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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 03.07.2008
Aktenzeichen: I-24 W 49/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 78 Abs. 5
ZPO § 91a
Sind Parteierklärungen vor dem Amtsgericht als übereinstimmende Erledigungserklärungen auszulegen, so behalten sie ihre Wirksamkeit, wenn der Rechtsstreit vor dem Landgericht als Anwaltsprozess fortgesetzt wird.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-24 W 49/08

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung seiner Richter Z., T. und S. am 3. Juli 2008

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verfügungsbeklagten gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 24. April 2008 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 17. Juni 2008 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Verfügungsbeklagten auferlegt.

Beschwerdewert: bis 2.500,00 EUR

Gründe:

I. Das gemäß §§ 91a Abs. 2 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel, über das der Senat gemäß § 122 Abs. 1 GVG in seiner vollen Besetzung zu entscheiden hat, bleibt ohne Erfolg. Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss die Kosten des in der Hauptsache erledigten Widerspruchsverfahrens nach Erlass einer einstweiligen Verfügung (nachfolgend: Verfügungsverfahren) dem Verfügungsbeklagten (künftig: Beklagter) gemäß § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO zu Recht auferlegt. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine davon abweichende Entscheidung.

1. Rechtsirrtümlich ist die Ansicht des Beklagten, das Landgericht habe mangels einer beiderseitigen Erledigungserklärung unter Verstoß gegen § 308 ZPO über die Kosten des Verfügungsverfahrens durch Beschluss entschieden.

a) Allerdings ist zutreffend, dass eine Kostenentscheidung im Beschlussverfahren gemäß § 91a Abs. 1 ZPO nur in Betracht kommt, wenn entweder beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären (Satz 1) oder wenn die beklagte Partei auf die Erledigungserklärung der klagenden Partei innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit deren Zugang nicht widerspricht und zuvor auf die gesetzliche Fiktion ihrer Zustimmung innerhalb der genannten Notfrist bei ausbleibendem Widerspruch hingewiesen worden ist (Satz 2).

b) Im Streitfall hat auch der Beklagte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das ergibt sich ohne jeden vernünftigen Zweifel aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 10. April 2008 vor dem Amtsgericht, wonach verlautbart ist:: "Die Parteien erklärten übereinstimmend:

Wir haben hinsichtlich des Zugangs inzwischen eine einvernehmliche Regelung gefunden. Wir streiten nur noch über die Kosten."

Der Sache nach handelt es sich um beiderseitige Erledigungserklärungen im Sinne des § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO. Dafür ist maßgeblich, dass die Parteien erklärt haben, keine Entscheidung in der Sache mehr zu wünschen, sondern nur noch eine Entscheidung des (zuständigen) Gerichts über die Kosten (zur Auslegungfähigkeit und -bedürftigkeit von Erledigungserklärungen vgl. BGH NJW 2004, 506, 509).

c) Diese von den Parteien im Parteiprozess wirksam abgegebenen Prozesserklärungen behielten ihre Wirksamkeit auch nach dem durch die Verweisung an das Landgericht ausgelösten Übergang in den Anwaltsprozess, in welchem nur zugelassene Rechtsanwälte postulationsfähig sind (§ 78 Abs. 1 ZPO). Die Parteien bleiben nämlich auch vor dem Landgericht postulationsfähig für solche Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftstelle vorgenommen werden können, § 78 Abs. 5 ZPO. Zu diesen zugelassenen Prozesshandlungen gehört die Erledigungserklärung, wie sich aus § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO ergibt.

d) Auch ein Widerruf durch den Prozessbevollmächtigten des Beklagten hat nicht stattgefunden. Abgesehen davon, dass nach beiderseitiger Erledigungserklärung ein einseitiger Widerruf nicht zulässig ist (vgl. BGH NJW 2002, 442), ergibt sich aus den nachfolgend protokollierten Erklärungen der Prozessbevollmächtigten kein solcher Widerruf der Erledigungserklärungen. Aus ihnen ergibt sich nur, dass die Parteien unterschiedlicher Meinung darüber gewesen sind, welches Gericht für das Widerspruchsverfahren zuständig sei, also auch über die Kostenverteilung des in der Hauptsache für erledigt erklärten Rechtsstreits zu befinden hat. Diesbezüglich hat sich das Amtsgericht schließlich der Rechtsauffassung des Beklagten angeschlossen und es hat den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag der (Verfügungs-)Klägerin an das Landgericht verwiesen. Dort ist der Rechtsstreit in der Lage anhängig geworden, in der er sich bei Verweisung befunden hat, also mit wirksamen und übereinstimmenden Erledigungserklärungen zur Hauptsache, als deren Folge das Landgericht über die Kosten zu entscheiden hatte.

2. In der Sache hat das Landgericht die Kosten des erledigten Verfügungsverfahrens zu Recht dem Beklagten auferlegt. Wäre es nicht zu einer Einigung der Parteien in der Sache gekommen und hätte dass Widerspruchsverfahren durchgeführt werden müssen, wäre der Beklagte unterlegen gewesen. Die vom Amtsgericht erlassene einstweilige Verfügung hätte durch ein Urteil bestätigt werden müssen.

a) Für den im Wege des Verfügungsverfahrens verfolgten Besitzschutz ist es ganz belanglos, ob die Klägerin auf der Grundlage eines Mietverhältnisses über die bezeichneten Räume schuldrechtlich noch ein Recht zum Besitz hatte. Maßgeblich ist gemäß §§ 858 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB allein, dass die umstrittenen Flächen der Klägerin zur Nutzung überlassen worden sind, so dass sie an ihnen berechtigten Besitz ausgeübt hat (§ 854 Abs. 1 BGB) und im Zeitpunkt der Antragstellung mangels Schlüsselrückgabe noch nicht aufgegeben hatte (vgl.§ 856 Abs. 1 BGB). In dieser Position ist sie berechtigt, jede durch verbotene Eigenmacht eintretende Besitzstörung auch dann erfolgreich abzuwehren, wenn sie nach dem einschlägigen Mietrecht kein Recht zum Besitz (mehr) haben sollte.

b) Die Auswechslung des Türschlosses gegen den Willen der Klägerin stellte eine Beeinträchtigung ihres Besitzes dar und war demnach verbotene Eigenmacht des Beklagten. Der von ihm beanspruchte Besitz an den umstrittenen Räumen muss gerichtlich geltend gemacht werden. In einem solchen (ordentlichen) Verfahren ist zu klären, ob ihm ein Recht zur Herausgabe des Grundstücks zusteht. Gegen den Willen des Besitzers kann dieses Recht nur auf der Grundlage eines (vorläufig) vollstreckbaren Titels im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden. Selbsthilfe ist nur in wenigen Ausnahmefällen, die hier nicht in Betracht kommen, erlaubt.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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