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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 02.06.2008
Aktenzeichen: I-24 U 256/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 313
ZPO § 337
ZPO § 514
ZPO § 42
ZPO § 47
1. Verhandelt der Prozessbevollmächtigte einer Partei im Termin nicht, obwohl Einlassungs- und Ladungsfrist gewahrt sind, hat das Gericht die Verhandlung nicht zu vertagen, sondern antragsgemäß Versäumnisurteil zu erlassen, wenn dafür die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

2. Die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit hindert den Erlass eines Versäumnisurteils nicht, wenn das zuvor abschlägig beschiedene Befangenheitsgesuch auch in der Beschwerdeinstanz erfolglos bleibt.


Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss

I-24 U 256/07

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch seine Richter Z., T. und H. am 2. Juni 2008 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 13. November 2007 verkündete II. Versäumnisurteil und Versäumnisurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen das II. Versäumnisurteil richtet.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges trägt die Beklagte.

Zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über den Einspruch der Beklagten wird der Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Die Berufung der Beklagten ist unzulässig und deshalb gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen.

Für die Berufung gegen das II. Versäumnisurteil des Landgerichts fehlt es an den Voraussetzungen des § 514 Abs. 2 ZPO.

I.

Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf seinen Beschluss vom 24. April 2008. Darin ist folgendes ausgeführt:

1.

Nach § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO unterliegt ein Versäumnisurteil, gegen das - wie hier gemäß § 345 ZPO - der Einspruch an sich nicht statthaft ist, der Berufung insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der Versäumung nicht vorgelegen habe (BGH NJW 2006, 448). Der Rechtsmittelkläger, den die Beweislast für die Voraussetzungen einer unverschuldeten Säumnis trifft, muss bereits in der Berufungsbegründung schlüssige, konkrete Tatsachen dafür behaupten, dass die Voraussetzungen für die Säumnis im Einspruchstermin nicht vorgelegen haben (BGHZ 141, 351, 355; BGH NJW 1999, 724; 1991, 42; OLG Düsseldorf, 10. Zivilsenat, U. v. 22.12.2005 - I-10 U 76/05 - bei JURIS).

Diesen Anforderungen wird das Berufungsvorbringen der Beklagten nicht gerecht. Zutreffend ist das Landgericht von einer schuldhaften Versäumung im Sinne der §§ 514 Abs. 2, 345 ZPO auf Seiten der Beklagten ausgegangen.

2.

Die Beklagte kann sich im vorliegenden Fall zunächst auf eine Säumnis im Sinne von § 514 Abs. 2 ZPO berufen. Im Hinblick auf § 345 ZPO, an dessen Wortlaut § 514 Abs. 2 ZPO ersichtlich anknüpft, ist für die Statthaftigkeit der Berufung von einer Säumnis durch bloßes Nichtverhandeln des Prozessbevollmächtigten zur Hauptsache auszugehen. Dass die Partei oder ihr allein postulationsfähiger Prozessbevollmächtigter im Termin nicht verhandelt, ist in § 333 ZPO der Säumnis gleichgestellt.

So liegen die Dinge hier. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2007 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, nachdem er von dem das Ablehnungsgesuch der Beklagten zurückweisenden Beschluss des Landgerichts Kenntnis erlangt und dagegen mündlich sofortige Beschwerde eingelegt hatte, er trete nicht auf und wolle auch keinen Antrag stellen, unter Verweis auf seinen Terminaufhebungsantrag vom Vortage.

3.

Die Versäumung der Verhandlung durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten war schuldhaft.

a)

Dies ergibt sich schon daraus, dass gemäß § 337 ZPO an die erschienene Partei strengere Anforderungen zu stellen sind als an die ausgebliebene Partei. Die erschienene Partei und für sie der postulationsfähige Prozessbevollmächtigte handeln nämlich schon schuldhaft, wenn sie im Termin nicht verhandeln, ohne dass ein Hindernis nach § 337 ZPO für eine Säumnisentscheidung bestünde. Dies ist indessen nur der Fall, wenn die in der Vorschrift genannten Fristen zu kurz bemessen waren. Die erschienene Partei bleibt nur befugt, die unangemessene Kürze einer richterlichen Einlassungs- oder Ladungsfrist zu rügen und Vertagung zu verlangen (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 337 Rn. 1). Dafür ist hier nichts ersichtlich, weil der Verhandlungstermin vor dem Landgericht schon am 6. März 2007 bestimmt worden ist und keine der genannten Fristen von der Beklagten beanstandet worden ist. Übertragen auf § 514 Abs. 2 ZPO hat der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten am 16. Oktober zwar zunächst aufgetreten ist, dann aber nicht verhandelt hat, zur Folge, dass eine beachtliche Säumnis schon deswegen nicht vorliegt.

b)

Sähe man dies anders, wäre auch ein Verschulden der Beklagten gegeben. Da für die Frage einer unverschuldeten Säumnis die gleichen Maßstäbe wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gelten (BGH NJW 1999, 724),ist daher auch der Einspruchstermin bei Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes gemäß § 337 ZPO von Amts wegen zu vertagen mit der Folge, dass ein Fall der Säumnis nicht in Betracht kommt.

So liegen die Dinge hier jedoch nicht. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass in Fällen einer plötzlich auftretenden Verhinderung des Rechtsanwalts durch Krankheit oder aus anderen Gründen mangelndes Verschulden vorliegen kann, aber auch nur dann, wenn der Anwalt nicht mehr für eine Vertretung sorgen oder die Prozessbeteiligten (Gegner und Gericht) nicht mehr rechtzeitig über seine Verhinderung unterrichten kann (vgl. BGH NJW 2006, 448; NJW 1999, 724; OLG Düsseldorf, 10. Zivilsenat aaO.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

aa)

Das Verschulden entfällt hier nicht deshalb, weil der Prozessbevollmächtigte der Beklagten davon ausgehen durfte, gegen sie werde ein zweites Versäumnisurteil nicht erlassen, weil er am Tage zuvor einen Antrag auf Terminsaufhebung gestellt hatte. Der Beklagten war der Termin seit März 2007 bekannt. Der Antrag auf Terminsaufhebung war noch am Vortage abschlägig beschieden worden. Sie durfte deshalb nicht darauf vertrauen, dass das Gericht von dem Erlass eines zweiten Versäumnisurteils wegen der angeblichen Verhinderung der Beklagten absehen würde. Im Übrigen war dieser Umstand durch das Erscheinen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung überholt.

bb)

Dem Erlass des zweiten Versäumnisurteils stand auch nicht entgegen, dass die Beklagte durch ihren Generalbevollmächtigten ein Ablehnungsgesuch gegen die entscheidenden Richter der Zivilkammer des Landgerichts angebracht hatte. Denn dieses Gesuch war durch Beschluss der Kammer am Tage der mündlichen Verhandlung zurückgewiesen und dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Termin bekannt gegeben worden. Zwar hatte dieser noch in der Verhandlung sofortige Beschwerde eingelegt. Er durfte aber nicht erwarten, dass es nun nicht mehr zur Verhandlung in der Hauptsache kommen würde. Denn die mündliche Verhandlung nahm trotz der sofortigen Beschwerde ihren Fortgang. Der Prozessbevollmächtigte musste deshalb durch Verhandeln zur Hauptsache die Rechte seiner Partei wahren. Auf Grund des zulässigen Einspruchs der Beklagten drohte ihr nur bei unterlassener Stellung des Klageabweisungsantrags ein Nachteil.

Selbst wenn die Kammer jedoch ihre Wartepflicht nach § 47 ZPO verletzt haben sollte, hätte das Rechtsmittel keinen Erfolg. Denn gegen die abgelehnten Richter lagen Gründe zur Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 42 ZPO nicht vor, wie dem bestandskräftigen Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgericht vom 6. November 2007 (I-11 W 56/07) zu entnehmen ist.

Der in einer etwaigen Verletzung der Wartepflicht nach § 47 ZPO liegende objektive Verfahrensfehler der abgelehnten Richter ist im Übrigen geheilt, wenn das Ablehnungsgesuch rechtskräftig zurückgewiesen wird (vgl. BVerfG ZIP 1988, 174, 175; BayVerfGH NJW 1982, 1746; BAG Betriebs-Berater 2000, 1948; OLGR Köln 2004, 427). Das ist hier auf Grund der erwähnten Entscheidung des 11. Zivilsenats der Fall.

cc)

Weiter durfte die Beklagte nicht darauf vertrauen, dass das Gericht ihrer Rechtsauffassung folgen werde und vom Erlass des zweiten Versäumnisurteils absah, weil die Voraussetzungen für das erste Versäumnisurteil nicht vorgelegen hätten. Der Beklagten wäre es hier auch unbenommen gewesen, Klageabweisung zu beantragen, d. h. zur Sache zu verhandeln, und gleichzeitig die Verfahrensrügen weiter geltend zu machen. Ihr Rügerecht hätte sie gemäß § 295 ZPO nur bei rügeloser Verhandlung verloren.

Im übrigen ist bei der Berufung gegen das zweite Versäumnisurteil der Prüfungsumfang eingeschränkt. Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das erste Versäumnisurteil nicht hätte ergehen dürfen, weil die Klage unzulässig oder nicht schlüssig war. Dies ist höchstrichterlich entschieden.

Einem möglichen Gehörverstoß bei Erlass des ersten Versäumnisurteils wird dadurch begegnet, dass die Partei die Möglichkeit hat, das Gericht auf einen Fehler in seiner Prüfung im Einspruchstermin hinzuweisen. Die Partei kann gerade nicht mehr darauf vertrauen, dass das Gericht in dem auf den Einspruch bestimmten Termin zur mündlichen Verhandlung die Zulässigkeit und Schlüssigkeit der Klage nunmehr anders beurteilen werde (vgl. BGHZ 141, 351; OLG Köln aaO.). Im Übrigen muss der Partei bewusst sein, dass eine Säumnis im Einspruchstermin besonders schwerwiegende Folgen haben kann. Sie muss deshalb sicherstellen, im Termin nicht säumig zu sein. Dies ist ihr, nachdem sie schon einmal säumig war, auch zuzumuten. Gerade im hier zu entscheidenden Fall hätte die Beklagte ohne prozessuale Nachteile die Säumnis durch die Einlassung zur Hauptsache unter Rüge der Zulässigkeit abwenden können.

Ein erstes echtes Versäumnisurteil lag mit dem Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 24. September 2001 vor. Es handelte sich dabei nicht um ein wirkungsloses Nichturteil. Die Beklagte hat gegen das erste Versäumnisurteil auch Einspruch eingelegt. Der Termin vom 16. Oktober 2007 war auch ausdrücklich zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache anberaumt.

Der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil ist somit ohne weiteres zu verwerfen, wenn die Partei, die den Einspruch eingelegt hat, in dem auf den Einspruch bestimmten Termin zur mündlichen Verhandlung wiederum nicht erscheint, nicht vertreten ist oder nicht verhandelt (vgl. BGHZ 141, 351).

II.

Der Schriftsatz der Beklagten vom 19. Mai 2008 gibt zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung.

1. Wie bereits in dem Hinweisbeschluss vom 24. April 2008 ausgeführt, standen der Beklagten durchaus Möglichkeiten zur Verfügung, neues Vorbringen geltendzumachen. Darauf ist zur Vermeidung von Wiederholungen zu verweisen. Der Partei ist unter den Voraussetzungen des § 296 ZPO erlaubt, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung neues Vorbringen in den Rechtsstreit einzuführen. Auch nach der Reform der Zivilprozessordnung kann eine Partei sogar im zweiten Rechtszug mit neuem Vortrag nicht ausgeschlossen werden, wenn die Voraussetzungen der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO erfüllt sind.

2. Soweit die Beklagte rügt, der Ablehnungsgrund des § 41 Nr. 1 ZPO sei nicht gewürdigt worden, kann auf die Ausführungen unter I.3.b.bb. verwiesen werden. Denn die Ausschlussgründe des § 41 ZPO, für die hier nichts ersichtlich ist, werden im Ablehnungsverfahren nach §§ 42 ff ZPO geprüft und beschieden.

3. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Nichtigkeitsklage den Eintritt der Rechtskraft nicht hindert, sondern bei Erfolg die eingetretene Rechtskraft wieder beseitigt (§ 578 Abs. 1 ZPO).

4. Ansonsten enthält der Schriftsatz der Beklagten keine Ausführungen, mit denen sich der Senat nicht schon befasst hat. Den abweichenden Rechtsansichten der Beklagten vermag der Senat auch nach erneuter Prüfung nicht zu folgen.

III.

Im übrigen geht der Senat davon aus, dass sich die Berufung nicht auch gegen das erste Versäumnisurteil richtet. Zwar ist die Berufungsschrift insoweit missverständlich formuliert und konnte, weil sich eine Einspruchsschrift nicht bei den an das Oberlandesgericht übersandten Akten befindet, den Eindruck der Einlegung eines unstatthaften Rechtsmittels erwecken. Mit der Übermittlung der Kopie der von Rechtsanwalt C. für die Beklagte gefertigten Einspruchsschrift hat die Beklagte aber jedenfalls die Einlegung der Berufung allein gegen das zweite Versäumnisurteil des Landgerichts klargestellt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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