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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 05.08.2005
Aktenzeichen: I-3 Wx 323/04 (1)
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 23 Abs. 4
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 4
Der Nießbraucher und frühere Wohnungseigentümer ist nicht berechtigt, die mit §§ 23 Abs. 4, 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG verbundenen Verfahrensrechte (hier: Anfechtung eines nach dem Verlust seiner Eigentümerstellung von der Gemeinschaft gefassten Beschlusses über die Jahresabrechnung) anstelle des (neuen) Eigentümers auszuüben.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 323/04

In dem Verfahren betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 5. November 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G., der Richterin am Oberlandesgericht Dr. L. und des Richters am Oberlandesgericht von W.

am 5. August 2005

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass eine Erstattung außergerichtlicher Kosten auch in zweiter Instanz nicht stattfindet. Die Beteiligte zu 1 trägt die gerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens der weiteren Beschwerde.

Wert: 1.706,86 Euro.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 2 bis 22 sind die Wohnungseigentümer der Gemeinschaft S.132 in Solingen. Die Beteiligte zu 23 ist die Verwalterin. Die Beteiligte zu 1 war ebenfalls Wohnungseigentümerin, seit dem 12. Januar 2001 ist sie nur noch als Nießbraucherin eingetragen.

Am 11. April 2003 beschloss die Eigentümerversammlung die Gesamt- und Einzelabrechnung für 1998 (TOP 3.01.1), die Gesamt- und Einzelabrechnung für 2001 (TOP 3.01.3) sowie die Entlastung des Verwaltungsbeirats bzw. der Rechnungsprüfer (TOP 03.02).

Die Beteiligte zu 1 hat beantragt,

die vorgenannten Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären.

Das Amtsgericht hat nach mündlicher Verhandlung am 25. März 2004 den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 11. April 2003 zu TOP 3.01.3 für ungültig erklärt und die Anträge im Übrigen abgelehnt.

Mit ihrer hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat die Beteiligte zu 1 zunächst ihr ursprüngliches Begehren - soweit das Amtsgericht demselben nicht entsprochen hat - weiter verfolgt und sodann die Ungültigerklärung zu TOP 3.02 nicht mehr betrieben.

Die Kammer hat nach mündlicher Verhandlung am 5. November 2004 die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 (TOP 3.01.1) zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1 mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde. Die Beteiligten zu 2 bis 22 treten dem entgegen und tragen vor, die Erstbeteiligte sei zur Beschlussanfechtung nicht berechtigt. Denn - wie sich aus dem Grundbuchauszug ergebe - sei diese bereits seit dem 12. Januar 2001 nicht mehr Wohnungseigentümerin. Die Beteiligte zu 1 meint, sie sei als Nießbraucherin anfechtungsberechtigt.

Der Senat hat mit Beschluss vom 8. März 2005 die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt, weil das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen sei, der vorlegende Senat sich jedoch durch die Entscheidung des Kammergerichts vom 1. April 1987 - 24 W 3131/86 - (OLGZ 1987, 417) gehindert sehe, entsprechend zu beschließen. Das KG habe nämlich die Auffassung vertreten, dass regelmäßig nicht der Wohnungseigentümer, sondern in erster Linie der Nießbraucher berechtigt sei, Beschlüsse der Wohnungseigentümer anzufechten (KG a.a.O. S. 423 a. E.).

Der Bundesgerichtshof hat am 23. Juni 2005 die Sache an das Oberlandesgericht Düsseldorf zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückgegeben, weil die Entscheidung des Kammergerichts, soweit sie von der Rechtsauffassung des vorlegenden Senats abweiche, hierauf nicht beruhe.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist - bis auf die zu ändernde Auslagenentscheidung - nicht begründet. Denn die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 27 FGG).

1.

Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 bleibe in der Sache ohne Erfolg.

Zunächst schließe sich die Kammer in vollem Umfang den Ausführungen des Amtsgerichts an, soweit dieses eine Unrichtigkeit in der Jahresabrechnung hinsichtlich der Schmutzwasserkosten und der Versicherungsprämie der Antragstellerin und Beschwerdeführerin verneint hat. Die Kammer habe ebenso wie das Amtsgericht umfangreich geprüft, ob die Berechnung von Schmutzwasserkosten und Versicherungsprämien tatsächlich korrekter Weise nach Miteigentumsanteilen vorgenommen worden ist. Ein anderes Ergebnis als das vom Amtsgericht angenommene, komme auch bei erneuter Prüfung nicht zutage. Wie sich aus der Teilungserklärung ergebe, seien die Kosten der Entwässerung und die Versicherungsprämien als Bewirtschaftungskosten eindeutig nach Miteigentumsanteilen zu berechnen. Dass in den folgenden Jahren aufgrund anderweitiger, näher nicht bekannter Beschlüsse und unter nicht näher bekannten Umständen anders abgerechnet worden ist, habe die Kammer ebenso wenig wie das Amtsgericht zu beurteilen gehabt.

Insbesondere führe die "Kaltwasserentscheidung" des Bundesgerichtshofs vom 25.09.2003 (ZMR 2003, 937 nicht zu einem anderen Ergebnis. Soweit die Beschwerdeführerin jetzt erstmals in der Beschwerde rüge, die Jahresabrechnung 1998 sei auch deshalb unrichtig, weil sie eine Girokontenentwicklung nicht aufweise, die Saldenliste nicht beigefügt sei und die Entwicklung der Instandhaltungsrücklage nicht angegeben sei, sei ihr Beschwerdevorbringen zunächst als verspätet zurückzuweisen.

Die von der Antragstellerin mit ihrem Antrag an das Amtsgericht vom 9. Mai 2003 gerichtete Antragsschrift enthalte keinen der vorgenannten drei Kritikpunkte. Der an das Amtsgericht gerichtete Antrag sei damit beschränkt gewesen. Eine solche Antragsbeschränkung habe zur Folge, dass der Antrag nach Ablauf der Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG nicht auf weitere Posten erweitert werden könne, nach Auffassung der Kammer nicht nur auf weitere Rechnungsposten, sondern auch auf weitere andere Gesichtspunkte [vgl. Bärmann/Pick/Merle, 9. Auflage Rndnr. 115 zu § 28 WEG]. Für den Fall, dass diese Zurückweisung des neuerlichen Beschwerdevorbringens nicht statthaft sein sollte, habe die Kammer vorsorglich auch die materielle Berechtigung dieser Ansprüche geprüft. Soweit die Antragstellerin rüge, dass die Kontenentwicklung nicht dargestellt sei und die Angabe der Instandhaltungsrückgabe fehle, sei ihr Recht zu geben. Etwas Anderes gelte für die Aufführung der Saldenliste, die nach der vom Oberlandesgericht Düsseldorf vertretenen Rechtsauffassung nicht nötiger Weise beigefügt werden müsse, welche Ansicht auch das Landgericht Wuppertal in längerer Rechtsprechung vertreten habe. Das Fehlen der Angaben zur Instandhaltungsrücklage und zur Kontenentwicklung führe aber nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur nicht zur Ungültigkeitserklärung der Gesamtabrechnung, sondern begründe nur einen Anspruch auf Ergänzung der Abrechnung durch den jeweils verantwortlichen Verwalter und deren Genehmigung durch einen weiteren Beschluss der Eigentümerversammlung. Dieser Anspruch könne auch noch nach Ablauf der Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 geltend gemacht werden, so dass der Antragstellerin keine Rechte verloren gingen.

2.

Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung insoweit stand als sie einen entscheidungsursächlichen Rechtsfehler nicht aufweisen.

a)

Ausweislich des eingereichten Grundbuchauszuges ist die Beschwerdeführerin bereits seit dem 12. Januar 2001 nicht mehr Wohnungseigentümerin. Als frühere Wohnungseigentümerin ist die Beteiligte zu 1 durch den Eigentümerbeschluss vom 11. April 2003, betreffend die Gesamt- und Einzelabrechnung für 1998 (TOP 3.01.1) nicht tangiert. Denn die Abrechnungsforderung ist erst durch den Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer und damit zu einem Zeitpunkt entstanden (vgl. § 28 Abs. 5 WEG; BGHZ 104, 197; Weitnauer-Gottschalg, WEG 9. Auflage 2005 § 28 Rdz. 5), zu dem die Beteiligte zu 1 schon längst nicht mehr Eigentümerin war.

b)

Als Nießbraucherin war die Beschwerdeführerin am Beschlussverfahren ebenfalls nicht beteiligt. Denn über die Gültigkeit von Beschlüssen ist bereits nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG auf Antrag eines Wohnungseigentümers oder des Verwalters zu entscheiden. Der Nießbraucher ist dort nicht genannt. Hätte der Gesetzgeber anderen dinglich Berechtigten das Recht zur Beschlussanfechtung zubilligen wollen, so würde nichts näher gelegen haben als das Antragsrecht ausdrücklich auch auf diese und damit auch auf Nießbraucher zu erstrecken.

Der Bundesgerichtshof hat am 7. März 2002 - V ZB 24/01 - (NZM 2002, 450) entschieden, dass die Belastung des Wohnungseigentums mit einem Nießbrauch das Stimmrecht des Wohnungseigentümers (§ 25 Abs. 2 Satz 1 WEG) unberührt lässt und dasselbe auch hinsichtlich einzelner Beschlussgegenstände nicht auf den Nießbraucher übergeht. Dies beantwortet zwar nicht unmittelbar die Frage der Berechtigung des Nießbrauchers zur Anfechtung des Eigentümerbeschlusses. Soweit allerdings aus sachlichen Gründen der Kreis der stimmberechtigten Wohnungseigentümer eingeschränkt ist, wie etwa beim Blockstimmrecht in Mehrhausanlagen (Weitnauer-Lüke, WEG 9. Auflage 2005 § 23 Rdn. 10), ist entsprechend auch der Kreis der Verfahrensbeteiligten eingeschränkt (Weitnauer-Mansel, a.a.O., § 43 Rdz. 40; BayObLGE 1961, 322; 75, 177; Pick NJW 1970, 2061). Es liegt deshalb nahe, diesen Grundsatz auch auf Beteiligte auszudehnen, die nicht stimmberechtigt sind, weil sie nicht zum Kreis der Wohnungseigentümer gehören, sondern nur Nießbraucher sind, mit der Folge, dass auch sie nicht als Anfechtungsberechtigte im Sinne des § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG zu gelten haben.

In der Rechtsprechung und in der Literatur finden sich bislang so gut wie keine Stimmen, die den Nießbraucher uneingeschränkt berechtigen wollen, die mit §§ 23 Abs. 4, 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG verbundenen Verfahrensrechte anstelle des Eigentümers auszuüben. Rechtsprechung und Schrifttum gehen vielmehr von fortbestehenden Befugnissen des Wohnungseigentümers aus (vgl. Suilmann, Das Beschlussmängelverfahren im Wohnungseigentumsrecht 1998, S. 151 f. mit Nachweisen in Fußnote 722). Lediglich das Kammergericht (OLGZ 1987, 417) hält sowohl den Wohnungseigentümer als auch den Nießbraucher für berechtigt, Beschlüsse der Wohnungseigentümer anzufechten, wobei diese Rechtsprechung nach Auffassung des Senats zu Recht auf Kritik gestoßen ist (Suilmann a.a.O. mit Nachweisen).

Hinzu kommt, dass das KG seine Auffassung aus der Beantwortung der Frage nach der Stimmrechtsausübung ableitet, die es sachgerecht durch § 1066 Abs. 1 BGB gelöst sieht. Letzteres lehnt der BGH (a.a.O.) ausdrücklich ab.

Hiernach war das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Für eine Erstattung außergerichtlicher Kosten besteht - insoweit war der angefochtene Beschluss der Kammer zu ändern, auch in zweiter Instanz - kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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