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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 15.01.2008
Aktenzeichen: I-3 Wx 119/07
Rechtsgebiete: WEG, ZPO
Vorschriften:
WEG § 23 Abs. 4 Satz 2 a. F. | |
ZPO § 167 |
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS
In dem Wohnungseigentumsverfahren
betreffend die Wohnungseigentumsanlage G.,
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 08.05.2007 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G., des Richters am Oberlandesgericht D. und der Richterin am Oberlandesgericht Dr. L. am 15.01.2008
beschlossen:
Tenor:
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 1. trägt die Gerichtskosten der dritten Instanz und die den übrigen Beteiligten in diesem Rechtszug notwendig entstandenen außergerichtlichen Kosten.
Wert: 75.000 €.
Gründe:
I.
Die Beteiligten sind die Miteigentümer der oben genannten Wohnungseigentumsanlage. Der Beteiligte zu 1. ist Sondereigentümer von vier Wohnungen und einigen Tiefgaragenstellplätzen.
In der Eigentümerversammlung vom 29.09.2004 genehmigten die Versammlungsteilnehmer mehrheitlich die Jahresabrechnung für das Wirtschaftsjahr 2003.
Mit anwaltlichem Fax - Schreiben vom 29.10.2004, 22.26 Uhr, hat der Beteiligte zu 1. mit dem Zusatz "Vorab zur Fristwahrung über Telefax: 02131/289-750" den Antrag vom 29.10.2004 übermittelt:
"Namens und im Auftrag des Antragstellers wird höchstvorsorglich und lediglich fristwahrend TOP 3 - Beschlussfassung der Wohngeldabrechnung 2003 - der Eigentümerversammlung am 29.09.2004 angefochten."
Weiter wird ausgeführt, dass Anträge und Begründung der Anfechtung in einem gesonderten Schriftsatz folgen, bis die Verwaltung die Wohngeldabrechnung 2003 der Wohnungen des Antragstellers übersendet.
Am 18.11.2004 hat das Amtsgericht von der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1. einen Gebührenvorschuss in Höhe von 536,60 € angefordert mit dem Zusatz, dass die Zustellung der Antragsschrift erst nach Eingang des Vorschusses erfolge. Ein Kostenvorschuss ging nicht ein. Mit gerichtlichem Schreiben vom 12.04.2005 ist der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1. mitgeteilt worden, dass die Sache ohne Zustellung an die Gegenseite nunmehr weggelegt werde, nachdem ein Kostenvorschuss nicht eingegangen sei. Die Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 1. hat weder die Kostenvorschussanforderung noch das gerichtliche Schreiben vom 12.04.2005 erhalten.
Mit Schreiben vom 16.10.2006 hat sich die Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 1. nach dem Sachstand erkundigt. Ihr wurde das bis dahin vom Amtsgericht Veranlasste mitgeteilt. Mit Schreiben vom 13.11.2006 bat sie, das Verfahren weiter zu betreiben. Die Zahlung des Gebührenvorschusses habe sie parallel veranlasst. Das Amtsgericht hat mit Verfügung vom 22.11.2006 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 15.12.2006, 9.30 Uhr bestimmt und den übrigen Beteiligten eine Ablichtung des Anfechtungsantrages zugestellt. In dem Termin, in dem das Amtsgericht die Sache entschieden hat, ist für den Beteiligten zu 1. niemand erschienen. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14.12.2006, der bei Gericht am 15.12.2006 eingegangen und dem zuständigen Richter nach dem Termin vorgelegt worden ist, hat der Beteiligte zu 1. seinen Anfechtungsantrag begründet.
Der Beteiligte zu 1. hat beantragt,
1. den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 29.09.2004, Tagesordnungspunkt 3, Jahresabrechnung 2003, für ungültig zu erklären,
2. die B. GmbH & Co. KG, vertreten durch ihren gesetzlichen Vertreter, zu verpflichten, die Jahresabrechnung 2003 um die Angabe des Bankbestandes jeweils zum 01.01.2003 und 31.12.2003 sämtlicher für die Eigentümergemeinschaft G. geführter Bankkonten und Instandhaltungsrücklagekonten zu ergänzen und die ergänzte bzw. berichtigte Jahresabrechnung der Eigentümerversammlung zur Beschlussfassung vorzulegen.
Die Beteiligten zu 2. und 3. haben beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Das Amtsgericht hat den Anfechtungsantrag des Beteiligten zu 1. zurückgewiesen mit der Begründung, dass der Anfechtungsantrag nicht innerhalb der Monatsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG gestellt worden sei, da die Zustellung des Antrags an die Gegenseite nicht "demnächst" erfolgt sei; die Verzögerung sei dem Beteiligten zu 1. anzulasten.
Der Beteiligte zu 1. hat sofortige Beschwerde eingelegt mit den Anträgen
1. den Beschluss des Amtsgerichts Neuss - 72 II 256/04 - vom 15.12.2006 aufzuheben.
2. den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 29.09.2004, Tagesordnungspunkt 3, Jahresabrechnung 2003, für ungültig zu erklären,
3. die B. GmbH & Co. KG, vertreten durch ihren gesetzlichen Vertreter, zu verpflichteten, die Jahresabrechnung 2003 um die Angabe des Bankbestandes jeweils zum 01.01.2003 und 31.12.2003 sämtlicher für die Eigentümergemeinschaft G. geführter Bankkonten und Instandhaltungsrücklagekonten zu ergänzen und die ergänzte bzw. berichtigte Jahresabrechnung der Eigentümerversammlung zur Beschlussfassung vorzulegen.
4. hilfsweise, dem Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Die übrigen Beteiligten haben um Zurückweisung der sofortigen Beschwerde gebeten.
Das Landgericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Hiergegen hat der Beteiligte zu 1. sofortige weitere Beschwerde eingelegt.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
Zunächst ist festzustellen, dass das Verfahren nicht durch die am 05.06.2007 erfolgte Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beteiligten zu 1. unterbrochen ist. Nach verbreiteter Auffassung wird ein Beschlussanfechtungsverfahren nach Wohnungseigentumsrecht nicht durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unterbrochen; § 240 ZPO sei weder direkt noch analog anwendbar (vgl. KG ZMR 2005, 647 m.w.N.). Dem muss hier nicht weiter nachgegangen werden, da der Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 13.12.2007 erklärt hat, dass er das vorliegende Verfahrensverhältnis aus dem Insolvenzbeschlag freigebe.
Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 27 FGG.
Das Landgericht hat - gestützt auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf (VersR 2006, 349) - zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Anfechtungsfrist gemäß § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG sei nicht gewahrt. Die Vorschrift des § 167 ZPO (früher § 270 Abs. 3 ZPO) finde in Wohnungseigentumsverfahren entsprechende Anwendung. Danach reiche für die Wahrung der Anfechtungsfrist der rechtzeitige Eingang bei Gericht aus, wenn die Zustellung zwar nicht innerhalb der Frist, jedoch "demnächst" erfolge. Letzteres sei nicht geschehen. Dass die Zustellung erst am 28.11.2006, also mehr als zwei Jahre später erfolgt sei, beruhe auf dem Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1., da diese, obwohl sie keinerlei Nachricht vom Amtsgericht erhalten habe, fast zwei Jahre lang untätig geblieben sei, nämlich bis zum 16.10.2006, als sie sich nach dem Verfahrensstand erkundigte. Dieses fahrlässige Verhalten - leichte Fahrlässigkeit genüge - sei auch ursächlich gewesen. Zwar habe das Amtsgericht die Sache nach der ergebnislos gebliebenen Aufforderung zur Zahlung eines Kostenvorschusses weggelegt, was fehlerhaft gewesen sei. Dies ändere jedoch nichts an der grundsätzlich bestehenden Nachfrageobliegenheit der Verfahrensbevollmächtigten. Aus den genannten Gründen sei auch dem Hilfsantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattzugeben, da die Fristversäumung dem Beteiligten zu 1. anzulasten sei.
Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die analoge Anwendung des § 167 ZPO auf die Frist für den Anfechtungsantrag nach § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG a.F. entspricht herrschender Meinung (vgl. nur Staudinger/Wenzel 13. Bearb. 2005 § 43 WEG Rdnr. 41 m.w.N.).
Nach den von der Rechtsprechung zu § 167 ZPO entwickelten Grundsätzen soll die Partei vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebes bewahrt werden, weil derartige Verzögerungen außerhalb ihres Einflussbereichs liegen. Zuzurechnen sind ihr jedoch Verzögerungen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter, für dessen Versäumnisse sie einzustehen hat (§ 85 Abs. 2 ZPO), bei gewissenhafter Prozessführung hätte vermeiden können (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. NJW 2006, 3206). Nach gefestigter Rechtsprechung ist daher eine Klage dann im Sinne des § 167 ZPO "demnächst" zugestellt, wenn die Partei und ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtumstände alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan haben. Das ist jedoch nicht mehr der Fall, wenn sie durch nachlässiges, wenn auch nur leicht fahrlässiges Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen haben. Der Prozessbevollmächtigte muss nicht nur alles ihm Zumutbare tun, um die Voraussetzungen für die Zustellung der Klage zu schaffen, sondern auch im Sinne einer größtmöglichen Beschleunigung auf sie hinwirken. Deshalb darf er das Ausbleiben der Nachricht von der Klagezustellung, für das es aus seiner Sicht keinen erkennbaren Grund gibt, nicht unbegrenzt hinnehmen (BGH VersR 03, 489; NVersZ 00, 72; VersR 92, 433; BGHZ 69, 361). Selbst im Falle einer überflüssigen oder gar fehlerhaften Auflage des Gerichts muss sich der Prozessbevollmächtigte alsbald um den Fortgang der Sache kümmern (BGH NJW-RR 1992, 470).
Allerdings hat der BGH (NJW 2006, 3206) entschieden, diese Grundsätze seien nicht zu übertragen auf die Fälle, in denen der Kläger alle für eine ordnungsgemäße Klagezustellung von ihm geforderten Mitwirkungshandlungen erbracht, insbesondere den Gerichtskostenvorschuss ordnungsgemäß gezahlt habe. Dann liege die weitere Verantwortung für den ordnungsgemäßen Gang des Zustellungsverfahrens ausschließlich in den Händen des Gerichts. Der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter seien nicht mehr gehalten, das gerichtliche Vorgehen zu kontrollieren und durch Nachfrage auf die beschleunigte Zustellung hinzuwirken. Für eine solche Verpflichtung fehle eine rechtliche Grundlage.
Danach wäre im vorliegenden Fall - entgegen der Annahme der Vorinstanzen - die Anfechtungsfrist noch gewahrt. Denn da im Wohnungseigentumsverfahren nach überwiegender und vom Senat geteilter Ansicht die Zustellung des Anfechtungsantrags nicht von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht werden darf (Staudinger/Wenzel a.a.O. § 48 WEG Rdnr. 6; Staudinger/Bub a.a.O. § 23 WEG Rdnr. 301 m.w.N.), hatte der Beteiligte zu 1 alle für eine ordnungsgemäße Zustellung des Anfechtungsantrages vom ihm geforderten Mitwirkungshandlungen erbracht. Die um zwei Jahre verspätete Zustellung wäre weder ihm noch seiner Verfahrensbevollmächtigten zuzurechnen, weil sie - bei Anwendung der genannten Entscheidung des BGH - nicht verpflichtet gewesen wären, durch eine Kontrolle des gerichtlichen Vorgehens auf eine größtmögliche Beschleunigung hinzuwirken.
Jedoch lässt sich die zum Zivilprozess ergangene Entscheidung des BGH nach Überzeugung des Senates nicht auf den vorliegenden Fall übertragen.
Es mag dahin stehen, ob die genannten Grundsätze, die für die Mitwirkungspflichten eines Klägers im Zivilprozess gelten, sich überhaupt auf das - von zum Teil anderen Grundsätzen geprägte - Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit übertragen lassen.
Denn eine solche Übertragung verbietet sich hier schon aus den folgenden Gründen:
Die Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG ist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, die für die Funktionsfähigkeit einer Wohnungseigentümergemeinschaft von erheblicher Bedeutung ist und aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit und der Rechtsschutzgewährung weder durch Vereinbarung noch durch Beschluss verlängert werden kann (Bub a.a.O.; Wenzel a.a.O. § 43 Rdnr. 41).
Anders als in dem der BGH-Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt liegen hier zwischen Einreichung des Antrages und dessen Zustellung nicht nur einige Wochen oder Monate, sondern mehr als zwei Jahre.
Darüber hinaus hat die Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 1 nicht nur nicht auf eine Beschleunigung des Verfahrens hingewirkt, sondern - nach Aktenlage - ganz augenscheinlich das Verfahren verzögert (fristwahrende Anfechtung, Antragsbegründung erst am Tage der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht).
Schließlich besteht zwischen den Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft anerkanntermaßen ein Treueverhältnis (statt anderer: Weitnauer/Lüke WEG 9. Aufl. § 10 Rdnr. 12, 51, 52), aus dem sich u.a. auch die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme ergibt.
Im Hinblick auf die vorstehenden Gesichtspunkte hätte der Beteiligte zu 1. nicht über einen derart langen Zeitraum untätig bleiben dürfen, sondern hätte bei Gericht nachfragen und so auf eine Beschleunigung der Zustellung hinwirken müssen. Insbesondere widerspräche es dem Zweck der Anfechtungsfrist, den übrigen Wohnungseigentümern Klarheit über den Bestand eines Beschlusses zu verschaffen, wenn sie für so lange Zeit im Unklaren über die Beschlusslage bleiben müssten.
Aus den vorstehenden Gründen kommt auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die versäumte Anfechtungsfrist nicht in Betracht.
Die von dem Beteiligten zu 1. ebenfalls angegriffene Kostenentscheidung des Landgerichts ist aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gerechtfertigt. Diese Grundsätze gelten auch für die Kostenentscheidung dritter Instanz (§ 47 Satz 1 und 2 WEG).
Ohne Erfolg wendet sich der Beteiligte zu 1. schließlich gegen die Wertfestsetzung des Landgerichts. Die Kammer hat das Herabsetzungsermessen gemäß § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG nicht fehlerhaft ausgeübt. Wie aus der Formulierung des Antrags ersichtlich, hat der Beteiligte zu 1. den Beschluss über die Jahresabrechnung 2003 insgesamt angefochten. In derartigen Fällen entspricht es höchstrichterlicher Rechtsprechung, den fünffachen Eigenanteil - wie hier - oder auch 25 % des Gesamtvolumens der Jahresabrechnung als Geschäftswert festzusetzen (vgl. OLG Hamm ZWE 00, 483; BayObLG ZWE 02, 272). Im letzteren Fall wäre der Beteiligte zu 1. erheblich höher belastet.
Ende der Entscheidung
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