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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 06.10.2004
Aktenzeichen: I-24 U 83/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 530
BGB § 242
BGB § 812
1. Wegen groben Undanks kann die Schenkung von Verwandten eines Ehegatten trotz Eheverfehlungen des anderen (mitbeschenkten) Ehegatten nur unter besonderen Umständen widerrufen werden.

2. In diesem Fall ist auch die Geschäftsgrundlage nicht weggefallen, wenn die Schenkung nicht ehe-, sondern familienbezogen erfolgte.


Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss

In Sachen

Tenor:

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlussverfahren zurückzuweisen. Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu den Gründen binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses schriftsätzlich Stellung zu nehmen.

2. Der Beklagten wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. in D. ratenfreie Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung gegen die Berufung der Klägerin bewilligt.

Tatbestand:

Die Beklagte war mit dem Sohn der Klägerin seit 1992 verheiratet. Zwei Jahre später erwarben die Eheleute einen PKW. Anfang 1998 mieteten sie ein Einfamilienhaus, in dem sie umfangreiche Umbau- und Renovierungsarbeiten durchführten. Im November 2002 wurde die Ehe geschieden. Die Beklagte blieb mit ihren zwei Kindern, die nicht aus der Ehe stammten, in dem Haus und behielt den PKW. Im Hinblick auf das Scheitern der Ehe widerrief die Klägerin gegenüber der Beklagten behauptete Geldschenkungen in Höhe von 48.500 DM (24.797,66 €), die die Eheleute für das Haus und den PKW verwendet hätten, und verlangte von der Beklagten die Beträge zurück. Die Beklagte behauptet, sämtliche Zahlungen der Klägerin seien dem Ehemann zugeflossen und sie habe eigene Geldbeträge zu Haus und PKW beigesteuert. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Senat hat die Berufung der Klägerin durch Beschluss vom 4.11.2004 als unbegründet zurückgewiesen und dabei auf die Gründe des nachfolgenden Hinweisbeschlusses Bezug genommen.

Gründe:

(zu Nr. 1 des Tenors)

I. Das zulässige Rechtsmittel hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist die Beurteilung des Landgerichts, die Klägerin könne die behaupteten Geldschenkungen nach erklärtem Widerruf mangels einer Widerrufslage nicht zurückfordern.

a) Gemäß § 530 Abs. 1 BGB kann eine Schenkung dann widerrufen werden, wenn dem Beschenkten eine schwere Verfehlung gegenüber dem Schenker oder einem nahen Angehörigen zur Last fällt (objektive Seite) und sich dadurch groben Undanks gegenüber dem Schenker schuldig gemacht hat (subjektive Seite). Schwere Verfehlungen der Beklagten zu Lasten der Klägerin werden von ihr nicht behauptet. Die eheliche Untreue eines Ehegatten stellt nur unter besonderen Bedingungen eine schwere Verfehlung im Sinne des § 530 Abs. 1 BGB dar (vgl. dazu BGH NJW 1999, 1623 sub Nr. 3c). Das könnte etwa bei evident einseitiger Abkehr eines Ehegatten aus einer bis dahin intakten Ehe im Sinne des § 1579 Nr. 6 BGB in Betracht gezogen werden. Die bloße eheliche Untreue der Beklagten reicht, wie das Landgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat, dafür nicht aus (vgl. BGH aaO und OLG Düsseldorf OLGR 2001, 299). In diesem Zusammenhang ist gänzlich ohne Belang, dass im Streitfall die eheliche Untreue zu einer Schwangerschaft der Beklagten geführt hat. Das gilt jedenfalls dann, wenn wie hier keine objektiven Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie in ehefeindlicher Gesinnung bewusst herbeigeführt worden ist. Maßgeblich ist allein, ob das eheliche Fehlverhalten (Untreue) zu Lasten des Ehemannes schenkungsrechtlich als schwere Verfehlung der Beklagten zu beurteilen ist. Das ist mangels Vortrags besonderer Umstände nicht der Fall.

b) Soweit die Klägerin im zweiten Rechtszug ihren diesbezüglichen Vortrag ergänzt, kann offen bleiben, ob er (was zweifelhaft ist) überhaupt geeignet ist, das Tatbestandsmerkmal einer schweren Verfehlung im Sinne des § 530 Abs. 1 BGB zu erfüllen. Die Klägerin ist mit neuem Tatsachenvortrag nämlich gemäß §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Das Landgericht hat entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verfahrensfehlerhaft einen Hinweis gemäß § 139 ZPO unterlassen. Für den Sachvortrag, der eine spezifische Anspruchsnorm (hier § 530 Abs. 1 BGB) ausfüllen soll, ist die Klägerin verantwortlich. Nur dann, wenn aus dem Zusammenhang ersichtlich wird, dass rechtsirrtümlich Tatsachenvortrag unterbleibt, ist das Gericht gehalten, einen Hinweis zu erteilen. Im Streitfall hatte die Klägerin den Widerruf der Schenkung aber gerade nicht auf undankbares Verhalten der Beklagten, sondern auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage (Ehescheidung) gestützt. Unter diesen Umständen musste das Landgericht davon ausgehen, dass ein spezifisch undankbares Verhalten der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht geltend gemacht werden sollte.

2. Ferner ist im Ergebnis die Beurteilung des Landgerichts nicht zu beanstanden, wonach die Klägerin einen Rückgewähranspruch auch nicht auf den Wegfall oder die wesentliche Veränderung der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) der behaupteten Schenkungen zu stützen vermag.

a) Ein solcher Anspruch kommt dann in Betracht, wenn einer Seite nach dem Eintritt veränderter Umstände und unter Berücksichtigung der gesamten Interessenlage ein Festhalten an den ursprünglichen Absprachen nicht zuzumuten ist (BGH NJW 1999, 1623 sub Nr. 4). Geschäftsgrundlage sind (nur) solche Umstände, die nicht zum Vertragsinhalt gemacht worden sind, auf die aber entweder der gemeinsame Vertragswille aufbaut oder von einer Vertragsseite erkennbar zur Vertragsgrundlage gemacht worden ist, ohne dass die andere Seite dem widerspricht. Zur Geschäftsgrundlage gehören dagegen nicht solche erkennbar hervorgetretenen Umstände, die zum Risikobereich einer Vertragspartei gehören. Die Lehre von der Geschäftsgrundlage darf nicht dazu führen, dass Risiken, die das Gesetz einer Vertragsseite zuweist (etwa das Verwendungsrisiko des Käufers [BGHZ 74, 370, 373 = NJW 1979, 1818] oder das des Mieters gemäß § 537 Abs. 1 S. 1 BGB [BGH NJW 1981, 2405 und 2000, 1714, ZMR 2000, 814 und zuletzt NJW-RR 2004, 1236]), der anderen aufgebürdet werden.

b) Offen bleiben kann die vom Landgericht verneinte Frage, ob der Bestand der Ehe zwischen der Beklagten und dem Sohn der Klägerin zu den erkennbar hervorgetretenen Umständen im vorgenannten Sinne gehört. Diesbezügliche Zweifel sind schon deshalb angebracht, weil die behaupteten Schenkungen (1994 und 1998) zu einem Zeitpunkt erfolgten, als die Ehe der Beklagten mit dem Sohn der Klägerin infolge der (bei Eheschließung im Jahre 1992) nicht erwarteten Kinderlosigkeit (nach einer bei der Beklagten später festgestellten medizinischen Indikation) einer mit Blick auf den unbedingten Kinderwunsch sehr ernst zu nehmenden Belastung ausgesetzt gewesen ist, die erfahrungsgemäß in sehr vielen Fällen zu Ehezerrüttung, Trennung und Scheidung führt, zumal sich auch die Verwirklichung des Auslandsadoptionswunsches wegen zahlreicher Hindernisse hinzog. Schenkungen, die trotz solcher erkennbaren Risiken gemacht werden, können nicht mehr einer Geschäftsgrundlage im beschriebenen Sinne zugeordnet werden, und zwar auch dann nicht, wenn der Schenker wie hier die Klägerin hofft, die Geschenke werden zur Stabilisierung der Ehe beitragen (vgl. dazu BGH NJW 1999, 1623 sub Nr. 4b m.w.N.).

c) Einer abschließenden Beurteilung dieser Rechtsfrage bedarf es indes nicht, weil der geltend gemachte Anspruch auch dann der Abweisung unterliegt, wenn die in Rede stehende Frage im Sinne der Klägerin beantwortet wird. Die notwendige Interessenabwägung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben im Rechtsverkehr (§ 242 BGB) geht zu Lasten der Klägerin aus.

Zu berücksichtigen ist nämlich, dass sich das Geschenk als Geld nicht mehr im Vermögen der Beklagten befindet. Es ist vielmehr (bestimmungsgemäß) in die Anschaffung eines Kraftfahrzeugs (1994) und in die Renovierung der Mietwohnung (1998) geflossen, und zwar nur zur Hälfte zu Gunsten der Beklagten, denn die andere Hälfte des Geldgeschenks hat die Klägerin ihrem Sohn gemacht. In diesem Zusammenhang ist ohne Belang, dass die Beklagte das Kraftfahrzeug und die Wohnung nach Trennung (September 2000) und Scheidung (Januar 2003) allein mit der Restfamilie bewohnt.

Die alleinige Wohnungsnutzung beruht darauf, dass der Sohn der Klägerin (unstreitig) gegen die Beklagte (erhebliche) Gewalt angewendet hat, so dass ihr die Ehewohnung im Zuweisungsverfahren zur alleinigen Nutzung überlassen worden ist (20 F 16/02 AG Duisburg-Ruhrort). Rechtlich geht das zu Lasten der Klägerin, die die Schenkung (ausdrücklich) nur gegenüber der Beklagten und nicht auch gegenüber ihrem Sohn widerrufen hat.

Der Wert der Schenkungen ist durch die (bestimmungsgemäße) Verwendung erheblich gemindert, denn es liegt auf der Hand, dass der Renovierungserfolg wirtschaftlich nicht mehr und das Kraftfahrzeug nur noch unter erheblichem Verlust in Geldvermögen umgewandelt werden können. Die Nutzungsvorteile haben die Eheleute im Übrigen zumindest bis zur Trennung, also mehr als zwei Jahre (Renovierung) bzw. mehr als sechs Jahre (Kraftfahrzeug) bestimmungs- und erwartungsgemäß gezogen. Soweit die Restfamilie (ohne die Beklagte) in den Genuss der Nutzungsvorteile gekommen ist und unverändert kommt, entspricht dies ebenfalls der Erwartung der Klägerin, denn sie wollte eingestandenermaßen mit der bestimmungsgemäßen Verwendung der Geldgeschenke nicht nur die Ehegatten, sondern auch die Restfamilie begünstigen ("Nestbau", "Familien- bzw. Kinderkutsche"). Schließlich kann nicht außer Betracht bleiben, dass die Geschenke, soweit sie sich als Nutzungsvorteil noch im Vermögen der Beklagten befinden (das Eigentum an den verarbeiteten und eingebauten Sachen ist gemäß § 946 BGB auf den Grundstückseigentümer übergegangen), gänzlich ungesichert sind. Im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses hätte die Beklagte an den eingebauten Sachen zwar ein Wegnahme- und Aneignungsrecht (§ 539 Abs. 2 BGB). Vermögensrechtlich ist es aber nichts wert, weil die eingebauten Sachen (Fliesen, Paneele, Badinstallationen u.ä.) nach Abtrennung kaum einen relevanten wirtschaftlichen Wert mehr haben werden und die Beklagte außerdem verpflichtet wäre, unter Aufwendung erheblicher finanzieller Ressourcen den früheren Zustand wieder herzustellen, § 258 S. 1 BGB.

Auch der behauptete Beitrag der Klägerin (11.000 DM) zur Anschaffung des Kraftfahrzeugs zum Preis von mehr als 30.000 DM ist nach mehr als sechsjähriger bestimmungsgemäßer gemeinschaftlicher Nutzung wirtschaftlich so entwertet, dass es nicht geboten erscheint, die Beklagte auch nur teilweise zur Rückerstattung zu verpflichten, zumal die Nutzung des Teils, der auf den Sohn der Klägerin entfällt, nicht von der Klägerin, sondern von dem (geschiedenen) Ehemann zur Nutzung überlassen worden ist. Diesbezüglich müssen sich die Ehegatten güterrechtlich (§§ 1373ff BGB) oder, falls das Kraftfahrzeug Hausrat darstellt, nach §§ 8ff Hausratsverordnung auseinandersetzen. Falls das von dem Ehemann nicht gewollt oder versäumt worden ist, ist es unbillig, eine Korrektur zu Lasten der Beklagten nach den Grundsätzen über den Wegfall oder die wesentliche Änderung der Geschäftsgrundlage vorzunehmen.

3. Zu Recht hat das Landgericht schließlich auch bereicherungsrechtliche Ansprüche der Klägerin verneint. Voraussetzung eines Bereicherungsanspruchs gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 2 BGB (Zweckverfehlung) wäre, dass die Parteien nicht nur auf einem gemeinsamen oder einseitig erkennbaren Geschäftswillen aufgebaut (sh. dazu oben sub Nr. I.2a), sondern den Zweck (Fortbestand der Ehe) gemeinsam zum Gegenstand des Rechtsgeschäfts (Schenkung) gemacht haben. Mit Blick darauf, dass die Schenkungen nach dem Vortrag der Klägerin ausdrücklich nicht ehe-, sondern familienbezogen gemacht worden sein sollen, ist ein solcher Zweck nicht weggefallen, weil ihr Vermögenswert der (Rest-)Familie unverändert zugute kommt.

II. Der Senat weist darauf hin, dass die Berufungsrücknahme vor Erlass einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO kostenrechtlich privilegiert ist.

Düsseldorf[Gericht.Ort], @06.10.2004

Ende der Entscheidung

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