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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 17.12.2003
Aktenzeichen: I-3 Wx 118/03
Rechtsgebiete: WEG
Vorschriften:
WEG § 10 |
Hat eine Wohnungseigentümergemeinschaft einer aus mehreren Häusern bestehenden Anlage über 20 Jahre lang einheitliche Instandhaltungsrücklagen nach Gebäudekomplexen (z.B. "Bauabschnitt I Gebäude 2 - 4") in Jahresabrechnungen und Wirtschaftspläne eingestellt und entsprechend erhoben, so kann hierin eine konkludent zustande gekommene schuldrechtliche Vereinbarung, so wie geschehen, abzurechnen bzw. die Wirtschaftspläne aufzustellen, jedenfalls dann liegen, wenn der jahrelangen Handhabung eine auf die Schaffung einer solchen dauerhaften Regelung abzielende Willensbildung der Gemeinschaft in Gestalt eines Eigentümerbeschlusses vorangegangen ist.
2.
Die vorbezeichnete schuldrechtliche Vereinbarung schafft eine Basis für beschlossene Jahresabrechnungen und Wirtschaftspläne und legitimiert bis auf Weiteres die hierauf gegründeten Beschlussfassungen.
Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal am 24. März 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgerichts Dr. G., der Richterin am Oberlandesgericht S-L. und des Richters am Oberlandesgericht W-L. am 17. Dezember 2003
beschlossen:
Tenor:
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Beteiligte zu 1.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 20.000,- EUR.
Gründe:
I.
Der Antragsteller (Beteiligte zu 1) und die Antragsgegner (Beteiligten 2 bis 18) bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft L-Straße in E.; die Beteiligte zu 19 ist die Verwalterin der Anlage.
Die Teilungserklärung vom 31. Mai 1974 lautet u.a. wie folgt:
§ 1 (GA 21)
" ... Auf diesem Grundstück errichtet das Wohnungsunternehmen 6 Gebäude mit 57 Wohnungen und einer Hausmeisterwohnung und 42 Garagen.
Diese Gebäude gelten als Grundstückseinheit im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG vom 15.03.1951)."
In dem Aufteilungsplan, der als Anlage zu § 2 der Teilungserklärung beigefügt ist, wird jeweils zwischen sechs Häusern, die von 1 - 6 durchnummeriert sind, unterschieden.
§ 13 Abs. 1 e
" Die Wohnungseigentümer sind zur Ansammlung einer Instandhaltungsrücklage für das gemeinschaftliche Eigentum verpflichtet. Zu diesem Zweck ist ein angemessener jährlicher Betrag, der sich nach Miteigentumsanteilen errechnet, an den Verwalter zu entrichten.
Für jedes Haus wird gesondert eine Instandhaltungsrücklage angesammelt; für die Instandhaltung der einzelnen Häuser notwendig werdende Beträge werden lediglich der jeweiligen Hausrücklage entnommen. Damit ist zu gewährleisten, daß die Eigentümer des einen Hauses nicht für die Instandhaltung des anderen Hauses aufzukommen haben. Dies gilt nur für Instandhaltungen, die lediglich und ausschließlich für einzelne Häuser vorzunehmen sind. Bei Instandhaltungen für Gegenstände, die alle Häuser gleichermaßen betreffen (z.B. Heizungsanlagen, Kanalisation, gemeinschaftlich genutzte Außenanlagen) werden entsprechend der Miteigentumsanteile alle Instandhaltungsrücklagen belastet.: ... "
§ 14 (4)
" ... Das Stimmrecht bestimmt sich nach dem WEG, es sei denn, daß in dieser Teilungserklärung etwas anderes bestimmt ist.
Bei Beschlüssen, die zweifelsfrei nur eines der Häuser betreffen, - insbesondere bezüglich der Durchführung von Instandsetzungsarbeiten - sind nur die Wohnungs-/Teileigentümer des betreffenden Hauses stimmberechtigt ... ".
Die Eigentümergemeinschaft beschloss am 22. August 2001 einstimmig zu TOP 3 die Verwaltungsabrechnung 2000 und zu TOP 6 den Wirtschaftsplan 2001 sowie zu TOP 4 die Entlastung der Verwalterin.
Die Hausgeldabrechnung und der Wirtschaftsplan sehen für die Häuser L-Straße eine einheitliche Instandhaltungsrücklage vor.
Der Antragsteller hat beantragt,
die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 22. August 2001 zu TOP 3, 4 und 6 für ungültig zu erklären.
Das Amtsgericht hat nach mündlicher Verhandlung den Antrag des Beteiligten zu 1 am 6. März 2002 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die angefochtenen Beschlüsse entsprächen - Abweichendes lasse sich wegen Widersprüchlichkeit der Teilungserklärung derselben nicht entnehmen - ordnungsgemäßer Verwaltung. Im Zweifel seien für die Häuser L-Straße gemeinsame Instandhaltungsrücklagen zu bilden. Zwar sehe § 13 e TE vor, dass für jedes "Haus" eine gesonderte Instandhaltungsrücklage angesammelt wird. Der Begriff "Haus" sei aber hier nicht weiter geklärt. Für die Auslegung des Antragstellers, wonach "Haus" mit "Haus-Nr." gleich zu setzen sei, spreche zunächst der Aufteilungsplan, aus dem sich ergebe, dass 6 Häuser entstehen sollten, die von 1 - 6 durchnumeriert sind. Dies spreche dafür, dass die Hausnummern 2 - 12 jeweils mit "Haus" gemeint sind. Gegen eine solche Auslegung seien aber der weitere Inhalt der Teilungserklärung sowie die tatsächlichen Verhältnisse anzuführen. Die Eigentümergemeinschaft habe seit über 20 Jahren (ETV vom 23.10.1981) den Begriff "Haus" in § 13 e TE als Gebäude bzw. Bauabschnitt verstanden, woraus eine gewisse Indizwirkung abzuleiten sei. In § 1 TE werde offenbar der Begriff "Gebäude" mit dem Begriff "Haus" gleich gesetzt. Auch in § 3 TE werde für die Begrifflichkeiten auf die Bezeichnung "Gebäude" und nicht "Haus" zurückgegriffen, was dafür spreche, dass in der TE die Begriffe "Haus" und "Gebäude" gleichzusetzen seien. Dabei sei ersichtlich Zweck des § 13 e TE, unterscheidbare Instandhaltungskosten, die auf einzelne Häuser/Gebäude entfallen, zu trennen und sie getrennten Instandhaltungsrücklagen zu entnehmen. Lediglich für alle Häuser/Gebäude betreffende Instandhaltungsmaßnahmen sollten alle Instandhaltungsrücklagen belastet werden. Der Antragsgegner zu 4 habe erläutert, dass zwischen den Hausnummern 2 und 4 im Kellergeschoss ein Keller und eine Waschküche des Hauses Nr. 2 in den Bereich des Hauses 4 eingreifen, was dafür spreche, dass ein einheitliches Gebäude vorliegt. Letzteres werde durch die Grenzbescheinigung vom 7. Oktober 1975, wonach das Gebäude L-Straße als einheitliches Gebäude/Wohnhaus ausgewiesen wird, bestätigt. Überdies entspreche die TE offenbar nicht vollständig den örtlichen Gegebenheiten. Die Bauabschnitte II und III seien zeitlich erheblich nach der Begründung des Teileigentums entstanden; der Aufteilungsplan, der die Auslegung des Antragstellers stütze, sei so nicht zur Ausführung gelangt. Ferner spreche auch die Abgeschlossenheitsbescheinigung, die sich auf die Hausnummern L-Straße 2 und 4, L-Straße 6 und 8 sowie L-Straße 10 und 12 beziehe dafür, dass es sich bei den Hausnummern L-Straße 2 und 4 um ein einheitliches Gebäude handele. Ausweislich der Grundakten seien die im Aufteilungsplan zunächst vorgesehenen Häuser 1 - 6 auch nicht so ausgeführt worden. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Hausanzahl nicht mit der Anzahl von Hausnummern übereinstimme.
Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat die Kammer nach abermaliger mündlicher Verhandlung am 24. März 2003 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Beteiligte zu 1 sofortige weitere Beschwerde eingelegt, der die Antragsgegner entgegen treten.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
1.
Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1 hat keinen Erfolg. Denn die angefochtene Entscheidung ist frei von entscheidungserheblichen Rechtsfehlern (§ 27 FGG).
2.
Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Kammer schließe sich den Darlegungen des Amtsgerichts zur Auslegung an. Insbesondere sei von Bedeutung, dass eine bauliche Verschachtelung der sogenannten Häuser mit den Hausnummern 2 und 4 vorgegeben sei, die bei einer getrennten Ansammlung der Instandhaltungsrücklagen zu erneuten Schwierigkeiten führen würde. Überdies habe der Beschwerdeführer nicht mit der nötigen Korrektheit ermittelt, ob die Fortsetzung der bisherigen Praxis zu Ungerechtigkeiten bei der Lastenverteilung führen werde und der Kammer keine entsprechenden Anhaltspunkte geliefert. Immerhin habe sich der Antragsteller nach dem Ergebnis der ersten mündlichen Verhandlung ohne jede Einschränkung bereit erklärt, die TE dahin ändern zu lassen, dass die Häuser L-Straße 2 und 4 als ein Haus/Gebäude im Sinne der TE angesehen werden. Bei schwerwiegenden Einwendungen gegen die Billigkeit der daraus abzuleitenden Kostenverteilung würde er mit dieser Regelung indes nicht einverstanden gewesen sein.
3.
Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
a) Die die Jahresabrechnung 2000 und den Wirtschaftsplan 2001 genehmigenden und die Verwalterin entlastenden Beschlüsse zu TOP 3, 6 und 4 der Eigentümerversammlung vom 22. August 2001 sind rechtlich nicht mit Blick darauf zu beanstanden, dass bezüglich der Instandhaltungsrücklage das Gebäude 2 - 4 nicht als gesonderte Häuser im Sinne § 13 Abs. 1 e der Teilungserklärung vom 31. Mai 1974 behandelt und demnach zwei selbständige Instandhaltungsrücklagen in die Rechenwerke eingestellt worden sind.
Zwar bestimmt § 13 Abs. 1 e der Teilungserklärung, ausgehend von der seinerzeit in Aussicht genommenen Errichtung von 6 Gebäuden (§ 1 TE), dass für jedes Haus gesondert eine Instandhaltungsrücklage angesammelt und die für die Instandhaltung der einzelnen Häuser notwendig werdenden Beträge lediglich der jeweiligen Hausrücklage entnommen werden sollen. Hierbei mag offen bleiben, ob die Teilungserklärung - wie die Vorinstanzen gemeint haben - dahin ausgelegt werden kann, dass das Gebäude 2 - 4 als ein Haus im Sinne der Teilungserklärung zu gelten hat und bereits deshalb - wie geschehen und anders als vom Beschwerdeführer gefordert - nur eine Instandhaltungsrücklage zu bilden war.
Jedenfalls hat der Eigentümerbeschluss vom 23. Oktober 1981 der abweichend von der Teilungserklärung verlaufenen tatsächlichen Bauentwicklung (Errichtung der Häuser Nr. 2, 4, 6, 8, 10, 12, 12 a in drei Bauabschnitten statt 6 Häuser mit den Nrn. 1 bis 6) dadurch Rechnung getragen, dass zwar einzelne Instandhaltungsrücklagen gebildet werden sollten und in der Folgezeit gebildet worden sind, allerdings entsprechend den Bauabschnitten (I. = 2 + 4; II. = 6 + 8; III. = 10 - 12 a).
b)
Diese Handhabung ist rechtlich akzeptabel.
aa)
Zwar hat der Eigentümerbeschluss die Teilungserklärung nicht entsprechend seinem Inhalt geändert. Dies hätte nur durch Vereinbarung unter Beteiligung aller Wohnungseigentümer nach aktuellem Stand oder allenfalls aufgrund allstimmigen Eigentümerbeschlusses geschehen können, wobei eine Erstreckung der Wirkung auf Sonderrechtsnachfolger ohnehin nur unter der Voraussetzung der Grundbucheintragung zu erzielen ist.
bb)
Darin, dass die Eigentümergemeinschaft in den vergangenen mehr als 20 Jahren - mit Zustimmung auch des Antragstellers - die Instandhaltungsrücklagen nach Bauabschnitten, also für das im Bauabschnitt I errichtete Gebäude 2 - 4 eine einheitliche Instandhaltungsrücklage, in Jahresabrechnungen und Wirtschaftspläne eingestellt und entsprechend erhoben hat, liegt nicht nur eine im Gegensatz zu einer Vereinbarung stehende jahrelange Übung, durch die die Gemeinschaftsordnung im Allgemeinen auch nicht stillschweigend außer Kraft gesetzt bzw. geändert werden kann (vgl. Bärmann/Pick/Merle a.a.O. § 10 Rdz. 57 zur langjährigen Abweichung vom Kostenverteilungsschlüssel), sondern eine konkludent zustande gekommene Vereinbarung mit dem Inhalt, so wie geschehen, also unter Berücksichtigung einer einheitlichen Instandhaltungsrücklage für den Bauabschnitt I (Gebäude 2-4), abzurechnen bzw. die Wirtschaftspläne aufzustellen. Denn anders als in den Fällen der bloßen Hinnahme einer vereinbarungswidrigen Praxis ohne ernsthaften Protest, ist der jahrelangen Handhabung eine auf die Schaffung einer dauerhaften Regelung abzielende Willensbildung der Gemeinschaft in Gestalt des Eigentümerbeschlusses vom 23. Oktober 1981 vorangegangen (vgl. OLG Zweibrücken ZMR 1999, 53) und haben die Wohnungseigentümer jahrelang die hinsichtlich der Instandhaltungsrücklage geschaffene Basis für die beschlossenen Jahresabrechnungen und Wirtschaftspläne gebilligt.
Die hiernach konkludent zustande gekommene Abmachung zwischen den Wohnungseigentümern hat die Wirkung einer schuldrechtlichen Vereinbarung, die die Beschlussfassung in Ermangelung einer abweichenden Vereinbarung derzeit legitimiert. Soweit der Bestand der Wohnungseigentümer zwischenzeitlich gewechselt haben sollte, gilt dies auch für die Erwerber, die diese Regelung nicht nur stillschweigend geduldet, sondern ihrerseits konkludent bestätigt haben, indem sie die auf der in Rede stehenden Behandlung der Instandhaltungsgrundlage basierenden Eigentümerbeschlüsse, insbesondere über die Jahresabrechnungen und Wirtschaftspläne, mit beschlossen haben und den Beschlussfassungen diesbezüglich nicht im Wege der Anfechtung entgegen getreten sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, dass der Beteiligte zu 1 die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde trägt. Dagegen bestand keine Veranlassung, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen.
Ende der Entscheidung
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