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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 24.07.2009
Aktenzeichen: I-24 U 49/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 280
BGB § 611
BGB § 675
ZPO § 323
Im Regressprozess wegen einer versäumten Unterhaltsabänderungsklage hat der klagende Mandant dem Gericht den Sachverhalt vorzutragen, den er als Schuldner dem Familiengericht im Ausgangsverfahren unterbreitet hätte und aus dem sich schlüssig ergeben muss, dass der titulierte Unterhalt wegen unvorhergesehener, wesentlicher Veränderung der tatsächlichen und/oder rechtlichen Verhältnisse hätte herabgesetzt werden müssen.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF Beschluss

I-24 U 49/08

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung seiner Richter Z, T. und P. am 24. Juli 2009 einstimmig

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 25. Januar 2008 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kleve wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Berufungsstreitwert: 5.535,53 EUR

Gründe:

I. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das Landgericht hat die gegen den beklagten Rechtsanwalt gerichtete Klage auf Schadensersatz (nebst Zinsen) in Höhe von insgesamt 5.535,53 EUR (Ehegattenunterhaltsschaden: 2.192,75 €; Kostenschäden: 3.342,78 €) zu Recht abgewiesen. Die dagegen vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine dem Kläger günstigere Entscheidung. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 10. Dezember 2008. Dort hat der Senat im Wesentlichen u. a. ausgeführt:

1. Unterhaltsschaden

Offen bleiben kann, ob der Beklagte dadurch den Rechtsbesorgungsvertrag verletzt hat, dass er (angeblich weisungswidrig) die vom Kläger gewünschte und gegen den Ehegattenunterhaltsauspruch im Ehescheidungsverbundurteil vom 17. Januar 2003 (19 F 2/02 AG Kleve, künftig: EU-Titel) zu richtende Abänderungsklage aus § 323 Abs. 1 ZPO erst im Mai 2005 erhob statt bereits im Oktober 2004. Denn der Kläger hat den Kausalitätsnachweis nicht geführt, nämlich den Nachweis, dass die behauptete Pflichtverletzung zu dem geltend gemachten Ehegattenunterhaltsschaden (künftig: EU-Schaden) in Höhe von (7 Mon x 313,25 €/Mon) 2.192,75 EUR geführt hat.

a) Hinsichtlich eines behaupteten Teilschadens von (7 Mon x 195,01 €/Mon) 1.365,07 EUR ist die Kausalität der behaupteten Pflichtverletzung sogar widerlegt.

aa) Nach dem Vortrag des Klägers soll sich der EU-Schaden aus der Differenz zwischen dem titulierten und dem angeblich nur geschuldeten Ehegattenunterhalt (künftig: EU) zusammensetzen, und zwar im Einzelnen wie folgt:

 ZeilePositionBeträge/€Beträge/€Beträge/€
01EU-Titel/mtl. 769,00  
02mtl. gezahlter EU ab 11/03 (Vereinbarung)- 573,99  
03Differenz/monatlich 195,01  
04Zahlungsdifferenz 10/04 bis 04/05 (7 Mon x 195,01 €) 1.365,07 
05Zahlungsdifferenz (Zeile 07) vollstreckt  1.365,07
06mtl. gezahlter EU ab 11/03 573,99  
07reduzierter Unterhalt/mtl.- 455,75  
08EU-Schaden/mtl. 118,24  
09EU-Schaden 10/04 - 04/05 (7 Mon x 118,24 €)   827,88
10behaupteter EU-Schaden 10/04 - 04/04 (7 Monate)  2.192,75

bb) In Höhe der in Tabelle 1/Zeile 05 ausgewiesenen Zahlungsdifferenz (1.365,07 €) hat der Kläger in feststellbarer Weise keinen Schaden erlitten. Ausweislich der mitgeteilten Entscheidungsgründe des am 18. August 2006 verkündeten Urteils des OLG Düsseldorf (II-3 UF 102/06, künftig: Vollstreckungsurteil) hat die Ehefrau aus dem EU-Titel zwar rückwirkend ab 20. März 2004 und damit auch für die hier umstrittene Zeit von Oktober 2004 bis April 2005 wegen der Zahlungsdifferenz in Höhe von 195,01 EUR/mtl. die Vollstreckung betrieben. Das ist ihr dann aber durch das in Rede stehende Vollstreckungsurteil verboten worden. Wäre die Vollstreckungsmaßnahme der geschiedenen Ehefrau des Klägers (künftig: Ehefrau) erfolgreich durchgeführt worden, hätte das Vollstreckungsurteil wegen Teilerledigung der Hauptsache gar nicht ergehen dürfen. Vielmehr hätte der Kläger in diesem Fall zur Leistungsklage aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung bzw. des Schadensersatzes übergehen können und müssen (vgl. BGHZ 58, 207, 214ff; 77, 9, 11 und 17; 83, 278, 280; BGH NJW 1985, 3080, 3081 jew. m.w.N.; Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 767 Rn. 2 Stichw. "Bereicherungsklage", "Schadensersatz"). Der Umstand, dass das nicht geschehen ist, belegt vielmehr, dass die Ehefrau mit ihrer Vollstreckung letztlich keinen Erfolg gehabt hat, so dass es näherer Darlegungen des Klägers zum Schadenseintritt bedurft hätte, die indes fehlen.

b) Der Kläger hat in feststellbarer Weise auch keinen EU-Schaden wegen der verbleibenden Differenz in Höhe von 827,88 EUR (Tabelle 1/Zeile 09) erlitten.

aa) Hängt im Regressprozess die Frage, ob dem Mandanten durch eine schuldhafte Pflichtverletzung des Rechtsanwalts ein Schaden entstanden ist, vom hypothetischen Ergebnis des Ausgangsverfahrens ab, muss das Regressgericht selbst prüfen, wie jenes Verfahren richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre. Dabei ist der Sachverhalt zugrundezulegen, der auch dem Ausgangsgericht zur Entscheidung vorgelegt worden wäre. Die Darlegungs- und Beweislast im Regressprozess richtet sich dann grundsätzlich nach der Darlegungs- und Beweislast im Ausgangsverfahren (vgl. BGHZ 133, 110, 111f = NJW 1996, 2501, 2502 sub Nr. 3; BGH NJW 2000, 1572, 1573 sub Nr. III.3; BGHZ 163, 223 = NJW 2005, 3071, 3072 sub II.1).

bb) Für den Streitfall bedeutet das, worauf das Landgericht im angefochtenen Urteil zu Recht hingewiesen hat, dass der Kläger im hier anhängigen Regressprozess gleichsam nachholend dem Regressgericht den Sachverhalt vorzutragen hat, den er dem Familiengericht im Oktober 2004 im angestrebten Ausgangsverfahren unterbreitet hätte und aus dem sich in schlüssiger Weise ergeben muss, dass der titulierte Unterhalt (769 €/mtl.) auf 455,75 EUR/mtl. herabzusetzen gewesen wäre.

cc) An hinreichenden Darlegungen dazu fehlt es, worauf ebenfalls das Landgericht bereits zutreffend hingewiesen hat.

(1) Die Rechtskraft eines Unterhaltsurteils kann nicht beliebig durchbrochen werden, sondern zum Schutz von Rechtssicherheit und -klarheit gemäß § 323 Abs. 1 ZPO nur dann, wenn sich die tatsächlichen und/oder rechtlichen Verhältnisse, die dem Titel zugrunde liegen, in unvorhergesehener Weise so verändert haben, dass der nach den veränderten Verhältnissen zu zahlende Unterhalt wesentlich unter oder über dem titulierten Unterhalt liegt. In diesem Sinne wesentlich sind in der Regel nur solche Verhältnisse, die zu einer veränderten Unterhaltshöhe von wenigstens 10% führen (vgl. dazu nur Zöller/Vollkommer, aaO, § 323 Rn. 32f m. w. N.). Die Darlegungs- und Beweislast für die wesentlichen Veränderungen zum maßgeblichen Zeitpunkt trägt stets der Abänderungskläger (vgl. Zöller/Vollkommer, aaO Rn 32).

(2) Ein schlüssiger, hier vom Kläger zu haltender Vortrag hätte demnach zunächst erfordert, die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des Ausgangstitels darzulegen. Denn es kommt gemäß § 323 Abs. 1 ZPO bei der Abänderungsklage eben nicht allein auf errechnete Unterschiede zur Unterhaltshöhe an, sondern auf die der jeweiligen Berechnung zugrunde liegenden Tatsachen und rechtlichen Bewertungen. Der Kläger teilt über die Verhältnisse, die dem abzuändernden Titel zugrunde gelegen haben, so gut wie nichts mit. Ferner fehlt es an einer schlüssigen und nachvollziehbaren Darlegung der Tatsachen und rechtlichen Verhältnisse, aus denen sich ab Oktober 2004 zu Lasten der Ehefrau eine EU-Unterhaltsrente in Höhe von nur noch 455,75 EUR/mtl. ergeben soll. Zutreffend weist das Landgericht darauf hin, dass eine Unterhaltsabänderungsklage, die allein auf die "Bescheinigung über die Veränderung des Gesamtjahresbruttogehaltes" vom 07. Oktober 2004 (künftig: Bescheinigung) gestützt worden wäre, wegen unsubstanziierten Vortrags abgewiesen worden wäre, und zwar selbst dann, wenn (wie aber nicht geschehen) die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse des Ausgangstitels vorgetragen worden wären. Die Durchbrechung der Rechtskraft erfordert u. a. die Darlegung aller Gehaltsbestandteile (übertarifliche Zulagen, Sachbezüge, Überstundenvergütungen u. ä.) und deren Veränderung nach Grund, Höhe und Zeitpunkt. An solchen Darlegungen hätte es nicht nur im Ausgangsverfahren gefehlt. Dafür macht der Beklagte wegen der Vorlage der maßgeblichen monatlichen Gehaltsbescheinigungen erst im Mai 2005 mit guten Gründen den Kläger verantwortlich. Sie fehlen aber auch jetzt im Regressprozess, weshalb schon aus diesem Grunde ein Schadensersatzanspruch scheitert.

2. Kostenschäden

Der Kläger hat in feststellbarer Weise durch die von seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten durchgeführte Berufung gegen das abweisende Urteil im Vollstreckungsverfahren keinen Schaden erlitten, den der Beklagte zu verantworten hätte. Es fehlt der Zurechnungszusammenhang.

a) Die vom Beklagten im ersten Rechtszug geführte Vollstreckungsabwehrklage war entgegen der Behauptung des Klägers kein Prozess, der von vornherein unzulässig oder unbegründet war. Die durch ihn ausgelösten Kosten waren demnach nicht notwendigerweise unnütz. Das Gegenteil ist richtig. Wie dem Berufungsurteil des Oberlandesgerichts und den Darlegungen zum Unterhaltsschaden (oben sub Nr. I.1) zu entnehmen ist, war die Vollstreckungsabwehrklage zu Beginn des Jahres 2005 der einzige Rechtsbehelf, die Ehefrau daran zu hindern, entgegen der außergerichtlich rückwirkend für die Zeit ab November 2003 getroffenen Verabredung den Unterhalt in titulierter Höhe zu vollstrecken.

b) Fraglich könnte allenfalls sein, ob die dem Grunde nach berechtigte Vollstreckungsabwehrklage der Höhe nach richtig geführt worden ist. Es könnte nämlich, obwohl der Kläger dies hier gar nicht geltend macht, als fehlerhaft angesehen werden, dass die Vollstreckungsabwehrklage statt mit dem Antrag, der Ehefrau die Zwangsvollstreckung gänzlich zu untersagen, nur mit dem Antrag hätte geführt werden dürfen, die Zwangsvollstreckung der Ehefrau insoweit für unzulässig zu erklären, als Ehegattenunterhalt von mehr als 573,99 EUR/mtl. ab November 2003 vollstreckt werden sollte. Im ersten, vom Beklagten zu verantwortenden Rechtszug ist dem Kläger aber schon deshalb kein Schaden entstanden, weil ihm uneingeschränkt Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, was im Berufungsrechtszug indessen nicht geschehen ist. Den Berufungsrechtszug hat aber nicht der Beklagte, sondern der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers zu verantworten. Ob das auf fortwirkenden Beratungsfehlern des Beklagten beruht, kann indes nicht festgestellt werden. Das hängt nämlich davon ab, in welcher Weise der Kläger den Beklagten über die im November 2003 getroffenen Verabredungen informiert hatte. Dazu wiederum fehlt jeder Vortrag des Klägers, so dass ein kausales Fehlverhalten des Beklagten für den eingetretenen Kostenschaden nicht festgestellt werden kann.

II. An diesen Erwägungen hält der Senat fest. Die dagegen noch gerichteten Einwände des Beklagten vermögen an der rechtlichen Beurteilung im Ergebnis nichts zu ändern. Der Kläger ignoriert immer noch die im Abänderungsverfahren nach § 323 ZPO im Unterhaltsprozess und demgemäß auch im Regressprozess gegebene Darlegungs- und Beweislast. Ob sich die tatsächlichen Verhältnisse, auf denen der Ausgangstitel beruht, zum Nachteil des Klägers wesentlich verändert haben, kann nur geprüft werden, wenn die dem Ausgangstitel zugrunde liegenden Verhältnisse und die geänderten Verhältnisse lückenlos dargestellt werden, so dass sie miteinander verglichen werden können. Hinsichtlich der ursprünglichen Verhältnisse hat der Kläger im Regressprozess überhaupt nichts vorgetragen, hinsichtlich der angeblich geänderten Verhältnisse hat er unzureichend vorgetragen. Die Tatsachen jedenfalls, die er dem Beklagten im September 2004 zugänglich gemacht hatte, waren derart lückenhaft, das darauf mit Erfolg eine Abänderungsklage nicht hätte gestützt werden können. Aus diesem Grund war es nicht fehlerhaft, namens des Klägers eine Vollstreckungsabwehrklage zu erheben, nachdem die Ehefrau eine außergerichtlich vereinbarte Herabsetzung des Ehegattenunterhalts ignorierte und den titulierten Betrag in voller Höhe vollstreckte.

III. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung im Beschlussverfahren liegen vor. Die Rechtssache hat nämlich weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats im Urteilsverfahren (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO).

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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