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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 22.07.2009
Aktenzeichen: I-3 Wx 251/08
Rechtsgebiete: BGB, FGG, ZPO
Vorschriften:
BGB § 242 | |
FGG § 12 | |
ZPO § 139 | |
LG Düsseldorf, 19 T 300/07 vom 29.10.2008 | |
AG Neuss, 73 II 49/07 WEG |
2. Aus dem Amtsermittlungsgrundsatz sowie der in FG-Verfahren entsprechend geltenden zivilprozessualen Hinweispflicht resultiert die Verpflichtung des FG-Richters, auf sachdienliche Anträge hinzuweisen.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS
In der Wohnungseigentumssache
betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft in Dormagen,
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 gegen den Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 29. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht G. und die Richter am Oberlandesgericht D. und v. W.
am 22. Juli 2009
beschlossen:
Tenor:
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde tragen die Beteiligten zu 1 und 2.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Geschäftswert: 5.000,- Euro
Gründe:
I.
Die Beteiligten zu 1 und 2 sind seit April 1992 Miteigentümer eines Grundstücks auf der P.straße in Dormagen, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 5.
Nach der Teilungserklärung ist den Beteiligten zu 1 und 2 das im Grundbuch eingetragene Sondernutzungsrecht an dem "mit E 3 bezeichneten offenen Kraftfahrzeug-Einstellplatz" eingeräumt. Die Beteiligte zu 3 ist die Wohnungseigentümergemeinschaft.
Auf dem Grundstück der Wohnungseigentumsanlage gab es neben einer Vielzahl anderer Stellplätze und Garagen 19 Stellplätze, die bereits um das Jahr 1990 mit insgesamt 17 Garagen überbaut worden sind. Die Grundrisse der Einzelgaragen entsprechen nicht exakt denen der Stellplätze, sondern sind jeweils etwas breiter, als die Stellplätze es gewesen sind. Der Stellplatz Nr. 3 ist leicht versetzt im Wesentlichen mit der Garage Nr. 73 überbaut. Zumindest ein geringer Teil der Garage Nr. 74, befindet sich ebenfalls auf der ursprünglichen Fläche des Stellplatzes Nr. 3. Die Garage Nr. 73 wird derzeit als Gemeinschaftsgarage der Wohnungseigentümergemeinschaft zum Unterstellen für Geräte durch die Hausmeister genutzt.
Die Beteiligten zu 1 und 2 haben geltend gemacht, sie hätten erst im Zusammenhang mit einem ähnlichen Verfahren (19 T 159/06) im Jahr 2006 erfahren, dass der mit der Garage Nr. 73 überbaute Stellplatz der ihnen eigentlich zugewiesene Stellplatz sei. Sie hätten in all den Jahren einen anderen Stellplatz genutzt, wobei sie geglaubt hätten, an diesem bestehe ihr Sondernutzungsrecht.
Die Beteiligten zu 1 und 2 haben beantragt,
die Beteiligte zu 3 zu verpflichten, den im Aufteilungsplan mit Nr. 3 bezeichneten Stellplatz E 3 zu räumen und an sie, die Beteiligten zu 1 und 2, herauszugeben.
Die Beteiligte zu 3 hat beantragt,
das Gesuch zurückzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, der Anspruch auf Herausgabe und Räumung sei verwirkt, weil seit dem Erwerb des Miteigentumsanteils bis zur Geltendmachung der Ansprüche mehr als 14 Jahre, seit der Errichtung der Garagen sogar mehr als 17 Jahre, verstrichen seien.
Das Amtsgericht hat am 07. Mai 2007 dem Antrag der Beteiligten zu 1 und 2 entsprochen, weil es einen kollektiven Vertrauensschutz der Eigentümergemeinschaft in ihrem wechselnden Bestand, den Stellplatz der Beteiligten zu 1 und 2 als Gemeinschaftsgarage zu nutzen, nicht gebe und Verwirkung nicht eingetreten sei.
Hiergegen hat die Beteiligte zu 3 sofortige Beschwerde eingelegt.
Sie hat insbesondere geltend gemacht, in den Jahren vor dem Bau der Garagen und auch danach seien die Stellplätze und Garagen durch die damalige Verwalterin unabhängig von der Teilungserklärung zugewiesen worden. Im Hinblick auf die über Jahre nicht geltend gemachten Rechte habe man darauf vertraut, dass diese auch künftig nicht mehr geltend gemacht würden. Daher seien die Garagen mit Investitionskosten von 6.000,- DM je Garage errichtet worden.
Die Beteiligte zu 3 hat beantragt,
den amtsgerichtlichen Beschluss aufzuheben und das Gesuch der Beteiligten zu 1 und 2 zurückzuweisen.
Die Beteiligten zu 1 und 2 haben beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Sie haben ergänzend vorgebracht, vor dem Kauf seien sie von 1978 an Mieter der Wohnung gewesen und hätten diese dann von ihrer Vermieterin erworben. Auch während der Mietzeit hätten sie stets einen anderen Stellplatz genutzt.
Das Landgericht hat am 29. Oktober 2008 auf das Rechtsmittel der Beteiligten zu 3 den amtsgerichtlichen Beschluss geändert und das Gesuch der Beteiligten zu 1 und 2 zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2, mit der sie die Änderung des landgerichtlichen Beschlusses und Entscheidung im Sinne ihres Verpflichtungsantrags weiterverfolgen und geltend machen, zur Annahme der Verwirkung ihres Räumungs- und Herausgabeanspruchs fehle es am Umstandsmoment, zumal für die bisherigen Nutzer der Garage ein anderer Stellplatz zur Verfügung stehe.
Die Beteiligte 3 tritt der Beschwerde entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 ist zulässig, §§ 45 WEG, 22 Abs. 1, 27, 29 FGG, jedoch nicht begründet.
1.
Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung u. A. ausgeführt, die sofortige Beschwerde habe in der Sache Erfolg, das Gesuch der Beteiligten zu 1 und 2 sei unbegründet. Diese könnten Räumung und Herausgabe des im Aufteilungsplan mit Nr. 3 bezeichneten Stellplatzes E3 nicht beanspruchen.
Es möge dahinstehen, ob der geltend gemachte Räumungs- und Herausgabeanspruch entstanden ist, jedenfalls wäre ein solcher Anspruch verwirkt.
2.
Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden Nachprüfung nur im Ergebnis Stand.
a)
Als rechtlich fehlerhaft erweist sich die Entscheidung der Kammer deshalb, weil sie es versäumt hat, den Antragstellern Gelegenheit zu geben, einen sachdienlichen Antrag zu stellen. Diese Verpflichtung resultiert aus dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12 FGG) sowie dem in FG-Verfahren entsprechend anwendbaren § 139 ZPO (Schmidt in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG 15. Auflage 2003 § 12 Rdz. 21). Der Antrag der Beteiligten zu 1 und 2, die Beteiligte zu 3 zu verpflichten, den im Aufteilungsplan mit Nr. 3 bezeichneten Stellplatz E 3 zu räumen und an sie, die Beteiligten zu 1 und 2, herauszugeben, ist nämlich keineswegs eindeutig.
aa)
Nimmt man das Petitum wörtlich, so wollen die Beteiligten zu 1 und 2 die Räumung und Herausgabe eines ihnen bzw. ihrer Rechtsvorgängerin zugewiesenen "mit E 3 bezeichneten offenen Kraftfahrzeug-Einstellplatz(es)" erreichen.
bb)
Möglicherweise geht das Bestreben der Beteiligten zu 1 und 2 aber auch dahin, die auf der Sondernutzungsfläche E3 stehende Garage zu räumen und herauszugeben.
cc)
Denkbar wäre auch, dass die Beteiligten zu 1 und 2 von der Beteiligten zu 3 die Wiederherstellung eines ursprünglichen Zustandes durch Rückgängigmachung der Entziehung bzw. Beseitigung der Störung des von ihnen beanspruchten Sondernutzungsrechts E3 erstreben.
b)
Gleichwohl hat die Kammer die Beteiligte zu 3 letztlich zu Recht nicht für verpflichtet gehalten, den im Aufteilungsplan mit Nr. 3 bezeichneten Stellplatz E 3 zu räumen und an die Beteiligten zu 1 und 2 herauszugeben.
Denn der in der unterbliebenen Klärung der Zielrichtung des Begehren liegende rechtliche Fehler hat sich auf das Ergebnis der Entscheidung nicht ausgewirkt.
aa)
Zum Einen bestehen Bedenken gegen die Begründetheit der Anträge in allen drei Varianten.
(a)
Das Ansinnen der Räumung und Herausgabe eines "mit E 3 bezeichneten offenen Kraftfahrzeug-Einstellplatz(es)" wäre wohl auf eine unmögliche Leistung gerichtet (§ 275 BGB), weil ein solcher offener Stellplatz - abgesehen von der Frage, ob die Beteiligten zu 1 und 2 überhaupt ein Sondernutzungsrecht gerade an diesem Stellplatz wirksam erworben haben - bereits seit 1990 nicht mehr existiert.
(b)
Mit einem auf Räumung und Herausgabe der auf der Sondernutzungsfläche E3 stehenden Garage gerichteten Begehren würden die Beteiligten zu 1 und 2 etwas verlangen, das nicht originär Gegenstand ihres Sondernutzungsrechts ist und auf das sich ihr Sondernutzungsrecht auch nicht ohne Weiteres erstreckt, zumal die Garage teilweise auf der daneben gelegenen Sondernutzungsfläche steht.
(c)
Sollten die Beteiligten zu 1 und 2 von der Beteiligten zu 3 die Wiederherstellung eines ursprünglichen Zustandes durch Rückgängigmachung der Entziehung bzw. Beseitigung der Störung des von ihnen beanspruchten Sondernutzungsrechts E3 erstreben, so wäre eine "Räumung und Herausgabe" der Sondernutzungsfläche mit diesem Ziel letztlich nicht ohne Abbruch durchzuführen. Räumung und Herausgabe umfassen aber in der Regel nicht den Abbruch aufstehender Gebäude (vgl. Zöller-Stöber, ZPO 27. Auflage 2009 § 885 Rdz. 15; 887 Rdz. 3; Senat NJW-RR 2000, 533). Sollte mit Räumung und Herausgabe gleichwohl Beseitigung (Abbruch) gemeint sein, so hätte dies nicht nur zur Folge, dass die Garage aus der Reihe bestehender Garagen herausgebrochen, sondern auch noch die neben E 3 gelegene Garage (E4) abgebrochen werden müsste und hierdurch auch in (Besitz-) Rechte Dritter eingriffen würde.
bb)
Darüber, ob die unter aa) erörterten Bedenken letztlich durchgreifen, bedarf es indes der Entscheidung des Senats ebensowenig wie darüber, ob ein Anspruch der Beteiligten zu 1 und 2 wegen einer - von der Kammer angenommenen - Verwirkung nicht durchgesetzt werden kann.
Denn Besonderheiten des vorliegenden Sachverhalts gebieten es, mit Rücksicht auf die für das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander und zur Eigentümergemeinschaft anerkannten gesteigerten Treuepflichten (§ 242 BGB) - hier in Gestalt einer Mitwirkungspflicht (vgl. BGH NJW 2004, 1798, betreffend Änderung der TE; s. a. Senat NJW-RR 2009, 660), einen Anspruch wie den von den Beteiligten zu 1 und 2 verfolgten nicht geltend zu machen, ohne dass zuvor der Versuch einer Verhandlungslösung aus Gründen, die der Antragsteller nicht zu vertreten hat, als gescheitert gelten kann. Letzteres ist z.B. der Fall, wenn der Antragsgegner keinerlei Verhandlungsbereitschaft zeigt oder ein von vornherein unzumutbares Verhandlungsangebot unterbreitet.
Besonderheiten des Sachverhalts ergeben sich vorliegend daraus, dass die Beteiligten zu 1 und 2, die nach eigenem Vorbringen von 1978-1992 Mieter der in Rede stehenden Wohnungseigentumseinheit waren, seit dem Erwerb ihres Eigentums im Jahr 1992 (in zurechenbarer Kenntnis der Teilungserklärung) bis 2006 also etwa 14 Jahre lang, ein Sondernutzungsrecht in Bezug auf die Fläche E3 nicht in Anspruch genommen haben und ggf. nach Maßgabe des § 198 BGB zurechenbar auch ihr Rechtsvorgänger von einem solchen Sondernutzungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. BayObLG NZM 2004, 747 f.; OLG Köln NJW-RR 1995, 851 f.; Fritzsche in Bamberger/Roth BeckOK BGB § 1004 Rn 108). Die Voreigentümerin hat niemals in Bezug auf die Fläche E3 ein Sondernutzungsrecht reklamiert.
Es steht zudem nicht einmal außer Frage, ob die Beteiligten zu 1 und 2 überhaupt das Sondernutzungsrecht gerade an der Fläche E3 erworben haben, denn nach eigenem Vorbringen, war ihnen seinerzeit nicht klar, dass sich das von ihnen zu erwerbende Sondernutzungsrecht gerade auf diesen Kfz-Einstellplatz beziehen sollte.
Des Weiteren würden bei einer Rechtsgewährung im Sinne der Beteiligen zu 1 und 2, zumindest - soweit mit dem Abbruch verbunden - Investitionen vernichtet, die einheitliche Optik der Garagenzeile zerstört und durch Abriss der Nachbargarage massiv zumindest in das Besitzrecht des Nutzers eingegriffen.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligte zu 3 den Beteiligten zu 1 und 2 nicht etwa zumutet, auf einen Kfz-Einstellplatz zu verzichten, sondern im Gegenteil anerkennt, dass die Beteiligten zu 1 und 2 einen solchen beanspruchen können und ihnen diesen in Gestalt eines anderen dauerhaft zu nutzenden Stellplatzes anträgt.
Dass die Beteiligten zu 1 und 2 sich in dieser Situation aus nicht aktenkundigen, und daher nicht nachvollziehbaren, Gründen der Verhandlung über eine solche Lösung verschließen, lässt die Verfolgung ihres Anspruchs im Wege gerichtlicher Verpflichtung der WEG gegenwärtig als im oben genannten Sinne treuwidrig erscheinen.
Dies hat zur Folge, dass ihr Rechtsmittel zurückzuweisen ist.
Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht auf §§ 62, 47 Satz 1 a. F. WEG.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt, §§ 62, 47 Satz 2 a. F. WEG.
Ende der Entscheidung
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