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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 23.11.2004
Aktenzeichen: I-24 U 168/04
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, VVG


Vorschriften:

BGB § 535
BGB § 305c
BGB § 307
AGBG a.F. § 3
AGBG a.F. § 7
VVG § 61
Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Leasinggebers enthaltene Klausel

"Der Leasingnehmer hat eine Vollkaskoversicherung seiner Wahl zu nehmen, bei der sichergestellt ist, das ihre Berufung auf § 61 VVG ausgeschlossen wird. Sollte die Versicherung für diesen Ausschluss Gebühren dem Leasinggeber in Rechnung stellen, so ist Leasingnehmer dazu verpflichtet, diese dem Leasingeber zu erstatten."

ist als den Leasingnehmer überraschende und unangemessen benachteiligende Bestimmung unwirksam.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I - 24 U 168/04

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch seine Richter Z, E und T am 23. November 2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 15. Juli 2004 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges trägt die Beklagte.

Tatbestand:

Die T.( Leasinggeberin) und die A. (Leasingnehmerin) mit Sitz in Rumänien schlossen im April 2000 auf 36 Monate einen Leasingvertrag über einen gebrauchten PKW (Anschaffungswert 57.000 DM incl. Mehrwertsteuer). Es wurden eine Sonderzahlung von 20.000 DM, monatliche Leasingraten von 730,00 DM und ein Restwert von 11.400 DM (incl. Mehrwertsteuer) vereinbart. Gemäß Nr. 4.2 der AGB der Leasinggeberin durfte die Leasingnehmerin bei starker, die Gebrauchsfähigkeit wesentlich einschränkender Beschädigung des Leasingobjekts den Vertrag kündigen und Übereignung des Gegenstandes gegen Zahlung der noch geschuldeten Mieten und des Restwerts verlangen.

Nr. 6.2 des Vertrages hat folgenden Wortlaut:

"Bei Kraftfahrzeugen hat Leasingnehmer zugunsten Leasinggeber eine Vollkaskoversicherung mit höchstens 1000,- DM Selbstbeteiligung abzuschließen und Leasinggeber hierüber einen Sicherungsschein auszuhändigen. Der Leasingnehmer hat eine Vollkaskoversicherung seiner Wahl zu nehmen, bei der sichergestellt ist, das ihre Berufung auf § 61 VVG ausgeschlossen wird. Sollte die Versicherung für diesen Ausschluss Gebühren dem Leasinggeber in Rechnung stellen, so ist Leasingnehmer dazu verpflichtet, diese dem Leasingeber zu erstatten."

Die Parteien gingen bei Vertragsschluss davon aus, dass der PKW in Rumänien eingesetzt würde.

Der Kläger verbürgte sich für alle Forderungen der Leasinggeberin und verpfändete ihr ein Sparguthaben von 40.000 DM. Die Klägerin trat ihre Forderungen an die Beklagte ab.

Die Leasingnehmerin leistete die vertraglich vereinbarten Zahlungen, eine Vollkaskoversicherung schloss sie nicht ab. Am 18.2.2003 wurde der PKW mit überdurchschnittlicher Laufleistung bei einem Verkehrsunfall in Rumänien stark beschädigt. Die Reparaturkosten wurden auf 48.104 EUR veranschlagt. Die Beklagte forderte vergeblich die Herausgabe des Fahrzeugs. Die Leasingnehmerin bot der Beklagten nach vollständiger Zahlung der Leasingraten vergeblich die Zahlung des Restwerts gegen Übernahme des PKW an. Die Beklagte zog von dem Sparguthaben des Klägers 11.033,10 EUR ein, nachdem dieser ihr den Restwert von 5.829,00 EUR (11.400 DM) vergütet hatte.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Rückzahlung des eingezogenen Sparguthabens, weil der Wert des PKW allenfalls noch dem kalkulierten Restwert entsprochen habe.

Die Beklagte will das Sparguthaben auf Grund der Bürgenhaftung des Klägers als Schadensersatzleistung behalten, weil die Leasingnehmerin die vertraglich ausbedungene Vollkaskoversicherung nicht abgeschlossen und der PKW noch einen Verkehrswert von 14.500 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer gehabt habe.

Die Klage hatte in beiden Rechtszügen Erfolg.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg und ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

I.

Zur Begründung verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 21. Oktober 2004. Darin ist folgendes ausgeführt:

1. Das Landgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, dass die Beklagte entgegen ihrer Darlegungs- und Beweispflicht gegenüber dem Kläger als Bürgen einen Schadensersatzanspruch nicht schlüssig dargelegt hat, weil sie nicht belegt oder unter Beweis gestellt hat, dass der tatsächliche Wert des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Unfalls den kalkulierten Restwert überstieg. Die Kammer hat es zu Recht abgelehnt, die Schwackeliste als Schätzgrundlage heranzuziehen, weil der Zustand des Fahrzeugs möglicherweise nur zu einem erheblich geringeren Wert führte (Allgemeinzustand, Kilometerstand u.s.w.).

Die Darlegungs- und Beweislast der Beklagten folgt aus dem Bürgschaftsrecht (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl., Rdn. 14 b vor § 765 m.w.N.). Auch dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung ist nichts anderes zu entnehmen: Zwar ist grundsätzlich der Gläubiger eines Anspruchs aus § 812 BGB darlegungs- und beweispflichtig, wenn er geleistet hat, dies ist aber dann anders zu beurteilen, wenn als Sicherheit geleistet wurde und der Empfänger die Leistung endgültig behalten will (Palandt a.a.O. Rdn. 164 zu § 812 m.w.N.). Dies gilt erst Recht, wenn der Empfänger sich - wie hier - selbst aus einer ihm zur Verfügung stehenden Sicherheit bedient hat.

2. Im Übrigen erweist sich die Entscheidung des Landgerichts bereits aus einem anderen Grunde als richtig; denn es fehlt schon am Ausgangspunkt für einen Anspruch der Beklagten. Der Leasingnehmer war nämlich entgegen ihrer Auffassung nicht verpflichtet, gemäß Nr. 6.2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen zum Leasingvertrag vom 11./14. April 2000 eine Vollkaskoversicherung abzuschließen.

Es begegnet bereits Bedenken, eine derart wichtige Verpflichtung des Leasingnehmers mitten im Text der umfangreichen Vertragsbedingungen unterzubringen, noch dazu ohne jegliche Hervorhebung im äußeren Erscheinungsbild. Dies bedarf aber keiner weiteren Vertiefung. Denn die genannte Klausel ist jedenfalls in ihrer konkreten Ausprägung überraschend und greift auch im Übrigen derart weit in die Rechte und Pflichten des Leasingnehmers ein, dass sie als unwirksam anzusehen ist.

Nach der Klausel war der Leasingnehmer nämlich verpflichtet, eine Versicherung zu nehmen, bei der sichergestellt war, dass ihre Berufung auf § 61 VVG ausgeschlossen wurde. Dies ist aber eine so ungewöhnliche Bedingung, die es bereits als verhältnismäßig unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass sich ein Versicherer hierauf, also auf den Ausschluss der Berufung auf Leistungsfreiheit bei grober Fahrlässigkeit und sogar bei Vorsatz, eingelassen hätte. Jedenfalls wäre dies nur zum Preis einer außerordentlich hohen Versicherungsprämie denkbar gewesen, für die letztlich der Leasingnehmer einzustehen hatte (Nr. 6.2 Satz 3 der Leasingbedingungen). Diese Erwägungen gelten erst recht für den hier gegebenen Fall, dass das Fahrzeug in Rumänien eingesetzt werden sollte. Es kommt hinzu, dass die Klausel aus sich heraus nicht voll verständlich ist und es - jedenfalls für einen juristischen Laien - der Hinzuziehung eines Gesetzestextes des Versicherungsvertragsgesetzes bedurfte, um den Sinn und die Tragweite der Regelung zu begreifen. Damit ist die Klausel gemäß §§ 3 und 9 Abs. 1 ABGB a.F. unwirksam.

II.

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Beklagten im Schriftsatz vom 10. November 2004 bieten keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.

1. Auch nach erneuter Überprüfung bleibt der Senat dabei, dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für ihren behaupteten Schadensersatzanspruch trägt. Sie ist hierdurch nicht rechtlos gestellt; denn sie kann sich die notwendigen Informationen gegebenenfalls bei der Leasinggeberin holen, die ihr den Anspruch abgetreten hat (vgl. Senat MDR 2002, 1148 = ZMR 2002, 588), und diese wiederum hat aus dem zugrunde liegenden Leasingvertrag Anspruch auf Erteilung von Informationen durch die Leasingnehmerin.

2. Der Senat hält auch daran fest, dass der Leasingnehmer nicht verpflichtet war, gemäß Nr. 6.2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen zum Leasingvertrag vom 11. /14. April 2000 eine Vollkaskoversicherung abzuschließen. Diese Klausel ist wegen Verstoßes gegen §§ 3 AGBG a.F. (jetzt § 305 c BGB) und 9 AGBG a.F. (jetzt § 307 BGB) unwirksam. Der Beklagten ist zwar darin beizupflichten, dass grundsätzlich ein hohes Interesse des Leasinggebers am Abschluss einer Vollkaskoversicherung anzuerkennen ist, und dass insbesondere auch der Ausschluss der Leistungsfreiheit des Schadensversicherers in Fällen von § 61 VVG dem Integritätsinteresse des Leasinggebers dienlich wäre. Wenn aber eine entsprechende Klausel der Leasingbedingungen wirksam sein soll, so muss dem Leasingnehmer ihre Tragweite deutlich gemacht werden, und sie muss aus sich heraus für ihn verständlich sein. Das war hier, wie in dem Senatsbeschluss vom 21. Oktober 2004 im Einzelnen ausgeführt ist, nicht der Fall.

Überdies betont der Senat nochmals den äußerst geringen Grad der Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Versicherer auf den Ausschluss der Leistungsfreiheit bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz (§ 61 VVG) eingelassen hätte. Dem Senat ist aus der jahrelangen Befassung eines seiner Mitglieder mit Versicherungsvertragsachen, insbesondere mit Kraftfahrzeugversicherungsverträgen, kein derartiger Fall bekannt geworden. Damit greift die beanstandete Klausel derart weit in die Rechte und Pflichten des Leasingnehmers ein, dass sie als unwirksam anzusehen ist.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 11.033,10 €.



Ende der Entscheidung

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