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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 19.02.2008
Aktenzeichen: I-3 Wx 1/08
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 16 Abs. 2
WEG § 16 Abs. 4
WEG § 21 Abs. 4
WEG § 21 Abs. 5 Nr. 2
WEG § 25 Abs. 2
WEG § 62
Wird die WEG rechtskräftig verpflichtet, der Herstellung eines zweiten Rettungsweges zuzustimmen, so besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Kostenregelung hierfür nach § 16 Abs. 2 WEG unter Beteiligung der WEG, wenn der Wohnungseigentümer mit der Regelung nicht einem aktuellen Rechtsschutzziel Geltung verschaffen, sondern lediglich einen "Vorratsbeschluss" erreichen will, der es ihm ermöglichen soll, irgend wann einmal - womöglich unter dann maßgeblich veränderten Umständen - die Baumaßnahme unter Kostenbeteiligung der WEG durchzuführen.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 1/08

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft H.,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 14. November 2007 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G. und der Richter am Oberlandesgericht D. und von W.

am 19. Februar 2008

beschlossen:

Tenor:

Auf das Rechtsmittel wird der angefochtene Beschluss teilweise dahin geändert, dass die Verpflichtung der Beteiligten zu 3, einer Verteilung der Kosten, die infolge der Herstellung des vorgenannten zweiten Rettungsweges anfallen, nach dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel des § 16 Abs. 1 Satz 2 WEG zuzustimmen, entfällt und der hierauf gerichtete Antrag der Beteiligten zu 1 + 2 zurückgewiesen wird.

Die gerichtlichen Kosten des Verfahren des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde tragen die Beteiligten zu 1 und 2.

Wert: 3.000,- Euro

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind die Mitglieder der eingangs genannten Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben die Wohnung im 2. Obergeschoss sowie die Dachgeschosswohnung inne. Sie beabsichtigten eine Zusammenführung dieser Wohnungen zu einer Wohneinheit und beantragten hierfür die Baugenehmigung. Bei der Prüfung des Bauvorhabens ergab sich, dass der nach § 17 Abs. 3 BauO NW für jede Nutzungseinheit erforderliche zweite Rettungsweg fehlte. Nach § 40 Abs. 4 BauONW müssen Öffnungen in Fenstern, die als Rettungswege dienen, im Lichten mindestens 0,90 m x 1,20 m groß und nicht höher als 1,20 m von der Traufkante entfernt sein; von diesen Fenstern müssen sich Menschen zu öffentlichen Verkehrsfläche oder zu Flächen für die Feuerwehr bemerkbar machen können.

Die Baugenehmigung für das - letztlich nicht durchgeführte - Bauvorhaben wurde unter dem 21. Juli 2003 mit der folgenden Anforderung an den Brandschutz erteilt:

"In der Dachgeschosswohnung muß mindestens ein zur öffentlichen Verkehrsfläche hinliegendes Fenster vorhanden sein, das als 2. Rettungsweg geeignet ist.

Das Fenster muß im Lichten gemessen, mindestens 0,90 m x 1,20 m groß und voll öffenbar sein..."

Auf der Eigentümerversammlung am 02. Mai 2007 wurde mit den Stimmen der Beteiligten zu 3 zu TOP 10 eine Beschlussfassung über die Herstellung des zweiten Rettungsweges in der Dachgeschosswohnung sowie zu TOP 11 über die Verteilung der Kosten hierfür (zu Lasten der Gemeinschaft) abgelehnt.

Die Beteiligen zu 1 und 2haben diese Beschlüsse angefochten und haben beantragt,

1. die auf der Versammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft H. am 02.05.2007 zu TOP 10 (Beschlussfassung über die Herstellung des zweiten Rettungsweges in der Dachgeschosswohnung der Antragsteller) sowie TOP 11 (Beschlussfassung über die Verteilung der Kosten infolge der Herstellung des zweiten Rettungsweges) gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären,

2. die Beteiligte zu 3 zu verpflichten, alle baulichen Maßnahmen zu dulden, die zur Herstellung des zweiten Rettungsweges der Dachgeschosswohnung der Antragsteller im Hause H. erforderlich sind, insbesondere die Maßnahmen zum Ausbau des (vom Blickpunkt Straßenseite aus betrachtet) rechten Gaubenfensters der Dachgeschosswohnung des Hauses H. zum zweiten Rettungsweg oder die Maßnahmen zum Einbau eines Dachflächenfensters mit den für den zweiten Rettungsweg gesetzlich vorgegebenen Maßen zwischen mittlerer und rechter Gaube (Blickpunkt Straßenseite) des Hauses H.,

3. die Beteiligte zu 3 zu verpflichten, der Verteilung der Kosten, die infolge der Herstellung des vorgenannten zweiten Rettungsweges anfallen, nach dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel des § 16 Abs. 1 Satz 2 WEG zuzustimmen.

Die Beteiligte zu 3 hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie hat darauf verwiesen, dass die baurechtliche Zulässigkeit der Dachgeschosswohnung vom Bauordnungsamt im Zusammenhang mit der Teilung des Hauses überprüft worden sei. Seit spätestens 1985 werde die Dachgeschosswohnung zu Wohnzwecken genutzt, ohne dass ein zweiter Rettungsweg gefordert worden sei. Das Erfordernis des zweiten Rettungsweges beruhe ausschließlich auf der von den Beteiligten zu 1 und 2 ursprünglich gewünschten Zusammenlegung ihrer Wohnungen im 2. Obergeschoss und im Dachgeschoss.

Das Amtsgericht Krefeld hat am 27. August 2007 die Anträge zurückgewiesen, weil derzeit ein baubehördlicher Bescheid die Beteiligten zu 1 und 2 nicht zu einer Anlegung des zweiten Rettungsweges zwinge.

Hiergegen haben die Beteiligten zu 1 und 2 sofortige Beschwerde eingelegt.

Sie haben geltend gemacht, die Herstellung des zweiten Rettungsweges stelle eine Maßnahme der Gefahrenabwehr dar.

Die Beteiligten zu 1 und 2 haben beantragt,

unter Änderung des amtsgerichtlichen Beschlusses nach ihrenerstinstanzlichen Anträgen zu entscheiden.

Die Beteiligte zu 3 hat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat vorgetragen, es fehle nach wie vor an einer bauordnungsrechtlichen Verfügung, nach der die Beteiligten zu 1 und 2 bzw. die Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtet seien, einen zweiten Rettungsweg zu schaffen.

Das Landgericht hat am 26. November 2007 den amtsgerichtlichen Beschluss geändert, die auf der Eigentümerversammlung am 02. Mai 2007 zu TOP 10 und 11 gefassten Beschlüsse für ungültig erklärt und die Beteiligte zu 3 verpflichtet, allen baulichen Maßnahmen zuzustimmen, die zur Herstellung des zweiten Rettungsweges der Dachgeschosswohnung der Beteiligten zu 1 und 2 im Hause H. im Wege des Einbau eines Dachflächenfensters mit den gesetzlich vorgegebenen Maßen zwischen mittlerer und rechter Gaube (Blickpunkt Straßenseite) des Hauses H. erforderlich sind sowie der Verteilung der Kosten, die infolge der Herstellung des vorgenannten zweiten Rettungsweges anfallen, nach dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel des § 16 Abs. 1 Satz 2 WEG zuzustimmen.

Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde wendet sich die Beteiligte zu 3 nur noch dagegen, dass sie der Verteilung der Kosten für die Herstellung des zweiten Rettungsweges nach dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel des § 16 Abs. 1 Satz 2 WEG zuzustimmen habe.

Die Beteiligten zu 1 und 2 treten dem entgegen und verteidigen die landgerichtliche Entscheidung. Sie machen geltend, es handele sich bei der Schaffung des zweiten Rettungsweges um eine Instandsetzungsmaßnahme, für die zwingend die Kostenregelung des § 16 WEG Anwendung finde.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 ist in der Sache begründet, da die Entscheidung des Landgerichts auf einer Rechtsverletzung (§§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 546 ZPO) beruht.

1.

Das Landgericht hat die Beteiligte zu 3 rechtskräftig dazu verpflichtet, allen zur Herstellung des zweiten Rettungsweges erforderlichen baulichen Maßnahmen zuzustimmen.

Weiter hat es entschieden, die Beteiligte zu 3 habe einer Verteilung der Kosten hierfür nach dem Schlüssel des § 16 Abs. 2 WEG zuzustimmen. Zu einer ordnungsgemäßen, dem Interesse aller Wohnungseigentümer entsprechenden, Verwaltung gehöre es nämlich auch, dass die Kostenfrage geregelt sei. Daher hätten die Beteiligten zu 1 und 2 einen Anspruch auf Zustimmung zur Kostenverteilung nach § 16 Abs. 2 WEG a. F., wonach jeder Wohnungseigentümer den anderen Wohnungseigentümern gegenüber verpflichtet sei, die Kosten der Instandhaltung nach dem Verhältnis seines Anteils zu tragen.

2.

Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a)

Zunächst ist festzuhalten, dass vorliegend das neue WEG vom 26. März 2007, BGBl. I, 370 zur Anwendung kommt, da für die Beurteilung nicht ein der letzten Tatsacheninstanz entsprechender Zeitpunkt, sondern das aktuelle Recht maßgebend ist (vgl. § 62 WEG n. F.; Senat, NJW-RR 2008, 169).

Nach § 21 Abs. 4 WEG kann jeder Eigentümer eine Verwaltung verlangen, die den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit solche nicht bestehen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Zu einer ordnungsgemäßen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung gehört insbesondere die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG) und demnach prinzipiell auch die Regelung der Kostenverteilung hierzu (BayObLG WE 1996, 476; KK-WEG-Drabeck 2006, § 21 Rdz. 160).

§ 16 Abs. 2 WEG bestimmt, dass jeder Wohnungseigentümer den anderen Wohnungseigentümern gegenüber verpflichtet ist, die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnisseins Anteils (§ 16 Abs. 1 Satz 2 WEG) zu tragen.

Nach § 16 Abs. 4 WEG können die Wohnungseigentümer im Einzelfall zur Instandhaltung oder Instandsetzung im Sinne des § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG oder zu baulichen Veränderungen oder Aufwendungen im Sinne des § 22 Abs. 1 und 2 WEG - mit einer Mehrheit von mehr als drei Vierteln aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer im Sinne des § 25 Abs. 2 WEG und mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile - durch Beschluss die Kostenverteilung abweichend von Abs. 2 regeln, wenn der abweichende Maßstab dem Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs durch die Wohnungseigentümer Rechnung trägt.

b)

Dies vorausgeschickt haben die Beteiligten zu 1 und 2 gleichwohl- auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Kammer die Beteiligte zu 3 rechtskräftig verpflichtet hat, allen zur Herstellung eines zweiten Rettungsweges erforderlichen baulichen Maßnahmen zuzustimmen - derzeit kein Rechtsschutzbedürfnis für die von ihnen angestrebte Kostenregelung.

aa)

Denn die Beteiligten zu 1 und 2 wollen mit der von ihnen erstrebten Kostenregelung nach § 16 Abs. 2 WEG nicht einem aktuellen Rechtsschutzziel Geltung verschaffen, sondern einen Vorratsbeschluss erreichen, der es ihnen irgendwann einmal - womöglich unter gegenüber heute maßgeblich veränderten Umständen - ermöglichen soll, unter kostenmäßiger Beteiligung der WEG (sprich: der Beteiligten zu 3) den zweiten Rettungsweg zu bauen.

Obwohl den Beteiligten zu 1 und 2 eine Baugenehmigung unter Auflage vom 21. Juli 2003 vorliegt, haben sie bis heute die Zusammenlegung ihrer Wohnungen nicht verwirklicht, und es besteht gegenwärtig kein Anhalt dafür, dass sie dies überhaupt noch wollen. Sie behaupten dies selbst nicht und dagegen spricht, dass sie ihr Duldungs- bzw. Zustimmungsbegehren betreffend den zweiten Rettungsweg bereits nicht mit der Absicht der Zusammenlegung, sondern damit begründet haben, dass die Baubehörde ihnen die Herstellung des zweiten Rettungsweges unabhängig hiervon aufgeben werde. Ob überhaupt und ggf. wann die Baubehörde den Beteiligten zu 1 + 2 ohne eine Zusammenlegung der beiden Wohnungen den Bau eines zweiten Rettungsweges für die Dachgeschosswohnung aufgeben wird, ist völlig ungewiss.

Die zeitlich nicht eingeordnete, wohl schon länger zurück liegende Äußerung des Mitarbeiters des Bauamts O. gegenüber Rechtsanwalt Hartmann, dass "zu gegebener Zeit die gebotenen ordnungsbehördlichen Maßnahmen ergriffen werden", lässt keine hinreichenden Rückschlüsse zu.

bb)

Hinzu kommt, dass eine nach gegenwärtigem Stand zu treffende Kostenregelung eine abschließende Bewertung der maßgeblichen Umstände schon deshalb nicht zulassen würde, weil sie nicht die Verhältnisse berücksichtigen könnte, wie sie bei einer etwa in ferner Zukunft notwendig werdenden Anlegung eines zweiten Rettungsweges anzutreffen sein werden.

Soweit derzeit ersichtlich wäre die Anlegung des Rettungsweges nicht darauf gerichtet, eine (konkrete) Gefahr für die Wohnungseigentumsanlage und deren Bewohner abzuwehren, sondern einzig und allein auf die Beseitigung einer abstrakten Gefährdung der Beteiligten zu 1 und 2 und ihrer etwaigen Besucher im Falle des Ausbruchs eines Brandes in dem den Beteiligten zu 1 und 2 zugeordneten und ausschließlich von ihnen genutzten Teil des Gebäudes. Dann aber würde sich die Frage einer abweichenden Regelung der Kostenverteilung nach § 16 Abs. 4 WEG stellen. Zwar käme nach gegenwärtigen Mehrheitsverhältnissen eine abweichende Regelung, welche die Kosten allein den Beteiligten zu 1 und 2 auferlegt, nicht zustande. Allerdings wäre zu gegebener Zeit unter Würdigung der dann maßgeblichen Gesichtspunkte zu prüfen, ob die Beteiligten zu 1 und 2 sich unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben einer Kostenregelung ohne Belastung auch der Beteiligten zu 3 verweigern können (zur Majorisierung vgl. BGH ZMR 2002, 930; BayObLG ZMR 2002, 525; Senat ZMR 2002, 614; KK-WEG-Riecke 2006 § 25 Rdz. 33 ff.; Gottschalg NZM 2005, 91).

Nach alledem ist für eine Regelung, die die infolge der Herstellung eines zweiten Rettungsweges allenfalls erst künftig anfallenden Kosten auf die Gemeinschaft schon heute verteilt bzw. die Beteiligte zu 3 zu einer dahin gehenden Zustimmung verpflichtet, kein Raum.

Die landgerichtliche Entscheidung war auf das Rechtsmittel der Beteiligten zu 3 entsprechend zu ändern.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 62 Abs. 1; 47 a.F. WEG. Eine Erstattungsanordnung im Hinblick auf die im dritten Rechtszug notwendig entstandenen außergerichtlichen Kosten nach Billigkeitsgesichtspunktenwar nicht veranlasst.

Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 62 Abs. 1; 48 Abs. 3 a. F. WEG, sie beruht auf den geschätzten Kosten für die erstrebte Maßnahme unter Abzug des unstreitig von den Beteiligten zu 1 und 2 entsprechend ihrem Miteigentumsanteil zu tragenden Anteils.

Ende der Entscheidung

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