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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 30.10.2008
Aktenzeichen: I-24 U 84/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 535
BGB § 315
1. Bei einer Grundstücksübereignung unter Vorbehalt des Nießbrauchs für den Veräußerer kommt es nicht zu einem Vermieterwechsel.

2. Unterlässt der Vermieter ohne ein entsprechendes Verlangen des Mieters den vertraglich vorgesehenen Einbau eines Wasserzählers, so kann er die Wasserkosten nach billigem Ermessen den Mieteinheiten entsprechend auf die Mieter umlegen.

3. Der Verzicht auf oder die Verwirkung von Nebenkostenforderungen ist nur anzunehmen, wenn ein unzweideutiges Verhalten des Vermieters auf eine Abstandnahme von den Forderungen schließen lässt.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-24 U 84/08

In Sachen

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Dem Beklagten wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Der auf den 25. November 2008 avisierte Senatstermin findet nicht statt.

Gründe:

Die Berufung des Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg. Seine Verurteilung durch das Landgericht in Höhe des im Berufungsrechtszug noch streitigen Teilanspruchs der Kläger aus dem Mietvertrag vom 05. / 08. Mai 1998 (im Folgenden: MV) betreffend Nebenkosten über EUR 1.166,51 nebst Zinsen erfolgte zu Recht. I.

Die im Berufungsrechtszug vom Beklagten erhobenen Angriffe gegen das angefochtene Urteil rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.

1.

Die Kläger sind zur Geltendmachung der mietvertraglichen Ansprüche aus § 535 Abs. 2 BGB aktiv legitimiert. Sie sind in dem vom Beklagten erstellten Mietvertrag beide als Vermieter bezeichnet worden und auch jetzt materiell berechtigt, die Ansprüche geltend zu machen.

Der bei Abschluss des Mietvertrages als Verwalter fungierende Kläger zu 2. wurde neben der Klägerin zu 1. mit notariellem Vertrag vom 01. Dezember 2004 Miteigentümer des Mietgrundstücks. Die danach erfolgte Übertragung des Grundstücks auf den Sohn M. gemäß Vertrag vom 05. Januar 2005 zu Alleineigentum unter Vorbehalt des Nießbrauchs beeinflusst entgegen der vom Beklagten geäußerten Ansicht die Vermieterstellung der Kläger nicht. Sie wird nicht berührt, denn die Grundstücksübertragung unter gleichzeitigem Vorbehalt des Nießbrauchs führt keinen Vermieterwechsel herbei (§ 566 Abs. 1 BGB; vgl. hierzu BGH NJW 2006, 51; Senat ZMR 2003, 570 ff.; Palandt/Weidenkaff, BGB, 67. Auflage, § 566 Rn. 4; ders./Bassenge, § 1030 Rn. 4).

Ohne Belang ist, dass der Kläger zu 2. bei Abschluss des MV noch nicht Eigentümer des Grundstücks war. Ein Vermieter muss nicht zwangsläufig Eigentümer des Mietgrundstücks sein. Erforderlich ist lediglich, dass er seiner mietvertraglichen Verpflichtung zur Gebrauchsgewährung nachkommen kann. Dass dieses seitens des Klägers zu 2. nicht erfolgt ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

2.

Die Angriffe des Beklagten gegen die vom Landgericht zuerkannten Nebenkosten über EUR 1.166,51 haben keinen Erfolg.

a.

Da die Abrechnung des Landgerichts im angefochtenen Urteil aus sich heraus nicht nachvollziehbar ist, sollen aus Gründen der Übersichtlichkeit die in die Verurteilung zur Zahlung der Nebenkosten einbezogenen Beträge im Folgenden dargestellt werden:

 Kostenarten2003200420052006
Grundsteuer136,82 €136,82 €136,82 €136,82 €
Wasser 89,03 €102,57 €108,76 €119,32 €
Schmutzwasser 78,46 € 85,57 € 91,64 €111,18 €
Straßenreinigungserhöhung-- 2,35 € 3,88 €--
Gebäudeversicherungserhöhung-- 69,96 € 87,27 € 92,91 €
Haftpflicht 27,96 € 27,96 € 27,96 € 27,96 €
Summe332,27 €425,23 €456,33 €488,19
Abschlagszahlungen306,60 €306,60 € 306,60 €306,72 €
Restforderung 25,67 €118,63 € 149,73 €181,47 €
Heizung190,83 €157,69 €229,49 €113,00 €

Ausweislich des landgerichtlichen Protokolls vom 26. Februar 2008 hat der Kläger zu 2. in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass die der Abrechnung zugrunde gelegten Flächenmaße zutreffend sind. Das Landgericht hat diese Ausführungen des Klägers zu 2. im angefochtenen Urteil als "nachvollziehbar" bewertet. Den Darlegungen des Klägers zu 2. ist der Beklagte in der mündlichen Verhandlung, trotz seines vorherigen Bestreitens, nicht mehr entgegen getreten, er hat sich dazu ausweislich des Protokolls nicht erklärt. Das Vorbringen ist deshalb als zugestanden zu behandeln, § 138 Abs. 3 ZPO. Das Landgericht ist somit zutreffend davon ausgegangen, dass keine weitere Aufklärung geboten ist.

Zudem hätte der Beklagte, der das Objekt als Mieter nutzt, sein Bestreiten substantiieren können. Denn dies war ihm ohne weiteres möglich. Er hätte die Maße der einzelnen Räume seines Ladenlokals und der weiteren Räume angeben können. Möglicherweise wäre die behauptete Differenz zu den Angaben der Kläger dadurch erkennbar geworden. Denn Gegenstand des Mietvertrages ist nicht nur das Ladenlokal, sondern auch ein sich dem anschließender Hinterraum und ein separates WC im Hof (vgl. § 1 MV). Welche Flächen der Beklagte in seine Berechnung mit einbezogen hat, bleibt unklar. Soweit der Beklagte im Berufungsrechtszug nunmehr wiederum pauschal vorbringt, die Fläche betrage nur 60 qm, ist dieses unsubstantiiert, jedenfalls aber als verspätet zurückzuweisen, §§ 529, 531 ZPO.

Entsprechendes gilt für die übrigen Flächenmaße des Hauses. Insoweit ist schon nicht ersichtlich, dass die Kläger eine "abweichende" Gesamtflächenzahl in die durch den H. e.V. erstellten Nebenkostenabrechnungen eingestellt haben. Es werden durchgängig 630 qm genannt. Die Abweichung der Flächenmaße bei den Heizkosten haben die Kläger unwidersprochen und nachvollziehbar damit erklärt, dass nicht das gesamte Gebäude zentral beheizt wird, sondern die in den beiden oberen Stockwerke lebenden Wohnungsmieter den Gasbezug mit dem Versorger (W. AG) unmittelbar abrechnen, während nur das Erdgeschoss, das 1. und das 2. Obergeschoss mit Fernwärme versorgt werden und somit auch nur diese Flächen zu berücksichtigen waren. Dem ist der Beklagte in beiden Instanzen nicht entgegengetreten.

Nicht ersichtlich ist weiterhin, dass der Beklagte, sollte die qm-Zahl tatsächlich unrichtig sein, dadurch benachteiligt wird. Dies wäre nur der Fall, wenn der prozentuale Anteil der vom Beklagten gemieteten Fläche im Verhältnis zur Gesamtfläche zu Lasten des Beklagten unrichtig wäre. Dafür ist nichts vorgetragen und auch sonst nichts ersichtlich.

c.

Die abgerechneten Wasserkosten sind vom Beklagten in den errechneten Anteilen zu tragen.

Zwar sind entgegen der in § 3 2) MV erklärten Absicht von den Vermietern keine Wasserzähler eingebaut worden. Auch wurde keine "Einigung" über die Wasserkosten herbeigeführt, wie dies im MV vorgesehen ist. Dies enthebt den Beklagten indes nicht seiner Verpflichtung zur Zahlung der ermittelten Kosten. Der Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt von den Vermietern die Installation der Zwischenzähler verlangt bzw. darauf gedrungen, eine Einigung über den Verteilungsmodus herbeizuführen. Dafür ist nichts ersichtlich und auch nichts vorgetragen. Vielmehr haben die Kläger unwidersprochen vorgetragen, dass dem Beklagten die Abrechnungen der Nebenkosten, welche den jetzt auch zugrunde gelegten Verteilungsschlüssel aufweisen, zugeleitet wurden und er diese auch erhalten hat. Der Beklagte hat darauf jedoch nicht reagiert, diese also nicht beanstandet, sondern es vorgezogen, zu schweigen und die noch ausstehenden Nebenkosten über einen Zeitraum von mehreren Jahren nicht zu bezahlen.

Da somit keine Regelung getroffen wurde, haben die Vermieter in Ausübung ihres billigen Ermessens gemäß §§ 315, 316 BGB den Verteilungsschlüssel festzulegen (vgl. BGH ZMR 1993, 263; siehe hierzu auch Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 8. Auflage, Rn. 4076 ff.). Eine Verteilung nach Einheiten erscheint nicht ohne weiteres unbillig. Eine absolute Verteilungsgerechtigkeit gibt es nicht. Das Bestimmungsrecht nach billigem Ermessen gibt dem Vermieter einen bis an die objektiven Grenzen reichenden Ermessenspielraum bei der Wahl der in Betracht kommenden Verteilungsschlüssel (OLG Hamm WM 1983, 315; OLG Düsseldorf ZMR 2000, 215 f.). Deshalb obliegt es im Streitfall zunächst dem Mieter, die Billigkeit der getroffenen Leistungsbestimmung substantiiert zu bestreiten (vgl. OLG Düsseldorf ZMR 2000, 215 f.). Solches ist hier indes durch den Beklagten nicht erfolgt. Allein der Hinweis darauf, dass er in seinen Räumen ein Gewerbe betreibt, während ein Teil der übrigen Objekte zur Wohnungsmiete genutzt werden, ist nicht ausreichend, die grobe Unbilligkeit des gewählten Maßstabs zu begründen. Eine Änderungsverpflichtung des Vermieters gemäß §§ 242, 315 BGB wird auch nur dann angenommen, wenn der bisherige Maßstab grob unbillig ist oder im Laufe der Zeit unbillig geworden ist (LG Düsseldorf WuM 1996, 777; Schmid, a.a.O., Rn. 4119), für einen Mieter zu nicht mehr hinnehmbaren Belastungen führt und ein Wechsel des Maßstabs möglich und zumutbar ist (vgl. Schmid, a.a.O., Rn. 4119 m.w.N.). Die Unbilligkeit muss evident sein und ein anderer Maßstab muss zu gerechteren Ergebnissen führen (LG Mannheim NZM 1999, 365; Schmidt, a.a.O., Rn. 4119). Das diese Voraussetzungen hier vorliegen, lässt sich dem Vorbringen des Beklagten nicht entnehmen.

d.

Die Kläger haben auch nicht auf die Abrechnung der Nebenkosten verzichtet. An das Vorliegen eines Verzichts sind hohe Anforderungen zu stellen. Die Abrechnungen wurden dem Beklagten fristgemäß zugeleitet, dies haben die Kläger unwidersprochen vorgetragen (s.o.). Damit wurden die Forderungen geltend gemacht. Allein die zunächst unterlassene Anmahnung der ausstehenden Beträge rechtfertigt keinen Rückschluss auf einen Verzicht. In den Schreiben vom 10. Dezember 2004 und vom 11. September 2006 haben die Kläger zudem die Zahlung der ab dem Jahr 2003 offenen Nebenkostenabrechnungen angemahnt. Dass die Kläger dem Beklagten im Schreiben vom 13. August 2007 (nicht vorgelegt) ankündigten, im Falle des Unterlassens der Zahlung der ausstehenden Ladenmieten auch die Nebenkostenabrechnungen der letzten drei Jahre geltend zu machen zeigt darüber hinaus, dass die Kläger ihre Forderungen durchaus im Blick hatten und lediglich bei einer zeitnahen Begleichung der offenen Mietzinsforderungen von einer Geltendmachung abgesehen hätten. Dieses Entgegenkommen hat der Beklagte allerdings nicht für sich genutzt, sondern sich auf die Zahlung der in der Sache unstreitigen Mietzinsforderungen verklagen lassen.

Dahingestellt bleiben kann, ob die Kläger auf die Bezahlung der Nebenkostenabrechnungen verzichtet haben, die sie im Hinblick auf eine eingetretene Verjährung gerichtlich nicht geltend machen. Die abgerechneten Nebenkosten ab dem Jahr 2003 sind aus den oben genannten Gründen davon keinesfalls erfasst.

e.

Die Ansprüche auf Zahlung von Nebenkosten sind auch nicht verwirkt. Denn dann müssten hierzu neben dem Zeitablauf besondere Umstände hinzukommen, die die Feststellung rechtfertigen könnten, der Vermieter habe die Forderung nicht mehr geltend machen wollen (BGHZ 91, 62 (71)). Der Ablauf eines längeren Zeitraums, innerhalb dessen der Anspruch nicht geltend gemacht worden ist, genügt im Allgemeinen nicht zur Annahme der Verwirkung. Der Verstoß gegen Treu und Glauben, der den Verwirkungstatbestand begründet, besteht in der Illoyalität der verspäteten Geltendmachung des Anspruchs, die darin zu sehen ist, dass die Forderung noch verfolgt wird, obwohl der Vertragspartner bereits darauf vertrauen durfte, dass keine Forderungen mehr geltend gemacht werden und er sich hierauf auch bereits eingerichtet hat (BGHZ 25, 47 (52); BGH NJW 1984, 1684 f.). Die Kläger haben die Nebenkosten jährlich abgerechnet und damit auch geltend gemacht, weshalb sich daraus nichts herleiten lässt (vgl. zu einer möglichen Verwirkung bei unterlassener Abrechnung von Nebenkosten: Senat ZMR 2000, 603 f.). Zudem haben sie die Zahlungen angemahnt. Insoweit darf auf die obigen Ausführungen unter I. 2. d. verwiesen werden.

II.

Die weiteren in § 522 Abs. 2 Ziffer 2 und 3 ZPO genannten Voraussetzungen liegen ebenfalls vor.

Der Senat weist darauf hin, dass die Rücknahme der Berufung vor Erlass einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO gemäß GKG KV 1222 S. 1, 2 kostenrechtlich privilegiert ist; statt vier fallen nur zwei Gerichtsgebühren an.

Ende der Entscheidung

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