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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 24.06.2009
Aktenzeichen: I-3 Wx 33/09
Rechtsgebiete: PStG, EGBGB, StAG, BGB, GG, FGG


Vorschriften:

PStG § 47 Abs. 1 Satz 1
PStG § 48
EGBGB Art. 10 Abs. 1
StAG § 4 Abs. 3
BGB § 1626 Abs. 1 Satz 1
GG Art. 2
FGG § 12
1. Die rechtliche Zulässigkeit der Eintragung des geschlechtsneutralen türkischen Vornamens "Erva" für einen Jungen ohne Beilegung eines das Geschlecht eindeutig kennzeichnenden weiteren Vornamens hängt davon ab, ob "Erva" in der Türkei ein gebräuchlicher Vorname für Mädchen ist.

2. Stellt sich (hierzu sind von der Tatsacheninstanz noch ergänzende Feststellungen zu treffen) heraus, dass "Erva" in der Türkei ein gebräuchlicher Vorname von Mädchen ist, so war die Eintragung allein dieses Vornamens rechtlich unzulässig, wurde das Namensbestimmungsrecht der Eltern nicht rechtswirksam ausgeübt und kann ein zulässiger Vorname für den Jungen (hier: "Efe") antragsgemäß im Wege der Berichtigung eingetragen werden.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 33/09

In der Personenstandssache

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die weitere Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 16. Januar 2008 (richtig 2009) unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G. und der Richter am Oberlandesgericht D. v. W.

am 24. Juni 2009

beschlossen:

Tenor:

Auf das Rechtsmittel werden die angefochtene Entscheidung des Landgerichts und der zugrunde liegende Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 3.000,- Euro.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1 und 2, die die türkische Staatsangehörigkeit besitzen, sind die Eltern des betroffenen minderjährigen Kindes, das nach § 4 Abs. 3 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat. Als Vornamen des Kindes gaben die Beteiligten zu 1 und 2 in der Geburtsanzeige den Namen "Erva" an, der am 21. April 2008 in das Geburtenbuch eingetragen wurde.

Die Beteiligten zu 1 und 2 haben am 14. Mai 2008 beantragt, das Geburtenbuch dahin zu berichtigen, dass das Kind "Efe" heißen solle, da der beurkundete Vorname "Erva" ein türkischer weiblicher Vorname sei.

Das Amtsgericht hat am 11. November 2008 das Gesuch zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Berichtigung eines abgeschlossenen Eintrags finde nach § 47 PStG statt, wenn der Eintrag von Anfang an unrichtig ist. Das sei hier nicht der Fall. Der Vorname "Erva" für das Kind der Beteiligten zu 1 und 2 sei deren Willen entsprechend beurkundet worden. Ein späterer Sinneswandel der Eltern habe auf die Richtigkeit des Eintrags keinen Einfluss, zumal der Vorname "Erva" sowohl als männlicher als auch als weiblicher Vorname bei den türkischen Behörden eingetragen werden könne.

Hiergegen haben die Beteiligte zu 1 und 2 Beschwerde eingelegt und geltend macht, ihr Sohn solle nicht unter einer falschen Entscheidung seiner Eltern leiden; sie befürchteten, ihr Sohn könne wegen des überwiegend für Mädchen benutzten Namens seelischen Schaden nehmen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Das Landgericht hat am 16. Januar 2008 das Rechtsmittel zurückgewiesen.

Mit der weiteren Beschwerde wenden sich die Beteiligten zu 1 und 2 gegen die landgerichtliche Entscheidung.

Sie machen geltend, der Eintrag "Erva" sei von Anfang an unrichtig gewesen, weil sie nach einem entsprechenden Internethinweis davon ausgegangen seien, dass es hierbei sich um einen männlichen Vornamen handele.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 19, 20, 27, 29 Abs. 2 FGG; 48 PStG zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Denn die Entscheidung des Landgerichts weist - ebenso wie bereits die des Amtsgerichts - entscheidungserhebliche rechtliche Fehler im Sinne des § 27 FGG auf.

1.

Das Landgericht hat ausgeführt, die Beschwerde sei nicht begründet.

Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 PStG könne ein abgeschlossener Eintrag in das Geburtenbuch auf Anordnung des Gerichts berichtigt werden, wenn zu dessen Überzeugung feststeht, dass der Eintrag von Anfang an unrichtig gewesen ist. Dies sei nach dem Ergebnis der vom Amtsgericht und von der Kammer durchgeführten Ermittlungen nicht der Fall, weshalb den Beteiligten zu 1 und 2 die nachgesuchte Berichtigung zu versagen sei.

Die mit der Wahl eines sowohl weiblich als auch männlich verwendeten Vornamens "Erva" für ihren Sohn möglicherweise einhergehenden Nachteile könnten allenfalls durch eine Namensänderung nach dem Namenänderungsgesetz beseitigt werden. Ob die Voraussetzungen für eine Namensänderung vorliegen, sei im Berichtigungsverfahren gemäß § 45 ff. PStG indes nicht zu prüfen.

2.

Diese Erwägungen des Landgerichts sind rechtlich zu beanstanden.

Die Beteiligten zu 1 und 2 beantragen der Sache nach die Berichtigung der von ihnen für unrichtig gehaltenen Eintragung des Vornamens ihres Kindes ("Erva") in "Efe".

Nach § 47 PStG setzt die Änderung des Geburtenbuches die Unrichtigkeit eines Eintrags voraus.

Hierbei kann es sich sowohl um eine tatsächliche Unrichtigkeit handeln wie um eine rechtliche, das heißt zum Gegenstand des Gesuchs kann auch die Berichtigung eines ursprünglich unrichtigen, weil rechtlich unzulässigen Eintrags gemacht werden (vgl. OLG Stuttgart StAZ 2003, 82 = FamRZ 2003, 1690).

a)

Eine tatsächliche Unrichtigkeit liegt vor, wenn der beurkundete Sachverhalt sich anders abgespielt hat als im Personenstandsbuch angegeben.

Dies haben die Vorinstanzen zu Recht verneint. Denn die Eintragung des Vornamens "Erva" für den Sohn der Beteiligten zu 1 und 2, dessen Erwerb sich hier nach deutschem Recht richtet (Art. 10 Abs. 1 EGBGB; § 4 Abs. 3 StAG), entspricht der der Namensgebung vorausgegangenen gemeinsamem Willensbildung der sorgeberechtigten Eltern, § 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Soweit das OLG Köln (Beschluss vom 25. 11. 1960 - 8 W 107/60, NJW 1961,1023) die Erteilung als männlich geltender Vornamen an ein Mädchen, in der irrigen Meinung, das Kind sei männlichen Geschlechts für rechtlich unwirksam und die entsprechende Eintragung im Geburtenbuch für berichtungswürdig gehalten hat, stützt dies das Gesuch der Beteiligten zu 1 und 2 nicht. Denn die Beteiligten zu 1 und 2 befanden sich weder über das Geschlecht ihres Kindes im Irrtum, noch haben sie ihrem Sohn irrtümlich einen als weiblich geltenden Vornamen gegeben. Hiergegen steht, dass das türkische Generalkonsulat die Eintragungsfähigkeit (Zulässigkeit) des Vornamens "Erva" sowohl als weiblichen als auch als männlichen Vornamen bestätigt hat, weil nach türkischem Recht das Geschlecht nicht erkennbar sein müsse. Es besteht zudem nicht einmal Anhalt dafür, dass die Beteiligte zu 1 und 2 sich bei der Namensgebung überhaupt Gedanken darüber gemacht haben, ob der von ihnen zu Recht als männlicher Vorname angesehene und gewählte Name "Erva" auch für ein Kind weiblichen Geschlechts hätte verwendet bzw. eingetragen werden können.

b)

Die Vorinstanzen haben allerdings nicht geprüft, ob die Eintragung des Vornamens "Erva" nicht von Anfang an rechtlich unzulässig war.

So dürfen Knaben keinen im Ausland gebräuchlichen weiblichen Vornamen oder Beivornamen erhalten; lässt der ausländische Vorname das Geschlecht des Kindes nicht erkennen, so kann er einem Knaben nur gegeben werden, wenn dieser einen weiteren eindeutig männlichen Vornamen erhält (BGH NJW 1979, 2469).

Vorliegend hätte sich demnach die Frage aufgedrängt, ob der Vorname "Erva" überhaupt als einziger Vorname eingetragen werden durfte.

Es handelt sich nämlich nicht um einen eindeutig männlichen oder weiblichen, sondern um einen geschlechtsneutralen Vornamen. Dies steht der Eintragung (nur) dann nicht entgegen, wenn dem Kind ein weiterer das Geschlecht eindeutig kennzeichnender Vorname beigelegt wird (BGH a.a.O.; OLG Stuttgart StAZ 1993, 355; AG Arnsberg StAZ 2008, 77). Diese Rechtsgrundsätze gelten, da insoweit keine sachlichen Unterschiede bestehen, sowohl für inländische als auch im Ausland gebräuchliche Vornamen (OLG Frankfurt, NJW-RR 1995, 773). Bei ausländischen Vornamen ist für die Geschlechtszuordnung nicht das deutsche Sprachempfinden, sondern die Gebräuchlichkeit im Ausland maßgebend (OLG Frankfurt a.a.O. S. 774; AG Arnsberg a.a.O.).

c)

aa)

Ließe sich feststellen, dass "Erva" in der Türkei ein gebräuchlicher Vorname von Mädchen ist, so war diese Eintragung nach dem Vorgesagten rechtlich unzulässig, nämlich von Anfang an rechtswidrig, weil sie - wenn überhaupt - nur in Verbindung mit einem zweiten, das männliche Geschlecht anzeigenden, Vornamen hätte vorgenommen werden dürfen.

Dies hätte zur Folge, dass das Namensbestimmungsrecht der Beteiligten zu 1 und 2 (§ 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB) durch die Benennung des Kindes mit "Erva" nicht rechtswirksam ausgeübt und somit noch nicht verbraucht wäre, das Kind "Efe" genannt und dieser Vorname antragsgemäß im Wege der Berichtigung eingetragen werden kann.

bb)

Dazu, dass "Erva" in der Türkei ein gebräuchlicher Vorname von Mädchen ist, lassen sich allerdings aufgrund des gegebenen Sachverhalts ausreichende Feststellungen nicht treffen.

Zwar liegt nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer die Annahme nicht fern, dass der Vorname "Erva" in der Türkei überwiegend als weiblicher Vorname gebräuchlich ist.

Auch die Auskunft des türkischen Generalkonsulats Düsseldorf vom 15. September 2008 spricht nicht gegen die von den Beteiligten zu 1 und 2 geltend gemachte Einordnung des Vornamens "Erva" als weiblicher Vorname. Soweit es darin nämlich heißt, der Vorname "Erva" könne sowohl als weiblicher als auch als männlicher Vorname eingetragen werden, weil es im türkischen Namensrecht keine zwingende Vorschrift über die Erkennung des Geschlechtes aus dem Vornamen gebe, wird dadurch - auch dies haben die Vorinstanzen verkannt - keine Aussage zu der für die Zuordnung zu einem bestimmten Geschlecht maßgeblichen Gebräuchlichkeit des Namens "Erva" in der Türkei, sondern lediglich zur Zulässigkeit der Beilegung dieses Namens nach türkischem Recht getroffen (vgl. AG Arnsberg a.a.O.).

Beides reicht aber für eine verlässliche Feststellung, dass "Erva" in der Türkei ein gebräuchlicher Vorname von Mädchen ist, nicht aus.

Da es dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht versagt ist, eigene ergänzende Feststellungen zu treffen, ist die Sache an das Amtsgericht (vgl. hierzu Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Auflage 2003 § 27 Rdz. 61) zurückzuverweisen, um ihm Gelegenheit zu geben, die Gebräuchlichkeit des Vornamens "Erva" in der Türkei als Mädchenname durch aufzuklärende Maßnahmen zu objektivieren (§ 12 FGG), und somit die tatsächliche Entscheidungsgrundlage im vorgenannten Sinne herzustellen.

Sollte sich hiernach die Gebräuchlichkeit erweisen, so kann die Eintragung "Erva" (jedenfalls allein) keinen Bestand haben (vgl. auch Art. 2 GG) und wird unter dieser Prämisse über den Antrag der Beteiligten zu 1 und 2, für ihr Kind den Vornamen "Efe" einzutragen, neu zu entscheiden sein.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 30 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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