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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 12.11.2007
Aktenzeichen: I-24 U 217/06
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 66 | |
ZPO § 71 |
2. Zum rechtlichen Interesse eines Rechtsanwalts, als Nebenintervenient dem Regressprozess der von ihm im Zusammenhang mit einem Erstprozess vorprozessual und zweitinstanzlich vertretenen Mandantin gegen den früheren erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten beizutreten (hier verneint).
Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss
In dem Rechtsstreit
hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch seine Richter Z., T. und S.am 12. November 2007
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Nebenintervenientin gegen das Zwischenurteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - vom 7. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Nebenintervenientin.
Beschwerdewert: 89.200,00 €
Gründe:
I.
Die klagende Rechtsanwältin macht aus abgetretenem Recht einer ehemaligen, inzwischen vermögenslosen Mandantin (im Folgenden: Zedentin) Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten wegen fehlerhafter vorprozessualer Beratung und Prozessführung geltend. Die Abtretung dient der Sicherung von Honorarforderungen der Klägerin.
Die Erstbeklagte hatte für die Zedentin einen Dienstvertrag mit der späteren Prozessgegnerin entworfen, über den es zum Rechtsstreit kam (3 O 335/03 LG Krefeld). In diesem Verfahren war die Erstbeklagte erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Zedentin. Nachdem die Klage der Zedentin abgewiesen worden war, riet der die Sache bearbeitende Zweitbeklagte zur Berufung gegen das Urteil. Diese wurde von der Nebenintervenientin eingelegt. Zugleich verkündete diese der Erstbeklagten den Streit, die daraufhin ihren Beitritt erklärte. Durch Urteil vom 16. März 2005 wies der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts die Berufung der Zedentin zurück (I-15 U 84/04).
Im vorliegenden Rechtsstreit verkündeten die Beklagten der Nebenintervenientin im Hinblick auf die Prozessvertretung in der zweiten Instanz des Vorprozesses den Streit. Daraufhin trat die Nebenintervenientin der Klägerin als Streithelfer bei, wobei sie sich nunmehr ihrerseits von der Klägerin vertreten ließ. Dem Beitritt haben die Beklagten widersprochen.
Durch das angefochtene Zwischenurteil hat das Landgericht die Nebenintervention nicht zugelassen, weil der Nebenintervenientin ein rechtliches Interesse am Beitritt fehle. Dagegen hat die Nebenintervenientin Berufung eingelegt. Sie lässt sich nunmehr durch ein ehemaliges Sozietätsmitglied vertreten. Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 71 Abs. 2, 567 Abs. 1, 568 Abs. 1 ZPO als sofortige Beschwerde geltende Berufung der Nebenintervenientin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht haben die Beklagten dem Beitritt der Nebenintervenientin auf Seiten der Klägerin widersprochen.
1. Der Antrag der Beklagten gegen den Beitritt der Nebenintervenientin auf Seiten der Klägerin ist gemäß § 71 Abs. 1 ZPO statthaft. Denn die Streitverkündung bezweckt allein den Beitritt auf Seiten des Streitverkünders. Will der Streitverkündungsempfänger - wie hier - dem Gegner beitreten, so steht dem Streitverkünder ein Widerspruchsrecht zu (Zöller/Vollkommer, ZPO 26. Aufl., § 71 Rn. 1; Musielak/Weth, ZPO, 5. Aufl., § 71 Rn. 2; MüKo/Schilken, ZPO, 2. Aufl., § 71 Rn. 3; Stein/Jonas/Bork, ZPO 22. Aufl., Rn. 4)
2. Der Widerspruch der Beklagten ist begründet.
a)
Der Nebenintervenientin fehlt das rechtliche Interesse an einem Beitritt zu dem vorliegenden Rechtsstreit. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Nebenintervenient, falls eine Partei die Zurückweisung der Nebenintervention beantragt, zuzulassen, wenn er sein Interesse glaubhaft macht (§ 71 Abs. 1 ZPO). Unter Interesse ist das "rechtliche Interesse" im Sinne von § 66 Abs. 1 ZPO zu verstehen. Dieses muss am Obsiegen derjenigen Partei bestehen, der der Nebenintervenient beitreten möchte. Tritt er dem Streitverkünder bei, folgt das Interesse allein aus der Tatsache der Streitverkündung, weil diese allein, ohne dass es noch auf einen Beitritt ankäme, gemäß § 74 Abs. 3 ZPO die Bindungswirkungen des § 68 ZPO auslöst (Musielak aaO. § 74 Rn. 4).
b)
Anders liegen die Dinge jedoch, wenn der Nebenintervenient dem Gegner des Streitverkünders beitreten will. Dann muss der Nebenintervenient ein rechtliches Interesse daran haben, dass die Hauptpartei, der er beitreten will, obsiegt ("Interventionsgrund"). Ein rechtliches Interesse des Dritten ist zu bejahen, wenn die Entscheidung des Hauptprozesses durch Inhalt oder Vollstreckung mittelbar oder unmittelbar auf seine privatrechtlichen oder öffentlichrechtlichen Verhältnisse rechtlich einwirkt (Musielak/Weth aaO. § 66 Rn 6, Zöller/Vollkommer, aaO § 66 Rn. 8; MüKo/Schilken § 66 Rn. 7; vgl. auch RGZ 111, 236, 238). Das rechtliche Interesse fehlt, wenn die Ansprüche gegen den Nebenintervenienten vom Ausgang des Hauptprozesses unabhängig sind; es liegt allerdings auch dann vor, wenn das Unterliegen der Hauptpartei dem Nebenintervenientin keinen Nachteil, der Sieg aber einen Vorteil bringt (Wieczorek/Mansel, ZPO, 3. Aufl., § 66 Rn. 40; MüKo/Schilken aaO Rn. 9; aA Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 50 Rn. 14.). Der Begriff des rechtlichen Interesses ist zwar weit auszulegen (BGH GRUR 2006, 438; Musielak/Weth aaO. § 66 Rn 6, Zöller/Vollkommer, aaO § 66 Rn. 8; MüKo/Schilken § 66 Rn. 7). Es muss aber ein rechtliches Interesse sein; ein bloß tatsächliches, ideelles oder wirtschaftliches Interesse reicht nicht aus (BGH aaO.; Musielak/Weth aaO.; Rosenberg/Schwab/Gottwald aaO. § 50 Rn. 14; Wieczorek/Mansel aaO.Rn. 31; MüKo/Schilken Rn. 8). Dazu sind in Rechtsprechung und Literatur Fallgruppen entwickelt worden (vgl. Musielak/Weth aaO. Rn. 7):
aa)
Im ersten Fall entfaltet das Urteil im Hauptprozess gegenüber dem Dritten Rechtskraft (allgM, vgl. nur Rosenberg/Schwab/Gottwald Rn. 14; Zöller/Vollkommer aaO. Rn. 11 - Fälle der Rechtskrafterstreckung). Dazu zählt der vorliegende Rechtsstreit sicherlich nicht. Im Gegenteil: § 425 Abs. 2 BGB bestimmt für das rechtskräftige Urteil gegen einen Gesamtschuldner ausdrücklich die Einzelwirkung.
bb)
Auch der Fall einer Prozessstandschaft (vgl. dazu Musielak/Weth aaO. Rn. 10) liegt nicht vor.
cc)
Als weitere Fälle, in denen eine Nebenintervention zulässig sein soll, werden die Fälle der Präjudizialität (Vorgreiflichkeit) genannt, in denen das im Hauptprozess streitige Rechtsverhältnis für die rechtlichen Beziehungen des Nebenintervenienten zu seiner Partei vorgreiflich ist. Das sind Regressfälle und die Fälle akzessorischer Schuld und Haftung (vgl. Musielak/Weth aaO. Rn. 7; MüKo/Schilken aaO. Rn. 15; Zöller/Vollkommer aaO. Rn. 13; Stein/Jonas/Bork aaO 22. Aufl., Rn. 22), wenn die unterstützte Hauptpartei einen Anspruch gegen den Nebenintervenienten hat, sofern sie den Prozess verliert (Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 28. Aufl., Rn. 5), also der Rückgriff gegen den Nebenintervenienten vom Ausgang des Prozesses abhängig ist (AK-ZPO/Koch, ZPO, Rn. 4).
In dieser Lage befindet sich die Nebenintervenientin nicht.
(1)
Schon nach ihrem eigenen Vortrag ist der Hauptsacheprozess in keiner Weise vorgreiflich für einen Rechtsstreit der Klägerin gegen die Nebenintervenientin. Denn sie macht selbst geltend, an den Vorgängen gar nicht beteiligt gewesen zu sein, aus denen sich die Ersatzansprüche der Zedentin ergeben sollen. Das mag für die außergerichtliche Beratung und die Prozessführung im ersten Rechtszug des Vorprozesses zutreffen. In der Klage (Seiten 13, 21 - GA 14, 22) ist allerdings eine entsprechende Einschränkung nicht mit hinreichender Deutlichkeit enthalten, jedenfalls nicht in dem weit gefassten Feststellungsantrag. Nimmt die Klägerin die Beklagten ausdrücklich nur noch eingeschränkt auf Schadensersatz in Anspruch, so ist für die Nebenintervenientin erst recht ein Beitritt nicht möglich. Denn es liegt dann auf der Hand, dass der Erfolg dieses Prozesses für das Verhältnis der Klägerin zu der Nebenintervenientin ohne jede Relevanz ist. Weder im Urteilsausspruch noch in den Feststellungen des Urteils geht es um rechtliche Fragen, die die Nebenintervenientin betreffen. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, steht der Klägerin im Falle des Obsiegens ein Regressanspruch gegen die Nebenintervenientin nicht zu. Da in diesem Fall allenfalls ein Rückgriff der Beklagten mit dem Ziel des Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 BGB droht, liegt nur ein unbeachtliches wirtschaftliches Interesse an dem Beitritt der Nebenintervenientin auf Seiten der Klägerin vor. Dass sie möglicherweise selbst als ehemalige zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin als Gesamtschuldnerin für den mit dem Verlust des Vorprozesses verbundenen Schaden einzustehen hat, wird von der Nebenintervenientin geleugnet und zudem im vorliegenden Rechtsstreit überhaupt nicht präjudiziert.
(2)
Unterliegt die Klägerin, so ist damit über etwaige Ansprüche der Klägerin gegen die Nebenintervenientin wegen des Unterliegens im Vorprozess ebenfalls nicht entschieden. Denn es wären dann nur Regressansprüche gegen die Beklagten verneint, nicht aber eine Haftung der Nebenintervenientin festgestellt. Zwar hält die ganz herrschende Meinung auch dann einen Fall der Präjudizialität für gegeben, wenn eine festgestellte oder verneinte Rechtsfolge in einem späteren Prozess mit identischen Parteien als Vorfrage von Bedeutung ist (Zöller/Vollkommer aaO. vor § 322 Rn. 22 ff). Indessen wird in den hier fraglichen Fällen des Regresses und der akzessorischen Schuld oder Haftung der zweite Prozess gerade nicht zwischen den Parteien geführt, die auch den Erstprozess geführt haben. Der Richter ist deshalb im Zweitprozess nicht gebunden und muss nicht die Feststellungen des Erstprozesses seiner Entscheidung ungeprüft zu Grunde legen. Nach herrschender Meinung geht es aber auch darum, dass mit der Entscheidung des Vorprozesses eine tatsächliche Vorentscheidung für den Anspruch oder die Verpflichtung des Dritten getroffen wird (so zu Recht MüKo/Schilken aaO. Rn. 15).
Zwar mag schon allein die Existenz der Entscheidung des Erstprozesses die Gefahr begründen, dass die Betroffenen sich an dieser Entscheidung aus faktischen Gründen orientieren werden, wenn über die Rechtspositionen des Nebenintervenienten mit der Hauptpartei gestritten wird. Dies gilt aber nicht im Streitfall. Insoweit tritt keine Rechtsgefährdung für die Nebenintervenientin ein, da eine Klage gegen die Nebenintervenientin überhaupt nicht im Widerspruch zu den Feststellungen der Erstentscheidung stehen kann. Ob nämlich die Klägerin aus Ereignissen, mit denen die Nebenintervenientin nach eigenem Vortrag gar nicht befasst war, Ersatzansprüche herleiten kann, ist für eine Klage gegen die Nebenintervenientin ohne Belang.
Aus der von ihr zitierten Rechtsprechung des BGH NJW 1997, 2385 folgt nichts Gegenteiliges. Dort ging es um einen dem Haftungsprozess nachfolgenden Deckungsprozess und es war nicht völlig auszuschließen, dass die Versicherungsnehmerin den Versicherer (Streithelfer) im Falle ihrer Verurteilung zur Leistung von Schadensersatz noch mit Erfolg in Anspruch nehmen konnte. Dann kamen aber dem Haftungsprozess gemäß § 149 VVG präjudizielle Wirkungen zu. BGH NJW 1994, 1537 befasst sich gar nicht mit dem Problem des rechtlichen Interesses.
Dass die Nebenintervenientin im Falle einer Streitverkündung der Klägerin ein rechtliches Interesse nicht glaubhaft zu machen hätte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen steht dem der klare Wortlaut des § 71 Abs. 1 ZPO entgegen. Zum anderen müsste der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in einem anhängigen Rechtsstreit mit Anwaltszwang dann selbst der von ihm vertretenen Nebenintervenientin den Streit verkünden, was ihm aus Gründen der Interessenkollision schwer fallen und zur Niederlegung des Mandats führen dürfte.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, und Abs. 2 ZPO nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen der Zulassung nicht erfüllt sind. Die Wertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO (Interesse der Nebenintervenientin entsprechend dem Wert der Hauptsache)
Ende der Entscheidung
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