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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 20.12.2005
Aktenzeichen: I-24 U 68/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 535
ZPO § 139
ZPO § 538
Will das Erstgericht seine Entscheidung auf eine von den Parteien nicht ausdrücklich vorgetragene Klausel des Mietvertrages (hier: Kleinreparaturklausel) stützen, hat es der davon rechtlich benachteiligten Partei einen entsprechenden Hinweis zu erteilen.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I-24 U 68/05

Verkündet am 20. Dezember 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die am 22. November 2005 geschlossene mündliche Verhandlung unter Mitwirkung seiner Richter Z T und H

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 28. April 2005 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal einschließlich des Verfahrens aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufungsinstanz, an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger (Vermieter) nimmt den Beklagten (Mieter) aus dem bis zum 31. Dezember 2005 befristet abgeschlossenen schriftlichen Mietvertrag auf Zahlung der Miete für die Zeit vom 01. Februar 2004 bis 31. Januar 2005 in Höhe von 24.035,20 EUR (1.200,85 EUR + [11 Mon. x 2.075,85 EUR/Mon.]) nebst gestaffelten Zinsen in Anspruch.

Der Beklagte hat um Klageabweisung gebeten. Er hat geltend gemacht: Das Mietverhältnis sei infolge der am 16. Februar 2004 erklärten, außerordentlichen fristlosen Kündigung beendet, so dass Miete seither nicht mehr geschuldet werde. Der Kläger habe die ihm vor Ausspruch der Kündigung gesetzte Frist zur Beseitigung erheblicher Mängel ungenutzt verstreichen lassen.

Der Kläger hat dazu repliziert: Der Beklagte habe der Stilllegung der defekten Heizung zugestimmt und auf die Beheizung der Werkstatt II (ehemaliges Reifenlager) verzichtet. Die im Januar 2005 gerügte Dachundichtigkeit der Werkstatt I (ehemalige Kfz-Halle) sei unerheblich gewesen und repariert worden.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Beklagten. Er beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger bittet um

Zurückweisung der Berufung,

hilfsweise um die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils einschließlich des Verfahrens auf den Antrag des Beklagten zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Gericht des ersten Rechtszuges, § 538 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

1.

Das vom Landgericht durchgeführte Verfahren leidet unter wesentlichen Mängeln. Bei Beachtung der verfahrensrechtlich einzuhaltenden Regeln hätte das Landgericht nicht ohne Beweisaufnahme zu den umstrittenen Kündigungsgründen abschließend entscheiden dürfen.

a)

Das Landgericht konnte die zu Lasten des Beklagten entschiedene Rechtsfrage, ob die unstreitig seit dem Herbst 2003 defekte Ölheizung in der Werkstatt II einen zur fristlosen Kündigung des Mietvertrags berechtigenden Mangel darstellt, ohne vorherigen rechtlichen Hinweis (§ 139 Abs. 2 ZPO) nicht mit § 3 Nr. 6 Mietvertrag (Kleinreparaturklausel) beantworten und auf diesem Weg dem Beklagten die Verantwortung für den Defekt zuschreiben. Keine der Parteien hatte sich zuvor auf diese Klausel gestützt, so dass es sich um eine Überraschungsentscheidung handelt.

b)

Im Zuge der Anwendung der Kleinreparaturklausel hat das Landgericht ferner unter Beweis gestellten Sachvortrag des Beklagten unberücksichtigt gelassen, womit es gegen den verfassungsrechtlich gesicherten Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verstoßen hat. Die Feststellung im angefochtenen Urteil, es "fehl(e) jeglicher Vortrag dazu, warum der Ausfall der Heizungsanlage vom Kläger zu vertreten und eine komplette Sanierung der Heizungsanlage erforderlich sei", steht in unüberbrückbarem Widerspruch zum sogar unter Beweis gestellten Vorbringen des Beklagten, die in Rede stehende Heizung sei durch einen Fachmann überprüft worden, sei nicht mehr reparaturfähig und sei "Kernschrott". Die im angefochtenen Urteil fehlende Auseinandersetzung mit diesem (aus der Sicht der vom Landgericht eingenommenen Rechtsauffassung) zentralen, wesentlichen und erheblichen Vortrag lässt besorgen, dass die Kammer ihn ignoriert und dem Beklagten damit das rechtliche Gehör versagt hat. Wenn das Landgericht diesen Vortrag für ungenügend gehalten haben sollte (wozu freilich ein diesbezüglicher Hinweis in den Entscheidungsgründen fehlt), hätte es gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO darauf hinweisen und Gelegenheit zur Präzisierung geben müssen.

c)

Das Landgericht hat schließlich ein weiteres Mal gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verstoßen durch die im angefochtenen Urteil getroffene Feststellung, "dem Vortrag des Beklagten (ließe) sich nicht entnehmen, wann, wo genau, und in welchem Umfang die Undichtigkeiten im Dach eingetreten sind und zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs sowie der Gesundheit des Beklagten und seiner Mitarbeiter geführt haben soll."

aa)

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass im Januar 2005 im Dach der Werkstatt II eine Undichtigkeit bestand, die der Beklagte auch beanstandet hatte. Denn der Kläger hat die Beseitigung dieses Mangels behauptet. Damit bedurfte es keiner näheren Angaben mehr zu Zeit und Ort. Jedenfalls durfte das Landgericht nicht ohne Hinweis gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO den Vortrag als unsubstanziiert zurückweisen.

bb)

Auch die Feststellung, zu Umfang und Folgen der Undichtigkeit fehle Vortrag, ist aktenwidrig. Der Beklagte hat unter Beweisantritt vorgetragen, dass durch das Dach Regenwasser in die Werkstatt eindringe und dass am 13. Januar 2005 infolge dieses Wassereinbruchs auch Wasser in die elektrische Anlage der Hebebühne eingedrungen sei, wobei er bei Betätigung des Schalters einen Stromschlag erlitten habe. Das Landgericht hat auch diesen zentralen, wesentlichen und erheblichen Vortrag evident nicht zur Kenntnis genommen, ansonsten die fehlende Auseinandersetzung mit ihm im angefochtenen Urteil nicht zu erklären ist. Wenn das Landgericht der Meinung gewesen sein sollte (wozu freilich auch hier ein diesbezüglicher Hinweis in den Entscheidungsgründen fehlt), der Vortrag reiche nicht aus, um zur Rechtsfolge eines die fristlose Kündigung rechtfertigenden Mangels zu gelangen, musste es dem Beklagten vor einer Entscheidung gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag geben.

2.

Die verfahrensfehlerhafte Behandlung der Sache führt auch zu einer umfangreichen Beweisaufnahme. Denn bei verfahrensfehlerfreier Sachbehandlung (Kenntnisnahme vom Sachvortrag des Beklagten bzw. Erteilung rechtlicher Hinweise) wäre das Landgericht nicht umhin gekommen, die von den Parteien beweislich und gegenbeweislich benannten sieben Zeugen und das angebotene Sachverständigengutachten einzuholen. Eine derart umfangreiche, aber verfahrensfehlerhaft im ersten Rechtszug unterbliebene Beweisaufnahme, eröffnet den Weg, das angefochtene Urteil mit dem Verfahren aufzuheben und auf den (Hilfs-)Antrag des Beklagten das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

a)

Hätte das Landgericht darauf hingewiesen, dass es die Kleinreparaturklausel für einschlägig hält, hätten die Parteien -wie jetzt erst im Berufungsrechtszug geschehen- zu deren Anwendbarkeit vorgetragen und (weiteren) Vortrag zur Frage der Reparaturfähigkeit der Heizung und deren Kosten sowie die Beweisantritte dazu (Vernehmung der Zeugen F. und A. K. und des Zeugen K. sowie Einholung eines Sachverständigengutachtens) gehalten.

b)

Hätte das Landgericht den Vortrag des Beklagten zur Dachundichtigkeit zur Kenntnis genommen oder hätte es wenigstens dem Beklagten Gelegenheit zur Ergänzung seines Vortrags gegeben, dann hätte der Beklagte den in der Berufung präzisierten Sachvortrag (u.a. Vorlage von Lageskizzen und Fotografien) gebracht und auch das hätte aus der Sicht des Landgerichts zur Beweisaufnahme geführt. Der Kläger hat seinen Sachvortrag durch die Zeugnisse F. und A. K. sowie den (namentlich noch nicht genannten) Mitarbeiter der Firma A., der Beklagte (wie schon im ersten Rechtszug) durch die Zeugnisse J.und C. L. sowie E. L. unter Beweis gestellt.

III.

Für die weitere Behandlung der Sache weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

1.

Der Mieter ist an sich nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweispflichtig für die behaupteten Tatsachen, die eine fristlose Kündigung stützen sollen. Im Streitfall gilt das aber nicht, weil die Mängel (Heizungsdefekt und Dachundichtigkeit) unstreitig sind. Vielmehr ist der Kläger entgegen der Ansicht des Landgerichts darlegungs- und beweisbelastet für seine Behauptungen, die defekte Heizung falle unter die Kleinreparaturklausel (Sonderfall der grundsätzlich den Vermieter gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB treffenden Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht), der Beklagte sei mit der Außerbetriebnahme der Heizung einverstanden gewesen und habe auf eine Beheizung der Werkstatt II verzichtet (was der Kläger ferner in das Wissen der Zeugin W. stellt), die Dachundichtigkeit sei nur unerheblich (Sonderfall des § 536 Abs. 1 Satz 3 BGB) und im Übrigen vor dem Zugang der Kündigungserklärung repariert gewesen.

2.

Sollte der Kläger den Beweis für seine Behauptungen nicht führen können, dürfte die fristlose Kündigung des Beklagten das Vertragsverhältnis mit Wirkung ab 17. Februar 2005 beendet haben. Die Mängel beeinträchtigen, was auf der Hand liegt und keiner weiteren Darlegung bedarf, den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache und rechtfertigten nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist zur Abhilfe die fristlose Kündigung des Mietvertrags gemäß §§ 536 Abs. 1 Satz 1, 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB (vgl. Senat ZMR 1999, 26 = MDR 1999, 220 m.w.N.), wobei es auf das vom Kläger behauptete (abweichende) Kündigungsmotiv nicht ankommt (Senat aaO). Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, ob außerdem Leben und Gesundheit des Beklagten und seiner Mitarbeiter durch eindringendes Regenwasser in die elektrische Anlage der Hebebühne gefährdet worden ist. Ein solcher Tatbestand, der (wegen seiner Strittigkeit) allerdings vom Beklagten bewiesen werden müsste, würde neben den schon genannten Gründen einen zusätzlichen Kündigungsgrund gemäß §§ 578 Abs. 2 Satz 2, 569 Abs. 1 Satz 1 BGB (fristlose Kündigung wegen erheblicher Gesundheitsgefährdung) geben.

IV.

Über die Kosten des Rechtsstreits kann der Senat nicht entscheiden, weil sein Ausgang noch gänzlich offen ist. Deshalb wird das Landgericht in seiner Schlussentscheidung auch über die im Berufungsrechtszug angefallenen Kosten zu befinden haben. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO. Es besteht auch kein Anlass für die Anordnung einer Sicherheitsleistung (§ 711 ZPO), weil es derzeit nichts zu vollstrecken gibt.

Ende der Entscheidung

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