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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 05.01.2004
Aktenzeichen: I-3 Wx 333/03
Rechtsgebiete: PolGNW, AuslG, AsylVerfG


Vorschriften:

PolGNW § 43 Nr. 1 (OBG § 24)
AuslG § 75
AuslG § 92 Abs. 2 Ziffer 2
AsylVerfG § 7
AsylVerfG § 15 Abs. 2 Ziffer 6
Legt ein zur Ausreise verpflichteter abgelehnter Asylbewerber gefälschte Personalpapiere vor, weigert er sich bei der Passersatzpapierbeschaffung mitzuwirken und besteht aufgrund von Hinweisen der Verdacht, dass er weitere gefälschte oder von ihm verheimlichte echte Papiere in seiner Wohnung oder an seinem Körper aufbewahrt, um seine Identifizierung zu erschweren und seinen illegalen Aufenthalt fortzusetzen, so rechtfertigt dies die Annahme einer gegenwärtigen Gefahr, zu deren Abwendung die Anordnung der Durchsuchung seiner Wohnung und seiner Person gerechtfertigt ist.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 333/03

In der Asylverfahrenssache

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die weitere Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 23. Oktober 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G. und der Richter am Oberlandesgericht Dr. S. und W-L.

am 5. Januar 2004

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Wert (zugleich für die zweite Instanz): 1.500,- €.

Gründe:

I.

Die Betroffenen reisten am 6. Mai 2001 mit ihren beiden Kindern in das Bundesgebiet ein und stellten Asylantrag, der vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 16. April 2002 als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Die Betroffenen wurden zur Ausreise aufgefordert. Ihr Gesuch um vorläufigen Rechtsschutz wies das Verwaltungsgericht Düsseldorf am 2. Mai 2002 zurück. Seither sind die Betroffenen zur Ausreise verpflichtet.

Ihm Rahmen des Asylverfahrens gaben die Betroffenen an, Staatsangehörige der russischen Föderation zu sein. Sie wurden bereits zweimal beim Generalkonsulat der russischen Föderation vorgeführt, um Passersatzpapiere zu beantragen, da sie keine Pässe vorgelegt haben. Die Betroffenen verweigerten jede Mitwirkung bei der Beantragung von Passersatzpapieren. Sie legten am 26. September 2002 verschiedene Unterlagen vor, die sich laut Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau vom 17. September 2003 als Fälschungen erwiesen.

Nachdem die Antragstellerin anonyme Hinweise erhalten hatte, wonach die Betroffenen nicht aus der russischen Föderation, sondern aus Kirgistan stammten, beantragte sie die Durchsuchung der Wohnung und der Betroffenen selbst, weil sie den Verdacht hatte, diese hätten ihre Pässe versteckt.

Das Amtsgericht hat am 21. Juli 2003 die Durchsuchung der Wohnung und Nebenräume der Betroffenen sowie der Person der Betroffenen angeordnet, da zu vermuten sei, dass sie zur Auffindung von Beweismitteln, insbesondere Unterlagen zu deren Identifizierung, führen werde.

Der Beschluss wurde am 26. August 2003 vollstreckt. Hierbei wurden Dokumente vorgefunden, deren Überprüfung durch die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau ergab, dass es sich um Fälschungen handelte.

Gegen den Durchsuchungsbeschluss haben die Betroffenen Beschwerde eingelegt.

Sie sind der Auffassung, die Voraussetzungen für eine Wohnungsdurchsuchung seien nicht gegeben. Die Antragstellerin tritt dem entgegen; sie meint, dass die Betroffenen die Erfüllung ihrer Passpflicht vorsätzlich verweigerten, um nicht abgeschoben zu werden.

Das Landgericht hat die Beschwerde am 23. Oktober 2003 zurückgewiesen.

Hiergegen wenden sich die Betroffenen mit der weiteren Beschwerde, der die Antragstellerin entgegen tritt.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1.

Das Rechtsmittel ist gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 PolGNW (24 OBG); §§ 20, 27, 29 FGG zulässig.

Dem steht nicht entgegen, dass die Durchsuchung bereits am 26. August 2003 durchgeführt worden ist, so dass der Vorgang an sich abgeschlossen ist. Das Rechtsschutzinteresse des Betroffenen besteht insoweit fort, als es nunmehr auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der angeordneten Maßnahme gerichtet ist. Das Bundesverfassungsgericht hat unter ausdrücklicher Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung mit seinem Beschluss vom 30.04.1997 (vgl. BVerfGE 96, 27 ff., 39 ) ausgeführt, dass bei tiefgreifenden Grundrechtseinschnitten der in Art. 19 Abs. 4 GG grundgesetzlich verbürgte Anspruch auf effektiven Rechtsschutz auch nachträglich die Überprüfung der Rechtmäßigkeit verlange. Dies gelte gerade für solche Maßnahmen, in denen der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung der von der Prozessordnung vorgesehenen Instanz gegen die beeinträchtigende Maßnahme nach dem typischen Verfahrensablauf nicht erlangen könne. Hier sei vom Fortbestand eines Rechtsschutzinteresses auszugehen. Tiefgreifende Grundrechtseinschnitte kommen vor allem bei Anordnungen in Betracht, die das Grundgesetz - hier Art. 13 Abs. 2; vgl. auch § 42 Abs. 1 PolGNW - vorbeugend dem Richter vorbehalten hat (vgl. BVerfGE 96, 27, 40).

2.

Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes, § 27 FGG.

a)

Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Nach § 43 Nr. 1 PolGNW könne die Polizei eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Nach § 75 AuslG dürfe die Behörde bei dem Ausländer personenbezogene Daten erheben. Nach § 92 Abs. 2 Ziffer 2 AuslG seien unrichtige Angaben bei der Beschaffung von Papieren unter Strafe gestellt. Damit solle sicher gestellt werden, dass das Asylrecht nicht missbraucht wird. Diese Gefahr sei vorliegend gegeben. Denn nach der Mitteilung der russischen Botschaft vom 17. September 2003 habe der Verdacht bestanden, dass die von dem Betroffenen und seiner Ehefrau vorgelegten Papiere, die zur Ausstellung von Ersatzpapieren hätten dienen sollen, gefälscht gewesen seien. Die Betroffenen seien deshalb verdächtig gewesen, sich mit gefälschten Papieren ein Aufenthaltsrecht erschleichen zu wollen. Nach § 7 AsylVerfG habe der Ausländer seinen Pass der Ausländerbehörde vorzulegen. Nach § 15 Abs. 2 Ziffer 6 AsylVerfG sei er verpflichtet, an der Beschaffung von Identitätspapieren mitzuwirken. Da die Antragstellerin die Vermutung gehabt habe, dass in der Wohnung der Betroffenen sich Pässe befinden bzw. dass sie diese Pässe in ihrer Kleidung tragen, sei der Durchsuchungsbeschluss gerechtfertigt. Die Durchsuchung sei nicht wegen des eingeleiteten Strafverfahrens, sondern zur Durchführung der Abschiebung erfolgt, die ohne genaue Kenntnis der Staatsangehörigkeit der Betroffenen und Passersatzpapiere nicht habe durchgeführt werden können.

b)

Diese Ausführungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die weitere Beschwerde gibt keine Veranlassung zu anderer Beurteilung. Soweit die Betroffenen mit diesem Rechtsmittel geltend machen, eine gegenwärtige Gefahr habe nicht vorgelegen, ist ihnen nicht zu folgen.

Nach § 43 Nr. 1 PolG (§ 24 OBG) NRW kann die Polizei bzw. Ordnungsbehörde eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Gefahr im polizeirechtlichen Sinne ist ein Zustand, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Eintritt eines Schadens erwarten lässt. Gegenwärtig ist eine Gefahr, wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder wenn eine Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zukunft mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht. Dass im vorliegenden Fall hinreichende konkrete Anhaltspunkte für die Annahme vorlagen, es bestehe die gegenwärtige Gefahr, dass die Betroffenen sich mit gefälschten Papieren ein Aufenthaltsrecht erschleichen wollen, hat die Kammer rechtlich einwandfrei bejaht. Da die Betroffenen bereits gefälschte Papiere vorgelegt hatten und sich ansonsten weigerten bei der Passersatzpapierbeschaffung mitzuwirken, bestand der Verdacht, dass die Betroffenen weitere gefälschte oder von ihnen verheimlichte echte Papiere in ihrer Wohnung oder an ihrem Körper aufbewahrten, um ihren illegalen Aufenthalt fortzusetzen.

Die beantragte Durchsuchungsmaßnahme war auch verhältnismäßig; das gewählte Mittel und der gewollte Zweck standen in einem vernünftigen Verhältnis zueinander und war für die Betroffenen zumutbar.

Das eingesetzte Mittel der Durchsuchung war geeignet, da mit seiner Hilfe das angestrebte Ziel, nämlich die Beendigung des Gefahrenzustandes gefördert werden konnte ( vgl. BVerfGE 20, 213; 30, 316; 33, 187).

Der Betroffenen sind durch die angeordnete Maßnahme auch nicht übermäßig beeinträchtigt worden.

Das Rechtsmittel konnte danach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Ende der Entscheidung

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