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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 27.04.2006
Aktenzeichen: I-24 U 171/05
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB


Vorschriften:

BGB § 195
BGB § 199
BGB § 201
BGB § 765
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4
1. Ansprüche aus Bürgschaft für Verbindlichkeiten des Leasingnehmers unterliegen der regelmäßigen Verjährung.

2. Für am 1. Januar 2002 entstandene und fällige Bürgschaftsansprüche lief die regelmäßige Verjährungsfrist Ende des Jahres 2004 ab.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-24 U 171/05

Düsseldorf, den 27. April 2006

In Sachen

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Der für den 09. Mai 2006 avisierte Senatstermin findet nicht statt.

Gründe:

Die Berufung der Klägerin hat keine Aussicht auf Erfolg. Das landgerichtliche Urteil ist richtig und auch die Berufungsbegründung rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.

I.

Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Anspruch der Klägerin verjährt ist. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Klägerin bleiben ohne Erfolg.

Es steht zwischen den Parteien nicht im Streit, dass die Forderung der Klägerin aus dem gemäß §§ 765 ff. BGB vom Beklagten übernommenen Bürgschaftsversprechen für die von der Leasingnehmerin geschuldeten Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche aus dem Leasingvertrag vom 21. Juli 1999 gemäß § 195 BGB n.F. der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren unterliegt. Unterschiedlicher Meinung sind die Parteien nur über Beginn und Ablauf der Dreijahresfrist. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung durch die Klägerin im Februar 2005 war ihr Anspruch bereits verjährt, weshalb der Beklagte, der sich hierauf berufen hat, zur Leistungsverweigerung berechtigt ist (§ 214 Abs. 1 BGB).

1.

Zum Zeitpunkt seiner Entstehung unterlag der Anspruch gemäß § 195 BGB a.F. der regelmäßigen Verjährung von dreißig Jahren. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl I 3138) ab 01. Januar 2002 verkürzte sich die regelmäßige Verjährungsfrist auf drei Jahre (§ 195 BGB n.F.). Nach der allgemeinen Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB ist auf Schuldverhältnisse, die - wie das hier vorliegende Bürgschaftsversprechen - vor dem 01. Januar 2002 entstanden sind, das Bürgerliche Gesetzbuch, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung, also alten Rechts, anzuwenden.

2.

Zum Verjährungsrecht trifft Art. 229 § 6 EGBGB jedoch als lex specialis eine differenzierende, vom Grundsatz des Art. 229 § 5 EGBGB teilweise abweichende Regelung. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB bestimmt als Ausnahme von Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB, dass auf die am 1. Januar 2002 bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche bereits das neue Verjährungsrecht Anwendung findet. So liegen die Dinge hier.

a.

Die Verjährung beginnt mit der Entstehung des Anspruchs (§ 199 Abs. 1 BGB n.F.; § 198 BGB a.F.), was wiederum dessen Fälligkeit voraussetzt (§ 271 Abs. 1 BGB) und nach neuem Recht darüber hinaus die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Anspruchstellers von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners. Bürgschaftsansprüche entstehen mit der Fälligkeit der Hauptforderung (BGH NJW-RR 2004, 1190, 1191; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Auflage, § 199 Rn. 3 m.w.N.). Da der Anspruch der Klägerin gegen die Leasingnehmerin mit der Kündigungserklärung vom 02. August 2001 (Anlagenhefter GA 10 f.) fällig wurde, gilt gleiches für die streitgegenständliche Bürgschaftsforderung. Spätestens mit Übersendung des Schreibens vom 14. August 2001 hatte die Klägerin auch die Kenntnis der nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderlichen Tatsachen.

b.

Hinsichtlich der Dauer der Verjährungsfrist findet Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB Anwendung, weil die Verjährungsfrist in der seit dem 01. Januar 2002 geltenden Fassung kürzer ist als nach der vorher gültigen Rechtslage. Insoweit kommt es auf einen Fristenvergleich an, der dazu dient, das gesetzgeberische Prinzip des Vorrangs der früher vollendeten Verjährung zu verwirklichen (BGH NJW 2006, 44 f.; Gsell, NJW 2002, 1297).

c.

Die kürzere Frist wird vom 01. Januar 2002 an berechnet und endete mit Ablauf des 31. Dezember 2004 (vgl. auch Palandt/Heinrichs, a.a.O. EGBGB Art. 229 § 6 Rdn. 1, 6; AnwKomm/Budzikiewicz/Mansel, EGBGB Art. 229 § 6 Rdn. 60; Münchener-Kommentar/Grothe, EGBGB Art. 229 § 6 Rdn. 11; Assman/Wagner NJW 2005, 3169; Schulte-Nölke/Hawxwell NJW 2005, 2117; Heß NJW 2002, 253). Auch in der veröffentlichten Rechtsprechung wird etwas anderes nicht vertreten (vgl. OLG Bamberg NJW 2006, 304; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 28. Oktober 2005, Az. 16 U 8/05; OLG Jena, Beschluss vom 13. 3. 2006 - 2 W 68/06, OLG-NL 2006, 83). Somit war der Anspruch der Klägerin bei Eintritt der Rechtshängigkeit bereits verjährt.

d.

Soweit die Klägerin im Anschluss an eine vereinzelt in der Literatur vertretene Stimme (vgl. Kandelhard, NJW 2005, 630 ff.) die Auffassung vertritt, dass bei der in Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB vorgeschriebenen Berechnung die Regelung des § 199 Abs. 1 BGB n.F. Anwendung finde, so dass die Drei-Jahres-Frist erst mit dem Schluss des Jahres 2002 beginne und demgemäss die Frist erst am 31. Dezember 2005 hätte ablaufen können, folgt der Senat dem nicht.

Nach Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB wird die Frist "von dem 1. Januar 2002 an berechnet". Nach § 187 Abs. 2 BGB n.F. tritt folglich Verjährung zum 31. Dezember 2004 ein. Soweit Kandelhard (a.a.O.) den Begriff "berechnet" dahin auslegt, dass § 199 Abs. 1 BGB n.F. Anwendung finden soll mit der Konsequenz, dass der Beginn der Verjährungsfrist zum Jahresende 2002 verschoben werden soll (mit der Folge, dass wegen der Sonn- und Feiertagsregel des § 193 BGB n.F. diese Frist erst am 02. Januar 2006 abliefe), widerspricht dies dem eindeutigen Wortlaut der genannten Vorschrift. Die Berechnung einer Frist ab einem bestimmten Stichtag bedeutet, dass diese Frist ab dem Stichtag zahlenmäßig anzuwenden ist. Der Gesetzgeber hat in Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB (anders als in Absatz 1 Satz 2 dieser Vorschrift) gerade den Begriff "Berechnung" und nicht den Begriff "Beginn" verwendet. Absatz 4 regelt somit nicht den Beginn der Verjährungsfrist, sondern ihre Berechnung, und verweist nur auf die Regeln für die Berechnung von Fristen, also auf § 187 Abs. 2 BGB n.F (vgl. zum Vorstehenden zutreffend Schulte-Nölke/Hawxwell, NJW 2005, 2117 ff. mit zahlreichen Nachweisen; siehe auch OLG Jena, a.a.O.). Gesetzgeberischer Zweck von Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB war es zu vermeiden, dass Altansprüche bereits mit Inkrafttreten der Neuregelung verjährt sind (BT-Drucks. 14/6040, S. 273). Dass die Frist ab dem 01. Januar 2002 zu berechnen sei, hat keine Bedeutung, die darüber hinausgeht, dass die neuen Frist ab diesem Stichtag zahlenmäßig anzuwenden ist (OLG Jena, a.a.O., Assman/Wagner, NJW 2005, 3169; Schulte-Nölke/Hawxwell, NJW 2005, 2117).

Eine "Schlechterstellung" der Klägerin liegt bei dieser Fristberechnung nicht vor. Es ist ein allgemeines Problem der regelmäßigen Verjährung, dass derjenige, dessen Anspruch am 01. Januar entsteht und für den auch die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorliegen, stets mehr Zeit zur Verfügung hat als derjenige, dessen Anspruch die Voraussetzungen erst am 31. Dezember eines Jahres erfüllt.

Auch das Privileg der Ultimoverjährung gemäß § 199 BGB für Neugläubiger ab dem 01.01.2002 rechtfertigt keine Notwendigkeit, die gesetzliche Anordnung in Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2 EGBGB, nach der für Altgläubiger die bisherigen Vorschriften zum Beginn der Verjährung anwendbar sein sollen, im Wege einer korrigierenden Gesetzesauslegung zu ignorieren. Denn ausschlaggebend bleibt der Wille des Gesetzgebers, die laufenden Fristen abzukürzen. Dass ein derartiges intertemporales Kollisionsrecht Brüche aufweist, ist so lange kein Problem, als einem Gläubiger, der seinen Anspruch kennt, eine ausreichend lange Übergangsfrist für die Geltendmachung verbleibt. Hierfür sind drei Jahre nicht zu kurz und deshalb ist es nicht gerechtfertigt, entgegen dem Gesetzeswortlaut durch die Heranziehung des für Altansprüche nicht anwendbaren § 199 BGB n.F. dem Gläubiger ein zusätzliches Jahr zuzubilligen (Schulte-Nölke/Hawxwell, a.a.O.).

e.

Soweit Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB teilweise einschränkend dahin verstanden wird, dass der 01. Januar 2002 der "früheste" Verjährungsbeginn sein kann und ein späterer Zeitpunkt in Betracht kommen kann, wenn der Anspruchsteller erst nach dem 01. Januar 2002 die erforderliche Kenntnis erlangt (OLG Bamberg, NJW 2006, 304; Gsell, NJW 2002, 1298; Palandt/Heinrichs, a.a.O., Art. 229 § 6 EGBGB rn. 1, 6; Münchener-Kommentar/Grothe, Art. 229 § 6 EGBGB rn. 11; kritisch dazu Assman/Wagner, NJW 2005, 3169) hat das für den hier zu entscheidenden Fall keine Bedeutung. Denn hier hatte die Klägerin unstreitig vor dem 01. Januar 2002 Kenntnis von der Person des Schuldners und dem Bestehen des streitgegenständlichen Anspruchs.

II.

Die weiteren in § 522 Abs. 2 Ziffer 2 und 3 ZPO genannten Voraussetzungen liegen ebenfalls vor. Eine grundsätzliche Bedeutung der Sache liegt nicht vor, weil gegen die bislang einhellige Rechtsprechung nachhaltige Bedenken im Schrifttum nicht geäußert worden sind.

Der Senat weist darauf hin, dass die Rücknahme der Berufung vor Erlass einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO kostenrechtlich privilegiert ist.

Ende der Entscheidung

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