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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 22.09.2008
Aktenzeichen: I-3 VA 6/08
Rechtsgebiete: EGGVG, HZÜ


Vorschriften:

EGGVG §§ 23 ff.
HZÜ Art. 1
HZÜ Art. 13
Zur gerichtlichen Überprüfung der Bewilligung der Zustellung einer - unter anderem auf Strafschadenersatz (treble damages) und ungerechtfertigte Bereicherung gerichteten Sammelklage aus dem Ausland (hier: USA) nach US-amerikanischem Recht (class-action) wegen angeblicher Kartellverstöße.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 VA 6/08

In dem Verfahren

auf gerichtliche Überprüfung der Bewilligung der Zustellung einer Klageschrift aus dem Ausland (hier: USA)

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf das Gesuch der Antragstellerin vom 16.07.2008 um gerichtliche Entscheidung unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G. sowie des Richters am Oberlandesgericht D. und der Richterin am Oberlandesgericht Dr. P.

am 22. September 2008

beschlossen:

Tenor:

Das Gesuch wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Der Geschäftswert beträgt 500.000 €.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag nach § 23 EGGVG gegen die von der Antragsgegnerin nach dem Haager Übereinkommen vom 15.11.1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vermittelte Zustellung einer - unter anderem auf Strafschadensersatz (treble damages) und ungerechtfertigte Bereicherung gerichtete - Sammelklage nach US-amerikanischem Recht (class-action) wegen angeblicher Kartellverstöße.

Kläger sind die C. S. E. LLC, N. v. d. M., S. B.., K. C. und andere nicht näher bezeichnete Personen. Die Klage richtet sich gegen die Antragstellerin sowie die S. L. C., C. P., H. Corp., U., N.V., U. PLC und U. U. S. Inc..

Am 19.02.2008 verhängte das Bundeskartellamt gegen vier Markenhersteller von Drogerieartikeln sowie deren Vertriebsleiter Bußgelder in Höhe von 37 Mio. €. Den Unternehmen wird vorgeworfen, zum Jahreswechsel 2005/2006 eine Anhebung der Listenpreise um etwa 5 % für einzelne Drogerieartikel abgestimmt und regelmäßig Informationen über die Verhandlungen mit Einzelhändlern ausgetauscht zu haben. Betroffene des Bußgeldverfahrens waren die H. W. - und R. GmbH, S- & H. GmbH, S. L. D. GmbH und U. D. GmbH. Gestützt auf diesen Bußgeldbescheid verlangen die Kläger die Unterlassung kartellrechtswidrigen Verhaltens, Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung sowie Schadensersatz in unbestimmter Höhe.

Mit Bescheid vom 04.07.2008 hat die Antragsgegnerin auf Ersuchen des Rechtsanwalts J. R. C. mit Sitz in Minneapolis, USA, die Zustellung der Klageschrift an die Antragstellerin bewilligt.

Die Antragstellerin ist - ebenso wie die H. W. - und R. GmbH und die S. & H. GmbH -100 %-ige Tochtergesellschaft, der H. AG & Co. KGaA.

Sie macht geltend, das HZÜ finde keine Anwendung, da es sich bei der gegen sie angestrengten Klage nicht um eine Zivil- oder Handelsklage im Sinne des Art. 1 HZÜ handele. Bei einer auf einen Strafschadensersatz gerichteten US-Sammelklage handele es sich um ein öffentlich-rechtliches Institut, da bei einer solchen Klage der Sanktionscharakter dominiere und der private Interessenausgleich von untergeordneter Bedeutung sei.

Jedenfalls stehe der Zustellung der Vorbehalt des Art. 13 HZÜ entgegen. Die Klage sei offensichtlich rechtsmissbräuchlich und diene nur dazu, die Antragstellerin durch das Aufbauen einer Drohkulisse zu außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen zu bewegen. Die Klageforderung sei völlig aus der Luft gegriffen. Die Antragstellerin verfüge selbst über keinen operativen Geschäftsbetrieb. Der Bußgeldbescheid beziehe sich ausschließlich auf Kartellverstöße in Deutschland. Das Bundeskartellamt habe sich zu Auswirkungen des angeblichen Kartells in den USA nicht geäußert. Durch den substanzlosen Vorwurf eines Kartellverstoßes mit Auswirkungen in den USA solle die Antragstellerin in ein umfangreiches und kostenintensives Beweiserhebungsverfahren getrieben werden, dessen Kosten nach amerikanischem Recht auch bei späterem Obsiegen nicht erstattet werden. Hinzu komme, dass die Antragstellerin auch als Gesamtschuldnerin für den Anteil der anderen Schädiger an dem behaupteten Schaden in Anspruch genommen werde und die in dem US-amerikanischem Bundesrecht und praktisch allen benannten Bundesstaaten geltenden Grundsätze der Gesamtschuld (jointly and severally liable) einen dem deutschen entsprechenden Innenausgleich (§ 426 BGB) nicht vorsähen. Im Hinblick auf die offensichtlich fehlende Beteiligung der Antragstellerin an den Kartellverstößen sei dies in besonderem Maße unbillig und die Ausnutzung dieser Situation durch die Kläger und ihre Anwälte evident rechtsmissbräuchlich. Im Übrigen sei die Antragstellerin, obwohl die Vorwürfe substanzlos seien, zumindest potentiell dem Risiko einer extrem hohen, potentiell existenzbedrohenden Schadensersatzforderung ausgesetzt.

Die Antragstellerin beantragt,

1. die Bewilligung der Zustellung der in dem Zustellungsantrag des Rechtsanwalts J. R. C., APS International, LTD, Minneapolis, Minnesota, USA, vom 10.04.2008 hinsichtlich der Klage der C. S. E. LLC und der N v. d. M., S. B., K. C. (u.a.) genannten Schriftstücke an die Antragstellerin durch die Antragsgegnerin vom 04.07.2008, Az. 934 E1 - 7.84 -08, aufzuheben,

2. die Antragsgegnerin anzuweisen, die Erledigung des Zustellungsantrags in dem o.g. Verfahren abzulehnen,

3. hilfsweise, das Rechtshilfeverfahren vorläufig auszusetzen, zumindest bis der Bundesgerichtshof in dem Verfahren IV AR (VZ) 3/05 die ihm vorgelegten Rechtsfragen des OLG Koblenz entschieden hat,

4. weiter hilfsweise, das Rechtshilfeverfahren vorläufig auszusetzen, bis gleich gelagerte Fälle vom Bundesverfassungsgerichts entschieden sind,

5. weiter hilfsweise, falls den Anträgen nach 1., 2., 3. und 4. nicht entsprochen wird, das Rechtshilfeverfahren vorläufig auszusetzen, bis über vorliegenden Antrag entschieden wurde.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die gegen die Bewilligung der Zustellung erhobenen Einwände würden nicht durchgreifen. Bei der vorliegenden Klage handele es sich auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass auch treble damages verlangt werde, um eine Zivil- oder Handelsklage im Sinne des Art. 1 HZÜ.

Der Zustellung der Klage stehe Art. 13 HZÜ nicht entgegen. Nur wenn die Zustellung der Klage gegen das Rechtsstaatsgebot verstoßen würde, weil das Verfahren missbräuchlich angestrengt werde oder rechtsfremden Zwecken dienen solle, wäre die Grenze der in Art. 13 HZÜ festgelegten Respektierungspflicht erreicht und könne die Zustellung abgelehnt werden. Das könne der Fall sein, wenn der ausländischen Forderung eine substantielle Grundlage fehle, das Verfahren vor staatlichen Gerichten in missbräuchlicher Art und Weise genutzt werde, um mit publizistischem Druck den Gegner gefügig zu machen, und beides offenkundig sei. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der Klage fehle jedenfalls nicht offensichtlich eine substantielle Grundlage. Im Hinblick auf die Zugehörigkeit der Antragstellerin zum Henkelkonzern könne insbesondere nicht von vornherein jegliche Haftung ausgeschlossen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Der gemäß §§ 23 ff. EGGVG zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet.

Die Zustellung - der im Antrag näher bezeichneten Schriftstücke - ist von der Antragsgegnerin als der zuständigen zentralen Behörde nach Art. 2 HZÜ zu Recht genehmigt worden.

1.

Die begehrte Auslandszustellung richtet sich nach dem Haager Übereinkommen vom 15.11.1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen. Bei der hier vorliegenden Klage handelt es sich um eine Zivil- oder Handelsklage im Sinne des Art. 1 HZÜ.

Hierbei ist zugrunde zu legen, dass mit der Klage auch Ansprüche auf Strafschadensersatz (treble damages) in unbestimmter Höhe geltend gemacht werden.

Unter den Anwendungsbereich des HZÜ fallen nach weit überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 24.01.2007, 2 BvR 1133/04; OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.03.2006, 20 VA 7/05; OLG München, Beschluss vom 07.06.2006, 9 VA 3/04; OLG Celle, Beschluss vom 20.07.2006, 16 VA 4 /05; OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 09.02.2006, 4 VA 1/04; Senat, Beschluss vom 21.04.2006, 3 VA 12/05; Böhmer, NJW 1990, 3049; Greger NJW 1989, 3103) grundsätzlich auch auf punitive damages gerichtete Klagen.

Dabei kann dahinstehen, ob diese Frage allein nach ausländischem Recht, allein nach deutschem Recht oder im Wege der Doppelqualifikation nach beiden Rechtsordnungen übereinstimmend zu beantworten ist. Sowohl aus US-amerikanischer als auch aus deutscher Sicht ist eine Zivilsache anzunehmen (OLG Frankfurt, 20 VA 7/05; Senat 3 VA 12/05).

In einem solchen Verfahren wird, auch wenn Elemente mit Strafcharakter vorhanden sind, dem Grunde nach gleichwohl über das Bestehen oder Nichtbestehen privater Rechte und Rechtsverhältnisse gleich geordneter Parteien entschieden. Das Verfahren wird von Privaten betrieben und jedenfalls dann, wenn der Strafschadensersatz an den Geschädigten zu entrichten ist, liegt auch nach deutschem Recht eine Zivilsache vor (OLG Frankfurt, 20 VA 7/05).

Nichts anderes gilt nach überwiegender Auffassung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.06.2007, 2 BvR 2247-2249/06; OLG Celle, 16 VA 4/05; OLG München, Beschluss vom 07.06.2006, 9 VA 3/04; OLG Frankfurt, 20 VA 7/05; a.A. OLG Koblenz, Beschluss vom 27.06.2005, 12 VA 2/04) für eine Klage auf treble damages. Denn auch in einem solchen Verfahren ist weder eine Behörde beteiligt, noch soll der eingeklagte Betrag an den Staat gezahlt werden. Dass es sich der Sache nach um Kartellrecht handelt, dessen Schutzzweck auch das Allgemeininteresse ist, steht dem nicht entgegen, da sich der Gesetzgeber zum Schutz von Allgemeininteressen auch privater Organisationsformen bedienen kann (OLG Frankfurt, 20 VA 7/05 m.w.N.).

Auch der Umstand, dass es sich vorliegend um eine so genannte class action handelt, ändert nichts an der rechtlichen Einordnung der Klage als Zivil- oder Handelsklage im Sinne des HZÜ (OLG Frankfurt, 20 VA 7/05; OLG Sachsen-Anhalt, 4 VA 1/04; inzident BVerfG, 2 BvR 2247 - 2249/06). Dass bei einer - im anglo-amerikanischen Recht zulässigen - Sammelklage, einzeln aufgeführte Kläger eine nicht näher bekannte, unter Umständen große Anzahl nicht aufgeführter anderer Geschädigter repräsentieren, berührt den Charakter der Klage als Zivil- oder Handelsklage ebenso wenig wie die Möglichkeit eines - dem Hauptsacheprozess vorgeschalteten - so genannten pre-trial discovery Verfahrens (vgl. OLG Frankfurt, 20 VA 7/05 m.w.N.). Der Senat teilt insoweit die Bedenken des OLG Koblenz in seiner Entscheidung vom 27.06.2006 (12 VA 2/04) nicht.

2.

Nach dem damit anwendbaren Art. 13 HZÜ darf die Zustellung nur abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat die Erledigung für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden (grundlegend BVerfG 2 BvR 2247-2249/06). Fremde Rechtsordnungen sind nach Art. 13 Abs. 2 HZÜ grundsätzlich zu respektieren. Die Zustellung darf demnach - jedenfalls grundsätzlich - nicht schon wegen der Unvereinbarkeit des Klagebegehrens mit dem innerstaatlichen ordre public verweigert werden. Die Beschränkung der Überprüfungsbefugnis - auf eine potentielle Gefährdung der Hoheitsrechte und Sicherheit des Staates - rechtfertigt sich aus dem Ziel des Übereinkommens. Würden die Grundsätze der innerstaatlichen Rechtsordnung bereits zum Maßstab für die Zustellung gemacht, so würde der internationale Rechtshilfeverkehr erheblich beeinträchtigt (OLG Frankfurt, 20 VA 7/05; Senat, 3 VA 12/05). Eine Prüfung der Klagen auf ihre Vereinbarkeit mit dem innerstaatlichen ordre public könnte nicht nur eine erhebliche Verzögerung der Zustellung bewirken. Sie käme einer Erstreckung inländischer Rechtsvorstellungen auf das Ausland gleich und würde dem Ziel zuwiderlaufen, dem ausländischen Kläger die Führung eines Prozesses gegen einen inländischen Beklagten im Ausland zu ermöglichen. Eine solche Einschränkung des Rechtshilfeverkehrs ist umso weniger geboten, als im Zeitpunkt der Zustellung der Ausgang des Verfahrens noch völlig offen ist. Darüber hinaus ist die Bewilligung der Zustellung der Klage keineswegs präjudiziell für die hiervon zu unterscheidende Frage der Zulässigkeit der Anerkennung und Vollstreckung eines späteren Urteils.

Nach alledem wird der Vorbehalt des Art. 13 Abs. 1 HZÜ von Rechtsprechung und Literatur zu Recht äußerst restriktiv ausgelegt. Seine Anwendung kommt nur dann in Betracht, wenn bereits die Zustellung einer Klage besonders schwere Beeinträchtigungen der Wertungsgrundlagen der Rechtsordnung des ersuchten Staates mit sich bringen würde (BverfG, Beschluss vom 07.12.1994, 1 BvR 1279/94; OLG Frankfurt 20 VA 7/05; OLG München, 9 VA 3/04; OLG Celle, 16 VA 4/05; Senat, 3 VA 12/05).

Die Vorbehaltsklausel des Art. 13 Abs. 1 HZÜ ist trotz der grundsätzlichen Entscheidung zu Gunsten der Zustellung der ausländischen Klage nicht inhaltsleer. Die Grenze kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dort erreicht sein, wo das mit der Klage verfolgte Ziel "offensichtlich gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats verstieße" (BVerfG, Beschluss vom 25.07.2003, 2 BvR1198/03 "Napster"; 2 BvR 2247-2249/06).

Diese Voraussetzungen sind hier - auch unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen vom 25.07.2003 (2 BvR 1198/02) und vom 14.06.2007 (2247-2249/06) hierzu aufgestellten Grundsätze - nicht erfüllt.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14.06.2007 (2 BvR 2247-2249/06) können die - auch im vorliegenden Fall zum Tragen kommenden - besonderen Rechtsinstitute des amerikanischen Rechts weder für sich genommen noch in Kumulation bereits als solche den Vorwurf begründen, dass auf sie gestützte Klagen mit unverzichtbaren Grundsätzen eines freiheitlichen Rechtsstaates unvereinbar seien.

Dass eine auf punitive damages gerichtete US-amerikanische Strafschadensersatzklage als solche nicht gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats verstößt, hatte das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 07.12.1994 (1 BvR 1279/94) ausgeführt.

Die pre-trail discovery kann zwar in größeren Verfahren sehr zeit- und kostenintensiv sein und wird von den Beklagten nicht selten als so belastend empfunden, dass auch bei erheblichen Zweifeln an der Berechtigung der Klageforderung ein Vergleich dem Verfahrensfortgang vorgezogen wird. Auch kann die Unterwerfung unter ein pre-trial discovery in Richtung einer Ausforschung des Gegners ausgestaltet werden. Diese bloße Möglichkeit verstößt aber im Verfahren der Klagezustellung noch nicht gegen wesentliche Grundsätze der deutschen Rechtsordnung (so schon BVerfG 2 BvR 1133/04). Vor einer konkreten gegen die Antragstellerin gerichteten Beweisaufnahme bedarf es zudem weiterer Rechtshilfeentscheidungen deutscher Hoheitsträger (Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen (HBÜ) vom 18.03.1970), bei denen die Rechte der Antragstellerin zu beachten sind (vgl. BVerfG 2 BvR 2247-2249/06 und 2 BvR 1133/04).

3.

Dass auch die obsiegende Partei nach amerikanischem Recht keine Erstattung der außergerichtlichen Kosten verlangen kann, begründet ebenfalls keinen Verstoß gegen unverzichtbare rechtsstaatliche Grundsätze. Fehlende Kostenerstattung ist auch dem deutschen Recht nicht völlig fremd (vgl. § 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG). Im Übrigen hat ein Unternehmen, das grenzüberschreitend am Wirtschaftsleben teilnimmt, die Risiken gerichtlicher Entscheidungen, die sich in prozessualer und materieller Hinsicht von deutschem Recht unterscheiden, hinzunehmen (BVerfG 2 BvR 133/04 und 2 BvR 2247-2249/06.

Das Institut der joint and several liability mag zwar den Vergleichsdruck erhöhen, verstößt aber nicht gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaates. Zum einen begründet es keine Haftung ohne jeden Verursachungsbeitrag der Antragstellerin. Zudem ist eine gesamtschuldnerische Haftung für eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung auch dem deutschen Recht nicht fremd.

4.

Schließlich ist auch die rechtspolitische Entscheidung, für deliktisches Handeln mit einer Vielzahl von Geschädigten Sammelklagen zuzulassen, an denen sich das einzelne Mitglied der class nicht aktiv beteiligen muss, von deutscher Seite - auch unter Berücksichtigung damit verbundener Erschwernisse für die Beklagten solcher Klagen - grundsätzlich zu respektieren, solange auch im class action - Verfahren unabdingbare Verteidigungsrechte gewahrt bleiben (BVerfG 2 BvR 1133/04 und 2 BvR 2247-2249/06).

Die deutsche Rechtsordnung hat sich im Hinblick auf das Haager Zustellungsübereinkommen für das Recht des ersuchenden Staates geöffnet. Das schließt grundsätzlich auch die Zustellung von Klagen mit ein, die in der deutschen Rechtsordnung fremden Verfahrensarten erhoben worden sind. Gerade bei - aus Sicht der deutschen Rechtsordnung - missbrauchsanfälligen Rechtsinstituten muss daher stets geprüft werden, ob die konkret zuzustellende Klage offenkundig rechtsmissbräuchlichen Charakter hat. Nur dann kann ein Verstoß gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaates gegeben sein, der deutsche Staatsorgane zur Zurückweisung des Ersuchens verfassungsrechtlich verpflichten und völkerrechtlich berechtigen kann (BVerfG 2 BvR 2247-2249/06).

5.

Ein solcher rechtsmissbräuchlicher Charakter der Klage ist hier nicht von vorneherein offenkundig.

Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen können regelmäßig darin zu sehen sein, dass die erhobene Klageforderung auch in ihrer Höhe offensichtlich keine Grundlage hat, dass der Beklage mit dem angegriffenen Verhalten offensichtlich nichts zu tun hat oder dass erheblicher, auch publizistischer Druck aufgebaut wird, um den Beklagten in einen an sich ungerechtfertigten Vergleich zu zwingen (BVerfG, 2 BvR 2247-2249/06).

Soweit die Antragstellerin anführt, sie sei an den hier streitgegenständlichen Kartellverstößen im Zeitraum 2005/2006 nicht beteiligt gewesen, ist dieser Umstand jedenfalls nicht offenkundig. Auch wenn die Antragstellerin - derzeit - über keinen operativen Geschäftsbereich verfügt und auch in der Entscheidung des Bundeskartellamts nicht erwähnt wird, ist ihre fehlenden Tatbeteiligung jedenfalls nicht offenkundig. Die Antragstellerin ist ebenso wie die Firmen H. W. - und R. GmbH und die S. & H. GmbH, gegen die sich der Bußgeldbescheid richtet,100 %-ige Tochter der H. AG & Co. KGaA. Sie war bis September 2005 mit ca. 17 % an der Ecolab Inc., USA beteiligt und hat dann die Anteile an die H. KGaA (heute H. AG & Co. KGaA) übertragen (vgl. GA 9). Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die E. im Bereich institutioneller und industrieller Hygiene tätig ist, ist eine fehlende Tatbeteiligung der Antragstellerin jedenfalls nicht offenkundig.

Dass die Klageforderung auch in ihrer Höhe offensichtlich keine Grundlage hat, kann schon deshalb nicht festgestellt werden, weil die Klage derzeit noch unbeziffert ist.

Schließlich ist nicht offenkundig, dass die Kläger in sonstiger rechtsmissbräuchlicher Weise - etwa durch Medienkampagnen -, Druck auf die Antragstellerin ausübten, um sie zu einem ungerechtfertigten Vergleich zu zwingen. Eine rechtsmissbräuchliche Vorgehensweise kann auch nicht darin gesehen werden, dass sich die Kläger in der Klagebegründung zur Darlegung der Vorwürfe bislang nur auf im Internet erschienene sekundäre Presseartikel beziehen. Selbst wenn die Klage deshalb nach deutschen Maßstäben als unschlüssig zu bewerten wäre, würde dies kein Zustellungshindernis darstellen. Ungeachtet dessen, dass im US-amerikanischem Recht Klageschriften auf ein Mindestmaß reduziert werden können und die Bezifferung von Schadensersatzforderungen ebenso wenig erforderlich ist wie die genaue Beschreibung des Streitgegenstandes (vgl. Senat, Beschluss vom 11.07.2003, 3 VA 6/03), ist auch nach deutschem Recht eine fehlende Schlüssigkeit der Klage kein Zustellungshindernis.

6.

Eine vorläufige Aussetzung des Verfahrens entsprechend den Hilfsanträgen zu Ziffer 3. und 4. kam nicht in Betracht. Das auf Grund des Vorlagebeschlusses des OLG Koblenz (Az.: 12 VA 2/04) eingeleitete Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht [Az.: - IV AR (VZ) 3/05 -] haben die Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt. Mit weiteren vorgreiflichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ist daher - soweit ersichtlich - nicht zu rechnen.

7.

Der Hilfsantrag zu 5. ist durch die Entscheidung des Senats gegenstandslos geworden.

Da der Senat die Anträge der Antragstellerin zurückweist, war eine formelle Beteiligung der - materiell beteiligten - Kläger des ausländischen Verfahrens nicht erforderlich (vgl. OLG Sachsen-Anhalt, 4 VA 1/04; andererseits: OLG Celle, Beschluss vom 17.08.1990, 1 VA s 13/90, wonach im Verfahren gemäß §§ 23 ff. EGGVG eine Beiladung Dritter nicht stattfindet), ungeachtet der Frage nach einer rechtlichen Grundlage für eine solche Beteiligung.

Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 30 Abs. 3 EGGVG, 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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