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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 21.04.2009
Aktenzeichen: I-24 U 50/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 280
BGB § 328
BGB § 611
BGB § 675
Ein Rechtsanwalt, der im Auftrage einer Mieterschutzvereinigung deren Mitglied fehlerhaft berät, kann dem Mitglied nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter haften.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-24 U 50/08

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch seine Richter Z., T. und S. am 21.04.2009 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 28.01.2008 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal - Einzelrichter - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 6.594,13 €.

Gründe:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, weil die Berufung in der Sache keinen Erfolg, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Berufungsgerichts auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist.

I.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 19.01.2008 Bezug genommen. Der Senat hat dort ausgeführt: "Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht ihn zum Ersatz des von ihm durch anwaltliche Schlechtberatung verursachten Kostenschadens in Höhe von insgesamt 6.594,13 € nebst Zinsen verurteilt.

Das Berufungsvorbringen vermag eine für den Beklagten günstigere Entscheidung nicht zu rechtfertigen:

1.

Der Beklagte haftet den Klägern gemäß §§ 280 Abs. 1, 328, 675 BGB unter dem Gesichtspunkt eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte für die Folgen des von ihm den Klägern im November 2003 auftrags des Vereins "I. M. e.V." erteilten fehlerhaften Rechtsrats.

a)

Entgegen der sich auf ein Urteil des Landgerichts Offenburg (NJW-RR 2003, 1703) stützenden Entscheidung des Landgerichts beschränkt sich die Haftung des Beklagten gegenüber den Klägern nicht auf Pflichtverletzungen aus dem unmittelbar zwischen den Parteien erst im Juli 2004 (anlässlich der von der Vermieterin unter dem 13.07.2004 ausgesprochenen Kündigung) zustande gekommenen Mandatsverhältnis. Die grundlegende Ursache für die den Klägern im Zusammenhang mit der Beendigung des Mietverhältnisses durch fristlose Kündigung seitens der Vermieterin und dem nachfolgenden Räumungsprozess entstandenen Schäden hatte der Beklagte bereits durch seinen im November 2003 erteilten fehlerhaften Rechtsrat gesetzt, gegenüber den Mietzinsansprüchen für die Zeit von Februar bis Juni 2004 mit einem vermeintlichen Gegenanspruch in Höhe von 4.097,31 € aufzurechnen und entsprechend keine Mietzahlungen zu leisten. Dieser Rat war - insoweit besteht zwischen den Parteien kein Streit - falsch, weil der Beklagte das im Mietvertrag zulässig vereinbarte Aufrechnungsverbot verkannte.

b)

Für die Folgen dieser defizitären anwaltlichen Beratung haftet der Beklagte den Klägern ungeachtet des Umstandes, dass er im November 2003 noch nicht von den Klägern mandatiert war, sondern ihnen Rechtsrat im Rahmen ihrer Mitgliedschaft im "I. M. e.V." erteilte. Zwar kann grundsätzlich nur der Vertragspartner eine vertragliche Haftung in Anspruch nehmen. Vertragspartner des Beklagten waren vor der Mandatierung durch die Kläger selbst im Juli 2004 nicht die Kläger, sondern der "I. M. e.V." in Düsseldorf. Anderes gilt aber dann, wenn - wie hier - nach dem Willen der Vertragsparteien Dritte in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen sind. Von einem solchen Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) immer dann auszugehen, wenn dem Vertragsschuldner die Einbeziehung des Dritten in den vertraglichen Schutzbereich bekannt oder zumindest erkennbar ist, die Rechtsgüter des Dritten durch die Vertragsleistung des Schuldners bestimmungsgemäß oder typischerweise beeinträchtigt werden können ("Leistungsnähe"), ein berechtigtes Interesse des Vertragsgläubigers am Schutz des Dritten besteht und der Dritte ein Schutzbedürfnis hat (vgl. BGH NJW 1985, 489 und 2411; 1996, 2927; 2004, 3630; Senat NJW-RR 1997, 1314; GuT 2007, 287; MDR 2007, 988; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 328 Rn. 13 ff.; Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl., Rn. 1383 ff.; ders. NJW 2008, 1105; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 2. Aufl., Rn. 102 ff.). Diese Grundsätze gelten auch für Anwaltsverträge; in einem solchen Fall sind die von einer Pflichtverletzung betroffenen Personen Adressaten der anwaltlichen Pflichten und berechtigt, bei pflichtwidriger Schadenszufügung durch den Anwalt von ihm Schadensersatz zu fordern (vgl. BGH NJW 1995, 51; NJW 2000, 725).

c)

Die Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte liegen hier vor: Inhalt und Zweck des dem Beklagten von dem Mieterschutzverein erteilten Auftrags war ersichtlich die Beratung Dritter, nämlich der Vereinsmitglieder, deren Rechtsgüter diesem Zweck entsprechend durch Fehlleistungen des Beklagten Nachteile erleiden konnten und hier auch erlitten haben. Die Drittbezogenheit der von dem Beklagten zu erbringenden Leistung war nachgerade der Kern des ihm erteilten Beratungsauftrags. Auch liegt das Interesse des Vereins am Schutz seiner Mitglieder, denen er die Rechtsberatung offeriert, auf der Hand. Die Beklagten sind zudem auch schutzbedürftig. Gleichwertige Ersatzansprüche gegen den Mieterschutzverein sind nicht dargetan, zumal nach § 3 Nr. 4 S. 3 der aktuellen Satzung des Vereins (allgemeinkundig, veröffentlicht unter: www.ivmieterschutz.de/anmeldung/satzung.html)

"Aus der Gewährung von Rat, Information und Hilfe kann das Mitglied keine Ansprüche gegen den Verein und seine Organe herleiten."

die Haftung des Vereins ausgeschlossen ist. Das dem Beklagten von dem Verein übertragene Beratungsmandat bezog mithin gerade diejenigen Vereinsmitglieder, deren Beratung der Beklagte im Einzelfall übernahm, in seinen Schutzbereich ein.

d)

Da der Beklagte den Klägern bereits wegen des ihnen im November 2003 erteilten verfehlten Rechtsrats haftet, bedarf es keiner vertiefenden Erörterung, ob und mit welchen Folgen der Beklagte die Kläger auch nach Mandatierung im Juli 2004 fehlerhaft beraten hat. Insoweit hat das Landgericht völlig zutreffend eine Pflichtverletzung des Beklagten darin gesehen, dass er ohne erneute Sach- und Rechtsprüfung an dem in der früheren Beratung eingeschlagenen (falschen) Weg festgehalten hat. Die Auffassung der Berufung, der Beklagte hätte den Sachverhalt nicht nochmals umfassend prüfen müssen, ist von Rechtsirrtum beeinflusst und verkennt die Pflichten eines Anwalts. Denn dieser hat in den Grenzen des Mandats dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziele zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist (BGH WM 1993, 1376; 1996, 1824; 2006, 927; 2007, 419; NJW 2007, 2485; NJW-RR 2008, 1235). Durch ungeprüftes Fortsetzen des bereits im November 2003 eingeschlagenen falschen Weges hat der Beklagte diese Pflichten verabsäumt und den bereits eingetretenen Schaden sogar noch vertieft.

2.

Die den Klägern entstandenen Kostenschäden, nämlich

 Kosten des Räumungsprozesses, I. Instanz, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.01.2006)1.170,22 €
Kosten des Räumungsprozesses, II. Instanz, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.10./11.11.2005)1.861,57 €
Gerichtskosten des Berufungsverfahrens968,00 €
an den Beklagten geleistete Vorschüsse2.594,34 €
insgesamt6.594,13 €

sind sämtlich verursacht durch den verfehlten Rat des Beklagten, mit einem vermeintlichen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegenüber dem laufenden Mietzinsanspruch die Aufrechnung zu erklären und Zahlungen nicht zu leisten. Mit Recht haben das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 25.04.2005, 14e O 97/04) und das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 29.09.2005, I-10 U 86/05) die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen des so entstandenen Zahlungsverzugs für wirksam erachtet und die Kläger zur Räumung verurteilt. Es bedarf hier keiner Erörterung, ob der Hilfsbegründung des 10. Zivilsenats, ein Gegenanspruch in der behaupteten Höhe von 4.097,31 € habe den Klägern bereits nicht zugestanden (sub II.2.b der Urteilsgründe), zu folgen ist. Denn durch § 6 Nr. 1 und 2 des Mietvertrages vom 25.03.1991 war die Aufrechnung mit anderen als unstreitigen und rechtskräftig festgestellten Ansprüchen gegenüber dem Mietzins ohnehin ausgeschlossen. Entgegen der Auffassung des Beklagten verstieß die von der Vermieterin ausgesprochene fristlosen Kündigung auch nicht gegen die aus § 242 BGB folgenden Gebote von Treu und Glauben. Zweck des Verbotes einer Aufrechnung gegenüber dem Mietzinsanspruch ist es gerade, dem Vermieter die Sanktion des § 543 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB zur Sicherstellung der regelmäßigen und nicht mit der Auseinandersetzung um Gegenansprüche belasteten Mietzinszahlung zu erhalten. Wäre der Vermieter wegen bestehender Gegenansprüche nach Treu und Glauben gehindert, die ihm durch § 543 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB eröffneten Konsequenzen aus dem Zahlungsverzug des Mieters zu ziehen, so liefe das Aufrechnungsverbot weitgehend leer. Die Interessen des Mieters sind durch die Möglichkeit, seine Rechte gerichtlich geltend zu machen, hinreichend gewahrt."

II.

Das tatsächliche und rechtliche Vorbringen des Beklagten in den Schriftsätzen vom 13.02.2009 und 16.04.2009 gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung, weil es gegenüber der Berufungsbegründung, die der Senat vollständig berücksichtigt hat, keine entscheidungserheblichen neuen Gesichtspunkte enthält. Ergänzend ist folgendes auszuführen:

1.

Der Vortrag des Beklagten, die Kläger seien Mitglieder des Vereins "I. M. e.V." nur mit der Beschränkung auf Wohnungsmietangelegenheiten gewesen, weshalb ihr Beratungsanspruch auf Wohnungsmietangelegenheiten begrenzt gewesen und die ihnen hier erteilte Beratung in gewerblichen Mietangelegenheiten ohne vertragliche Grundlage erfolgt sei, ist unsubstantiiert und deswegen unerheblich. Es mag sein, dass der Verein heute zwischen Geschäftsraummiete und Wohnraummiete - etwa in der Höhe der von den Mitgliedern zu leistenden Beiträge - unterscheidet. Es ist aber nichts dafür ersichtlich, dass dies bereits im Zeitpunkt der Falschberatung durch den Beklagten (November 2003) der Fall gewesen wäre. Der von den Klägern vorgelegten Satzung des Vereins ist eine solche Differenzierung des Anspruchs auf Rechtsberatung nicht zu entnehmen. Trotz Hinweises des Berichterstatters des Senats mit Verfügung vom 19.03.2009 auf den Mangel der Substantiierung hat der Beklagte etwaige andere vereinsinterne Rechtsgrundlagen für die behauptete Differenzierung nicht vorgetragen. Der Senat hat deshalb davon auszugehen, dass die vorgelegte Textfassung der Satzung derjenigen entspricht, die zum Zeitpunkt der fehlerhaften Beratung der Kläger durch den Beklagten in Kraft war. Überdies enthielten die hierfür vorgesehenen Formulare im Zeitpunkt des Beitritts der Kläger zu dem Verein keine entsprechende Differenzierung; nach den Angaben des Beklagten werden erst seit dem Jahr 2004 Beitrittsformulare verwendet, die zwischen Wohnraummiete und gewerblicher Miete unterscheiden.

2.

Ebenso ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, der Beratungsanspruch der Kläger gegenüber dem Verein habe sich auf die im Beitrittsformular angegebene Wohnanschrift beschränkt. Auch für eine derartige Beschränkung der Mitgliedsrechte ist der Satzung des Vereins nichts zu entnehmen. Andere Rechtsgrundlagen für die angebliche Beschränkung der Mitgliedsrechte sind weder ersichtlich noch vom Beklagten dargetan. Auch aus dem Schreiben der Rechtsanwälte B. I. und P. vom 06.05.2008 sind konkrete Hinweise auf bereits im Jahre 2003 geltende Rechtsgrundlagen für eine Beschränkung des Beratungsanspruchs auf die in der "Anmeldebescheinigung" angegebene Anschrift nicht zu ersehen. Dagegen sprechen auch die Aktivitäten des Vereins in der Geschäftsraummietsache der Kläger im Jahre 2003. Eine Vernehmung des als Zeugen benannten W. F. ist nicht veranlasst, da der Beweisantritt auf Ausforschung gerichtet ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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