546a Abs. 1 BGB zu erhalten) und sich gleichzeitig auf Vertragsverhandlungen mit dem Zeugen T einzulassen.

2. Ohne Erfolg macht der Beklagte jetzt geltend, das Grundstück sei viel früher als erst im November 2003 von wesentlichen Teilen geräumt worden. Der Beklagte will damit geltend machen, dass vor dem Ablauf des 30. November 2003 das Grundstück in einer Weise geräumt gewesen, dass eine wesentliche Besitzbeeinträchtigung der Klägerin nicht mehr gegeben gewesen sei. Das ist mit Blick auf die zahlreichen vom Nachmieter schließlich übernommenen Einrichtungen, die (unstreitig) auch noch am 30. November 2003 auf dem Grundstück vorhanden gewesen sind, bereits zweifelhaft. Darauf kommt es aber schon aus anderen Gründen nicht entscheidend an.

a) Im ersten Rechtszug ist der vom Zeugen T bezeugte, durch Fotografien belegte und vom Beklagten jetzt angegriffene Zustand des Grundstücks im November 2003 unstreitig gewesen. Es kommt deshalb aus rechtlichen Gründen nicht darauf an, ob die Bekundungen des Zeugen im zweiten Rechtszug noch mit Erfolg angegriffen werden können (was im ersten Rechtszug nicht geschehen ist, ohne dass der Kläger die Gründe dafür nennt, warum das nicht schon im ersten Rechtszug geschehen ist, vgl. §§ 513 Abs. 1, 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 1 S. 1 ZPO). Als unstreitig zu behandeln ist dieser Zustand gemäß § 138 Abs. 3 ZPO deshalb, weil der Kläger ihn mit Schriftsatz vom 19. Februar 2004 (GA 40f) detailliert beschrieben und der Beklagte ihn nachfolgend bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung nicht bestritten hat. Auf das Beweisergebnis und die Fotografien kommt es deshalb gar nicht entscheidend an. Das Landgericht ist deshalb zu Recht von der Nichterfüllung des Räumungsanspruchs ausgegangen, weshalb die Nutzungsentschädigung bis Ende November 2003 in Höhe der vereinbarten Miete gemäß § 546a Abs. 1 BGB entstanden ist.

b) Gemäß §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO ist der Beklagte mit dem erstmals in der Berufungsinstanz gebrachten und unter Beweis gestellten detaillierten Vortrag zum jeweiligen Räumungszustand ausgeschlossen. Es fehlt jeglicher Vortrag dazu, warum er sich dazu erst jetzt einlässt und warum das nicht schon in erster Instanz geschehen ist

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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