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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 29.04.2009
Aktenzeichen: I-24 W 9/09
Rechtsgebiete: GVG, SGB III


Vorschriften:

GVG § 13
GVG § 17a
SGB III § 37c
Für Streitigkeiten zwischen einem Personalvermittlungsunternehmen ("Personalserviceagentur") und der Bundesagentur für Arbeit und deren Regionalagenturen um die von diesen geschuldeten Vergütungen (Fallpauschalen, Vermittlungsprämien) ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-24 W 9/09

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch seine Richter Z., T. und S. am 29.04.2009

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortigen Beschwerden beider Parteien wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 02.12.2008 abgeändert und neu gefasst:

Zur Entscheidung über die Klage vom 19.11.2007 ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zulässig.

Das Verfahren wird zur Entscheidung über die Hauptsache an das Landgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 4.000 €.

Gründe:

I.

Der Kläger macht mit seiner Klage Ansprüche der Insolvenzschuldnerin gegen die Beklagte aus einem am 30.05./25.06.2003 auf der Grundlage des § 37 c SGB III geschlossenen "Vertrag über die Einrichtung und den Betrieb einer Personal-Service-Agentur" geltend.

Durch die angefochtene Entscheidung, auf die wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, hat das Landgericht den Rechtsweg vor den Zivilgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesen.

Gegen diese ihren jeweiligen Prozessbevollmächtigten am 10.12.2008 zugestellte Entscheidung wenden sich beide Parteien mit ihren Rechtsmitteln. Sie halten den Zivilrechtsweg nach § 13 GVG für eröffnet, da der Vertrag der Beklagten mit der Insolvenzschuldnerin privatrechtlicher und nicht öffentlich-rechtlicher Natur sei.

Das Landgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Das gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG in Verbindung mit §§ 567 ff. ZPO als sofortige Beschwerde statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel, über welches der Senat in seiner vollen Besetzung entscheidet (§ 122 Abs. 1 GVG), hat in der Sache Erfolg. Der vom Kläger zu den ordentlichen Gerichten beschrittene Rechtsweg ist entgegen der Auffassung des Landgerichts gemäß § 13 GVG zulässig; hingegen ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Sozialrechtssachen verschlossen, weil es im Streitfall an der notwendigen bundesgesetzlichen Rechtswegzuweisung zu dieser besonderen Gerichtsbarkeit fehlt und das streitige Rechtsverhältnis bürgerlich-rechtlicher Natur ist.

1.

Das Landgericht ist im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Beurteilung, ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, bei Fehlen einer ausdrücklichen Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers nach der Natur des Rechtsverhältnisses richtet, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Maßgeblich für die Abgrenzung ist die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag des Klägers darstellt, und nicht, ob dieser sich auf eine zivilrechtliche oder eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (vgl. GmS-OGB BGHZ 97, 312, 313 [Orthopädische Hilfsmittel]; GmS-OGB BGHZ 102, 280, 283; GmS-OGB BGHZ 108, 284, 286; BGHZ 119, 93, 95 [Selbstzahler]; BVerwGE 96, 71, 73 f.; BGHZ 130, 13 [Remailing]; BSG SozR 4-1720 § 17a Nr. 3 [Abrechnungsbetrug]; BSG SozR 3-1720 § 17 a Nr. 10 [berufliche Bildungsmaßnahme]). Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob sich ein Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen Rechtsnormen des öffentlichen Rechts bedient. Zu prüfen ist danach, welche Rechtsnormen den Sachverhalt prägen und für die Beurteilung des Klagebegehrens objektiv herangezogen werden können.

2.

Der Kläger stützt seinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihre vertragliche Verpflichtung gegenüber der Insolvenzschuldnerin zur Zahlung der vertraglich versprochenen Fallpauschalen und Vermittlungsprämien nicht erfüllt habe. Beruht die Streitigkeit auf einem Vertrag, so kann allerdings allein aus dem damit verbundenen Gleichordnungsverhältnis der Vertragsparteien noch nicht auf eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit geschlossen werden; vielmehr ist auf die Rechtsnatur des Vertrages, also darauf abzustellen, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzurechnen ist (GmS-OBG in NJW 1974, 2087; BSG SozR 3-1720 § 17 a Nr. 10). Dabei ist für den öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen einem Träger öffentlicher Verwaltung und einer Privatperson typisch, dass er an die Stelle einer sonst möglichen Regelung durch Verwaltungsakt tritt (vgl. § 53 Abs. 1 Satz 2 BSG X).

3.

Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Insolvenzschuldnerin war gemäß § 37 c Abs. 1 S. 2 SGB III die der Insolvenzschuldnerin als Personal-Service-Agentur (im folgenden: PSA) übertragene Aufgabe, eine Arbeitnehmerüberlassung zur Vermittlung von Arbeitslosen in Arbeit durchzuführen sowie ihre Beschäftigten in verleihfreien Zeiten zu qualifizieren und weiterzubilden. Dieser Vertrag stand damit im Zusammenhang mit der Erfüllung der den Agenturen für Arbeit nach den Vorschriften des SGB III obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben. Allein aus der gesetzlichen Verpflichtung der Arbeitsagenturen zur Arbeitsvermittlung und zur Förderung der beruflichen Weiterbildung von arbeitslosen Arbeitnehmern lässt sich allerdings noch nicht auf einen öffentlich-rechtlichen Charakter der vertraglichen Beziehungen zwischen der Arbeitsagentur und der jeweiligen PSA schließen. Denn das öffentlich-rechtlichen Normen folgende Verhältnis zwischen der Arbeitsverwaltung und Arbeitssuchenden prägt nicht zugleich das hiervon zu unterscheidende Verhältnis zwischen der Arbeitsverwaltung und den zur Durchführung der Arbeitsvermittlung und Weiterbildung eingeschalteten privatrechtlichen Unternehmern.

4.

Entscheidend ist vielmehr, ob Normen des öffentlichen Rechts für den Abschluss und die Durchführung des zwischen der Agentur für Arbeit und der jeweiligen PSA geschlossenen Vertrages derart maßgebend sind, dass auf die hoheitliche Natur des Rechtsverhältnisses geschlossen werden muss. Es reicht nicht aus, dass mit dem Vertrag öffentliche Aufgaben wahrgenommen werden sollen. Denn die öffentliche Verwaltung kann die ihr anvertrauten Aufgaben auch in der Form und mit den Mitteln des Privatrechts erfüllen (BVerwGE 92, 56; BVerwG DVBl 2007, 969; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 54 Rn. 76). Es kommt vielmehr darauf an, ob die das vereinbarte Rechtsverhältnis beherrschenden (wesentlichen) Rechtsnormen für jedermann gelten oder Sonderrecht des Staates oder sonstiger Träger sind, das sich zumindest auf einer Seite nur an Hoheitsträger wendet (Stelkens/Bonk/Sachs aaO m.w.N.).

5.

Solches ist hier nicht der Fall:

Die einschlägigen Regelungen des SGB III geben keinen zureichenden Hinweis auf die öffentlich-rechtliche Natur des Vertragsverhältnisses, so dass sich die hier streitige Abwicklung des Vertragsverhältnisses allein nach privatrechtlichen Normen beurteilt (ebenso ausdrücklich für die Rechtsbeziehung zwischen Arbeitsverwaltung und Bildungsträgern: BSG SozR 3-1720 § 17 a Nr. 10). Zwar mag es sein, dass das Spektrum der von der Insolvenzschuldnerin übernommenen arbeitsmarktorientierten Integrationsbemühungen (von Bewerbungstraining über Coaching bis zur assistierten Vermittlung) über den Kreis der für einen Arbeitnehmerverleiher üblichen Aufgaben hinausgeht. Ihrem Charakter nach handelt es sich aber durchgängig um Servicetätigkeiten, die als solche keinen Bezug zu hoheitlicher Verantwortung erkennen lassen. Die Einschaltung der PSA durch die Arbeitsverwaltung im Wege des Vertragsschlusses stellt sich danach letztlich als fiskalisches Hilfsgeschäft, als Beschaffungsvertrag dar, für den allein die allgemeinen Regeln des bürgerlichen Gesetzbuches gelten (ebenso: Gagel/Peters-Lange, SGB III, 24. Ergänzungslieferung 2009, Rn. 13). Diese Beurteilung entspricht auch der bisherigen Entscheidungspraxis des Senats (vgl. Beschluss vom 13.11.2006, I-24 U 91/06 n.v.)

6.

Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich schließlich auch nicht aus dem vom Landgericht herangezogenen Vergleich mit einem auf der Basis des § 124 Abs. 1 BauGB geschlossenen Erschließungsvertrag, der nach allgemeiner Auffassung als öffentlich-rechtlicher Vertrag anzusehen ist. Denn Gegenstand eines Erschließungsvertrages ist die Übernahme der Verpflichtung der Gemeinde zur (öffentlich-rechtlichen) Erschließung von Baugrundstücken durch einen privaten Dritten. Da der Dritte die öffentliche Aufgabe der Erschließung - und nicht etwa nur die Herstellung der Erschließungsanlage im Auftrag der Gemeinde - übernimmt, ist der Erschließungsvertrag dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Im Gegensatz dazu hatte es die Insolvenzschuldnerin als "Service-Agentur" lediglich übernommen, die für die Arbeitsvermittlung notwendigen Dienstleistungen zu erbringen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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