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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 01.08.2008
Aktenzeichen: I-3 Wx 118/08
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 19
FGG § 34 Abs. 1
1. Ein Rechtsanwalt/Notar, der im Nachlassverfahren mögliche Erben vertritt, hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ihm die Nachlassakten zum Zwecke der Einsichtnahme in seine Büroräume übersandt werden.

2. Die Aktenübersendung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, wobei das Interesse an einem reibungslosen Verfahrensgang (Minimierung des Verlustrisikos) gegen das Gewicht einer zu besorgende Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Antragstellers (oder seines Mandanten) abzuwägen ist.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 118/08

In der Nachlasssache

betreffend den Nachlass des X2000 in Duisburg verstorbenen A., zuletzt wohnhaft gewesen in Duisburg,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die weitere Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss der 07. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 13. Mai 2008 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G., der Richterin am Oberlandesgericht Dr. P. und des Richters am Oberlandesgericht von W.

am 1. August 2008

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Beschwerdewert: Bis 300,- Euro

Gründe:

I.

Am 30. Juli 2000 verstarb der Erblasser in Duisburg, seinem letzten Wohnsitz.

Der Antragsteller, der im Nachlassverfahren mögliche Erben vertritt, hat zunächst beantragt, ihm die Nachlassakten zum Zwecke der Einsichtnahme beim Amtsgericht Meppen zur Verfügung zu stellen. Diesem Antrag hat das Amtsgericht Duisburg entsprochen.

Sodann hat der Antragsteller beantragt, ihm die an das Amtsgericht Meppen übersandte Akte zwecks Einsichtnahme in seine Büroräume zu schicken.

Das Amtsgericht hat dies mit Beschluss vom 31. März 2008 abgelehnt, da es sich an Rechtsprechung und Schrifttum gebunden sehe.

Hiergegen hat sich der Antragsteller beschwert.

Das Landgericht hat am 13. Mai 2008 die Beschwerde zurückgewiesen, wogegen sich die weitere Beschwerde des Antragstellers richtet.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1.

Soweit mit Blick auf die Entscheidung des BayObLG (FGPrax 1995, 72) Bedenken gegen die Beschwerdeberechtigung des Antragstellers bestehen könnten, weil der Beschwerdeführer das mit dem Antrag auf Akteneinsicht geltend gemachte Interesse auf rechtliches Gehör letztlich aus seinem Mandat herleitet, mögen diese dahinstehen. Denn das Rechtsmittel ist jedenfalls in der Sache nicht begründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Rechtsverletzung beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

1.

Die Kammer hat ausgeführt, die Beschwerde des Antragstellers habe keinen Erfolg.

Nach einhelliger Auffassung handele es sich bei der Verweigerung oder Beschränkung der Akteneinsicht um eine beschwerdefähige Verfügung im Sinne von § 19 Abs. 1 FGG. Die Beschwerde des Antragstellers sei jedoch sachlich unbegründet.

§ 34 Abs. 1 FGG bestimme, dass das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen Einsicht in Akten gewähren kann, wenn ein berechtigtes Interesse glaubhaft ist. Danach habe der Rechtsanwalt eines Beteiligten im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich keinen Anspruch auf Übersendung der Akten in seine Kanzlei [vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Auflage, § 34 Rdnr. 22; Bumiller/Winkler, FGG, 8. Auflage, Rdnr. 14]. Die Aktenübersendung stehe vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Dabei seien die Interessen der Justiz an einem reibungslosen Verfahrensgang einerseits und die besondere Stellung des Rechtsanwalts als selbständiges und unabhängiges Organ der Rechtspflege andererseits zu berücksichtigen. Es werde in der Rechtsprechung vertreten, dass sich das gerichtliche Ermessen auf eine Pflicht zur Aktenübersendung verdichte, wenn nichts dagegen, besondere Gründe aber für die Einsichtnahme in seiner Kanzlei sprechen [so OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.07.1991, 20 W 201/91]. Selbst unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung habe das Amtsgericht im Ergebnis zu Recht die Übersendung der Akten in die Kanzlei des Antragstellers abgelehnt. Zwar trage allein der im angefochtenen Beschluss enthaltene Hinweis auf die übliche Verfahrensweise und die Bindung an die bestehende Rechtsprechung die Entscheidung noch nicht. In seinem Nichtabhilfebeschluss vom 23. April 2008 habe das Amtsgericht jedoch noch ausgeführt, dass die für den Antragsteller für die Feststellung der Erbfolge maßgeblichen Seiten der Akte beim bloßen Durchblättern leicht festgestellt und ihm hiervon auf der Geschäftsstelle Kopien gefertigt werden könnten. Dem sei zuzustimmen.

Entscheidend gegen eine Übersendung der Akte in die Kanzlei des Antragstellers spreche die Gefahr des Verlustes von unwiderbringlichen Originalurkunden in Nachlasssachen. So liege der Akte auch hier ein Urkundenband bei, der Personenstandsurkunden im Original enthalte. Die Gefahr des Verlustes sei allein durch die Verbringung der Akten an einen anderen Ort im Vergleich zum Verbleib auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts erhöht. Dies gelte selbst dann, wenn der Antragsteller die persönliche Abholung und sichere Aufbewahrung in Aussicht stelle. Zwar könne der Originalurkundenband vor Abgabe an den Antragsteller getrennt werden. Dies habe jedoch für ihn zur Folge, dass gerade die zur Erbfolgefeststellung notwendigen Dokumente bei Bearbeitung in seiner Kanzlei nicht vollständig vorlägen.

Demgegenüber habe der Antragsteller keine besonderen Umstände dargelegt, die die Akteneinsicht bei Gericht für ihn nicht zumutbar erscheinen lassen. Allein der pauschale Hinweis darauf, dass es sich bei der Nachlassakte um eine besonders umfangreiche Akte handele, genüge nicht. Denn insoweit habe das Amtsgericht nachvollziehbar ausgeführt, dass die für die Erbfolge maßgeblichen Dokumente leicht feststellbar seien. Dies gelte grundsätzlich auch bei umfangreichen Akten. Allein die Tatsache, dass das Durchblättern der Akte einen etwas längeren Zeitraum in Anspruch nehme, lasse die Akteneinsicht bei Gericht nicht als unzumutbar erscheinen lässt.

2.

Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung in den wesentlichen Punkten stand.

a)

Das Recht der Verfahrensbeteiligten auf Akteneinsicht im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit gemäß § 34 Abs. 1 FGG beschränkt sich grundsätzlich auf die Einsicht der Akten auf der Geschäftsstelle des aktenführenden Gerichts. Weder ein Beteiligter noch sein Verfahrensbevollmächtigter haben einen Rechtsanspruch darauf, dass Akten dem Verfahrensbevollmächtigten zur Einsicht in seine Büroräume überlassen werden (vgl. BGH NJW 1961, 559; OLG Köln FG-Prax 2008, 71; OLG Brandenburg NJW-RR 2008, 512; Bumiller/Winkler FGG 8. Auflage 2006, § 34 Rdz. 14).

Denn die Akten stellen zuvorderst eine Sammlung interner und eigener Vorgänge des Gerichts dar.

b)

Die Entscheidung über die Art der Akteneinsicht, also darüber ob die Akteneinsicht auf die Durchsicht der Akten auf der Geschäftsstelle des zuständigen oder eines auswärtigen Gerichts beschränkt ist oder ob sie einem Rechtsanwalt zur Mitnahme in seine Kanzlei überlassen oder dorthin übersandt werden, steht nach ganz einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum im pflichtgemäßem Ermessen des in der Sache zuständigen Rechtspflegers oder Richters (vgl. BGH a.a.O.; OLG Köln a.a.O. mit Nachweisen).

c)

Der Senat kann diese Ermessensentscheidung der Vorinstanzen im Verfahren der weiteren Beschwerde nur eingeschränkt, nämlich auf rechtliche Fehler hin prüfen, §§ 27 Abs. 1 FGG; 546 ZPO. Dieser Überprüfung hält die Entscheidung des Landgerichts stand.

aa)

In Nachlasssachen wiegt die Gefahr eines Verlustes der Akten weit schwerer als in sonstigen Zivilverfahren, weil die Akten regelmäßig Urkunden im Original enthalten, die sich im Fall eines Verlustes der Akten nicht mehr rekonstruieren lassen, so dass ein solcher Verlust mit schwerwiegenden oder selbst unersetzlichen Nachteilen für andere Beteiligte verbunden sein kann (OLG Köln a.a.O.).

Es ist deshalb aus Rechtsgründen nichts dagegen zu erinnern, dass die Vorinstanzen bei der Ausübung ihres Ermessens diesem Gesichtspunkt gegenüber der Bequemlichkeit des Antragstellers den Vorrang eingeräumt haben. Der BGH (NJW 1961, 559) sieht neben der Verlustgefahr zudem auf der Hand liegende sonstige Unzuträglichkeiten, Hemmnisse und Erschwerungen beträchtlichen Ausmaßes. Dass die Rechtstellung des Antragstellers (oder seines Mandanten) indes durch die Versagung der Herausgabe der Akten vereitelt oder wesentlich erschwert würde (vgl. BayObLG FG-Prax 1995, 682), ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Vielmehr geht es ihm ausdrücklich um die Beseitigung eines Reliktes "obrigkeitsstaatlichen" Handelns. Ein solches ist indes in der Versagung der Übersendung der Nachlassakten nicht zu sehen (vgl. aktuell § 100 Abs. 2 Satz 2 VwGO in der Fassung vom 12. Juni 2008).

bb)

Soweit das Landgericht die Weigerung der Herausgabe wichtiger Akten mit dem Verlustrisiko begründet hat, ist dies auch nicht mit Blick darauf zu beanstanden, dass zuvor ein - ebenfalls mit einem Verlustrisiko belasteter - Aktenversand zwischen den Gerichten stattgefunden hat. Denn bei einer Herausgabe der Nachlassakten aus dem gerichtlichen Betrieb ist das Verlustrisiko deutlich höher einzuschätzen als bei einem dortigen Verbleib. Dass die Kammer zu dieser Beurteilung auf Grund einer generalisierenden Betrachtung gekommen ist, erscheint ebenfalls rechtlich unbedenklich. Denn es ist nahezu unmöglich, wäre aber jedenfalls mit unverhältnismäßigem und daher unvertretbarem Aufwand verbunden, das mit dem Verbleib der Akten an einer bestimmten Gerichtsstelle bzw. dem Versand zwischen den Gerichten (hier: Amtsgerichte Duisburg und Meppen) konkret einhergehende Verlustrisiko mit dem individuell, das heißt unter Berücksichtigung persönlicher Zuverlässigkeit und sachlicher Verwahrmöglichkeiten, bewerteten Transport- und Verbleibrisiko der Nachlassakten in Bezug auf eine bestimmte Anwalts- oder Notarkanzlei, abzuwägen.

cc)

Ob sich im FG-Verfahren das gerichtliche Ermessen zu einer Verpflichtung verdichten kann, dem Rechtsanwalt eines Beteiligten die Gerichtsakten zur Einsicht in seiner Kanzlei zu überlassen, wenn nichts dagegen, besondere Gründe aber für die Einsichtnahme in der Kanzlei sprechen (so OLG Frankfurt NJW 1992, 846), bedarf hier keiner Entscheidung. Anhaltspunkte, die für eine Ermessensüberschreitung in diesem Sinne sprechen könnten, sind nämlich nicht ersichtlich. Denn - wie ausgeführt - stehen vorliegend durchaus Gründe gegen die Überlassung der Nachlassakten zur Einsichtnahme in der Kanzlei des Antragstellers, während, außer nicht durchschlagenden grundsätzlichen Erwägungen, besondere Gründe, die für dieselbe sprechen nicht dargetan oder sonst erkennbar sind.

dd)

Die Weigerung der Aktenübersendung verletzt den Beschwerdeführer - entgegen seiner Auffassung - auch nicht in seinen Grundrechten, erweist sich insbesondere nicht als willkürlich, da die Entscheidung nicht durch sachfremde Erwägungen beeinflusst, sondern vielmehr - wie ausgeführt - von sachgerechten Gründen getragen ist.

Der weiteren Beschwerde war hiernach der Erfolg zu versagen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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