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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 31.08.2007
Aktenzeichen: I-3 VA 2/07
Rechtsgebiete: ZPO, InsO, EGGVG, DRiG, KostO


Vorschriften:

ZPO § 168 Abs. 1
ZPO § 168 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 168 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 573
InsO § 2
InsO § 4
EGGVG § 23
EGGVG § 24 Abs. 1
EGGVG § 30 Abs. 2 Satz 1
EGGVG § 30 Abs. 3
DRiG § 26 Abs. 3
KostO § 30 Abs. 2 Satz 1
KostO § 30 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Geschäftswert: 3.000 €

Gründe:

I.

Seit Juli 2006 besteht eine Vereinbarung des Landes Nordrhein-Westfalen, vertreten durch die Präsidentin des OLG Düsseldorf, mit einem Unternehmen der "P."-Gruppe, in der dieses Unternehmen und vertragliche zugelassene Subunternehmen mit der allgemeinen Briefzustellung und der Ausführung der förmlichen Zustellungen unter anderem für die ordentlichen Gerichte des OLG-Bezirks Düsseldorf beauftragt worden sind. Mit an den Antragsgegner gerichtetem Erlass vom 28. März 2007 hat die Präsidentin des OLG Düsseldorf gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass sich die Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei der Durchführung von Zustellungen nach § 168 Abs. 1 Satz 2 ZPO ausschließlich der hiermit vertraglich beauftragten Unternehmen bedienen. Im selben Erlass hat die Präsidentin des OLG Düsseldorf die Auffassung vertreten, der mit der Sache befasste Richter bzw. Rechtspfleger sei nicht befugt, das mit der Zustellung eines gerichtlichen Schriftstücks zu beauftragende Postdienstleistungsunternehmen zu bestimmen; dies sei vielmehr Aufgabe der insoweit an die Weisungen des Behördenleiters gebundenen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, und auch die von Art. 97 GG garantierte richterliche Unabhängigkeit rechtfertige keine andere Beurteilung.

In einem Insolvenzeröffnungsverfahren kam eine zur Zustellung an den Schuldner aufgegebene Postsendung als unzustellbar zurück, weil der Empfänger unbekannt verzogen sei. Daraufhin ordnete der Richter des Insolvenzgerichts des Amtsgerichts D. mit Beschluss vom 27. April 2007, gestützt auf §§ 168 Abs. 1 ZPO, 4 InsO, an, die Postsendung sei dem Adressaten unter der dort angegebenen Anschrift durch die Deutsche Post AG gegen Zustellungsurkunde zuzustellen; zur Begründung führte er an, der Zustellungsvermerk des Postbeförderungsunternehmens sei derart gedankenlos verfasst worden, dass dieses Postunternehmen als zur Zustellung ungeeignet anzusehen sei, weshalb es geboten sei, einen Zustellungsversuch durch die Deutsche Post AG unternehmen zu lassen. Die Verfahrensakte wurde dem Antragsgegner "zur Ausführung des Beschlusses" übersandt. Dieser teilte mit Schreiben vom 9. Mai 2007 mit, die begehrte Ausführung sei ihm nicht möglich, weil sie gegen die Anweisung der Präsidentin des OLG Düsseldorf verstoße. Mit weiterem Schreiben vom 23. Mai 2007 lehnte es der Antragsgegner erneut ab, die angeordnete Zustellung durch die Deutsche Post AG zu veranlassen; zugleich legte er die Sache dem Präsidenten des Landgerichts D. als Dienstvorgesetztem des Insolvenzrichters zur Entscheidung darüber vor, ob die verwaltungsmäßige Festlegung auf ein Unternehmen für die Zustellung gemäß § 168 Abs. 1 Satz 1 ZPO in dessen richterliche Unabhängigkeit eingreife.

Mit durch den Insolvenzrichter gezeichneter Antragschrift vom 20. Juni 2007 beantragt das Insolvenzgericht des Amtsgerichts D. als Antragsteller, den Antragsgegner zu verpflichten, die vom Antragsteller in dem Insolvenzeröffnungsverfahren X/06 mit Beschluss vom 27. April 2007 angeordnete förmliche Zustellung des richterlichen Schreibens an den Schuldner vom 3. April 2007 durch die Deutsche Post AG zu veranlassen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Bei dem Antrag handelt es sich, wie der Antragsteller ausdrücklich hervorhebt, um einen solchen auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 EGGVG. Dieser ist unzulässig, weil es an der Antragsbefugnis - § 24 Abs. 1 EGGVG - fehlt.

1. Dem Wortlaut der Antragschrift nach ist Antragsteller das Insolvenzgericht des Amtsgerichts D..

Unabhängig davon, ob und in welchen Fällen "das Insolvenzgericht" überhaupt in einem Verfahren nach § 23 EGGVG auf der Aktivseite beteiligt sein kann, fehlt ihm jedenfalls vorliegend in dem gegen den Antragsgegner (Direktor des Amtsgerichts) als Justizbehörde gerichteten Verfahren die Antragsbefugnis.

Nach § 24 Abs. 1 EGGVG muss der Antragsteller eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen. Bei der näheren Bestimmung dieses Erfordernisses ist auf die im Verwaltungsprozess verbreiteten Grundsätze zurückzugreifen. Danach muss der Antragsteller einen Sachverhalt vortragen, aus dem sich die Möglichkeit ergibt, dass er durch eine bestimmte Maßnahme in seinen - eigenen - Rechten verletzt sein könnte. Um ein derartiges Recht handelt es sich dann, wenn der betreffende Rechtssatz zumindest auch dem Schutz seiner Individualinteressen zu dienen bestimmt ist; neben subjektiv-öffentlichen Rechten kommen auch rechtlich geschützte Interessen in Betracht (Wieczorek/Schütze-Schreiber, ZPO, 3. Aufl. 1995, § 24 EGGVG Rdnrn. 2 und 3; MK-Wolf, ZPO, 2. Aufl. 2001, § 24 EGGVG Rdnr. 2-4; jeweils m.w.Nachw.).

Hier ist schlechthin nicht ersichtlich, dass "dem Insolvenzgericht", verstanden als institutionelle Einheit, gegen den Direktor des Amtsgerichts als Träger oder Repräsentant der Gerichtsverwaltung ein solches Recht zustehen könnte. Die in Rede stehende Maßnahme betrifft die Organisation des gerichtlichen Geschäftsablaufs. In diesem Rahmen nimmt "das Insolvenzgericht" keine einem Organ oder Gremium im Sinne eines verwaltungsgerichtlichen Organstreitverfahrens vergleichbare Stellung ein. Diesem stehen sogenannte wehrfähige Innenrechtspositionen, namentlich Kompetenzen, innerhalb des Bereichs der Verwaltung zur Wahrung bestimmter Einzelinteressen im verwaltungsmäßigen Aufgabenzusammenhang zu. "Das Insolvenzgericht" hingegen ist eine Bezeichnung für eine bestimmte funktionelle Zuständigkeit innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit; nicht mehr folgt auch aus § 2 InsO. Diese Zuständigkeit wiederum bezieht sich in ihrem, die Rechtsprechung unmittelbar verwirklichenden Kernbereich auf die Tätigkeit der Richter und Rechtspfleger. Mit anderen Worten erschöpft sich das mit dem Begriff "Insolvenzgericht" Bezeichnete in seinem Kern in Tätigkeiten von Richtern und Rechtspflegern mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber den Rechtsunterworfenen, die einen speziellen funktionalen Bezug aufweisen; es nimmt keine Interessen gegenüber dem Träger der Gerichtsorganisation im Wege eigener Kompetenzen im Verhältnis zu diesem wahr. Zwar ist es eine Aufgabe der Justizverwaltung, die Durchführbarkeit jener Tätigkeiten und damit - ununterscheidbar - die Funktion der Organisationseinheit "Insolvenzgericht" sicherzustellen, doch ändert dies nichts daran, dass sich "das Insolvenzgericht" im Verhältnis von Verwaltung und Organisationseinheit allenfalls - wie vom Antragsteller selbst mit Schriftsatz vom 27. Juli 2007 formuliert - im jeweils zuständigen Einzelrichter oder Rechtspfleger "verkörpert". Ist dem aber so, können in jenem genannten Verhältnis Träger von eine Anfechtungsbefugnis nach § 24 Abs. 1 EGGVG gewährenden Rechtspositionen allein ebendiese natürlichen Personen, und zwar als Inhaber amtsbezogener (nicht "privater") Rechte sein. Dies sagt nichts darüber, dass in anderen Rechtsverhältnissen (die Antragschrift führt das Beispiel des Grundbuchverfahrens an) "das Insolvenzgericht" verfahrensmäßig so gestellt wird, als handele es sich um einen außenstehenden Dritten.

2. Bei dieser Lage wäre der Antrag möglicherweise grundsätzlich einer Auslegung dahin zugänglich, Antragsteller solle - zumindest auch - der betreffende Insolvenzrichter sein. Im gegebenen Fall verbietet sich ein solches Verständnis aber schon deshalb, weil auch dann der Antrag nicht zulässig wäre und die einen unterlegenen Antragsteller nach den Vorschriften der Kostenordnung treffende Kostenlast den Richter persönlich belasten würde.

Denn als möglicherweise verletztes subjektiv-öffentliches Recht ist auf der Grundlage der erwähnten Auslegung allein die durch Art. 97 Abs. 1 GG geschützte richterliche Unabhängigkeit näher in Betracht zu ziehen; letztlich führt der Insolvenzrichter dies im Beschluss vom 15. Mai 2007 selbst vertieft aus. Eingriffe in diesen Schutzbereich sind aber nicht im Verfahren nach § 23 EGGVG, sondern nach Maßgabe der Richtergesetze geltend zu machen und zu prüfen. Bereits nach dem dem Akteninhalt zu entnehmenden Sachstand ist es auch nicht so, dass hier eine Maßnahme der Dienstaufsicht offenkundig ausschiede. Die mit dem Anspruch auf Verbindlichkeit für die Urkundsbeamten der Geschäftsstellen auftretende Weisung, sich bei der Durchführung von Zustellungen ausschließlich eines bestimmten Unternehmens zu bedienen, von der die Beeinträchtigung der Tätigkeit des Insolvenzrichters allenfalls ausgehen kann, stammt nicht vom Antragsgegner, sondern von einer dienstvorgesetzten Stelle des Richters. Ferner ist objektiv der Begriff der "Maßnahme der Dienstaufsicht" im Hinblick auf den Zweck des § 26 Abs. 3 DRiG sehr weit zu verstehen: Es genügt eine Einflussnahme, die sich, wenn auch nur mittelbar, auf die richterliche Tätigkeit auswirkt, es muss lediglich ein konkreter Bezug dieser bestehen (BGH NJW 2003, S. 282 f - betreffend eine Regelung des Zugangs zum Dienstzimmer; BGH NJW 1991, S. 1103 ff; BGH NJW 1985, S. 1471 ff). Im übrigen ist dem Schreiben des Antragsgegners vom 23. Mai 2007 zu entnehmen, dass ein auf die Prüfung eines Eingriffs in die richterliche Unabhängigkeit des Insolvenzrichters gerichtetes Verfahren bei dessen Dienstvorgesetztem eingeleitet worden ist.

Schließlich kann eine Antragsbefugnis des Insolvenzrichters persönlich auch nicht auf die Erwägung gestützt werden, dieser müsse in der Lage sein, rechtliche Interessen der am Insolvenzverfahren Beteiligten geltend zu machen, weil diese im hier gegebenen Zusammenhang zu deren eigenständiger Geltendmachung nicht in der Lage wären. So liegen die Dinge nicht. Gegen Maßnahmen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle können die Beteiligten Erinnerung gemäß § 573 ZPO einlegen; diese führt zur Überprüfung der Maßnahme durch das Gericht.

III.

Eine Entscheidung über die Pflicht zur Tragung der Gerichtskosten erübrigt sich. Eine Erstattungsanordnung nach § 30 Abs. 2 Satz 1 EGGVG ist jedenfalls deshalb nicht veranlasst, weil der Antragsgegner nicht anwaltlich vertreten und das Entstehen nennenswerter Auslagen auf seiner Seite nicht erkennbar ist.

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 30 Abs. 3 EGGVG, § 30 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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