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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 13.09.2006
Aktenzeichen: I-3 Wx 133/06
Rechtsgebiete: GVG, FGG


Vorschriften:

GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 b
FGG § 21 Abs. 1
1. In Wohnungseigentumssachen ist - jedenfalls soweit Beschlussanfechtung Verfahrensgegenstand ist - das Landgericht auch dann zur Entscheidung über Erstbeschwerde berufen, wenn ein Beteiligter seinen allgemeinen Gerichtsstand im Ausland (hier: Großbritannien) hat.

2. Wird in einer Wohnungseigentumssache eine an das Amtsgericht adressierte sofortige Beschwerde fristgerecht beim ebenfalls zuständigen Landgericht eingereicht, so ist sie auch dann rechtzeitig, wenn die Rechtsmittelschrift erst nach Fristablauf beim Amtsgericht eingeht.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 133/06

In der Wohnungseigentumssache

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 3. Mai/4. Juli 2006 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G. und der Richter am Oberlandesgericht B. und von W. am 13. September 2006

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten des dritten Rechtszugs an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind die Mitglieder der eingangs näher bezeichneten Wohnungseigentümergemeinschaft; die Beteiligte zu 4 verwaltet die Anlage.

Die Beteiligten zu 1 und 2 haben in erster Instanz die Feststellung der Ungültigkeit zweier Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 6. Juni 2005 beantragt.

Das Amtsgericht hat am 18. Oktober 2006 die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 6. Juni 2005 zu TOP 14 (Tierhaltung) sowie zu TOP 5 (Gesamt- und Einzelabrechnung 2004) hinsichtlich der Auflösung und anteiligen Auszahlung der Instandhaltungsrücklage für unwirksam erklärt.

Der Beschluss wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3 am 18. November 2005 zugestellt. Mit an das Amtsgericht Krefeld gerichtetem Schriftsatz vom 2. Dezember 2005, der den Eingangsstempel des Amtsgerichts vom 5. Dezember 2005 (=Montag) trägt, legte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss "das zulässige Rechtsmittel ein". Mit eidesstattlicher Versicherung vom 12. Dezember 2005 erklärte er, den Schriftsatz am 2. Dezember 2005 zwischen 12.30 Uhr und 12.45 Uhr bei der Wachmeisterei des Landgerichts Krefeld abgegeben zu haben.

Die Beteiligten zu 3 haben gemeint, die Beschwerde sei rechtzeitig eingelegt worden und haben unter vorsorglicher Bitte um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, beantragt,

den amtsgerichtlichen Beschluss teilweise zu ändern und den Antrag der Beteiligten zu 1 und 2 insoweit zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 1 und 2 haben beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, zuständiges Beschwerdegericht sei nicht das Landgericht Krefeld, sondern gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG das Oberlandesgericht Düsseldorf, da unstreitig die Eigentümer S. und M. A. zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit ihren Wohnsitz in London hatten. Das eingelegte Rechtsmittel sei allerdings auch dann verfristet, wenn diese Zuständigkeit nicht gegeben sei. Die von den Beschwerdeführern vorgetragenen Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand haben die Beschwerdegegner mit Nichtwissen bestritten. Im Übrigen haben sie die Beschwerde für unbegründet gehalten.

Das Landgericht hat nach mündlicher Verhandlung am 3. Mai/4. Juli 2006 die Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des Amtsgerichts Krefeld vom 18. Oktober 2005 als unzulässig verworfen.

Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 3 mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

Die Beteiligten zu 1 und 2 treten dem Rechtsmittel entgegen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist mit der aus dem Beschlusseingang ersichtlichen Folge begründet. Die Entscheidung des Landgerichts beruht insoweit auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 27 FGG.

1.

Die Zulässigkeit des Rechtsmittels folgt schon daraus, dass die Erstbeschwerde vom Landgericht als unzulässig verworfen worden ist (BGHZ 119, 216, 218; BayOblG ZWE 2000, 344 f.; Staudinger/Wenzel WEG (2005) § 45 Rdz. 32).

2.

Das Landgericht hat ausgeführt, die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss des Amtsgerichts sei verfristet und daher unzulässig.

Die nach § 45 WEG gegen die Entscheidung des Amtsgerichts statthafte sofortige Beschwerde sei binnen einer Frist von 2 Wochen ab Zustellung (18. November 2005), vorliegend also bis zum Ablauf des 2. Dezember 2005, bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird oder bei dem zuständigen Beschwerdegericht einzureichen. An einer fristgerechten Einreichung des Rechtsmittels fehle es vorliegend.

Ausgangsgericht sei das Amtsgericht Krefeld. Wie sich aus dem Eingangsstempel des Amtsgerichts vom 5. Dezember 2005 ergebe, sei der Beschwerdeschriftsatz dort jedoch nicht innerhalb der Beschwerdefrist eingegangen.

Auch eine rechtzeitige Einlegung beim Beschwerdegericht sei selbst bei Zugrundelegung des Vortrags der Beteiligten zu 3 nicht binnen der Rechtsmittelfrist erfolgt. Denn nach Auffassung der Kammer sei Beschwerdegericht vorliegend nicht das Landgericht Krefeld, bei dem der Schriftsatz vom 02. Dezember 2005 nach dem Vortrag der Beteiligten zu 3 rechtzeitig eingegangen sei, sondern mit Blick auf die Regelung des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG das Oberlandesgericht Düsseldorf.

Zweifel an der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG auf Verfahren nach dem WEG habe die Kammer - insoweit im Anschluss an die die Anwendbarkeit als solche nicht in Frage stellende Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 03.02.2006 - Az I-3 Wx 230/05 - nicht. Auch die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG seien gegeben. Es stehe zwischen den Parteien außer Streit, dass die Eigentümer S. und M. A. zur Zeit der Rechtshängigkeit des Verfahrens ihren Wohnsitz in London und damit außerhalb des Geltungsbereichs des GVG hatten. Ob im konkreten Fall ausländisches Recht entscheidungserheblich ist, sei für die Frage der Zuständigkeit ohne Belang [BGH NJW 2003, 1672].

Der zulässige Antrag der Beteiligten zu 3 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei zurückzuweisen. Der Prozessbevollmächtigte der Beteiligten zu 3 habe - ohne den Vorwurf des Verschuldens - nicht davon ausgehen können, dass der Schriftsatz vom 2. Februar 2006, den er nach eigener Bekundung erst am Mittag des letzten Tages der Beschwerdefrist bei der Wachtmeisterei des unzuständigen Landgerichts abgegeben hat, noch am selben Tag an das zuständige Gericht weitergeleitet und dort mit dem Eingangsstempel des 2. Februar 2006 versehen werden würde.

2.

Diese Erwägungen des Landgerichts halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die Kammer hat die Erstbeschwerde zu Unrecht als unzulässig verworfen.

a)

Gegen die den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3 am 18. November 2005 zugestellte amtsgerichtliche Entscheidung haben diese - eingehend beim Amtsgericht am 5. Dezember 2005 - "das zulässige Rechtsmittel" eingelegt. Dieses als sofortige Beschwerde geltende Rechtsmittel ist für sich genommen verfristet, da es nicht binnen 2 Wochen nach Zustellung eingelegt worden ist (§ 22 Abs. 1 FGG).

b)

Ausweislich der eidesstattlichen Versicherung vom 12. Dezember 2005 hat Rechtsanwalt Dr. J. aber am 2. Dezember 2005 zwischen 12.30 und 12.45 Uhr eine neue Fassung des - an das Amtsgericht gerichteten - Schriftsatzes ausdrucken lassen, diese unterzeichnet und in der Wachtmeisterei des Landgerichts übergeben. Eine Rechtsmittelschrift mit dem Eingangsstempel des Landgerichts existiert nicht.

aa)

Insoweit ist die Kammer verfahrensfehlerhaft von der Verfristung dieses Rechtsmittels mit Blick auf eine unzutreffend angenommene eigene Unzuständigkeit ausgegangen.

In Wohnungseigentumssachen ist - jedenfalls soweit Beschlussanfechtung Verfahrensgegenstand ist - das Landgericht auch dann zur Entscheidung über sofortige Beschwerden berufen, wenn - wie hier die Eigentümer S. und M. A., die Beteiligten zu 3, (Großbritannien) - eine Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand im Ausland hat (Senat vom 03.02.06, NZM 2006, 349).

Zu bedenken ist hierbei insbesondere, dass Sinn und Zweck des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG darin liegen, Rechtssicherheit zu gewähren, weil das Gericht bei allgemeinem Gerichtsstand im Ausland regelmäßig die Bestimmungen des internationalen Privatrechts anzuwenden hat, um zu entscheiden, welches materielle Recht es seiner Entscheidung zugrunde legt (BT-Drucksache 14/6036, S. 118 f.; BGHR 2004, 1114; Senat I-3 Wx 60/06 vom 05.05.06; I-3 Wx 64/06 vom 23.08.2006; s. aber BGH JurBüro 2004, 456 f.). Dass sich für ein deutsches Gericht in WEG-Verfahren mit dem vorbezeichneten Verfahrensgegenstand die Frage nach der Anwendung materiellen ausländischen Rechts stellt, dürfte indes kaum denkbar sein, sodass der gesetzgeberische Zweck der die Sonderzuständigkeit des OLG begründenden Vorschrift § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG vorliegend nicht zum Tragen kommt. Hiernach war eine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für die Erstbeschwerde trotz Wohnsitzes der Eigentümer S. und M. A. der Beteiligten zu 3 in Großbritannien nicht gegeben. Die Kammer durfte deshalb die sofortige Beschwerde nicht mit der Begründung als verfristet ansehen und als unzulässig verwerfen, dass sie mit dem Landgericht nicht bei einem im Sinne des § 21 FGG zuständigen Gericht eingereicht worden sei, sondern mit Rücksicht auf die Auslandsbeteiligung gemäß (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG) beim Oberlandesgericht habe eingereicht werden müssen.

bb)

Es stellt sich allerdings die Frage, ob die an das Amtsgericht adressierte sofortige Beschwerde - bei Zuständigkeit des Landgerichts nach § 21 Abs. 1 FGG mit Blick auf § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG - wirksam durch Übergabe an die Wachtmeisterei des Landgerichts eingelegt werden konnte.

Dies war der Fall. Gemäß § 21 Abs. 1 FGG kann die Beschwerde bei dem Gericht dessen Verfügung angefochten wird (hier: AG Krefeld) oder bei dem Beschwerdegericht (hier: LG Krefeld) eingelegt werden. Die Einlegung erfolgt durch Einreichung einer Beschwerdeschrift beim Erstgericht oder beim Beschwerdegericht (§ 21 Abs. 2 FGG). Eine Rechtsmittelschrift ist bei Gericht eingereicht, wenn der Gewahrsam des Gerichts begründet wird und ein weiterer Zugriff des Absenders oder Beförderers auf das Schriftstück ausgeschlossen ist (BayObLG ZMR 1998, 181). Hierbei schadet nicht die unrichtige Bezeichnung des Beschwerdegerichts, da dieses gesetzlich bestimmt ist, sofern die Beschwerde beim zuständigen Gericht eingelegt worden ist (Bumiller/Winkler FGG, 8. Auflage 2006, § 21 Rdz. 5; Jansen FGG, 2. Auflage 1969, § 32 Rdz. 7). Da zur Erleichterung für den Beschwerdeführer zwei Empfangsstellen, nämlich das untere Gericht und das Beschwerdegericht zur Wahl gestellt werden (Jansen, a.a.O. Rdz. 1), kommt es also lediglich darauf an, dass die an ein nach § 21 FGG zuständiges Gericht (hier AG Krefeld) adressierte Rechtsmittelschrift bei einem nach § 21 FGG zuständigen Gericht (hier: LG Krefeld) eingereicht worden ist. Dem steht die Rechtsprechung, wonach der Eingang einer Rechtsmittelschrift, die an das Oberlandesgericht adressiert sein müsste, unter der Anschrift des Landgerichts bei einer gemeinsamen Justizbriefannahmestelle eingereicht wird, die Rechtsmittelfrist nicht wahrt (BGH NJW-RR 1997, 892), schon deshalb nicht entgegen, weil - anders als in jenem Fall - vorliegend Adressat des Rechtsmittels jedenfalls ein zuständiges Gericht ist. Hinzu kommt, dass es dem Gesetzeszweck des § 21 FGG, der zur Erleichterung der Rechtsmitteleinlegung durch den Beschwerdeführer zwei Empfangsstellen zur Wahl stellt, zuwiderliefe, wenn das beim zuständigen Gericht rechtzeitig eingereichte Rechtsmittel mit Blick auf die Adressierung an das weitere zuständige Gericht im Falle eines verspäteten Eingangs bei diesem als verfristet angesehen würde.

c)

Unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze wird das Landgericht das - basierend auf der unzutreffenden Annahme der Unzuständigkeit - als richtig unterstellte eidesstattlich versicherte Vorbringen der Beteiligten zu 3, wonach die sofortige Beschwerde am 2. Dezember 2005 rechtzeitig durch ihren Verfahrensbevollmächtigten eingereicht worden sei, zu prüfen haben. Bedenken könnten sich daraus ergeben, dass ein Eingang beim Landgericht nicht dokumentiert ist, bislang ungeklärt ist, warum der Rechtsanwalt auf die Störung der Fax-Übermittlung zum AG durch persönliche Einreichung der Schrift beim Landgericht und nicht in Form der persönlichen Einreichung beim ebenfalls Nordwall 131 befindlichen AG oder eines Fax zum Landgericht reagiert hat. Auch ist im - wohl unvollständigen - "Fehlerbericht" (GA 90) die Zeit des (Fax-) Fehlversuchs wohl mit 12:58 angegeben, während nach der eidesstattlichen Versicherung des Rechtsanwalts Dr. J. vom 12.12.2005 (GA 91) bereits um 12.30 Uhr die Beschwerdeschrift in der Wachtmeisterei des Landgerichts übergeben wurde und und die Sekretärin des Rechtsanwalts Dr. J. unter dem 27.12. 2005 eidesstattlich versichert hat schon gegen 12.00 Uhr mitgeteilt zu haben, dass das Telefax nicht durchgegangen sei.

Hiernach ist die Entscheidung insgesamt aufzuheben und die Sache an die Kammer zurückzuverweisen, um ihr Gelegenheit zu geben, die Rechtzeitigkeit der Einreichung des Rechtsmittels beim Landgericht zu klären und sodann - je nach Ergebnis - ggf. als zuständiges Gericht in der Sache zu entscheiden.

3.

Die Kostenentscheidung ist dem Landgericht auch für das Verfahren der weiteren Beschwerde vorzubehalten.

Ende der Entscheidung

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