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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 28.11.2003
Aktenzeichen: I-3 Wx 252/03
Rechtsgebiete: WEG, BGB
Vorschriften:
WEG § 15 | |
BGB § 1004 | |
BGB § 242 |
2. Ist die Nutzung solcher Räume zu Wohnzwecken von allen Wohnungseigentümern über einen langen Zeitraum geduldet worden - hier mehr als 25 Jahre - und haben die Sondereigentümer der genannten Räume im Vertrauen auf die Zulässigkeit dieser Nutzung ihre Wohnung zu der die Räume gehören, mit erheblichem Aufwand erworben, so ist - auch für ein später der Wohnungseigentümergemeinschaft beitretendes Mitglied - ein etwaiger Unterlassungsanspruch verwirkt.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS
In dem Verfahren
betreffend die Wohnungseigentumsanlage F-Straße 44 in M.,
pp...
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 7. August 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G., der Richterin am Oberlandesgericht S-L. und des Richters am Oberlandesgericht Dr. S.
am 28. November 2003
beschlossen:
Tenor:
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1. trägt die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Wert des Beschwerdegegenstandes: bis 25.000 €.
Gründe:
I.
Die Beteiligten sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft F-Straße 44 in M..
Alle sind Sondereigentümer einer Wohnung im Dachgeschoss, die Wohnung der Beteiligten zu 1. liegt zwischen den Wohnungen der Beteiligten zu 2. und 3. In den Wohnungen der Beteiligten zu 2. und 3. führt jeweils eine Innentreppe zu den im Spitzboden - über dem Dachgeschoss - liegenden Räumen, die in den Bauzeichnungen als "Speicher" bzw. "Abstellraum" bezeichnet sind. In der Teilungserklärung heißt es bezüglich der Wohnungen der Beteiligten zu 2. und 3.:
a) ein Miteigentumsanteil von 139,2/1000
wird verbunden mit der Wohnung im Dachgeschoss links, bestehend aus Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Diele, Bad, Loggia, Innentreppe zum Spitzboden, Spitzboden: Speicherraum, Abstellraum, Diele, in einer Gesamtgröße von ca. 117,68 qm,
einem Kellerraum im Kellergeschoss und einer Garage im Garagengebäude,
- im Aufteilungsplan mit DG links 6 bezeichnet -,
b) ein Miteigentumsanteil von 138,3/1000
wird verbunden mit den Sondereigentum an der Wohnung im Dachgeschoss rechts, bestehend aus Wohnzimmer, Schlafzimmer, Diele, Küche, Bad, Loggia, Innentreppe zum Spitzboden, im Spitzboden: Abstellraum und Speicher, sowie Diele,
in einer Gesamtgröße von ca. 116,93 qm,
- im Aufteilungsplan mit DG rechts 8 bezeichnet -.
Die Räume im Spitzboden sind seit Erstellung des Gebäudes mit Dachflächenfenstern und Heizkörpern ausgestattet und werden seit Gründung der Wohnungseigentümergemeinschaft als Wohnräume genutzt.
Die Beteiligte zu 2., die ihr Wohnungseigentum im Jahr 1997 erworben hat, benutzt sie als Schlafräume für Eltern und Kinder, die Beteiligten zu 3., die seit 2001 Eigentümer sind, nutzen die Räume als Kinderzimmer und Arbeitszimmer.
In der Wohnflächenberechnung sind die Räume im Spitzboden als "Atelierzimmer" bzw. "Mehrzweckraum" bezeichnet. Nach der Baugenehmigung vom 03.05.1971 war eine Nutzung der Räume im Spitzboden als Wohnräume, Büroraum oder Arbeitsräume nicht gestattet.
Die Beteiligte zu 1. hat beim Amtsgericht beantragt, den Beteiligten zu 2. und 3. - letztere als Gesamtschuldner - zu verpflichten, die Nutzung der zu ihren Wohnungen gehörenden Speicherräume über ihren Wohnungen zu Wohnzwecken zu unterlassen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Nutzung der im Spitzboden gelegenen Räume verstoße gegen die Bestimmungen der Gemeinschaftsordnung und gegen bauordnungsrechtliche Bestimmungen.
Die Beteiligten zu 2. und 3. haben eingewendet, die Teilungserklärung erlaube eine Nutzung der Räume im Spitzboden zu Wohnzwecken. Die Bezeichnung als "Speicher" oder "Abstellraum" stelle keine Zweckbestimmung der Räume dar. Die betreffenden Räume würden auch seit mehr als 30 Jahren zu Wohnzwecken genutzt. Sie hätten die entsprechenden Räume auch als "Wohnräume" gekauft. Ein Gebot, die Räume im Spitzboden zu Wohnzwecken zu nutzen, würde die Nutzung auch der unteren Wohnräume für sie nicht mehr ermöglichen, da diese Räume kein Kinderzimmer aufwiesen. Sie hätten auf die Zulässigkeit der Nutzung der Räume im Spitzboden zu Wohnzwecken vertraut, die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs durch die Beteiligte zu 1. verstoße gegen Treu und Glauben.
Das Amtsgericht hat die Anträge zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1. hat gegen die Entscheidung des Amtsgerichts sofortige Beschwerde eingelegt und vorgetragen, aus der Teilungserklärung ergebe sich eine eindeutige Zweckbestimmung der im Spitzboden befindlichen Räume, danach sei eine Nutzung zu Wohnzwecken nicht gestattet. Im übrigen würde sie durch die bei der Nutzung als Wohnraum wesentlich intensivere Nutzung dieser Räume nicht unerheblich beeinträchtigt.
Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Mit der sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1. ihr Begehren weiter.
Die Beteiligten zu 2. und 3. sind dem Rechtsmittel entgegengetreten.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist nicht begründet, denn die Entscheidung des Landgerichts weist keinen Rechtsfehler im Sinne des § 27 FGG auf.
1.
Das Landgericht hat ausgeführt, ein Unterlassungsanspruch der Beteiligten zu 1. gegen die Beteiligten zu 2. und 3. hinsichtlich der Nutzung der Räume im Spitzboden zu Wohnzwecken sei nicht gegeben. Die Nutzung dieser Räume widerspreche nicht der Gemeinschaftsordnung, die Bestimmungen der Teilungserklärung schlössen eine Nutzung zu Wohnzwecken nicht aus. Eine Bezeichnung der Räume als "Speicher" bzw. "Abstellraum" in der Teilungserklärung stehe einer Nutzung zu Wohnzwecken nicht von vornherein entgegen. Die Auslegung der Teilungserklärung ergebe nämlich, dass eine Zweckbestimmung, welche eine Nutzung zu Wohnzwecken hindere, gerade nicht getroffen worden sei. In der Teilungserklärung seien die betreffenden Räume eindeutig als "Bestandteil" der Wohnungen der Beteiligten zu 2. und 3. aufgeführt; was aber Bestandteil der Wohnung sei, könne nach unbefangener Sicht auch stets Wohnzwecken dienen. Schließlich sei an den Räumen im Spitzboden Sondereigentum im Sinne von § 1 Abs. 2 WEG begründet worden, welches grundsätzlich Wohnzwecken zu dienen bestimmt sei. Hätte eine solche Nutzung ausgeschlossen werden sollen, hätte es nahegelegen, an diesen Räumlichkeiten Teileigentum im Sinne von § 1 Abs. 3 WEG zu begründen. Dafür, dass eine Zweckbestimmung mit der Bezeichnung nicht getroffen worden sei, spreche auch, dass die Räume schon im Zuge der erstmaligen Erstellung nach ihrer baulichen Beschaffenheit so gestaltet wurden, dass eine Nutzung zu Wohnzwecken möglich war, was bei einer intendierten Nutzung nur als Speicher - bzw. Abstellraum nicht sinnhaft gewesen wäre.
2.
Diese Erwägungen des Landgerichts halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Das Landgericht hat zutreffend einen Anspruch der Beteiligten zu 1. auf Unterlassung der Nutzung der Räume im Spitzboden zu Wohnzwecken verneint.
a)
Ob - wie das Landgericht angenommen hat - eine Nutzung der in Rede stehenden Räume zu Wohnzwecken bereits nach dem Inhalt der Teilungserklärung gestattet ist, erscheint zweifelhaft. Die Bezeichnung der Räume als Abstellraum bzw. Speicherraum in der Teilungserklärung kann als eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter auszulegen sein oder nur der Beschreibung der Räume dienen. Bei der Auslegung der Teilungserklärung hat das Landgericht zutreffend auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abgestellt, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt. Die Bezeichnung dieser Räume als "Sondereigentum" rechtfertigt dabei nicht den Schluss, ihre Nutzung zu Wohnzwecken sei zulässig, denn auch nicht zu Wohnzwecken dienende Räume (z. B. Kellerräume usw.) können Sondereigentum sein. In der Teilungserklärung als "Speicherräume" oder "Abstellräume" o. ä. bezeichnete Räumlichkeiten, die sich über der im Dachgeschoss liegenden Wohnung befinden, dürfen im allgemeinen nicht ohne weiteres als Wohnräume genutzt werden (BayObLG WE 1995, 90). Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn die betreffenden Räume baulich von vornherein voll als Wohnräume ausgeführt worden sind. Das Landgericht hat zwar insoweit angenommen, die Räume seien bereits im Zuge der Errichtung des Gebäudes "durch den Einbau von Velux-Fenstern und Heizkörpern" wie Wohnräume ausgestaltet worden, so dass eine Nutzung zu Wohnzwecken "möglich" war, es erscheint jedoch zweifelhaft, ob die Räume im Spitzboden damit bereits ohne weitere Ausbaumaßnahmen als Wohnraum benutzt werden konnten. Nach dem vorgelegten Nachweis des Schall- und Wärmeschutzes war nämlich z. B. ein Wärmeschutz nur in den Dachschrägen und der Holzbalkendecke über den Dachgeschosswohnungen, nicht aber für die Räume im Spitzboden vorgesehen und ausgeführt. Der bloße Einbau von Heizkörpern und Velux-Fenstern in einem Spitzboden besagt auch noch nicht, dass die damit versehenen Räume ersichtlich für "Wohnzwecke" vorgesehen waren.
Für eine Auslegung der Teilungserklärung dahin, dass die hier in Rede stehenden Räume zu Wohnzwecken genutzt werden durften, kann allerdings sprechen, dass der Spitzboden für die Dachgeschosswohnungen - ebenso wie die Souterrain-Räume der Erdgeschosswohnungen als Bestandteil der Wohnungen angesehen wurden, was sich auch in der Wohnflächenberechnung und letztlich auch in der Bestimmung der Größe der Miteigentumsanteile niedergeschlagen hat.
b)
Ob die Bezeichnung der Räume im Spitzboden in der Teilungserklärung als Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter auszulegen ist - wie die Antragstellerin meint - kann aber letztlich dahinstehen, denn ein etwaiger auf Unterlassung einer Nutzung zu Wohnzwecken gerichteter Anspruch der Beteiligten zu 1. aus § 15 Abs. 3 WEG kann nach Treu und Glauben nicht mit Erfolg geltend gemacht werden.
Selbst wenn nämlich die Nutzung der Räume im Spitzboden zu Wohnzwecken grundsätzlich nicht zulässig war, so hatten nach dem unstreitigen Sachverhalt alle übrigen Wohnungseigentümer und damit auch die Rechtsvorgänger der Beteiligten zu 1. die - ständige - Nutzung der Räume im Spitzboden als Wohnraum ausdrücklich gebilligt, so dass bezüglich eines etwaigen Unterlassungsanspruchs Verwirkung eingetreten war. Die in Rede stehenden Räume werden nämlich seit rund 30 Jahren als Wohnraum, u. a. auch als Kinderzimmer genutzt. Auf die "Zulässigkeit" dieser Nutzung haben sich auch die Beteiligten zu 2. und 3. - ebenso wie ihre Rechtsvorgänger - eingestellt. Der Erwerb der Wohnung war nämlich - wie sie unwidersprochen vorgetragen haben und wie sich auch aus dem Zuschnitt der Wohnung ohne Nutzungsmöglichkeit der Räume im Spitzboden zu Wohnzwecken ergibt - für sie nur sinnvoll, wenn die Räume im Spitzboden zu Wohnzwecken zur Verfügung standen, da die "eigentliche" Dachgeschosswohnung unterhalb der Spitzboden Räume für Kinder nicht aufwies.
An die Verwirkung des Unterlassungsanspruchs ist - ebenso wie die übrigen Wohnungseigentümer - auch die Beteiligte zu 1. als Rechtsnachfolger gebunden, während sich die Beteiligten zu 2. und 3. als Sondernachfolger der früheren Rechtsinhaber der Dachgeschosswohnungen auf die Verwirkung zu ihren Gunsten berufen können (vgl. BayObLG WM 1990, 453; OLG Düsseldorf WM 1997, 517, 519). Haben somit die Miteigentümer die Nutzung der Räume im Spitzboden in den Wohnungen der Beteiligten zu 2. und 3. über fast 30 Jahre hin geduldet und dadurch das Vertrauen der Rechtsvorgänger der Beteiligten zu 2. und 3. und auch deren Vertrauen begründet, auch in Zukunft einen - etwaigen - Unterlassungsanspruch nicht geltend zu machen, so würde die jetzige Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens verstoßen, auch wenn die Beteiligte zu 1. ihr Wohnungseigentum erst im Jahre 1999 erworben hat. Der Erwerber einer Eigentumswohnung übernimmt nämlich regelmäßig den tatsächlichen Zustand der Wohnanlage im Zeitpunkt des Erwerbs unabhängig davon, ob in der Zwischenzeit bauliche Veränderungen vorgenommen worden sind, die von dem ursprünglichen Zustand, wie er sich aus dem Teilungsplan ergibt, abweichen. Auch wenn hier die Beteiligte zu 1. möglicherweise die Wohnung der Beteiligten zu 2. und 3. einschließlich der Räume im Spitzboden vor Erwerb ihres Wohnungseigentums nicht gesehen hat, war für sie vor Erwerb ihres Sondereigentums jedenfalls deutlich, dass schon nach dem Zuschnitt der beiden anderen Dachgeschosswohnungen die darüber liegenden Räume ebenfalls als Wohnraum genutzt werden mussten, wenn - was hier ersichtlich war - die Wohnungseigentümer Kinder hatten, die in der Wohnung lebten.
c)
Ein Unterlassungsanspruch aus bauordnungsrechtlichen Gründen oder wegen einer "Nutzung im Übermaß" ist von den Vorinstanzen, auf deren Entscheidungen insoweit Bezug genommen wird, zu Recht verneint worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beteiligte zu 1. die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde trägt. Dagegen bestand keine Veranlassung die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen.
Ende der Entscheidung
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