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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 18.07.2005
Aktenzeichen: I-24 W 33/05
Rechtsgebiete: GKG, ZPO, BGB


Vorschriften:

GKG § 48
ZPO § 3
ZPO § 9
ZPO § 940
BGB § 535
Der Streitwert für die Durchsetzung von Konkurrenzschutz im Wege der einstweiligen Verfügung ist nach dem Erfüllungsinteresse des Mieters unter Berücksichtigung einer möglichen ordentlichen Kündigung des Mietvertrages durch den Vermieter sowie der Mietminderung und des Schadensersatzes auf Grund der Konkurrenz festzusetzen.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-24 W 33/05

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung seiner Richter Z, E und T am 18. Juli 2005

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der im Urteil vom 28. April 2005 der 17. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal festgesetzte Streitwert teilweise abgeändert und anderweitig auf bis zu 4.500 EUR festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe:

Die gemäß § 32 Abs. 2 RVG, §§ 63 Abs. 3 Satz 2, 68 Abs. 1 GKG aus eigenem Recht des Rechtsanwalts statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat in der Sache nur einen geringfügigen Teilerfolg. Statt des vom Landgericht festgesetzten Streitwerts von bis zu 4.000 EUR beträgt der richtige Streitwert bis zu 4.500 EUR. Soweit der Beschwerdeführer den Wert auf 24.939 EUR festgesetzt haben will, ist sein Rechtsmittel unbegründet.

I. In vermögensrechtlichen Streitigkeiten richtet sich der Streitwert mangels einer besonderen kostenrechtlichen Bestimmung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Interesse, dass die klagende Partei verfolgt, § 3 ZPO. Im Streitfall ging es dem Verfügungskläger (künftig Kläger genannt) als gewerblichem Mieter eines Blumenladens auf dem Marktplatz um die Durchsetzung eines behaupteten mietvertragsimmanenten Konkurrenzschutzes im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Er verlangte von der verfügungsbeklagten Stadt (künftig Beklagte genannt) als seiner Vermieterin, auf den durch Verwaltungsakt (Festsetzung gemäß §§ 67, 69 GewO) berechtigten Wochenmarktveranstalter in der Weise einzuwirken, dass dieser die Teilnahme eines angeblich konkurrierenden Marktbeschickers (Beet- und Topfpflanzenhändler) am zweimal wöchentlich stattfindenden Wochenmarkt unterbinde. Zu bewerten ist demnach das Interesse des Klägers, sein Gewerbe auf dem Marktplatz konkurrenzlos betreiben zu können. Das entspricht seinem Erfüllungsinteresse aus § 535 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB (vgl. BGH NJW 2000, 3142; Senat MDR 2001, 354 = OLGR Düsseldorf 2001, 231).

Der Wert des Erfüllungsinteresses orientiert sich zum einen an dem Minderwert der Mietsache (BGH aaO; Senat aaO), zum andern an dem Schaden, den der Kläger durch die Konkurrenz des Marktbeschickers nach seinem Vortrag erleiden muss. Der kumulierte Wert aus der Minderung (§ 536 Abs. 1 BGB) und dem Schadensersatz (§ 536a Abs. 1 BGB) ist die nach dem Gesetz vorgesehene Kompensation für das verletzte Erfüllungsinteresse. Der Umstand, dass der Senat in seiner schon zitierten Entscheidung (a.a.O.) nur die Minderung angesetzt hat, beruht darauf, dass in jenem Streitfall ein Schadensersatzanspruch weder geltend gemacht worden noch ein eingetretener Schaden ersichtlich gewesen ist.

II. Das durch Minderung und Schadensersatz repräsentierte Erfüllungsinteresse beträgt insgesamt nicht mehr als bis zu 4.500 EUR.

1. Bewertung der Minderungsinteresses

a) Der Senat setzt Anlehnung an seine Entscheidung vom 06. Juli 2001 (NZM 2001, 1033 = OLGR Düsseldorf 2002, 82) eine monatliche Minderungsquote von 20% der Miete an. Sie beträgt demnach (1.724,53 EUR x 20/100=) 344,91 EUR.

b) Das verfolgte Interesse ist gemäß § 3 ZPO mit dem dreifachen Monatsbetrag angemessen bewertet. Die (in anderem Zusammenhang vertretene) Ansicht des Klägers, das Interesse sei mit dem dreifachen Jahresbetrag zu bewerten, ist unzutreffend.

aa) Der Beschwerdeführer übersieht zunächst, dass einstweiliger Rechtsschutz vor allem für eine Leistungsverfügung, um welche es hier geht, nur vorübergehend gewährt wird, nämlich nur so lange, wie der Gläubiger keinen Rechtsschutz im ordentlichen Klageverfahren erlangen kann (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 940 Rn. 6.; ders./Herget, aaO, § 3 Rn. 16 Stichwort "Einstweilige Verfügung, Unterhaltsverfügungen" jew. m.w.N.).

bb) Der Beschwerdeführer verkennt aber vor allem, dass der Maßstab des § 9 Satz 1 ZPO, nachdem der Wert eines Rechts auf wiederkehrende Nutzungen und Leistungen von unbestimmter Dauer grundsätzlich mit dem 3,5-fachen Jahresbetrag des Bezugsrechts bewertet wird und der in geeigneten Fällen analog als Bewertungsrichtlinie herangezogen werden kann (vgl. BGH NJW 2000, 3142; Senat MDR 2001, 354 = OLGR Düsseldorf 2001, 231), dann zu keiner interessengerechten Bewertung der geforderten Leistung im Sinne des hier maßgeblichen § 3 ZPO führt, wenn es sich um ein durch den Vertragsgegner ordentlich kündbares Dauerschuldverhältnis handelt.

(1) Geht es um die Erfüllung eines befristeten und deshalb nicht ordentlich kündbaren Dauerschuldverhältnisses, geht das Interesse des Gläubigers (wie bei einer einmalig geschuldeten Leistung) auf die ganze Leistung bis zum Vertragsende. Wertmäßig wird es indes analog § 9 Satz 1 ZPO auf den 3,5-fachen Jahresbetrag begrenzt, wenn die Vertragslaufzeit über diese Zeitgrenze hinausgeht (vgl. BGH NZM 2005, 519 = GuT 2005, 179; NZM 2004, 423).

(2) Bei einem durch den Vertragsgegner ordentlich kündbaren Dauerschuldverhältnis ist das Leistungsinteresse des Gläubigers dagegen sehr viel geringer. Denn er muss von vornherein damit rechnen, dass der Vertragsgegner von seinem ordentlichen Kündigungsrecht unverzüglich Gebrauch macht, um die Erfüllung des bekämpften Anspruchs auf die kürzest mögliche Zeit zu begrenzen. Auf diesem Rechtsgedanken beruht auch die höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der der Ersatz eines Kündigungsschadens entsprechend dem begrenzten Erfüllungsinteresse auf die Zeit bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigung nach oben beschränkt ist (vgl. BGH NJW 1982, 870 = BGHZ 82, 121, 130 sub IV.1 (Leasingvertrag]; BGH NJW 1993, 1386 = BGHZ 122, 9, 12 sub II.3a [Handelsvertretervertrag]; BGH NJW-RR 1995, 715, 716 sub 4b [Mietvertrag]; BGH NJW 1988, 1967 = BGHZ 104, 337, 342 f sub II.3d [Darlehensvertrag]).

(3) Das hier umstrittene Vertragsverhältnis ist unbefristet und kann gemäß § 2 Satz 4 des Mietvertrags vom 21. Juli 1989 (MV) derzeit mit dreimonatiger Frist zum Ende eines jeden Kalendervierteljahrs jederzeit ordentlich gekündigt werden. Die Ansicht des Beschwerdeführers, infolge der rechtzeitigen Ausübung des Optionsrechts durch den Kläger gemäß § 2 Satz 2 MV sei der Mietvertrag nunmehr befristet bis zum 31. August 2009, findet in der Vertragsbestimmung keine rechtliche Stütze. Das Optionsrecht konnte der Kläger nach Ablauf der ersten Befristung am 31. August 1994 nur einmal ausüben. Hatte er es rechtzeitig ausgeübt, hatte sich der Mietvertrag einmalig bis zum Ablauf des 31. August 1999 verlängert. Danach sollte gemäß § 2 Satz 4 MV die gesetzliche Kündigungsregel des § 565 Abs. 1 Nr. 3 BGB (i.d.F. des bis zum 31. Dezember 1993 geltenden Gesetzes vom 18. Dezember 1974) gelten. Die spezielle Kündigungsregel des § 2 Satz 3 MV sollte nämlich nur zum Tragen kommen, wenn der Kläger sein Optionsrecht nicht (rechtzeitig) ausübte. Nach der hier - trotz zwischenzeitlicher Änderung der gesetzlichen Kündigungsfrist für Geschäftsräume (jetzt § 580a Abs. 2 BGB, davor § 565 Abs. 1a BGB a.F.) - vertraglich fortgeltenden Kündigungsbestimmung des § 565 Abs. 1 Nr. 3 BGB [1974] (vgl. dazu BGH NJW 2003, 2739 sub II 3a und BGH WuM 2204, 275) können Geschäftsräume bis zum dritten Werktag eines jeden Monats zum Ablauf eines Kalendervierteljahrs gekündigt werden. Mit Blick auf die Zustellung der Antragsschrift am 29. März 2005 konnte die Beklagte das Vertragsverhältnis also bis zum 3. Werktag des Monats April zum Ablauf des 30. Juni 2005 ordentlich kündigen. Bis zu diesem Zeitpunkt ist das Erfüllungsinteresse des Klägers begrenzt. Es beträgt hinsichtlich der Minderung demgemäß nur 1.034,73 EUR ( 3 Mon. x 344, 91 EUR).

2. Bewertung des Schadensersatzinteresses

Hinsichtlich des Schadensersatzinteresses gelten die zum Minderungsinteresse angestellten Erwägungen entsprechend. Es ist auf die Vertragslaufzeit bis zum Ablauf der erstmals möglichen ordentlichen Kündigung durch die Beklagte begrenzt.

Der Senat folgt der Berechnung des Beschwerdeführers zur Höhe des Schadens. Danach erleidet der Kläger bei einem Umsatzausfall in Höhe von 1.000 EUR je Markttag und einer Umsatzrendite von 12% einen Gewinnausfall in Höhe von 120 EUR/Markttag. Das schadensersatzrechtliche Erfüllungsinteresse des Klägers in der Zeit vom 01. April bis 30. Juni 2005 bezieht sich auf 13 Wochen (52 Wo ./. 12 Mon x 3 Mon) und bei zwei Markttagen pro Woche auf 26 Markttage. Es hat demnach einen Wert von 3.120 EUR (26 Markttage x 120 EUR/Markttag).

3. Das gesamte Erfüllungsinteresse des Klägers beträgt (1.034,73 EUR + 3.120 EUR) 4.154,73 EUR, so dass der Streitwert bis zur darüber liegenden Gebührenstufe von 4.500 EUR festzusetzen ist.

Ende der Entscheidung

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