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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 10.03.2006
Aktenzeichen: I-3 Wx 16/06
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 21 Abs. 4
WEG § 22 Abs. 1
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 1
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 4
BGB § 183
Ein Wohnungseigentümer, der der Errichtung einer Balkonanlage grundsätzlich zugestimmt hat, kann diese Zustimmung regelmäßig widerrufen, solange der bauwillige Wohnungseigentümer Dispositionen zur Verwirklichung noch nicht getroffen hat.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 16/06

In der Wohnungseigentumssache

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch die Richter am Oberlandesgericht G. und B. sowie die Richterin am Oberlandesgericht Dr. L.

am 10. März 2006

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller vom 21. Dezember 2005 gegen den am 7. Dezember 2005 verkündeten Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Gerichtskosten der sofortigen weiteren Beschwerde. Sie haben darüber hinaus der Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten für die sofortige weitere Beschwerde zu erstatten.

Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren: 7.500 €

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten als Eigentümer der aus vier Wohnungen bestehenden Wohnungseigentumsanlage K. 89 in B. jetzt noch darum, ob die Antragsgegnerin der Errichtung einer Balkonanlage zugestimmt hat, und darum, ob das Sondernutzungsrecht der Antragsgegnerin am Garten die Terrasse mitumfasst. Über die anderen Streitpunkte ist entschieden.

Die Parteien waren eng befreundet. Die Antragsgegnerin bewohnte seit 1999 als Mieterin eine Wohnung in dem genannten Objekt, das der Eigentümer durch Teilungserklärung vom 18. Juni 2002 in Wohnungseigentum aufteilte.

Zur Wohnung Nr. 1 gehört nach der Teilungserklärung das Sondernutzungsrecht an der Gartenfläche. Die Gartenfläche schließt nach hinten an die Wohnung Nr. 1 an und wird nach links von der Garage und nach rechts vom Nachbargrundstück begrenzt. Unmittelbar an die Wohnung schließt gartenseitig eine Terrasse an, unter der sich ein Kellerraum befindet.

Im Jahre 2002 erwarben die Beteiligten ihr Wohnungseigentum, die Antragsteller die Wohnungen im Dachgeschoss und im zweiten Obergeschoss, die Antragsgegnerin die Wohnung im ersten Obergeschoss und die von ihr bewohnte Erdgeschosswohnung.

Anlässlich des Erwerbes sprachen die Beteiligten auch darüber, nachträglich Balkone zu errichten.

Am 16. November 2002 fand zu diesem Zweck ein Termin an Ort und Stelle statt, an dem die Beteiligten, der damalige Verwalter, der Zeuge L., der Statiker und eine Stahlbaufirma teilnahmen.

Der Zeuge L. erstellte über diesen Termin eine Notiz, in der es heißt:

"Der Balkon auf Stützen wurde ausgemessen. Frau K. (die Antragsgegnerin) möchte keine Stützen auf der Terrasse. Die Standpunkte der Stützen wurden von Frau K. bestimmt (konkret). Frau K. möchte für die I. Etage ebenfalls einen Balkon und ist mit dem Anbau einverstanden.

Ein Angebot folgt."

Das Ingenieurbüro bot seine Leistungen unter dem 22. November 2002 an, die Stahlbaufirma übersandte am 11. Dezember 2002 ihr Angebot.

In der Wohnung im 2. Obergeschoss wurden neue Fenster eingebaut. Dort, wo die Balkontür hinkommen sollte, wurde das alte Fenster belassen, weil nach Fertigstellung des Balkons eine Balkontür eingebaut werden sollte.

Ende 2003 kam es zum Streit der Beteiligten.

Mit Schreiben vom 4. Juni 2004 wies die Antragsgegnerin darauf hin, sie habe nie eine grundsätzliche Zustimmung für eine Balkonanlage gegen. Ihre Worte seien gewesen: "Ich kann es mir vorstellen, wenn ... ."

Nach reiflicher Überlegung sei sie zu dem Schluss gekommen, dass sie einem Anbau eines Balkons im 2. Obergeschoss nicht zustimmen werde.

Die Antragsteller haben behauptet, die Antragsgegnerin habe zunächst der Errichtung einer Balkonanlage zugestimmt und sei dann plötzlich nicht mehr einverstanden gewesen.

Sie haben beantragt, festzustellen, dass sie berechtigt seien, im Gartenbereich oberhalb der Terrassenfläche eine Balkonanlage für die Wohnung im 2. Obergeschoss nebst Einbau einer Balkontür zu errichten und festzustellen, dass ein Sondernutzungsrecht der Antragsgegnerin hinsichtlich der Terrasse nicht entstanden sei sowie der Antragsgegnerin aufzugeben, das Tor zur Terrasse nicht abzuschließen.

Die Antragsgegnerin hat Zurückweisung beantragt und bestritten, dass sie jemals der Errichtung einer Balkonanlage zugestimmt habe. Die Antragsteller seien mit diesem Anliegen auf sie zugekommen, weil sie ihren Mietern einen Balkon versprochen hätten. Da das Ständerwerk des geplanten Balkons das Sondernutzungsrecht an der Terrasse beeinträchtigt und ihre Wohnung deutlich verdunkelt hätte, habe sie dem Ansinnen von Anfang an widersprochen.

Das Amtsgericht hat den Zeugen L. vernommen und sodann die jetzt noch anhängigen Anträge der Antragstellerin zurückgewiesen.

Ein Zustimmung der Antragsgegnerin zur Errichtung einer Balkonanlage sei nicht erwiesen. Auch nach der Bekundung des Zeugen habe sie alle von ihm eingeholten Pläne und Angebote zurückgewiesen. Im übrigen habe der Zeuge nicht mehr im Einzelnen angeben können, wann genau und auf welche Art und Weise eine Übereinstimmung erzielt worden sei. Es habe mehrere Zusammenkünfte gegeben und er habe sich an genaue Einzelheiten nicht mehr erinnern können.

Die Terrasse liege innerhalb der Gartenfläche und habe - natürlich - mit zum Sondernutzungsrecht gehören sollen.

Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragsteller in den jetzt noch interessierenden Anträgen zurückgewiesen.

Das Amtsgericht habe die Entscheidung, dass die Beteiligten keine hinreichend konkrete Vereinbarung geschlossen hätten, erschöpfend und zutreffend begründet. Die Aussage des Zeugen L. belege unter Bezugnahme auf vorliegende Korrespondenz erst eine gemeinsame Absicht der Beteiligten, eine Ergänzung zu planen, zu prüfen und durchzuführen. Unverzichtbar sei aber eine Vereinbarung von der Qualität, dass sich nicht eine Partei die Prüfung noch vorbehalte und dies dadurch deutlich werden lasse, dass sie die Vorschläge der anderen Eigentümer prüfe und vorläufig zurückstelle.

Das Sondernutzungsrecht stehe der Antragsgegnerin auch hinsichtlich der Terrasse zu. Die mit "Garten" bezeichnete Fläche umfasse auch die Terrasse, die damit zweifelsfrei zur Sondernutzung zugewiesen sei. Eine andere Auslegung führe zu einem befremdlichen Ergebnis.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller, die meinen, die Anforderungen seien überspannt, wenn eine Vereinbarung über eine bauliche Veränderung nur dann getroffen werden könne, wenn für das Bauvorhaben ein konkreter Entwurf vorliege. Ein Grundlagenbeschluss könne auch die noch erforderlichen Zwischenschritte tragen.

Ein Sondernutzungsrecht an der Terrasse komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Errichtung einer Terrasse in einer Sondernutzungsfläche als bauliche Veränderung regelmäßig nicht zulässig sei.

Die Antragsgegnerin bittet, die sofortige weitere Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller ist zulässig, §§ 45 WEG, 22 Abs. 1, 27, 29 FGG. Sie ist in der Sache jedoch nicht gerechtfertigt. Denn der angefochtene Beschluss beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§ 27 FGG).

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass die Antragsteller nicht berechtigt sind, die Balkonanlage zu errichten.

Das Landgericht setzt voraus, dass die Berechtigung der Antragsteller von einer wirksamen Zustimmung der Antragsgegnerin zu der beabsichtigten baulichen Veränderung abhängt. Das ist zutreffend, denn durch die ins Auge gefasste Balkonanlage würde der Antragsgegnerin über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwachsen, § 14 Abs. 1 WEG.

Zu der Frage, ob die Antragsteller den Nachweis für eine solche Zustimmung geführt haben, ist die angefochtene Entscheidung widersprüchlich.

Über die Frage, ob die Antragsgegnerin zugestimmt hat, hatte das Amtsgericht Beweis erhoben und hierzu den Zeugen L. vernommen.

Das Landgericht hat einerseits die Auffassung des Amtsgerichtes als zutreffend bezeichnet, dass nicht festgestellt werden könne, dass die Beteiligten eine hinreichend konkrete Vereinbarung getroffen hätten. Es hat andererseits ausgeführt, eine verbindliche Vereinbarung erfordere nicht bereits eine detaillierte Festlegung jedes Konstruktionsdetails; jedoch habe sich die Antragsgegnerin vorbehalten, die gemeinsam entwickelten Vorstellungen bzw. die Vorschläge der Antragsteller noch zu prüfen.

Richtig ist, dass die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung sich immer nur auf die Maßnahme bezieht und beziehen kann, für die sie erbeten worden ist. Deshalb ist es sicher sinnvoll und würde der Streitvermeidung dienen, der Bitte um Zustimmung möglichst konkrete Unterlagen (Planskizzen, Baubeschreibungen o.ä.) über die geplante Maßnahme beizufügen (vgl. Staudinger/Bub, 12.Aufl., § 22 WEG, 49). Geschieht dies nicht, so stellt sich die Frage, ob die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung auch ganz "allgemein" erteilt werden kann (vgl. dazu bejahend OLG Zweibrücken NZM 2000, 293; OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 1468; BayObLG WE 1997, 236).

Das Landgericht hat offenbar den Nachweis einer solchen allgemeinen Zustimmung als nicht geführt angesehen, wenn es darauf abstellt, die Antragsgegnerin habe sich letztlich vorbehalten, die Vorschläge der Antragssteller noch zu prüfen. Es sei also nicht mehr als eine gemeinsame Absicht nachgewiesen.

Diese Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung das Landgerichts kann der Senat in der Rechtsbeschwerde nur eingeschränkt prüfen, nämlich darauf, ob das Beschwerdegericht den maßgebenden Sachverhalt ausreichend ermittelt, sich bei der Beurteilung des Beweisstoffes mit allen wesentlichen Umständen auseinandergesetzt und hierbei nicht gegen Denkgesetze oder Beweisregeln verstoßen hat (vgl. Meyer-Holz in Keidel /Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 27, 42).

Insoweit lässt die angefochtene Entscheidung - wie auch schon der Beschluss des Amtsgerichtes - eine Auseinandersetzung mit der Notiz des Zeugen L. über den Ortstermin vom 16. November 2002 vermissen, dessen inhaltliche Richtigkeit die Antragsgegnerin nicht geleugnet hat, obwohl dort ausdrücklich festgehalten ist, sie habe die Standpunkte der Stützen bestimmt, wolle für die 1. Etage ebenfalls einen Balkon und sei mit dem Anbau einverstanden.

Diese Urkunde spricht für die Richtigkeit der Behauptung der Antragsteller und fügt sich zwanglos in die Aussage des Zeugen bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht, die Antragsgegnerin habe auch einen Balkon gewollt und sei - erst - später davon abgerückt.

Auch wenn die Antragsgegnerin grundsätzlich der Errichtung der Balkonanlage zugestimmt haben sollte, wäre sie nicht gehindert gewesen, die anschließenden Angebote darauf zu prüfen, ob sich die konkrete Ausführung der im Grundsatz wegen Zustimmung hinzunehmenden baulichen Änderung im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung hielt. Deshalb lässt sich aus der Bitte der Antragsgegnerin, die Angebote prüfen zu dürfen, nicht zwingend herleiten, dass sie der Maßnahme auch im Grundsatz noch nicht zugestimmt habe.

Letztlich können diese Erwägungen jedoch dahin stehen.

Zugunsten der Antragsteller kann unterstellt werden, dass die Antragsgegnerin der Errichtung der Balkonanlage grundsätzlich zugestimmt hatte.

Diese Zustimmung hat die Antragsgegnerin jedoch rechtzeitig widerrufen, als sie Ende 2003 erklärt hat, sie wolle keine Balkonanlage.

Es kann dahin stehen, ob die Zustimmung rechtlich der Zustimmung eines Berechtigten zur Verfügung eines Nichtberechtigten im Sinne von § 185 BGB ähnelt (so Staudinger/Bub, a.a.O., § 22, 49; Bärmann/Pick/Merle, 8. Aufl., § 22, 89) oder ob auf sie die §§ 182 ff BGB entsprechende Anwendung finden. In beiden Fällen gilt für die Widerruflichkeit § 183 BGB.

Danach ist die Einwilligung grundsätzlich frei widerruflich, wenn sich nicht aus dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis etwas anderes ergibt. Dabei ist der Widerruf allerdings nur möglich bis zur Vornahme des Rechtsgeschäftes - bei der hier gebotenen entsprechenden Anwendung der Vorschrift also bis zum Beginn mit der baulichen Veränderung, der zugestimmt worden ist. Das entspricht im Ergebnis der von Ott (ZWE 2002, 61, 65) vertretenen Ansicht. Danach soll die Zustimmung regelmäßig unwiderruflich sein, weil bei Vornahme baulicher Veränderungen in der Regel die Interessenlage die Bindung an die Zustimmung gebiete, denn der Bauwillige müsse wegen der im Vorfeld zu treffenden Dispositionen Klarheit haben.

Hier haben die Antragsteller weder geltend gemacht, solche Dispositionen getroffen zu haben, noch sind hierfür Anhaltspunkte ersichtlich. Nach dem Vortrag der Antragsteller sind die Angebote des Ingenieurbüros und der Stahlbaufirma eingeholt und der Antragsgegnerin vorgelegt worden. Danach sind bis zum Widerruf der Antragsgegnerin keine weiteren Maßnahmen veranlasst worden, die einem Widerruf entgegenstehen könnten.

Soweit die Antragsteller die landgerichtliche Entscheidung insoweit beanstanden als es die Frage des Sondernutzungsrechtes an der Terrassenfläche und eines Zugangs der Antragsteller zu der Terrasse angeht, hat ihre sofortige weitere Beschwerde ebenfalls keinen Erfolg.

Es bedarf keiner besonderen Begründung, dass das Sondernutzungsrecht der Antragsgegnerin an der Gartenfläche selbstverständlich die in diesem Garten von Anfang an vorhandene Terrassenfläche mitumfasst. Jede andere Auslegung wäre fernliegend. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Terrasse zugleich die Decke des vorgelagerten Kellerraumes bildet.

Soweit die Antragsteller zur Rechtfertigung ihrer sofortigen weiteren Beschwerde darauf hinweisen, dass regelmäßig die Errichtung einer Terrasse in einem zur Sondernutzung zugewiesenen Garten als bauliche Veränderung untersagt werden würde, liegt dieser Einwand neben der Sache. Ersichtlich geht es hier nicht darum, dass die Antragsgegnerin in der Sondernutzungsfläche eine Terrasse errichten will.

Angesichts dieser hergeholten Argumentation drängt sich der Eindruck auf, dass es den Antragstellern nicht um die Klärung einer Sachfrage, sondern darum geht, der Antragsgegnerin Schwierigkeiten zu bereiten.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten folgt aus § 47 Satz 1 WEG, die über die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin beruht auf § 47 Satz 2 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, dass die Antragsteller diese Kosten tragen, denn ihnen hätte angesichts der klaren rechtlichen Lage die Aussichtslosigkeit ihres Rechtsmittels bewusst sein müssen.

Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde folgt aus § 48 Abs. 3 Satz 1.

Ende der Entscheidung

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