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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 21.01.2009
Aktenzeichen: I-3 U 28/08
Rechtsgebiete: AVBEItV, ZPO, BGB


Vorschriften:

AVBEItV § 20
AVBEItV § 20 Abs. 2
AVBEItV § 21
AVBEItV § 21 Abs. 1 Satz 1
AVBEItV § 21 Abs. 2
ZPO § 529
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 3
BGB § 433 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 22. Februar 2008 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg wird - soweit die Klage nicht zurückgenommen ist (64,90 Euro = 57,30 Euro + 7,60 Euro Mahnkosten) - auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug betragt: Bis 3.500,- Euro.

Gründe:

I.

Der Beklagte bezog für seine mit Nachtspeicheröfen ausgestattete Wohnung in Voerde für die Zeit vom 13. Oktober 2000 bis zum 03. November 2005 aufgrund eines Vertrages mit der Klägerin vom 31. Oktober 2000 auf der Basis der Allgemeinen Versorgungsbedingungen (AVBEltV) Stromleistungen, deren Vergütung die Klägerin begehrt.

Die Klägerin erteilte dem Beklagten, der alle zwei Monate Abschlagszahlungen von 100,- Euro zu leisten hatte, zunächst unter Berücksichtigung geleisteter Zahlungen - später stornierte - Jahresabrechnungen vom 05. Juli 2001 über 183,60 Euro, 06. Juli 2002 über 142,41 Euro, 07. Juli 2003 über 145,13 Euro und vom 07.Juli 2004 über 155,36 Euro. Diese Rechnungen beruhten jeweils auf Verbrauchsschätzungen. Bis zum 05. Januar 2005 wurde der Stand des Stromzählers weder abgelesen noch mitgeteilt.

Die Klägerin hat den Beklagten auf der Basis berichtigter Jahresabrechnungen vom 19. Mai, 13. Juli 2005 und der Schlussrechnung vom 14. November 2005 auf Zahlung von 5.806,13 Euro klageweise in Anspruch genommen und ihre Forderung wie folgt aufgeschlüsselt:

Zeiträume

 (1) 13. Oktober 2000 bis 29. Juni 2004 1.110,96 Euro
(2) 25. Juni 2001 bis 27. Juni 2002 1.316,62 Euro
(3) 27. Juni 2002 bis 25. Juni 2003 1.378,96 Euro
(4) 25. Juni 2003 bis 29. Juni 2004 1.472,87 Euro
(5) 29. Juni 2004 bis 26. April 2005 1.554,83 Euro
(6) 27. April bis 03. November 2005 650,18 Euro
 7.484,43 Euro
Abzüglich 
Stornorechnungen 626,50 Euro
Zahlung auf die Schlussrechnung vom 14. November 2005 374,- Euro
Zahlung 03. Mai 2005 300,- Euro
Zahlung 07. September 2005 347,- Euro
Zahlung 10. Oktober 2005 30,80 Euro
 5.806,13 Euro.

Am 10. Oktober 2005 stellte die Klägerin dem Beklagten diesen Betrag in Rechnung und mahnte ihn unter dem 20. September und 16. Dezember 2005.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.806,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit - dem 09. Juli 2006 - zuzüglich 7,60 Euro zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die seitens der Klägerin im Jahr 2005 durchgeführten Berechnungen als fehlerhaft beanstandet, unberücksichtigte Zahlungen aus Dezember 2005 (150,90 Euro) und Februar 2006 (154,70 Euro) reklamiert sowie Verjährung und Verwirkung eingewendet.

Das Landgericht hat den Beklagten am 22. Februar 2008 verurteilt, an die Klägerin 5.806,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09. Juli 2006 sowie weitere 7,60 Euro zu zahlen.

Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, die Klägerin könne vom Beklagten Zahlung von noch 5.806,13 Euro aus dem zwischen den Parteien bestehenden Stromlieferungsvertrag verlangen. Der Abschluss eines Stromlieferungsvertrages und Stromlieferungen seitens der Klägerin als solche seien zwischen den Parteien unstreitig.

Die Klägerin habe ihrer Berechnung aus dem Jahre 2005 den tatsächlich abgelesenen Zählerstand zugrunde gelegt und die gemessene Strommenge linear auf die vorangegangenen Jahre verteilt. Diese Vorgehensweise der Klägerin sei rechnerisch zutreffend und beanstande der Beklagte nicht.

Unter Berücksichtigung der von der Klägerin angegebenen Zahlungen und Stornorechnungen ergebe sich der mit der Klage geltend gemachte Betrag von 5.806,13 Euro. Weitere Zahlungen in Höhe von 150,90 Euro bzw. 154,70 Euro habe der Beklagte nicht belegt.

Ohne Erfolg bestreite der Beklagte, in den in den Rechnungen bezeichneten Zeiträumen die darin aufgeführten Strommengen tatsächlich bezogen und verbraucht zu haben. Unstreitig habe die Klägerin den Stromverbrauch anhand des zur Wohnung des Beklagten gehörenden Stromzählers ermittelt. Substantiierte Einwendungen des Beklagten gegen die Richtigkeit der gemessenen Strommenge seien nicht ersichtlich. Sie ließen sich insbesondere nicht daraus herleiten, dass die Klägerin während der Laufzeit des Stromlieferungsvertrages nicht auf einer konkreten Zählerablesung beruhende Jahresabrechnungen erstellt habe.

Die Forderung der Klägerin sei auch weder verjährt noch verwirkt.

Der Beklagte könne sich schließlich nicht mit Erfolg auf § 21 Abs. 2 AVBEItV berufen, weil vorliegend Fehler in der Feststellung des Stromverbrauchs nicht vorlägen. Insbesondere seien die Schätzungen der Klägerin, wenn auch nicht mit dem tatsächlichen Stromverbrauch des Beklagten identisch, nicht als Fehler in diesem Sinne anzusehen.

Mit der rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Beklagte unter Wiederholung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens sein ursprüngliches Klageabweisungsbegehren insoweit weiter, als er dazu verurteilt worden ist, an die Klägerin mehr als 2.331,87 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basissatz seit dem 09. Juli 2006 zu zahlen, erstrebt also die Klageabweisung in Höhe von 3.474,26 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09. Juli 2006 sowie weiterer 7,60 Euro.

Die Klägerin, die im Senatstermin die Klage hinsichtlich der Nebenkosten sowie der Mahnkosten zurückgenommen hat, bittet um Zurückweisung der Berufung.

Auch sie wiederholt und vertieft ihren früheren Vortrag.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Klägerin die Klage wegen Nebenkosten in der von dem Beklagten reklamierten Höhe von 57,30 Euro sowie Mahnkosten von 7,60 Euro zurückgenommen hat.

Das Landgericht hat im Übrigen die Klage zu Recht zugesprochen. Das Urteil der Kammer beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

2.

Das Landgericht hat den geltend gemachten Anspruch der Klägerin zutreffend bejaht.

Der Klägerin steht gemäß § 433 Abs. 2 BGB auf Grund des zwischen den Parteien bestehenden Stromlieferungsvertrags ein Anspruch auf Zahlung von 5.748,83 Euro (5.806,13 Euro - 57,30 Euro) zu.

In Höhe von 2.331,87 Euro greift der Beklagte die landgerichtliche Verurteilung zur Zahlung nicht an, der Anspruch ist aber auch im Übrigen gegeben.

a)

Es kann dahinstehen, ob die von Seiten des Beklagten vorgebrachten Einwände gegen den Zahlungsanspruch der Klägerin in Ermangelung offensichtlicher Rechnungsfehler schon mit Blick auf § 30 Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 (AVBEltV) womöglich nicht zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung berechtigen. Denn sie sind jedenfalls nicht geeignet, den Klageanspruch ganz oder teilweise zu Fall zu bringen oder seine Durchsetzbarkeit zu hindern.

b)

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klägerin nicht durch § 21 Abs. 2 AVBEltV gehindert, Stromkosten verlangen, die vor dem 11. März 2003 angefallen sind. Hiernach sind Nachforderungen der Stromversorgungsunternehmen nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AVBEltV auf längstens 2 Jahre beschränkt.

§ 21 Abs. 1 Satz 1 AVBEltV bestimmt, dass der zu viel oder zu wenig berechnete Betrag zu erstatten oder nach zu entrichten ist, wenn eine Prüfung der Messeinrichtungen eine Überschreitung der Verkehrsfehlergrenzen ergibt oder Fehler in der Ermittlung des Rechnungsbetrags festgestellt werden. Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass technische Mängel oder menschliches Versagen bei der Erfassung und Abrechnung der gelieferten Energie auch bei sorgfältiger Kontrolle und Organisation der Verbrauchserfassung und -abrechnung nicht zu vermeiden sind und innerhalb des auf zwei Jahre beschränkten Zeitraums des Absatzes 2 müssen nachberechnet werden können. Die Beschränkung auf zwei Jahre gilt nur für Berechnungsfehler, die auf fehlerhafte Messeinrichtungen, auf Ablesefehler oder auf eine falsche kaufmännische Berechnung des Strompreises zurückzuführen sind (BGH NJW-RR 2004, 1352). All dies war nicht der Fall; die Abrechnungen beruhen nicht auf solchen Fehlern.

Die Klägerin hat vielmehr - ob zu Recht oder zu Unrecht, ist letztlich nicht von Belang - die Abrechnung auf eine Schätzung gestützt.

Wird die Berechnung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 AVBEltV auf eine Schätzung gestützt, so ist dies eine zulässige Berechnungsmethode, die gleichwohl die konkrete Berechnung auf Grund Ablesens zu einem nachfolgenden Zeitraum nicht ausschließt (Hempel/Franke, § 20 AVBEltV Rdnr. 9). Sollten die Voraussetzungen für eine Schätzung nicht vorgelegen haben, kehrt sich dieser Vorgang nicht in einen Berechnungsfehler um, sondern berechtigt den Kunden nur dazu, die Unzulässigkeit der Schätzung geltend zu machen. Ein eventueller Verstoß der Klägerin hat daher keine Sanktionswirkung zur Folge. Die nachteiligen Rechtsfolgen erschöpfen sich in den Fällen, in denen nicht konkret abgelesen werden kann darin, dass der Energieversorger im Nachhinein auf andere Art und Weise den tatsächlichen Verbrauch darlegen muss (OLG Hamm NJW-RR 2007, 1650, 1651).

Dies wird hier aber nicht relevant. Denn mit seinem Rechtsmittel greift der Beklagte die Höhe des Verbrauchs nicht mehr an.

Der Beklagte kann sich auch nicht in entsprechender Anwendung des § 21 Abs. 2 AVBEltV auf die darin verankerte zeitliche Beschränkung für Nachforderungen berufen. Denn Fälle der unterbliebenen Abrechnung fallen nicht unter § 21 AVBEltV (OLG Hamm a.a.O.; vgl. BGH, NJW-RR 1987, 237 m.w.N.; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1987, 945 a. A. aber LG Kleve IR 2007, 183). Die Beschränkung des Nachberechnungs- und Nachforderungsrechts auf einen Zeitraum von zwei Jahren basiert auf dem Gedanken des Schutzes des Vertrauens des Kunden darin, dass die ihm auf Grund einer vorangegangenen Ablesung erteilte Rechnung vollständig und richtig ist. Ein solches Vertrauen kann Derjenige nicht gewonnen haben, der über einen langen Zeitraum hinweg Energie bezieht, ohne jemals eine Rechnung von dem Energieversorger erhalten zu haben. Dass dieser nicht kostenlos liefert, versteht sich von selbst.

Dem vergleichbar ist die Situation, dass die Abrechnung für den Kunden erkennbar auf einer Schätzung beruht. Ein Vertrauenstatbestand kann hier nicht entstehen, weil seitens des Energieversorgers offen gelegt wird, dass die Abrechnung nicht nach dem tatsächlichen Verbrauch, sondern auf Grund einer Verbrauchsschätzung erfolgt ist (OLG Hamm a.a.O. mit Nachw.). Die Schätzung ist zwar unter den Voraussetzungen des § 20 AVBEltV eine zulässige Art der Berechnung. Der Schätzung ist aber eigen, dass sie immer nur einen mehr oder weniger genauen Annäherungswert bringt, quasi die Veranlagung eines Irrtums in sich trägt und daher nicht die Qualität des Ablesens als Maßnahme einer konkreten Verbrauchserfassung haben kann. Da jedweder Energieverbrauch zur Vermeidung einer Übervorteilung der einen oder anderen Seite nicht auf Grund einer pauschalen Schätzung, vielmehr nach tatsächlichem Verbrauch nach kw/h berechnet wird, weiß der Kunde, dass die ihm erteilte und auf einer Verbrauchsschätzung beruhende Abrechnung nur eine vorläufige sein kann, mit deren Ersetzung durch eine Abrechnung entsprechend dem durch Ablesung ermittelten tatsächlichen Verbrauch er jederzeit - vorbehaltlich eines begründeten Verjährungs- oder Verwirkungseinwands - rechnen muss (OLG Hamm a.a.O.).

Die Kenntnis des Beklagten, dass die ursprünglichen - inzwischen stornierten - Stromrechnungen vom 05. Juli 2001 (bis 21. Juli 2001), 06.07.2002 (bis 22. Juli 2002) und 06. Juli 2002 (bis 22. Juli 2002) nur auf Schätzungen der Klägerin beruhen konnten, ergibt sich vorliegend zwanglos daraus, dass diese Abrechnungsergebnisse nicht enthielten, die Klägerin nicht hatte ablesen lassen und der Beklagte ihr Abrechnungsergebnisse für diese Rechungszeiträume nicht mitgeteilt hatte.

c)

Auch auf Verjährung bzw. Verwirkung kann der Beklagte sich vorliegend nicht mit Erfolg berufen.

aa)

Der im Berufungsrechtzug in Rede stehende Anspruch der Klägerin auf die Nachentrichtung von Stromkosten für die Zeit vom 13. Oktober 2000 bis 10. März 2003 ist nicht verjährt.

Die Verjährung hat nicht bereits mit der Erteilung der ursprünglichen, auf Schätzung basierenden Rechnungen vom 05. Juli 2001, 06. Juli 2002 und 07. Juli 2003 begonnen, die der Beklagte zudem längst beglichen hat, sondern erst im Zeitpunkt der Erteilung der Rechnungen über die Nachforderung (Zugang der Rechnungen vom 13. Juli 2005). Denn maßgeblich für den Verjährungsbeginn ist der Zeitpunkt, zu welchem der Anspruch erstmalig geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann, d. h. der Zeitpunkt, in dem die Forderung fällig wird (BGH, NJW 1982, 930, 931). Dabei steht der Verjährung nicht entgegen, dass die Klägerin objektiv die Möglichkeit gehabt hätte, die der Nachzahlungsforderung zugrunde liegenden Stromlieferungen schon früher zu berücksichtigen. Denn maßgebend für den Verjährungsbeginn ist nicht der Zeitpunkt, zu dem die Klägerin die Fälligkeit durch Vorlage einer Abrechnung hätte herbeiführen können, sondern der Zeitpunkt, an dem die Nachforderungsansprüche fällig werden (BGH a.a.O.; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1987, 945).

Dieser Zeitpunkt liegt hier nicht vor der Erteilung der Rechnungen über die Nachforderung (Zugang der Rechnungen vom 13. Juli 2005). Hieraus folgt, dass das neue, ab 01. Januar 2002 geltende, Recht anzuwenden ist, wonach die dreijährige Verjährung (§ 195 BGB) Ende 2005 begonnen hat (§ 199 Abs. 1 Nr. 1/2 BGB), diese durch Zustellung des Mahnbescheids am 08. Juli 2006 gehemmt wurde, § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB und die Nachforderung demnach nicht verjährt ist.

bb)

(a)

Die Voraussetzungen der Verwirkung liegen ebenfalls nicht vor.

Die Verwirkung eines Anspruchs ist ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens. Sie schließt die illoyal verspätete Geltendmachung eines Rechts aus (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH NJW 2007, 2183; NJW 2006, 219 und zuletzt Urteil vom 13. Febr. 2008 - VIII ZR 14/06 - in NJW 2008, 1302). Danach ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (BGH NJW 2006, 219). Notwendig für die Verwirkung ist immer, dass sich der Verpflichtete mit Rücksicht auf das Verhalten des Berechtigten darauf eingerichtet hat, dass dieser das ihm zustehende Recht nicht mehr geltend machen werde, dass es mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren ist, dass der Berechtigte später doch mit dem ihm zustehenden Recht hervortritt und dass unter diesem Gesichtspunkt die Leistung für den Verpflichteten unzumutbar ist (BGH NJW 2007, 2183 m.N.)

Die Annahme einer Verwirkung setzt somit neben dem Zeitablauf (sog. Zeitmoment) das Vorliegen besonderer, ein Vertrauen des Verpflichteten begründender Umstände voraus (sog. Umstandsmoment: BGH NJW 2006, 219). Entscheidend sind dabei die Umstände des Einzelfalls, wobei der Art und der Bedeutung des Rechts, um dessen Verwirkung es geht, besondere Bedeutung zukommt (BGH NJW 2007, 2183 m.N.).

(b)

Vieles spricht dafür, dass im vorliegenden Fall bereits das Zeitmoment nicht erfüllt ist; dies kann aber offen bleiben. Denn es fehlt jedenfalls am Umstandsmoment.

Die Klägerin hat gemäß § 20 Abs. 2 AVBEltV den Verbrauch des Beklagten auf der Grundlage der letzten Ablesung geschätzt und jährlich eine Rechnung übersandt. Der Beklagte konnte ohne Schwierigkeiten die geschätzte Verbrauchsmenge mit dem jeweiligen Stand des Stromzählers vergleichen und gegebenenfalls Einwendungen erheben. In Anbetracht dieses Umstands sind schon Anhaltspunkte für ein Vertrauen des Beklagten auf die deutlich unter dem tatsächlichen Zählerstand liegenden Schätzungen der Verbrauchsmenge nicht ersichtlich (s. LG Berlin NJOZ 2003, 2203, 2205).

Überdies fehlt es an einer Vertrauensinvestition des Beklagten. Sein Vortrag, er hätte bei Kenntnis von dem erhöhten Stromverbrauch diesen gegebenenfalls reduzieren oder seinen Konsum einschränken können, reicht hierzu schon deshalb nicht aus, weil der Beklagte zwar vorträgt, was er in Kenntnis des höheren Stromverbrauchs hätte tun können, nicht indes darlegt, dass er dies auch getan haben würde.

Nach alledem ist die Berufung des Beklagten - soweit sie sich nicht auf den zurückgenommen Teil der Klage bezieht - zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1; 269 Abs. 3 Satz 2; 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 1/2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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