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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 27.05.2005
Aktenzeichen: I-3 Wx 127/05
Rechtsgebiete: AufenthG, FEVG, FGG, FrhEntzG
Vorschriften:
AufenthG § 62 Abs. 2 Nr. 1 | |
AufenthG § 62 Abs. 2 Nr. 5 | |
AufenthG § 72 | |
AufenthG § 72 Abs. 4 | |
AufenthG § 74 Abs. 4 | |
FEVG § 5 | |
FEVG § 6 Abs. 2 | |
FEVG § 7 Abs. 1 | |
FGG § 12 | |
FGG § 13 a | |
FrhEntzG § 14 | |
FrhEntzG § 15 | |
FrhEntzG § 16 |
Tenor:
Die Beschlüsse des Amtsgerichts Düsseldorf vom 6. April 2005 - 152 XIV 117/05 - und des Landgerichts Düsseldorf vom 9. Mai 2005 -18 T 53/05 - werden aufgehoben.
Das Gesuch des Antragstellers auf Anordnung der Sicherungshaft für 3 Monate im Anschluss an die Untersuchungshaft aus dem Verfahren 60 Js 1572/05 der Staatsanwaltschaft Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Die in 2. und 3. Instanz entstandenen, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers trägt der Antragsteller.
Dem Beschwerdeführer wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S in Bremen bewilligt.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 3.000,00 EUR.
Gründe:
I.
Der Betroffene reiste erstmals im Februar 1999 unter falscher Identität nach Deutschland ein. Er behauptete, Staatsangehöriger Sierra Leones zu sein. Sein Asylantrag wurde abgelehnt und die nachfolgend seit dem 13.04.1999 vollziehbare Abschiebung nach Sierra Leone angedroht. Bei einer Vorführung des Betroffenen in der Botschaft Sierra Leones wurde festgestellt, dass der Betroffene vermutlich Staatsangehöriger von Gambia ist. Danach hielt sich der Betoffene trotz einer Zuweisung nach Duisburg dort tatsächlich kaum auf. Er wurde verschiedene Male von Amts wegen abgemeldet. Im September 2001 wurde der Betroffene von Dänemark im Rahmen eines Übernahmeübereinkommens nach Deutschland zurücküberstellt. Hierbei wurde der erstmalig vorgelegte gambische Reisepass auf den Namen S. eingezogen. Unter anderem wegen Körperverletzung und Betäubungsmitteldelikten wurde der Betroffene mehrfach rechtkräftig zu Freiheitsstrafen verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Antrag des Betroffenen auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde abgelehnt. Es wurde eine Ausreisefrist bis zum 30.11.2002 festgesetzt und die Abschiebung nach Gambia angedroht. Hiergegen gerichtete verwaltungsgerichtliche Eilverfahren des Betroffenen, der zwischenzeitlich eine deutsche Staatsangehörige geheiratet hatte, blieben erfolglos. Am 04.02.2004 wurde der Betroffene nach Gambia abgeschoben. Aus einem Schreiben des jetzigen Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen vom 17.03.2005 ergab sich, dass der Betroffene offensichtlich wieder unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist war und sich bei seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Kind in Dormagen aufhielt. Der Antragsteller forderte daraufhin den Betroffenen zur unverzüglichen Vorsprache auf. Der Betroffene erschien nicht. Wegen Gewalttätigkeiten des Betroffenen gegen seine Ehefrau in deren Wohnung kam es dort am 30.03.2005 zu einem Polizeieinsatz. Die Polizei fand Betäubungsmittel, woraufhin der Betroffene in Gewahrsam genommen wurde. Am 31.03.2005 erließ das Amtsgericht Neuss einen Untersuchungshaftbefehl (Az.: 8 Gs 641/05). Der Betroffen wurde in die JVA Düsseldorf verbracht.
Am 05.04.2005 hat der Antragsteller beantragt, die Verhängung der Abschiebungshaft im Anschluss an die Untersuchungshaft für die Dauer von 3 Monaten anzuordnen. Nach Anhörung des Betroffenen hat das Amtsgericht Düsseldorf daraufhin am 06.04.2005 eine Abschiebungshaft von höchstens 3 Monaten im Anschluss an die Untersuchungshaft angeordnet und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet.
Hiergegen hat der Betroffene sofortige Beschwerde eingelegt.
Auf Anfrage des Landgerichts hat der Antragsteller am 21.04.2005 mitgeteilt, dass bisher kein Einverständnis der Staatsanwaltschaft nach § 72 Abs. 4 AufenthG eingeholt worden sei. Am 09.05.2005 hat die zuständige Dezernentin der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Landgericht auf eine entsprechende Anfrage hin telefonisch ihr Einvernehmen nach § 72 AufenthG erklärt.
Daraufhin hat das Landgericht mit Beschluss vom selben Tag die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Der Betroffene hat gegen diese Entscheidung sofortige weitere Beschwerde eingelegt und zugleich Prozesskostenhilfe beantragt.
Er trägt vor: Der angefochtene Beschluss sei rechtswidrig, weil es an jedweder eigenständigen Sachverhaltsprüfung des Amts- und des Landgerichts fehle. Seinem Prozessbevollmächtigten sei keine Gelegenheit gegeben worden, anhand der Behördenakten zu überprüfen, ob die Angaben im Haftantrag zutreffend seien und ob die Ausländerbehörde die Abschiebung entsprechend dem Beschleunigungsgebot vorbereitet habe. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Ausländerbehörde die bisher durch die Untersuchungshaft verstrichene Zeit genutzt habe, um die Abschiebung vorzubereiten.
Auf Anfrage des Senats hat der Antragsteller mit Schreiben vom 25.05.2005 mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft Düsseldorf mit Telefax vom 18.05.2005 ihr Einvernehmen mit der Abschiebung gemäß § 72 Abs. 4 AufenthG erklärt habe. Daraufhin sei noch am selben Tag die Abschiebung bei der Bezirksregierung Düsseldorf zur Flugbuchung angemeldet worden. Laut telefonischer Aussage der Bezirksregierung dauere die Buchung wegen der erforderlichen Sicherheitsbegleitung ca. 5 - 6 Wochen, ein genauer Termin stehe noch nicht fest.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Das gemäß §§ 5, 6 Abs. 2, 7 Abs. 1 FEVG zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg, denn die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, es lägen die Haftgründe des § 62 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG vor. Die Staatsanwaltschaft habe sich gemäß § 72 Abs. 4 AufenthG mit der Abschiebung einverstanden erklärt. Rechtliches Gehör sei dem Verfahrensbevollmächtigten, der sich am 14.04.2005 bestellt habe, durch Einsicht in die Verfahrensakten in ausreichender Weise gewährt worden. Von einer Beiziehung der Ausländerakte habe abgesehen werden können. Der Sachverhalt sei so geklärt, dass auch unter Berücksichtigung des § 12 FGG keine weiteren Ermittlungen erforderlich seien. Die Dauer der Sicherungshaft sei unter den gegebenen Umständen verhältnismäßig. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Abschiebung nicht innerhalb der gesetzten Frist erfolgen könne.
2. Diese Ausführungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Überprüfung nicht stand, auch wenn mit dem Landgericht davon auszugehen ist, dass gegenüber dem Betroffenen die Haftgründe des § 62 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG gegeben sind. In der angefochtenen Entscheidung ist nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Antragsteller das in Haftsachen bestehende Beschleunigungsgebot nicht beachtet hat.
In Haftsachen müssen die beteiligten Behörden in jedem Zeitpunkt des Verfahrens mit der größtmöglichen zumutbaren Beschleunigung tätig sein. Dies folgt aus dem aus Art. 2 Abs. 2 S 2 GG abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot, Freiheitsentziehungssachen vorrangig und beschleunigt zu bearbeiten (BVerfGE 46, 194, 195; 61, 28, 34, jew. m.w.N.), d.h. die Abschiebung ohne unnötige Verzögerungen vorzubereiten und durchzuführen (BayObLGZ 1991, 258, 260). Die aus dem Beschleunigungsgebot resultierenden Anforderungen an die Verfahrensführung erhöhen sich mit zunehmender Dauer der Haft, da der Freiheitsanspruch des Ausländers gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung immer mehr an Gewicht gewinnt, je länger die Haft vollzogen wird (vgl. BVerfG NVwZ 1996, Beilage 3, 17, 18, m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist anerkannt, dass die Ausländerbehörde auch die Zeit zu nutzen hat, während der sich der Betroffene noch in Untersuchungshaft oder Strafhaft oder sonst in öffentlichem Gewahrsam befindet (vgl. BayObLGZ 2000, 203, 205, m.w.N.; OLG Karlsruhe in InfAuslR 2000, 234, 235). Die Pflicht zur beschleunigten Bearbeitung im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG beginnt bereits dann, wenn sich abzeichnet, dass Haft zur Durchsetzung der Abschiebung erforderlich werden könnte (vgl. Senat FGPrax 1995, 128). Derartige Vorbereitungen haben unabhängig von einer etwaigen - noch - fehlenden Zustimmung der Staatsanwaltschaft mit einer Abschiebung gemäß § 74 Abs. 4 AufenthG zu erfolgen (vgl. OLG Köln JMBlNW 2004, 81 - zu § 64 Abs. 3 AuslG).
Gegen diese Grundsätze hat der Antragsteller verstoßen. Der Antragsteller wusste spätestens seit dem 05.04.2005, dass sich der Betroffene in Untersuchungshaft befand. Gleichzeitig lagen bis auf das notwendige Einvernehmen der Staatsanwaltschaft nach § 74 Abs. 4 AufenthG, dessen Fehlen grundsätzlich ein Abschiebungshindernis darstellt (vgl. OLG Köln, a.a.O.; BayObLGZ 2000, 203; Senat FGPrax 2001, 130; jeweils zu § 64 Abs. 3 AuslG), alle Voraussetzungen für eine Abschiebung vor. Dennoch hat der Antragsteller erst am 18.05.2005 die zur Abschiebung notwendigen Maßnahmen ergriffen und eine Flugbuchung bei der Bezirksregierung angemeldet. Bis zum 21.04.2005 ist der Antragsteller bis auf den von ihm gestellten Haftantrag sogar offensichtlich völlig untätig geblieben, da er unter diesem Datum dem Landgericht mitgeteilt hat, das bisher kein Einverständnis der Staatsanwaltschaft eingeholt worden sei. Es ist davon auszugehen, dass bei der gebotenen beschleunigten Bearbeitung der Angelegenheit und der vom Antragsteller selbst genannten Vorlaufzeit von 5 - 6 Wochen die Abschiebung spätestens am 17.05.2005 hätte erfolgen können und nicht wie jetzt frühestens am 22.06.2005. Das wäre der Fall gewesen, wenn der Antragsteller sich am 05.04.2005 nicht auf den Haftantrag beschränkt, sondern gleichzeitig alle anderen zur Vorbereitung der Abschiebung erforderlichen Maßnahmen ergriffen hätte.
Dieser Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot hat zur Folge, dass die Haftanordnung aufzuheben ist.
3. Eine Entscheidung über die Gerichtskosten des Verfahrens ist nicht veranlasst, §§ 14, 15 FrhEntzG.
Die in 2. und 3. Instanz entstandenen, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen sind gemäß § 13 a FGG dem Antragsteller aufzuerlegen. Dies entspricht der Billigkeit, denn aufgrund der dargelegten Nichtbeachtung des Beschleunigungsgebots hätte bereits das Landgericht am 09.05.2005 die Haftanordnung aufheben müssen. Ein weitergehender Erstattungsanspruch gemäß § 16 FrhEntzG hinsichtlich seiner Auslagen im amtsgerichtlichen Verfahren steht dem Betroffenen hingegen nicht zu. Es kann nicht festgestellt werden, dass kein begründeter Anlass zur Stellung des Haftantrags gegenüber dem Amtsgericht bestand.
Ende der Entscheidung
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