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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 27.02.2007
Aktenzeichen: I-4 U 110/03
Rechtsgebiete: InsO, ZPO
Vorschriften:
InsO § 91 Abs. 1 | |
InsO § 114 Abs. 1 | |
ZPO § 287 | |
ZPO §§ 850 bis 850 k |
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10. Februar 2003 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung im übrigen wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.400 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 29. März 2002 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 60 % und die Beklagte zu 40 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 23. Januar 2002 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Zahnarztes Dr. M.-D. (im Folgenden: Schuldner).
Der Schuldner stand in ständiger Geschäftsbeziehung zur beklagten Bank. Bereits am 29. September 1975 hatte er ihr, ergänzt durch Erklärung vom 14. September 1994, alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche gegen die für ihn zuständige K. V. sicherungshalber abgetreten (GA 17, 74). Durch Kündigung vom 13. Februar 2002 stellte die Beklagte ihre Kredite in Höhe von 347.355,55 € fällig (GA 16).
In den ersten beiden Monaten nach Insolvenzeröffnung zahlte die K.-V. 30.102,26 € auf das Girokonto des Schuldners bei der Beklagten (GA 19 - 22), die das Geld unter Berufung auf § 114 Abs. 1 InsO für sich in Anspruch nahm.
Das Landgericht hat dem Kläger einen Erstattungsanspruch in dieser Höhe zugebilligt, weil die Sicherungsabtretung nicht über die Insolvenzeröffnung hinauswirke. Bezüge aus einem Dienstverhältnis i.S. von § 114 Abs. 1 InsO seien typischerweise die Vergütungsansprüche von Arbeitern und Angestellten oder die Besoldung der Beamten. Anders als im Falle der §§ 850 bis 850 k ZPO sei eine über den Wortlaut hinausreichende Auslegung abzulehnen, da der Gesetzgeber nur die Privilegierung von Menschen am unteren Ende der sozialstrukturellen Skala gewollt habe, um ihnen durch die Abtretung oder Verpfändung ihrer Einkünfte eine Kreditaufnahme zu ermöglichen. Freiberufler, zu denen auch Kassenzahnärzte gehörten, seien darauf nicht in gleichem Maße angewiesen.
Dagegen hat sich die Beklagte mit der Berufung gewandt. Der Senat hat das angefochtene Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Ansprüche des Schuldners gegen die Kassenzahnärztliche Vereinigung seien vor Insolvenzeröffnung wirksam an die Beklagte abgetreten worden. § 114 Abs. 1 InsO, der der Erweiterung der Insolvenzmasse diene, sei weit aus-zulegen und erfasse auch die hier fraglichen Ansprüche; denn es handele sich um Vergütungen für Dienstleistungen, welche die Existenzgrundlage des Schuldners bildete.
Diese Entscheidung hat der Bundesgerichtshof auf die Revision des Klägers durch Urteil vom 11. Mai 2006 - IX 247/03 (veröffentlicht in NJW 2006, 2485) aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an den Senat zurückverwiesen. Nach dem Revisionsurteil steht der Abtretung der Vergütungsansprüche des Schuldners an die Beklagte § 91 Abs. 1 InsO insoweit entgegen, als die zu vergütende ärztliche Leistung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht erbracht war. Ein Anderes folge nicht aus § 114 Abs. 1 InsO, da die Vergütungsansprüche eines Kassenarztes keine Forderungen auf "Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge" i.S. des § 114 Abs. 1 InsO darstellten. Deshalb bedürfe der Feststellung, wann die Forderungen des Schuldners gegen die Kassenzahnärztliche Vereinigung entstanden seien, die Grundlage der von den Parteien jeweils für sich beanspruchten Überweisungen waren.
Mit Blick darauf macht die Beklagte geltend, dass der Anspruch auf die am 24. Januar 2002 und am 25. Februar 2002 (GA 17, 21) überwiesenen Beträge in Höhe von 4.354,34 €, 8.243,78 € und 1.561,08 € - unstreitig - vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sei. Durch die ebenfalls am 25. Februar 2002 (GA 21) überwiesenen 2.543,06 € seien - gleichfalls unstreitig - zahnärztliche Leistungen honoriert worden, die der Schuldner im Januar 2002 erbracht habe. Ihr sei es nicht möglich zu differenzieren, welche Leistungen vor oder nach Insolvenzeröffnung ausgeführt worden seien. Angesichts der Tatsache, dass das Insolvenzver-fahren erst Ende Januar 2002 eröffnet worden sei, müsse sich der überwiegende Teil der Zahlung auf zuvor erbrachte Leistungen beziehen. Die Überweisungen vom 20. Februar und 20. März 2002 (GA 20, 22) in Höhe von jeweils 6.700 € bezögen sich - wiederum unstreitig - auf Zeiträume nach Insolvenzeröffnung.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger bittet um
Zurückweisung der Berufung.
Er nimmt die für Januar 2002 erfolgte Überweisung von 2.543,06 € insgesamt für sich in Anspruch.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II. Die Berufung hat teilweise Erfolg.
Dem Kläger steht ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nur in Höhe von 13.400 € zu.
Nach dem - für den Senat bindenden - Revisionsurteil ist die vom Schuldner getroffene Vorausverfügung nach § 91 Abs. 1 InsO insoweit unwirksam, als sie sich auf Ansprüche bezieht, die auf nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (23. Januar 2002) erbrachten ärztlichen Leistungen beruhen. Die Vorausabtretung bleibt wirksam, soweit der Zessionar noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechtsposition erlangt hat. Der Vergütungsanspruch des Kassenzahnarztes entsteht, wenn er vergütungsfähige Leistungen erbracht hat. Wie unstreitig ist, bezogen sich die Überweisungen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung über 4.354,34 €, 8.243,78 € und 1.561,08 € auf ärztliche Leistungen, die der Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt hat. Ebenso unstreitig betrafen die Überweisungen in Höhe von jeweils 6.700 € zahnärztliche Leistungen, die der Schuldner nach Insolvenzeröffnung erbracht hat. Streitig ist nur, ob und inwieweit er das Honorar für Januar 2002 in Höhe von 2.543,06 € vor oder nach Insolvenzeröffnung verdient hat. Wann er die zugrunde liegenden Leistungen bewirkt hat, ist der Quartalsabrechnung 1/2002 nicht zu entnehmen, da die Zahlbeträge nicht einzelnen Tagen zugeordnet werden. Deshalb muss der Senat insoweit nach der Beweislast entscheiden. Diese trifft den Kläger, da ihm das Unwirksamwerden der Zession zustatten käme. Eine Schätzung nach § 287 ZPO kommt nicht in Betracht, da nicht auszuschließen ist, dass die honorierten Leistungen ausschließlich in der ersten Monatshälfte erbracht worden sind. Demgemäss ist die Vorausverfügung wirksam in Höhe von (4.354,34 € + 8.243,78 € + 1.561,08 € + 2.543,06 € =) 16.702,26 € und unwirksam in Höhe von (6.700 € + 6.700 € =) 13.400,- €.
Der Zinsanspruch steht nicht im Streit.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Berufungsstreitwert bis zum 30. Januar 2007 (unter Einschluss der in der mündlichen Verhandlung fallen gelassenen Insolvenzanfechtung): 46.804,56 (= 30.102,26€ + 16.702,26 €), danach: 30.102,26 €.
Ende der Entscheidung
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