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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 20.07.2004
Aktenzeichen: I-3 Wx 193/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1954
BGB § 1955
BGB § 1945
BGB § 119 Abs. 2
Wer bei scheinbar überschuldetem Nachlass die Ausschlagung der Erbschaft ohne Rücksicht auf den Berufungsgrund ("aus welchen Gründen ich zur Erbschaft berufen bin") und ungeachtet der Höhe (gleichgültig "wie hoch mein Erbteil ist") erklärt, kann im Falle nachträglich sich erweisender Werthaltigkeit des Nachlasses seine Ausschlagungserklärung nicht mit der Begründung anfechten, er habe sich seinerzeit über den Nachlasswert geirrt.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 193/04

In der Nachlasssache

betreffend die Erteilung eines Erbscheines

nach der zwischen dem 3. und dem 5. Juni 2000 in Düsseldorf, ihrem letzten Wohnsitz, verstorbenen S., geb. J.,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 27. Mai 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G. und der Richter am Oberlandesgericht Dr. S. und von W-L.

am 20. Juli 2004

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 180.000,- €.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist die Tochter des Bruders der zwischen dem 3. und dem 5. Juni 2000 in Düsseldorf verstorbenen Erblasserin, die verwitwet war und keine Abkömmlinge hinterlassen hat.

Durch Beschlüsse des Amtsgerichts Düsseldorf vom 13. Juni 2000 wurde Rechtsanwalt G. zum Nachlasspfleger betreffend die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie die Ermittlung der Erben bestellt.

Der Bruder der Erblasserin, H.J., schlug am 7. Juli 2000 die Erbschaft am Nachlass der Erblasserin aus, und zwar gleichgültig aus welchen Gründen er zur Erbschaft berufen sei und wie hoch sein Erbteil sein sollte.

Der Nachlasspfleger erstattete unter dem 10. August 2000 einen Bericht, demzufolge der Nachlass hoch überschuldet ist. Auch nach dem Schreiben vom 31. Oktober 2000 ist der Nachlass überschuldet.

Am 15. Januar 2001 hat die Antragstellerin die Erbschaft nach der Erblasserin ausgeschlagen, und zwar gleichgültig aus welchen Gründen sie zur Erbschaft berufen sei und wie hoch ihr Erbteil sein sollte.

Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2003 hat die Antragstellerin die Erteilung eines Erbscheins nach der Erblasserin beantragt, der sie als Alleinerbin ausweist. Gegenüber dem Notar Dr. P. hat die Antragstellerin am 12. Dezember 2003 ihre Ausschlagungserklärung wegen Irrtums angefochten, da ihr ihr Vater im Oktober 2003 mitgeteilt habe, dass der Nachlass nicht überschuldet sei.

Das Amtsgericht hat nach vorhergegangenem Hinweis am 17. Februar 2004 den Erbscheinantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Hiergegen hat die Antragstellerin sich beschwert.

Das Landgericht hat am 27. Mai 2004 die Beschwerde zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer weiteren Beschwerde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 20, 27, 29 FGG zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet, denn die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung, §§ 27 FGG, 550 ZPO.

1.

Das Landgericht hat ausgeführt, das Rechtsmittel sei nicht begründet. Die Rechtspflegerin habe zutreffend darauf hingewiesen, dass die nach §§ 1954, 1955, 1945 BGB form- und fristgerecht erklärte Anfechtung der Ausschlagungserklärung nicht durchgreife, da ein Inhaltsirrtum nicht zu erkennen sei. Bei der Erklärung einer Erbausschlagung handele es sich um eine amtsempfangsbedürftige Willenserklärung, für deren Auslegung es auf den für die Nachlassbeteiligten erkennbaren Sinn der Erklärung ankomme [BayObLG FamRZ 2003, 121; KG Rpfleger 1996, 456]. Den Nachlassbeteiligten sei regelmäßig nur der Inhalt der Ausschlagungserklärung als solcher zugänglich. Umstände, die nicht aus der Urkunde ersichtlich und nicht allgemein bekannt sind, dürften daher zur Auslegung nicht herangezogen werden [BayObLG a.a.O.]. Die Antragstellerin mache einen Irrtum hinsichtlich der Überschuldung des Nachlasses geltend, von der sie bei der Ausschlagung ausgegangen sei. Die Überschuldung des Nachlasses könne eine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB sein, so dass der Irrtum hierüber zur Anfechtung einer Annahme- oder Ausschlagungserklärung nach dieser Vorschrift berechtigen könne [BayObLG a.a.O.]. Ein Anfechtungsgrund sei aber nur dann gegeben, wenn der Irrtum bezüglich der Überschuldung des Nachlasses auf unrichtigen Vorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses, hinsichtlich des Bestandes an Aktiva und Passiva beruht [BayObLG a.a.O.]. Die Antragstellerin habe in ihrer Beschwerdeschrift vorgetragen, dass sie erst im Oktober 2003 erfahren habe, dass zum Nachlass ein Zahlungsanspruch über 191.734,46 € gehört. Die Rechtspflegerin habe jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass die Ausschlagungserklärung dahingehend auszulegen sei, dass der Halbsatz "aus welchen Gründen ich zur Erbschaft berufen bin" sich auf gesetzliche oder testamentarische Erbfolge und der Halbsatz "wie hoch mein Erbteil ist" sich auf den Wert des Nachlasses beziehe. Für eine andere Auslegung lasse sich der Urkunde ein Anhaltspunkt nicht entnehmen.

Die Antragstellerin habe auch in ihrer Beschwerdeschrift Tatsachen, die belegen, dass sich der 2. Halbsatz auf die Erbquote bezieht, nicht dargelegt. Auch aus den tatsächlichen Gegebenheiten im Zusammenhang mit der Erbausschlagung ergäben sich hierfür keine Anhaltspunkte. Über die Existenz eines Testaments sei nichts bekannt. Nach der Erbausschlagung ihres Vaters sei die Erbschaft der Antragstellerin als alleiniger gesetzlicher Erbin angefallen. Die Beschwerde sei daher zurückzuweisen.

2.

Diese Erwägungen des Landgerichts halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung stand.

a)

Bei rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen ist die Feststellung dessen, was erklärt ist, ausschließlich Sache des Tatrichters. Die tatrichterliche Auslegung von Willenserklärungen bindet das Rechtsbeschwerdegericht, solange sie nach den Denkgesetzen und der feststehenden Erfahrung möglich ist - sie muss nicht zwingend sein - mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang steht und alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt (Keidel/Meyer-Holz, FGG, 15. Auflage 2003 § 27 Rdz. 49, 42).

b)

Die vom Landgericht vorgenommene Auslegung der Erbausschlagungserklärung im Sinne einer umfassenden Ausschlagungserklärung ohne Rücksicht auf den Berufungsgrund (Gesetz oder letztwillige Verfügung - "aus welchen Gründen ich zur Erbschaft berufen bin") und ungeachtet der Höhe ( "wie hoch mein Erbteil ist") weist einen solchen Fehler nicht auf. Weder der Wortlaut noch der Sinn der Erklärung sprechen zwingend dafür, dass der Begriff der Höhe ("wie hoch mein Erbteil ist") sich - wie die Antragstellerin vorträgt - lediglich auf die Erbteilsquote und nicht auf die Höhe des Wertes des Erbteils bezogen habe. Vielmehr ist die Auslegung des Landgerichts im Sinne einer umfassenden Ausschlagung nicht nur möglich, sondern auch nahe liegend. Dies gilt um so mehr als streng genommen selbst die von der Antragstellerin favorisierte Bedeutung ihrer Ausschlagungserklärung, nämlich eine Ausschlagung ohne Rücksicht auf die Erbteilsquote, letztlich zur Annahme eines auf umfassende Ausschlagung gerichteten Willens der Antragstellerin führt. Denn wollte die Antragstellerin unabhängig von der auf sie entfallenden Höhe des Erbteils (lies:"Quote") die Erbschaft ausschlagen, so spricht auch dies dafür, dass sie gerade nicht nur für den Fall der Überschuldung des Nachlasses, sondern auch bei positivem Nachlasswert die Erbschaft ausschlagen wollte.

Nach alledem kann jedenfalls die an Wortlaut und Sinn orientierte mögliche Auslegung der Ausschlagungserklärung der Antragstellerin durch das Landgericht, die eine wirksame Irrtumsanfechtung aus dem Gesichtspunkt einer seinerzeit zu Unrecht angenommenen Überschuldung des Nachlasses ausschließt , aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden. Ob auch eine andere Auslegung möglich sein kann, ist dabei unerheblich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Ende der Entscheidung

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