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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 24.09.2004
Aktenzeichen: I-3 Wx 233/04
Rechtsgebiete: WEG
Vorschriften:
WEG § 45 Abs. 2 |
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS
In dem Wohnungseigentumsverfahren
betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft M. 2, Mönchengladbach,
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 12. Juli 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G. und der Richter am Oberlandesgericht Dr. S. und von W-L. am 24. September 2004
beschlossen:
Tenor:
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1 trägt die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Das Gesuch der Beteiligten zu 2 um Prozesskostenhilfe für den dritten Rechtszug wird abgelehnt.
Wert des Beschwerdegegenstandes: Bis 5.000 €.
Gründe:
I.
Die Beteiligten sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft M. 2 in Mönchengladbach. Die im Sondereigentum der Beteiligten zu 1 stehende Wohneinheit befindet sich im ersten Obergeschoss des Hauses. Unter ihrer Wohnung liegt die im Aufteilungsplan mit Nr. 6 bezeichnete Sondereigentumseinheit der Beteiligten zu 2. Diese haben die Eigentumswohnung im Wege der Zwangsversteigerung erworben. Laut Teilungserklärung handelt es sich um eine im Erdgeschoss hinten links gelegene Gewerbeeinheit nebst Terrasse sowie einem Einstellplatz in der Tiefgarage. In der Teilungserklärung heißt es unter Ziffer V. 2. unter der Überschrift Gebrauchsregelung wie folgt:
Wohnungen dürfen grundsätzlich nur zu Wohnzwecken benutzt werden.
Gewerbeeinheiten sollen nur so wie bezeichnet genutzt werden (z.B. Läden, Büros). Die Ausübung eines Berufes oder Gewerbes in der Wohnung bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verwalters. Die Zustimmung des Verwalters kann aus einem wichtigen Grund verweigert werden oder von der Erfüllung von Auflagen abhängig gemacht werden. Als wichtiger Grund gilt insbesondere, wenn mit der Ausübung eines Berufes oder Gewerbes erfahrungsgemäß eine über Ziffer I. hinausgehende Belästigung der übrigen Wohnungs- oder Teileigentümer oder eine erhöhte Abnutzung der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteile verbunden ist."
In der Eigentümerversammlung vom 6. Dezember 2002 fassten die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft zu Tagesordnungspunkt 3 einen Beschluss, nach dem ein Gewerbe auch als Wohnung genutzt werden könne, wobei die Wohnungseigentümergemeinschaft hierbei eine "normale" Nutzung voraussetze. Als Grundlage gelte hier der Maßstab der anderen als Wohnung benutzten Einheiten. Der jeweilige Eigentümer solle zukünftig eine Änderung der Nutzung vorher schriftlich dem Verwalter anzeigen. Die Rechte, gegen einen Störer vorzugehen, blieben selbstverständlich unverändert bestehen. Dieser Beschluss wurde auf Antrag der Beteiligten zu 1 durch rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach - 17 II 101/02 WEG- vom 25. Juni 2003 aufgehoben.
Die Beteiligte zu 1 hat sich gegen eine Nutzung der Sondereigentumseinheit als Wohnung gewehrt und hat beantragt,
den Beteiligten zu 2 die Nutzung ihres Sondereigentums in der WEG-Anlage M. 2 in Mönchengladbach, das in dem Aufteilungsplan Nr. 6 bezeichnet ist, zu Wohnzwecken zu untersagen.
Das Amtsgericht hat nach mündlicher Verhandlung mit Beschluss vom 19. Februar 2004 dem Unterlassungsantrag stattgegeben, weil die Nutzung der Teileigentumseinheit der Beteiligten zu 2 als Wohnung gegen die Teilungserklärung verstoße und deren Vortrag zur Verwirkung unsubstantiiert sei.
In der Beschwerdeinstanz haben die Beteiligten zu 2 ihr Gesuch um Zurückweisung des Antrags weiter verfolgt und haben beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 19. Februar 2004 aufzuheben und das Gesuch der Beteiligten zu 1 abzulehnen.
Sie haben geltend gemacht, die Teilungserklärung verbiete die Benutzung der Eigentumseinheit als Wohnung nicht. Zudem gehe von der Wohnnutzung keine Störung aus, die das Maß der Beeinträchtigung bei einer Gewerbenutzung überschreite. Im Übrigen würden auch die Einheiten Nr. 2 und 3 als Wohnung genutzt. Darüber hinaus müsse sich die Beteiligte zu 1 eine Verwirkung ihres etwaigen Unerlassungsanspruches entgegenhalten lassen.
Hierzu haben die Beteiligten zu 2 behauptet, das Objekt sei 1982 errichtet worden. Zunächst sei eine Nutzung der streitgegenständlichen Teileigentumseinheit als Gewerbeeinheit vorgesehen worden. Seit 1984 werde die Einheit aber ohne Beanstandung der übrigen Wohnungseigentümer als Wohnung genutzt. Bis zum 1. November 1994 hätte die Eheleute P. dort gewohnt, von Anfang 1995 bis 31. Mai 1998 der Zeuge S. und vom 1. Juni 1998 bis 31. November 2001 Frau H.. Ein etwaiger Unterlassungsanspruch der Beteiligten zu 1 sei daher bereits vor ihrem Erwerb im Jahre 1994 verwirkt gewesen. Hilfsweise habe die Beteiligte zu 1 die Nutzung geduldet, so dass sie sich persönlich ebenfalls Verwirkung entgegenhaIten lassen müsse.
Die Beteiligte zu 1 hat beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, Verwirkung könne nicht eingetreten sein, da die Beteiligten zu 2 die Teileigentumseinheit in Kenntnis der fehlenden Nutzungsmöglichkeit erworben hätten. Hierzu hat sie unter Beweisantritt vorgetragen, dass die Beteiligten zu 2 durch den Rechtspfleger im Versteigerungstermin auf die fehlende Nutzungsmöglichkeit als Wohnung aufmerksam gemacht worden seien. Überdies stehe die Unzulässigkeit einer Wohnnutzung aufgrund des bestandskräftigen Beschlusses des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 25. Juni 2003 fest.
Das Landgericht hat nach mündlicher Verhandlung am 12. Juli 2004 unter Abänderung des amtsgerichtlichen Beschlusses das Gesuch der Antragstellerin zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1 mit der sofortigen weiteren Beschwerde, der die Beteiligten zu 2 und die Streithelfer entgegentreten.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Denn der angefochtene Beschluss ist von entscheidungserheblichen Rechtsfehlern nicht beeinflusst (§ 27 FGG).
1.
Die Kammer hat u. A. zur Begründung ausgeführt: Der Antragstellerin stehe gegen die Antragsgegner ein Anspruch auf Unterlassung der Wohnnutzung aus §§ 1004 BGB, 15 Abs. 3 WEG nicht zu. Nach dieser Vorschrift könne jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und den Beschlüssen entspricht. Die Vorschrift gewähre dem Eigentümer einen Individualanspruch gegen das störende Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Die Wohnnutzung stehe in Einklang mit der Teilungserklärung in Ziffer V. 2. Die Auslegung einer Teilungserklärung habe nach objektiven Maßstäben zu erfolgen. Entscheidend sei, was jeder gegenwärtige und zukünftige Betrachter als objektiven Sinn der Erklärung verstehen muss. Nach der Regelung der Teilungserklärung solle nur so wie bezeichnet genutzt werden (z. B. Läden, Büros). Es sei nicht geregelt, dass die Gewerbeeinheiten nur so wie bezeichnet genutzt werden dürfen. Die Verwendung des Begriffes "sollen" sei aus objektiver Sicht nicht so zu verstehen, dass nur eine Nutzung als Gewerbe, innerhalb dieser Nutzung aber auch eine andere als die bezeichnete Benutzung zulässig sein soll. Vielmehr ergebe eine Auslegung der Teilungserklärung, dass nach dem objektiven Willen der Wohnungseigentümer neben der Gewerbenutzung auch eine Wohnnutzung zulässig sein sollte. Satz 1 der Ziffer V. 2. enthalte den Grundsatz, dass Wohnungen grundsätzlich nur zu Wohnzwecken genutzt werden dürfen. Hiervon mache Satz 3 eine Ausnahme dahingehend, dass eine Nutzung der Wohneinheiten auch zu Gewerbezwecken möglich ist. Voraussetzung sei bloß die Zustimmung des Verwalters, die nur dann verweigert werden dürfe, wenn erfahrungsgemäß eine über das übliche Maß hinausgehende Belästigung der übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft zu erwarten sei. Dies zeige, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft durchaus auch eine Nutzung der Wohnungen als Gewerberäume für möglich erachtet habe. Berücksichtige man dies, so sei die Verwendung des Begriffes "sollen" in diesem Zusammenhang so zu verstehen, dass auch eine Nutzung der Gewerbeeinheit als Wohnung zulässig sein soll, da nach dem Verständnis der Teilungserklärung die Wohnnutzung üblicherweise ein geringeres Maß an Beeinträchtigung mit sich bringe, als die Nutzung als Gewerbeeinheit. Auch die tatsächliche Handhabung der Teilungserklärung spreche dafür, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft die Teilungserklärung in diesem Sinne versteht. Die hier in Rede stehende Einheit Nr. 6 werde seit 1984 nicht mehr als Gewerbeeinheit, sondern als Wohneinheit genutzt. Auch die Einheit Nr. 2 und 3 werde, entgegen ihrer früheren Zweckbestimmung, zu Wohnzwecken genutzt. Eine Entschließung der Wohnungseigentümergemeinschaft, gegen diese Nutzung vorzugehen, sei nie erfolgt. Auch der aufgehobene Beschluss vom 6. Dezember 2002 zeige, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft die Wohnnutzung als rechtmäßig erachtet.
Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1 stehe auch nicht bereits aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses aus dem vorangegangenen Verfahren 17 II 101/02 WEG vom 25. Juni 2003 die Unzulässigkeit der Wohnnutzung fest. Die Rechtskraft dieses Verfahrens beschränke sich lediglich darauf, dass der angegriffene Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 6. Dezember 2002 unwirksam sei. Damit sei nicht zugleich festgestellt, dass der Beteiligten zu 1 ein lndividualanspruch auf Untersagung der Wohnnutzung zusteht. Da die Wohnnutzung bereits von der Teilungserklärung gedeckt sei, könne dahinstehen, ob eine Wohnnutzung die Beteiligte zu 1 mehr beeinträchtige als eine Gewerbenutzung [vgl. hierzu OLG Düsseldorf, FGPrax 2003, 153 und OLG Karlsruhe, ZMR 2001, 385] bzw. ob ein etwaiger Anspruch auf Unterlassung bereits vor oder nach dem Eigentumserwerb der Antragstellerin im Jahre 1994 verwirkt gewesen sei.
2.
Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung stand.
a)
Zu Unrecht meint die Beteiligte zu 1, dass durch die im Verfahren 17 II 101/02 WEG am 25. Juni 2003 getroffene Entscheidung des Amtsgerichts die Unzulässigkeit der Wohnnutzung rechtskräftig festgestellt sei.
Beschlüsse in echten Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu denen die WEG-Sachen gehören, sind der materiellen Rechtskraft in gleicher Weise zugänglich wie Urteile im Zivilprozess. Sie sind gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 WEG für die Beteiligten bindend. Dies bedeutet, dass über den Verfahrensgegenstand zwischen denselben Beteiligten und deren Rechtsnachfolgern (§ 10 Abs. 3 WEG) keine weitere Entscheidung mehr getroffen werden kann. Umstritten ist, ob außer dem Entscheidungssatz auch die ihn tragenden rechtlichen Erwägungen in Rechtskraft erwachsen (so Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Auflage 2003 § 45 Rdz. 118) oder von der Rechtskraft nur der Beschlusstenor erfasst wird, nicht aber die Begründung (BayObLG ZMR 1989, 386 f.; Niedenführ/Schulze WEG 6. Auflage 2002 § 45 Rdz. 61). Dies mag letztlich offen bleiben. Denn auch wenn man die tragenden Gründe in die Rechtskraft einbezieht, hat das Amtsgericht seinerzeit lediglich rechtskräftig entschieden, dass die Wohnungseigentümer mangels Beschlusskompetenz nicht mit Mehrheitsbeschluss die Teilungserklärung dahin geändert haben, dass die dort ausgewiesenen Gewerbeeinheiten nunmehr als Wohnungen zu nutzen seien. Nicht dagegen ist rechtskräftig entschieden, dass die aktuelle Teilungserklärung - insbesondere hinsichtlich des als Gewerbeeinheit ausgewiesenen Eigentums der Beteiligten zu 2 - die Nutzung als Wohnung verbietet. Bei der in diese Richtung weisenden Meinung des Amtsgerichts handelt es sich lediglich um ein Begründungselement, das jedenfalls - gleich welcher der oben angeführten Auffassungen man folgt - nicht in Rechtskraft erwachsen ist.
b)
Weitere Gesichtspunkte, die darauf hindeuten, dass der angefochtene Beschluss der Kammer von einem entscheidungserheblichen Rechtsfehler beeinflusst sein könnte, hat die Beschwerdeführerin nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die seitens der Kammer vorgenommene Auslegung der Teilungserklärung wird von dem Senat geteilt und erweist sich nicht als ergänzungsbedürftig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beteiligte zu 1 die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde trägt. Dagegen bestand keine Veranlassung die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen.
Das Gesuch der Beteiligten zu 2 um Prozesskostenhilfe war abzulehnen, weil die Kosten der Verfahrensführung der Antragsgegner in dritter Instanz vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen, § 115 Abs. 3 ZPO.
Ende der Entscheidung
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