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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 27.10.2006
Aktenzeichen: I-3 VA 9/06
Rechtsgebiete: InsO, EGGVG, RPflG


Vorschriften:

InsO § 56
InsO § 56 Abs. 1
EGGVG §§ 23ff.
EGGVG § 23 Abs. 1
EGGVG § 23 Abs. 2
EGGVG § 24
EGGVG § 28 Abs. 2 Satz 2
EGGVG § 29 Abs. 2
EGGVG § 30 Abs. 2
RPflG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu bescheiden.

Gründe:

A.

Der Antragsteller, Fachanwalt für Insolvenzrecht, wurde in der Zeit vom 27.03.2000 bis 15.09.2003 im Bezirk des Amtsgerichts X - Insolvenzgericht - in 76 Verfahren als Gutachter, vorläufiger Insolvenzverwalter oder Insolvenzverwalter eingesetzt. Nach der Versetzung des Insolvenzrichters, von dem der Antragsteller nahezu ausschließlich Aufträge erhalten hatte, zum 01.01.2004, wurde er nur noch in einem weiteren Insolvenzverfahren berücksichtigt.

Mit Schreiben vom 6. Januar 2005 wandte er sich schriftlich an die Insolvenzrichter. Er beanstandete die Praxis des Insolvenzgerichtes als verfassungswidrig und bat um einen rechtsmittelfähigen Bescheid. In ihren Antworten sahen sich die Insolvenzrichter dazu nicht in der Lage und teilten im Wesentlichen mit, dass sie für künftige Bestellungen keine konkrete Zusage machen könnten.

Mit einem weiteren Schreiben vom 6. Januar 2005 unterrichtete der Antragsteller den Antragsgegner über seine Schreiben an die Insolvenzrichter und teilte mit, er beabsichtige gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichtes, ihn nicht weiter zu berücksichtigen, Rechtsmittel einzulegen.

Mit Schreiben vom 8. März 2006 verwies der Antragsteller darauf, dass nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. August 2004 ein Anspruch auf Aufnahme in die Vorauswahlliste bestehe und eine Ablehnung in rechtsmittelfähiger Form vorzunehmen sei. Zwar sei die Frage eines Anspruchs auf Ernennung in einem konkreten Insolvenzverfahren bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden; jedenfalls aber sei eine nur formal anerkannte Aufnahme in die Vorauswahlliste - wie in seinem Fall - verfassungswidrig.

Er beantragte förmlich

1. Aufnahme in den Kreis der Personen, die als Gutachter, vorläufiger Insolvenzverwalter, Insolvenzverwalter und Treuhänder bestellt werden;

2. Zusage einer konkreten Berücksichtigung in Zukunft bei der Vergabe von Gutachtenaufträgen sowie der Ernennung zum vorläufigen Insolvenzverwalter, Insolvenzverwalter und Treuhänder.

Die Insolvenzrichter teilten dem Antragsteller daraufhin mit Schreiben vom 24. März 2006 mit, das Führen einer Vorauswahlliste sei eine Verwaltungsmaßnahme und obliege ihnen daher nicht; die Bestellung von Sachverständigen, vorläufigen Verwaltern und Verwaltern erfolge nach § 56 InsO in jedem Einzelfall; die Zusage einer konkreten Berücksichtigung in Zukunft erfolge nicht, weil hierfür keine Rechtsgrundlage bestehe.

Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 25. April 2006 verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.

Er macht geltend:

Vor seiner ersten Ernennung zum Gutachter in einem Insolvenzeröffnungsverfahren habe er ein Gespräch mit den damaligen Insolvenzrichtern geführt. Ihm sei bedeutet worden, dass er als Insolvenzgutachter, vorläufiger Insolvenzverwalter und Insolvenzverwalter sowie Treuhänder eingesetzt werden würde, sofern er in X ein Büro eröffne und die Zulassung bei dem Amtsgericht X erhalte. Diese Voraussetzungen habe er dann erfüllt. Die Insolvenzrichter, die ihn nachfolgend nicht beauftragt hätten, hätten ihm mitgeteilt, dass von dort bis auf weiteres nicht beabsichtigt sei, ihn zu benennen; insoweit bestünde angesichts rückläufiger Fallzahlen kein Bedarf. Nachfragen seitens der Richter bei den Rechtspflegern zur Qualität seiner Arbeit hätten keinerlei Einwendungen oder Beanstandungen ergeben. Seine Nichtberücksichtigung sei rechtsfehlerhaft. Das Insolvenzgericht X berücksichtige nur 9 Xer Rechtsanwälte, die zum Teil zu den bundesweit meisternannten Verwaltern gehörten. Dieser feststehende Kreis von Verwaltern sei gemessen an der Gesamtzahl der im Amtsgerichtsbezirk X anhängigen Insolvenzverfahren so eng, dass zumindest konkludent eine Auswahlbegrenzung erfolge. Eine Chance auf eine Einbeziehung in ein konkret anstehendes Auswahlverfahren und damit auf Ausübung seines Berufs habe er nur bei willkürfreier Einbeziehung in das Vorauswahlverfahren. Aus den Schreiben der Insolvenzrichter des Amtsgerichts X ergebe sich nicht, welche sachlichen Kriterien den Entscheidungen zugrunde gelegt worden seien. Die Insolvenzrichter müssten ihn nach den zugrunde zu legenden Prüfungsmaßstäben im Rahmen der Vorauswahl berücksichtigen. Soweit ihm mitgeteilt worden sei, dass seine Bewerbung um die Übernahme von Sachverständigen-/Verwalteraufgaben beachtet werde und er auch weiterhin zum Kreis der Verwalter gehöre, aus dem die Insolvenzrichter beim Amtsgericht X die jeweils geeignete Person auswählen könnten, müsse dies einen Anspruch auf eine konkrete Berücksichtigung begründen.

Er stellt sein Begehren zu Ziffer 2 des Schreibens vom 8. März 2006 dahin klar, dass nicht die positive Benennung in einem oder mehreren konkreten Verfahren beantragt, sondern die offensichtlich zu seinen Lasten am Amtsgericht X allgemein getroffene Negativentscheidung angegriffen werden solle.

Eine Vorauswahlliste, die jedermann offen stehe und auf der aktuell 28 Bewerber geführt würden, von denen aber seit Jahren ausnahmslos nur neun oder zehn Bewerber berücksichtigt würden, erfülle den Tatbestand einer unzulässigen geschlossenen Liste.

Der Antragsteller beantragt,

den Antragsgegner gemäß § 23 Abs. 2 EGGVG zu verpflichten, seinen Antrag vom 8. März 2006 ermessensfehlerfrei zu bescheiden.

Der Antragsgegner tritt dem unter Bezug auf eine von ihm vorgelegte Stellungnahme der Insolvenzrichter, die er sich zu eigen macht, entgegen.

Dem Antrag fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Antragsgegner nicht Absender des angefochtenen Schreibens vom 24. März 2006 sei. Mithin sei der Hauptantrag, den Antrag vom 8. März 2006 ermessensfehlerfrei zu bescheiden, unzulässig. Der an die im Insolvenzrecht tätigen Richter jeweils persönlich und einzeln adressierte Antrag könne dem Antragsgegner auch nicht zugerechnet werden. Bei dem Schreiben handele es sich auch nicht um einen Bescheid im Sinne von § 23 Abs. 1 EGGVG, denn es werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nicht die Richterschaft, sondern die Justizverwaltung für die Vorauswahllliste zuständig sei.

Jedenfalls aber sei der Antrag nicht begründet.

Ein Anspruch auf eine eigene künftige Bestellung bestehe nicht. Im übrigen sei der Akt der Bestellung ein Akt der Rechtsprechung und daher nicht nach §§ 23ff. EGGVG anfechtbar.

Der Antragsgegner ergänzt diese Stellungnahme dahin, dass in seinem Geschäftsbereich kein sogenanntes Vorauswahlverfahren durch die Verwaltung durchgeführt werde. Vielmehr erfolge in einem geregelten Verfahren die Aufnahme der Bewerbungen in eine von den Richtern der Insolvenzabteilung geführte Liste. Seit langem sei es in seinem Geschäftsbereich gängige Praxis, dass sich Bewerber nicht an die Verwaltung, sondern unmittelbar an einen oder an alle Richter der Insolvenzabteilung wendeten. Dies führe dazu, dass die Bewerbung allen Insolvenzrichtern zur Kenntnis gebracht würde. Zudem werde die Bewerbung durch die Abteilungsrichterin in einer Liste geführt. In dieser Liste würden der Name des Bewerbers, der Kanzleisitz, der Tag des Eingangs der Bewerbung, in Kurzfassung Daten zum fachlichen Hintergrund und auch vermerkt, ob eine persönliche Vorstellung des Bewerbers erfolgt sei. Die Liste sei im Computer gespeichert und allen Insolvenzrichtern zugänglich. Sie werde bei Bedarf aktualisiert. In der aktuellen Liste würden 28 Bewerber aufgeführt. Nach Eingang einer Bewerbung erhalte jeder Bewerber durch die Abteilungsrichterin eine Eingangsbestätigung mit der Feststellung, dass die Bewerbung allen Richtern des Insolvenzgerichts zur Kenntnis gebracht und die Bewerbung in eine Liste aufgenommen worden sei. Der Antragsteller, der allen Insolvenzrichtern durch eine Vielzahl von Gesprächen und durch seine Tätigkeit als Insolvenzverwalter bestens bekannt sei, befinde sich selbstverständlich auch auf dieser Liste. Die Tatsache, dass die Insolvenzrichter den Antragsteller bisher nicht weiter berücksichtigt hätten, unterliege nicht seiner Prüfung.

Weiter macht der Antragsgegner geltend:

Neben den vom Antragsteller genannten 9 Insolvenzverwaltern werde ein weiterer Verwalter regelmäßig bestellt. Darüber hinaus würden regelmäßig auch diejenigen Personen als Insolvenzverwalter bestellt, die bereits von anderen Gerichten im Eröffnungsverfahren beauftragt worden seien, wenn diese Verfahren sodann im Rahmen der Ermittlungen an das Amtsgericht X verwiesen würde.

Mit dem Antrag zu Nr. 2 berücksichtige der Antragsteller nicht, dass eine Vorauswahlliste lediglich eine Chance auf Bestellung eröffne, ein Anspruch auf Berücksichtigung bestehe hingegen nicht. Die Insolvenzrichter könnten eine konkrete Zusage nicht abgeben. Im Rahmen von § 56 InsO sei (nur) "für den jeweiligen Einzelfall" eine geeignete Person als Insolvenzverwalter zu bestellen. Hierzu werden nähere Ausführungen gemacht.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

B.

Das Begehren des Antragstellers ist zulässig und hat in der Sache insoweit Erfolg, als der Antragsgegner den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates zu bescheiden hat.

I.

Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag zu 1 seine Aufnahme in eine Vorauswahlliste bzw. in ein Vorauswahlverfahren.

Seinen Antrag zu 2 hat der Antragsteller dahin erläutert, dass er (zunächst) nicht die positive Benennung in einem oder mehreren konkreten Verfahren beantrage, sondern die offensichtlich am Amtsgericht X zu seinen Lasten allgemein getroffene Negativentscheidung angreife.

Damit trägt der Antragsteller den vom Bundesverfassungsgericht (NJW 2006, 2613) zum Rechtsschutz bei Nichtbestellung zum Insolvenzverwalter entwickelten Grundsätzen Rechnung. Danach darf der mit dem konkreten Fall befasste Insolvenzrichter seine Entscheidung für einen bestimmten Insolvenzverwalter nicht nach freiem Belieben treffen, sondern hat sein Auswahlermessen pflichtgemäß auszuüben. Der Bewerber um ein Insolvenzverwalteramt kann sich daher weder auf ein subjektives Recht auf Bestellung zum Insolvenzverwalter berufen, noch kann er als Ergebnis pflichtgemäßer Ermessensausübung die regelmäßige Berufung in das Insolvenzverwalteramt erreichen (BVerfG a.a.O.).

Wie er klarstellt, will der Antragsteller im vorliegenden Verfahren beides auch nicht geltend machen. Er beanstandet mit seinem Antrag zu 2 vielmehr, dass er zwar formal auf einer Liste von Bewerbern um das Amt des Insolvenzverwalters geführt, dennoch aber - wegen der von den Insolvenzrichtern für geboten gehaltenen Begrenzung der Zahl der in Insolvenzverfahren eingesetzten Kanzleien und des dadurch faktisch praktizierten Modells der "geschlossenen Liste" - tatsächlich in den Kreis der in Frage kommenden Bewerber nicht einbezogen ist. Dieses Anliegen betrifft aber nicht sein (wie er weiß, nicht bestehendes) subjektives Recht auf Bestellung zum Insolvenzverwalter, sondern die Gestaltung des Verfahrens bei der Vorauswahl. Es entspricht somit somit inhaltlich dem mit dem Antrag zu 1 formulierten Begehren des Antragstellers.

Dieses Begehren ist als gegen den Antragsgegner gerichteter Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG zulässig.

Sowohl für die Überprüfung von Entscheidungen im Vorauswahlverfahren potenzieller Insolvenzverwalter (vgl. KG ZIP 2006, 294; OLG München ZIP 2005, 670; OLG Schleswig NJW 2005, 1664; OLG Koblenz ZIP 2005, 1283) als auch für die Überprüfung von Entscheidungen über die Bestellung zum Insolvenzverwalter ist der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet.

1. Die Entschließung über die Aufnahme eines Bewerbers in eine Liste derjenigen Personen, aus der die Richter sodann im Einzelfall in dem Eröffnungsbeschluss den nach ihrer Auffassung am besten geeigneten Insolvenzverwalter auswählen und bestellen ( §§ 27 Abs. 1 und Abs. 2 Nr.2, 56 InsO), ist als Justizverwaltungshandeln zu qualifizieren. Es handelt sich nicht um spruchrichterliche Tätigkeit. Gleiches gilt für die Bestellung zum Insolvenzverwalter in einem konkreten Insolvenzverfahren.

Die vorstehend beschriebene Vorauswahl und die Bestellung sind weder Rechtsprechung im materiellen Sinne noch unterfallen sie dem funktionellen Rechtsprechungsbegriff, da der Richter zwar in richterlicher Unabhängigkeit tätig wird, aber nicht in seiner Funktion als Instanz der unbeteiligten Streitbeilegung (BVerfG NJW 2004, 2725 und NJW 2006, 2613).

Die Vorauswahl steht rechtlich neben der schließlichen Auswahlentscheidung und bereitet diese maßgeblich vor (BVerfG a.a.O.). Sie geschieht - wie die eigentliche Auswahlentscheidung durch die dem Richter gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG vorbehaltene Bestellung des Insolvenzverwalters - in Ausübung rechtsprechender Gewalt, weil der Insolvenzrichter hier keinen Rechtsstreit entscheidet, sondern selbst ein Rechtsverhältnis gestaltet (BVerfG NJW 2006, 2613). Funktional handelt es sich bei diesen Entscheidungen um Ausübung vollziehender Gewalt, die im Interesse eines besonderen rechtsstaatlichen Schutzes nicht der Exekutive oder jedenfalls nicht ihr allein überlassen sind (BVerfG a.a.O.).

2. Die Entscheidung im Vorauswahlverfahren und die Entscheidung über die Bestellung eines Insolvenzverwalters in einem konkreten Insolvenzverfahren betrifft den Antragsteller in seinen Rechten, § 24 EGGVG.

Die Auswahlentscheidung des Insolvenzrichters bei der Bestellung eines Insolvenzverwalters gemäß § 56 Abs. 1 InsO unterliegt der Bindung an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG). Maßgebend ist der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Verbot einer willkürlichen Ungleichbehandlung begründet bei Einräumung von Ermessen eine Verpflichtung zu dessen sachgerechter Ausübung. Der mit dem konkreten Fall befasste Richter darf seine Entscheidung für einen bestimmten Insolvenzverwalter daher nicht nach freiem Belieben treffen; er hat sein Auswahlermessen vielmehr pflichtgemäß auszuüben. Da hiernach bei der Auswahlentscheidung auch die durch Art. 3 Abs. 1 GG geschützten Interessen der geeigneten Bewerber zu berücksichtigen sind, besteht für diese im Rahmen der Bestellung zum Insolvenzverwalter ein Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung. Jeder Bewerber um das Insolvenzverwalteramt muss eine faire Chance erhalten, entsprechend seiner in § 56 Abs. 1 InsO vorausgesetzten Eignung berücksichtigt zu werden. Insofern verfügt er über ein subjektives Recht, für das Rechtsschutz zu gewährleisten ist (BVerfG a.a.O.).

Eine Chance auf eine Einbeziehung in ein konkret anstehendes Auswahlverfahren, auf eine Bestellung und damit auf Ausübung des Berufs hat ein potenzieller Insolvenzverwalter nur bei willkürfreier Einbeziehung in das Vorauswahlverfahren. Dieses ist so bedeutsam, weil der Richter, wenn er die Auswahl des Insolvenzverwalters für ein konkretes Insolvenzverfahren trifft, wegen der Eilbedürftigkeit der Bestellungsentscheidung in konkreten Insolvenzverfahren eines - rechtlich einwandfreien - Rahmens bedarf (BVerfG NJW 2004, 2725), der ihm eine hinreichend sichere Tatsachengrundlage für eine sachgerechte Auswahlentscheidung vermittelt. Auch im Hinblick auf die Aufnahme / Einbeziehung in das Vorauswahlverfahren besteht daher ein subjektives Recht des Antragstellers.

Soweit der Senat (NJW-RR 1996, 1273) entschieden hat, Anträge auf Berücksichtigung im Vorauswahlverfahren seien unzulässig und gegenstandslos, wenn es ein förmliches Vorauswahlverfahren nicht gibt und die zuständigen Richter ihre Entscheidungen an bestimmten Erfahrungen ausrichten, weil dies den in die richterliche Entscheidung einfließenden Beurteilungs- und Auswahlhilfen keine eigenständige Verwaltungsaktsqualität verleihe, hält er daran nicht fest.

3. Da das Begehren des Antragstellers im Ermessen der Justizbehörde liegt, handelt es sich um einen Bescheidungsantrag im Sinne von § 23 Abs. 2 EGGVG.

Der Antragsgegner kann nicht mit Erfolg geltend machen, er sei mit dem Begehren des Antragstellers bisher nicht befasst worden. Jedenfalls im vorliegenden Verfahren hat er von dem Begehren Kenntnis erhalten, ohne dies zum Anlass zu nehmen, eine eigene Entscheidung zu treffen und die "in seinem Geschäftsbereich seit langem gängige Praxis" auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen und ggf. zu ändern. Er hat vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in seinem Geschäftsbereich durch die (Justiz-)Verwaltung ein sog. Vorauswahlverfahren nicht durchgeführt werde.

4. Richtiger Antragsgegner ist der Präsident des Amtsgerichts X und nicht das Land Nordrhein-Westfalen, das nach der Anordnung über die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen im Geschäftsbereich des Justizministers (Vertretungsordnung JM NW) - AV d. JM vom 25. April 2000 (5002 - I B. 10) in der Fassung vom 15. Juni 2005 - nicht vom Präsidenten des Amtsgerichts vertreten werden könnte.

Verpflichtungsanträge nach § 23 Abs. 2 EGGVG sind - nicht anders als Verpflichtungsklagen im Verwaltungsprozess (dazu § 5 AG VwGO NRW) - gegen die Behörde zu richten, die den beantragen (Justiz-)Verwaltungsakt unterlassen hat. Diese Behörde ist im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG beteiligtenfähig. Denn nach § 29 Abs. 2 EGGVG sind für das Verfahren vor dem Zivilsenat die Vorschriften über die freiwillige Gerichtsbarkeit über das Beschwerdeverfahren anzuwenden; im FG-Verfahren aber sind Behörden - wie hier der Direktor des Amtsgerichtes - beteiligtenfähig (vgl. OLG Köln OLGR 2001 197).

Entscheidend für die Bestimmung der Justizbehörde im Sinne von §§ 23 ff. EGGVG ist, welcher Behörde die Wahrnehmung der jeweiligen Aufgabe zugewiesen worden ist (OLG Dresden OLGR 2004, 394).

Die Vorauswahl von potentiellen Insolvenzverwaltern ist funktional Ausübung vollziehender Gewalt, die nicht - alleine - der Exekutive, sondern den Insolvenzgerichten in voller richterlicher Unabhängigkeit übertragen worden ist (vgl. BVerfG NJW 2006, 2613; BVerfG NJW 2003, 1924). Gleiches gilt für die Vorgabe von Kriterien für eine Aufnahme in eine Vorauswahlliste.

Solange der Gesetzgeber die Kriterien für die Aufnahme von Bewerbern in die Vorauswahlliste nicht regelt (vgl. zu der Frage, ob das verfassungsrechtlich geboten ist Runkel/Wältermann ZIP 2005, 1347), obliegt die Festlegung solcher Kriterien als Justizverwaltungsangelegenheit nicht den Insolvenzrichtern, sondern der Justizverwaltung. Wenn die Justizverwaltung die Vorauswahl und die Festlegung der dafür maßgebenden Kriterien den Insolvenzrichtern überlässt, so entlässt diese Delegation die Justizverwaltung nicht aus ihrer Verantwortung, ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln, also eine sachgerechte und verfassungsrechtlichen Maßstäben genügende Vorauswahl, sicherzustellen (vgl. KG ZIP 2006, 294). Den Insolvenzgerichten - als Justizbehörden im funktionellen Sinn - erwächst somit die Aufgabe, Auswahlkriterien für ein sachgerechtes Auswahlermessen zu entwickeln (Uhlenbruck NZI 2006, 489, 493).

Soweit der Antragsteller seinen Antrag gegen das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch den Antragsgegner, gerichtet hat, steht das den vorstehenden Ausführungen nicht entgegen. Denn die Auslegung ergibt, dass der Antragsteller den Präsidenten des Amtsgerichts als Antragsgegner in Anspruch nehmen wollte. Der Antragsteller hat deutlich gemacht, dass er die Bescheidung seines Begehrens vom Antragsgegner erwartet, dass er also ihn als Justizbehörde im funktionellen Sinn in Anspruch nehmen will. Dementsprechend hat sich auch der Antragsgegner, dem der Antrag zugestellt worden ist, am Verfahren beteiligt.

II.

In der Sache hat das Begehren des Antragstellers insoweit Erfolg, als der Antragsgegner ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates zu bescheiden hat.

1. Der Antragsgegner ist verpflichtet - gegebenfalls mit Hilfe der Insolvenzrichter - sachgerechte Kriterien für ein Vorauswahlverfahren zu bestimmen, danach eine Vorauswahlliste für mögliche Insolvenzverwalter anzulegen und aufgrund der entwickelten Kriterien, den Antragsteller, dessen Begehren dies als Minus umfasst, zu bescheiden.

Die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Bewerber um die Bestellung zum Insolvenzverwalter in einem konkreten Insolvenzverfahren fordert eine der Sicherung des chancengleichen Zugangs angemessene Verfahrensgestaltung (vgl. BVerfG NJW 1987, 887). Dabei gebietet die Komplementärfunktion des Verfahrensrechtes schon im Vorfeld eine der Bedeutung des Rechts aus Art. 12 Abs. 1 GG angemessene Verfahrensgestaltung (BVerfG NJW 2004, 2725).

Da keine Bestenauslese erfolgt, muss zwar nicht wie bei der Bewerbung um ein öffentliches Amt durch das Verfahren gewährleistet sein, dass tatsächlich unter allen potenziellen Bewerbern derjenige gefunden wird, der am ehesten den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Erforderlich ist aber ein Verfahren, das dem Richter nicht nur eine zügige Eignungsprüfung für das konkrete Verfahren ermöglicht, sondern ihm außerdem hinreichende Informationen für eine pflichtgemäße Ausübung des Auswahlermessens verschafft und verfügbar macht. Hierbei kommt insbesondere dem weithin üblichen Vorauswahlverfahren entscheidende Bedeutung zu. Es kann dem Richter einen Rahmen geben, der ihm trotz der Eilbedürftigkeit der Bestellungsentscheidung eine hinreichend sichere Tatsachengrundlage für eine sachgerechte Auswahlentscheidung im konkreten Insolvenzverfahren vermittelt (BVerfG NJW 2006, 2613 unter Hinweis auf BVerfG NJW 2004, 2725).

Um diese Funktion erfüllen zu können, darf sich ein dem konkreten Insolvenzverfahren vorgelagertes allgemeines Vorauswahlverfahren nicht nur auf das Erstellen einer Liste mit Namen und Anschriften interessierter Bewerber beschränken. Es muss vielmehr auch die Erhebung, Verifizierung und Strukturierung der Daten gewährleisten, die nach der Einschätzung des Insolvenzrichters nicht nur für die Feststellung der Eignung eines Bewerbers im konkreten Fall maßgebend sind, sondern vor allem auch eine sachgerechte Ermessensausübung bei der Auswahl des Insolvenzverwalters aus dem Kreis der geeigneten Bewerber ermöglichen. Es ist Aufgabe der Fachgerichte, Kriterien für die Feststellung der Eignung eines Bewerbers sowie für eine sachgerechte Ausübung des Auswahlermessens zu entwickeln (vgl. BVerfG NJW 2006, 2613). Zu beachten ist jedoch, dass das Modell einer "geschlossenen Liste", nach dem die Zahl der aufgenommenen Bewerber begrenzt ist und nur bei Ausscheiden einer bereits geführten Person ein neuer Bewerber in den Kreis möglicher Insolvenzverwalter aufgenommen wird, der Chancengleichheit der Bewerber nicht hinreichend Rechnung trägt (vgl. BVerfG NJW 2004, 2725). Eine Liste ist daher so zu führen, dass in sie jeder Bewerber aufgenommen wird, der die grundsätzlich zu stellenden Anforderungen an eine generelle, vom einzelnen Insolvenzverfahren gelöste Eignung für das Amt des Insolvenzverwalters erfüllt (vgl. BVerfG NJW 2006, 2613, mN).

2. Bislang hat der Antragsgegner weder diesen Anforderungen entsprechende Kriterien entwickelt, noch eine nach solchen Kriterien geführte Auswahlliste erstellt.

Er räumt selbst ein, dass in seinem Geschäftsbereich kein sog. Vorauswahlverfahren durch die Verwaltung durchgeführt werde, sondern in einem "geregelten" Verfahren die Aufnahme der Bewerbungen in eine von den Richtern der Insolvenzabteilungen geführte Liste erfolge.

Diese bloße Sammlung möglicherweise in Betracht kommender Bewerber und bereits beauftragter Verwalter reicht zur Vorbereitung der Bestellung durch den Richter im Einzelfall nicht aus und genügt den vom Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) aufgestellten Anforderungen nicht.

Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass zwar - formal - jeder Bewerber (auch der Antragsteller) in diese Liste aufgenommen wird, dass aber in der Praxis die Insolvenzrichter ihrerseits aus der Zahl der gelisteten Interessenten seit langem nur einen kleineren Kreis von Bewerbern berücksichtigen, weil nach ihrer Ansicht die Begrenzung der in Insolvenzsachen eingesetzten Kanzleien die Effektivität der Insolvenzabwicklung verbessere. Damit stellen sie faktisch eigene Kriterien für eine Vorauswahl auf, die im Ergebnis dem vom Bundesverfassungsgericht (NJW 2006, 2613) verworfenen Modell einer "geschlossenen Liste", nach dem die Zahl der aufgenommenen Bewerber begrenzt ist, entsprechen.

Wenn die Justizverwaltung auf diese Weise die Vorauswahl und die Festlegung der dafür maßgebenden Kriterien den Insolvenzrichtern überlässt, so entfällt durch diese "Delegation" nicht die Verantwortung, ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln, also eine sachgerechte und verfassungsrechtlichen Maßstäben genügende Vorauswahl, sicherzustellen (vgl. KG ZIP 2006, 294).

3. Das Begehren des Antragstellers umfasst die erforderliche Aufstellung sachgerechter Kriterien und nach diesen Kriterien geführter Vorauswahlliste und Bescheidung seines Antrags auf Aufnahme in diese Liste. Denn er hat beanstandet, dass sein Name zwar auf einer Liste geführt, er dennoch aber bei den Entscheidungen über die Bestellung von Insolvenzverwaltern nicht berücksichtigt werde, weil er in den Kreis der tatsächlich in Frage kommenden Bewerber gerade nicht einbezogen sei. Damit wendet er sich im Ergebnis gegen die im vorliegenden Fall faktisch geführte "geschlossene Liste".

Zur Aufstellung sachgerechter Kriterien für eine Vorauswahl, zur Aufstellung einer diesen Kriterien entsprechenden Vorauswahlliste und zu einer Entscheidung des Antragstellers über die Aufnahme in eine solche Liste ist der Antragsgegner zu 1 nach § 28 Abs. 2 Satz 2 EGGVG zu verpflichten.

4. Gerichtsgebühren erfallen nicht, weil der Antrag erfolgreich ist.

Billigkeitsgesichtspunkte gebieten die Kostenerstattung zugunsten des Antragstellers nicht, § 30 Abs. 2 EGGVG.

Ende der Entscheidung

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