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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 24.05.2004
Aktenzeichen: I-24 U 34/04
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 535
HGB § 25
Fortführung der Firma bedeutet nicht zwingend deren wortgetreue Übernahme. Entscheidend ist, ob der Handelsverkehr trotz erkennbarer Änderungen der Firma von der Kontinuität des Unternehmens ausgehen darf.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-24 U 34/04

In Sachen

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Beklagten wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Tatbestand:

Die Klägerin hatte an "Die Villa, Elegante Inneneinrichtungen GmbH", deren Geschäftsführerin die Beklagte war, in M. Gewerberäume vermietet. Aus einem Versäumnisurteil gegen die GmbH wegen Mietrückstände vollstreckte die Klägerin fruchtlos. Mangels Masse wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die GmbH abgelehnt.

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Rechtsnachfolgerin in Anspruch und behauptet, die Beklagte betreibe unter " Die Villa, Ba.B.(ihrem Namen) Inneneinrichtungen" das Unternehmen als Einzelfirma weiter. Die Beklagte tritt dem entgegen mit der Behauptung, sie habe, nachdem die GmbH mit Auszug aus den gemieteten Räumen ihren Geschäftsbetrieb eingestellt habe, ein eigenes Geschäft mit anderem Geschäftsgegenstand begonnen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Nach dem Hinweis des Senats hat die Beklagte ihre Berufung zurückgenommen.

Gründe:

Die Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg. Das landgerichtliche Urteil ist richtig und auch nach erneuter Überprüfung ergeben sich keine Gründe für die beantragte Abänderung. Ergänzend wird im Hinblick auf die Berufungsbegründung auf folgendes hingewiesen:

I.

Nach § 25 Abs. 1 HGB haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts, wenn er dieses unter der bisherigen Firma fortführt, für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.

1.

Unerheblich ist, ob ein die Unternehmensfortführung regelnder Vertrag vorliegt. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es für den Haftungstatbestand des § 25 Abs. 1 S. 1 HGB allein auf die durch die Firmenfortführung nach außen dokumentierte Kontinuität des in seinem wesentlichen Bestand fortgeführten Unternehmens, nicht aber auf ein internes Vertragsverhältnis an. Dieses kann sogar vollständig fehlen (BGH NJW 1984, 1186; 1986, 581; 1992, 911 (912)). Soweit im Schrifttum teilweise die gegenteilige Auffassung vertreten wird (Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 29 Rn. 32 f.; Röhricht/Graf von Westphalen, aaO, Rn. 9 f.), ist dem nicht zu folgen. Denn der Haftungsgrund der typisierten Rechtsscheinhaftung des § 25 Abs. 1 HGB liegt in der für den Rechtsverkehr nach außen erkennbaren Unternehmenskontinuität. Dieser gegenüber spielt ein Übernahmevertrag keine bedeutende Rolle. Im übrigen dürfte regelmäßig eine stillschweigende vertragliche Übereinkunft betreffend die Unternehmensfortführung zwischen dem Unternehmer (hier: Alleingeschäftsführerin der GmbH) und dem Fortführer, die hier auch personenidentisch sind, begründet sein, auch wenn die nachteilige Rechtsfolge der Haftung für Verbindlichkeiten nicht gewollt ist.

2.

Das Unternehmen "Die Villa - Elegante Inneneinrichtungen GmbH" (im folgenden: GmbH) betrieb ein Handelsgeschäft, sie war Handelsgesellschaft i.S. des Handelgesetzbuchs (§ 13 Abs. 3 GmbHG).

3.

Die Beklagte hat die Firma, d.h. den Namen, unter dem die GmbH auftritt, fortgeführt. Soweit sie meint, bei der von ihr verwendeten Bezeichnung "Die Villa" handele es sich nur um ein Logo zu Zwecken der Werbung, dies sei aber nicht Bestandteil ihrer Firmierung, welche auf "Ba B Inneneinrichtungen" laute, kann ihr nicht gefolgt werden.

a)

Für eine Haftung aus § 25 Abs. 1 S. 1 HGB kommt es nicht auf eine wort- und buchstabengetreue Übereinstimmung zwischen alter und neuer Firma an, sondern nur darauf, ob nach der maßgeblichen Sicht des Verkehrs trotz vorgenommener Änderungen noch eine Fortführung der Firma vorliegt (statt aller BGH, NJW 1982, 477; 1992, 911 (912) mit zahlreichen Nachweisen zum Schrifttum; Graf von Westphalen, aaO, § 25 Rn. 19). Es muss deshalb darauf abgestellt werden, unter welchem Namen die Beklagte ihre Geschäfte betreibt (§ 17 Abs. 1 HGB). Entscheidend ist insoweit, ob der Verkehr die neue Geschäftsbezeichnung noch mit der alten identifiziert. Wer den Eindruck der Verlautbarung einer Unternehmenskontinuität und die an sie anknüpfende Rechtsfolge der Haftungskontinuität vermeiden und auch nicht auf die Möglichkeiten des § 25 Abs. 2 HGB zurückgreifen will, muss durch die Wahl einer eindeutig anderen Firma für den nötigen Abstand von der alten sorgen und darf sich nicht an diese "anhängen" (BGH, NJW 1992, 911 (912)).

b)

Dies jedoch hat die Beklagte getan. Auch wenn sie nicht im Handelsregister eingetragen ist, so verwendet sie doch in allen Bereichen, in denen sie an die Öffentlichkeit tritt, die Bezeichnung "Die Villa". Dies gilt für die Beschriftung (Schaufenster, Hinweisschild) des Ladengeschäfts, den Internetauftritt mit identischer Internetadresse wie die GmbH (siehe unten), ihre Werbung in der Zeitung (Bl. 70) sowie die Beschriftung der Firmenfahrzeuge. Dadurch erweckt sie den Eindruck der Firmenfortführung, weil sie die "Kernbezeichnung" des ursprünglichen Firmennamens in allen für die Verkehrsanschauung maßgeblichen Bereichen weiterverwendet. Auf die Angaben in der Gewerbeanmeldung kommt es nicht entscheidend an (vgl. hierzu auch BGH, NJW 1987, 1633 Baumbach/Hopt, HGB, 31. Auflage, § 25 Rn. 7). Maßgebend ist vielmehr, welche Bezeichnung der Unternehmer für sein Auftreten am Markt wählt (BGH, NJW 1987, 1633). Unerheblich ist, dass die Beklagte dem Begriff "Die Villa" ihren Namen hinzufügt. Zum einen ist - wie oben ausgeführt - eine wort- und buchstabengetreue Übereinstimmung nicht erforderlich. Die Beklagte hat lediglich das Wort "Elegante" gegen ihren Namen "Ba B" getauscht. Zum anderen hebt die Beklagte den Begriff "Die Villa" auch optisch gegenüber ihrem Namen stark hervor, weil er auf den genannten Flächen wesentlich größer geschrieben und deshalb auch deutlicher zu erkennen ist. Auch das von der Beklagten verwendete Schriftbild bei "Der Villa" ist identisch mit dem der GmbH. Gerade in der Verwendung dieses früheren Firmenbestandteils der GmbH wird die Kontinuität deutlich.

4.

Die Beklagte hat das Handelsgeschäft fortgeführt. Nach dem unterstellten Vorbringen der Beklagten sind zwar nicht alle Tätigkeitsbereiche ihres derzeitigen Unternehmens mit denen der GmbH deckungsgleich. Für die Anwendung des § 25 Abs. 1 HGB ist es aber ausreichend, wenn der den Schwerpunkt des Unternehmens bildende Kern desselben übernommen wird, so dass sich der nach außen für den Rechtsverkehr in Erscheinung tretende Tatbestand der Weiterführung des Unternehmens in seinem wesentlichen Bestand darstellt (BGH NJW 1992, 911). Hierfür genügt die Aufnahme einer im wesentlichen die gleichen Geschäftsbereiche umfassenden Tätigkeit in den Geschäftsräumen des Veräußerers unter Beibehaltung der Telefonanschlüsse (OLG Düsseldorf, NJW-RR 2000, 332; Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, 2. Auflage, § 25 Rn. 15). Diese Voraussetzungen liegen hier ebenfalls vor.

Hinsichtlich der Geschäftsräume darf auf die landgerichtlichen Ausführungen Bezug genommen werden.

Die GmbH hat ihre operative Tätigkeit nicht im September 2002 eingestellt. Dagegen spricht die von der Beklagten zugestandene Werbung durch die GmbH in den Monaten November/Dezember 2002, durch welche die Möglichkeit eröffnet werden sollte, "das lukrative Weihnachtsgeschäft mitzunehmen."

Die Beklagte ist darüber hinaus in den gleichen Geschäftsbereichen tätig wie die GmbH. Beide befassen bzw. befassten sich mit der Beratung und dem Handel von/mit Inneneinrichtung, Dekorationen und Blumen/Schnittblumen. Soweit sie meint, die GmbH sei im Bereich "gehobener" Inneneinrichtung tätig geworden, was nicht ihr Betätigungsfeld sei, kann dem nicht gefolgt werden. Nach ihrem eigenen Vorbringen verkörpert das auch von ihr verwendete "Logo" "Die Villa" die Aussage, dass Produkte des gehobenen Wohnbedarfs angeboten werden. Aufgrund des Internetauftritts der Beklagten kann ebenfalls nur davon ausgegangen werden, dass sie hochwertige Produkte vertreibt, denn sie verweist auf "Polstermöbel bekannter Markenhersteller" und "Möbel der Spitzenklasse, z.B. individuelle Fertigungen von P./Italien".

Die Beklagte hat sowohl die Telefonnummern als auch die Telefaxnummer der GmbH übernommen. Dies wird aus einem Vergleich des Schreibens der GmbH vom 16. Mai 2002 mit der Gewerbeanmeldung der Beklagten vom 16. Dezember 2002 deutlich. Auch die Internetadresse www.dievilla...... war sowohl diejenige der GmbH als auch diejenige der Beklagten. Dies ergibt sich aus einem Vergleich des genannten Schreibens vom 16. Mai 2002 mit dem von der Klägerin erstinstanzlich vorgelegten Ausdruck der entsprechenden Internetseite.

Zudem verwendet die Beklagte die Firmenfahrzeuge der GmbH. Dadurch wird der Eindruck der Unternehmenskontinuität verstärkt. Solche Fahrzeuge sind für das Erscheinungsbild und den Wiedererkennungswert eines außerhalb der eigenen Geschäftsräume tätigen Betriebs in der Öffentlichkeit ebenfalls von Bedeutung.

Weiterhin leitet die Beklagte die Geschäfte ihrer Einzelfirma ebenso wie sie als Geschäftsführerin jene der GmbH geführt hat, so dass sich auch aufgrund der Personenkontinuität in der Geschäftsleitung eine von außen erkennbare Unternehmensfortführung ergibt. Unerheblich ist, dass ein Wechsel in der Rechtsform von einer Handelsgesellschaft zu einem Einzelunternehmen erfolgt ist. Denn dieser Gesichtspunkt betrifft nur die fehlende Kontinuität des Unternehmensträgers, an den § 25 Abs. 1 HGB aber gerade nicht anknüpft. Entscheidend ist allein die Unternehmenskontinuität, die durch den Wechsel des Unternehmensträgers nicht berührt wird (vgl. BGH NJW 1991, 911 mwN).

Es kommt nicht darauf an, ob die Beklagte das Geschäft allein betreibt. Mitentscheidend ist insoweit der gesetzte Anschein. Danach entsteht der Eindruck, dass die Beklagte über mehrere Mitarbeiter verfügt, die in "Nähatelier" und "Werkstatt" tätig sind. Dies wird aus ihren Werbeaussagen im Internet deutlich: "zeigen wir ...", "Sie finden bei uns...", "Wir beraten ...", "Unsere Fachleute in Polsterwerkstatt und Nähatelier ..."; "In unserem eigenen Atelier fertigen wir ...", "Wir .... fertigen für Sie individuell nach Mass". Aufgrund des Auftretens der Firma nach außen ist für die entsprechenden Verkehrskreise nicht erkennbar, dass die Beklagte in einem anderen bzw. geringeren Umfang tätig ist als zuvor die GmbH.

II.

Die weiteren in § 522 Abs. 2 Ziffer 2 und 3 ZPO genannten Voraussetzungen liegen ebenfalls vor.

Der Senat weist darauf hin, dass die Rücknahme der Berufung vor Erlass einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO kostenrechtlich privilegiert ist.

Düsseldorf, den 24. Mai 2004

Ende der Entscheidung

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