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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 10.02.2004
Aktenzeichen: I-4 U 146/03
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 12 Abs. 3
1.

Wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer im Anschluss an die nach § 12 Abs. 3 VVG gebotene Rechtsfolgenbelehrung mitteilt, er sei bei Vorlage bestimmter Unterlagen zu einer erneuten Prüfung seiner Leistungspflicht bereit, ist er daran selbst dann gebunden, wenn die Unterlagen erst nach Fristablauf eingereicht werden, und muss ggf. auch die bis zum Ablauf der Frist fälligen BUZ-Rentenzahlungen erbringen.

2.

Der Versicherer kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er eine nochmalige Prüfung von der Gewährung einer öffentlich-rechtlichen Erwerbsunfähigkeitsrente abhängig gemacht hat, wenn dem Versicherungsnehmer eine öffentlich-rechtliche Rente wegen Berufsunfähigkeit bewilligt wird und der Versicherer nicht deutlich gemacht hat, dass ihm die Bewilligung einer öffentlich-rechtlichen Rente wegen Berufsunfähigkeit nicht ausreicht, obwohl sie der privaten Berufsunfähigkeitsrente eher näher steht als eine öffentlich-rechtliche Erwerbsunfähigkeitsrente.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I-4 U 146/03

Verkündet am 10. Februar 2004

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht - Dr. S..., des Richters am Oberlandesgericht Dr. R... und der Richterin am Landgericht F...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 17. Juni 2003 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Höhe nach nicht bestimmter Überschussanteile entfällt und statt dessen ihre Verpflichtung zur Leistung der vertraglich vereinbarten Überschussanteile festgestellt wird.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 45 % und die Beklagte zu 55 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 33 % und der Beklagten zu 67 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger, der zuletzt als Staubsaugervertreter tätig war, nimmt die Beklagte wegen einer reaktiven Depression aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung in Anspruch.

Nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens hat die Beklagte ihre Eintrittspflicht für den Zeitraum vom 1. April bis 31. Dezember 1999 anerkannt, weitergehende Ansprüche jedoch gleichzeitig zurückgewiesen, weil der Kläger zwar in seinem zuletzt ausgeübten Beruf berufsunfähig sei, aber noch andere Erwerbstätigkeiten ausüben könne, die keine besonderen Qualifikationen erforderten. Für den Fall, dass er mit dieser Entscheidung nicht einverstanden sei, hat sie ihm eine Klagefrist gemäß § 12 Abs. 3 VG gesetzt. Abschließend hat sie erklärt:

"Sollte die LVA positiv über ihren Rentenantrag entscheiden und Ihnen Erwerbsunfähigkeitsrente gewähren, würden wir selbstverständlich erneut prüfen, ob eine Berufsunfähigkeit im Sinne der Bedingungen vorliegt."

Der Kläger, der erst nach Ablauf der ihm gesetzten Frist Klage eingereicht hat, hat geltend gemacht, er sei aufgrund seiner Depressionen weder in der Lage den von ihm zuletzt versehenen noch irgendeinen anderen Beruf auszuüben.

Er hat beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 17.480,05 € nebst Zinsen und

2.

ab 1.11.2001 an ihn monatlich 794,55 € nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie rügt die Versäumung der Klagefrist. Außerdem macht sie geltend, der Kläger sei weiterhin in der Lage, einfach gelagerte Tätigkeiten wie die eines Bürogehilfen, Call-Center-Agents und Fachverkäufers/-beraters für Haushaltsgeräte wahrzunehmen. Außerdem könne er in seinem erlernten Beruf als Schriftsetzer zurückkehren.

Das Landgericht hat der Klage nach Einholung eines medizinischen Gutachtens stattgegeben und die Beklagte ab Januar 2000 zur Zahlung einer - längstens bis zum Ende des 65. Lebensjahres des Klägers zu leistenden - monatlichen Berufsunfähigkeitsrente zuzüglich vertraglich vereinbarter Überschussbeteiligung verurteilt, weil die Beklagte sich nach Treu und Glauben nicht auf die Versäumung der Klagefrist berufen könne und der gerichtliche Sachverständige überzeugend dargetan habe, dass der Kläger aufgrund seiner psychischen Verfassung auch den aufgezeigten Verweisungstätigkeiten nicht mehr gewachsen sei.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie macht geltend: Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe sie sich nur für den Fall zur Überprüfung der Leistungsablehnung bereit erklärt, dass die BFA dem Kläger eine Erwerbsunfähigkeitsrente gewähre. Die BFA habe jedoch nur eine Berufsunfähigkeitsrente bewilligt. Außerdem habe der Einzelrichter übersehen, dass sie sich vertraglich zur Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente nur bis zum 1. September 2011 verpflichtet habe.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung am 27. Januar 2004 hat der Kläger seine Klage zurückgenommen, soweit ihm das Landgericht die Berufsunfähigkeitsrente über den 1. September 2011 hinaus zugesprochen hat. Im übrigen hat er klargestellt, dass es ihm nur um die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Überschussbeteiligung gehe. Mit der Maßgabe hat er gebeten,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil und den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Berufung bleibt - soweit ihr der Kläger nicht schon durch Klagerücknahme Rechnung getragen hat - ohne Erfolg.

Der Kläger kann von der Beklagten die Entrichtung der begehrten Berufsunfähigkeitsrente verlangen.

1. Gestützt auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. E... hat das Landgericht festgestellt, dass der Kläger wegen einer generalisierten, in allen Lebensbereichen wirksamen schweren Angststörung weder imstande ist, seinen zuletzt ausgeübten Beruf als Vertreter nachzugehen noch irgendeine andere berufliche Tätigkeit wahrzunehmen. Daran ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, weil keine konkreten Anhaltspunkte bestehen, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Bewertung begründen. Solche Zweifel zeigt auch die Berufungsführerin nicht auf.

2. Die Beklagte ist von ihrer Leistungspflicht nicht befreit, weil der Kläger die ihm gemäß § 12 Abs. 3 VVG gesetzte Klagefrist versäumt hat.

a) Mit dem Landgericht geht der Senat davon aus, dass die Beklagte die sechsmonatige Klagefrist mit Schreiben vom 2. Februar 2000 wirksam gesetzt hat und die Frist verstrichen ist, bevor der Kläger im Januar 2001 Klage eingereicht hat. Das kann jedoch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht zum Erfolg der Berufung führen.

b) Wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer im Anschluss an die gebotene Rechtsfolgenbelehrung mitteilt, er sei bei Vorlage bestimmter Unterlagen zu einer erneuten Prüfung seiner Leistungspflicht bereit, ist er daran selbst gebunden, wenn die Unterlagen erst nach Fristablauf eingereicht werden (OLG Jena v. 3.3.99 - 4 U 1417/97 - VersR 2001, 358; Römer in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 12 Rn. 87). So liegen die Dinge hier, da der Kläger dem entsprechenden Passus im Schreiben der Beklagten nicht entnehmen konnte, dass sie nur während des Laufs der Klagefrist zu einer erneuten Sachprüfung bereit war. Das hat zugleich zur Folge, dass die Beklagte auch die bis zum Ablauf der Klagefrist fälligen Rentenzahlungen erbringen muss, da sie nicht klargestellt hat, dass sich die angekündigte Sachentscheidung nur auf die erst nach Einreichung der Unterlagen fällig werdenden Leistungen bezieht.

c) Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte eine nochmalige Prüfung von der Gewährung einer öffentlich-rechtlichen Erwerbsunfähigkeitsrente abhängig gemacht und die BFA dem Kläger lediglich eine Berufsunfähigkeitsrente bewilligt hat. Darauf kann sich die Beklagte nicht berufen, da - wie dem Senat aus einer Vielzahl von Streitigkeiten bekannt ist - die Begriffe der Erwerbs- und Berufsunfähigkeit nicht nur von den Parteien oder Sachverständigen, sondern vielfach auch von Rechtskundigen verwechselt werden. Symptomatisch ist dafür, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Klageantrag ursprünglich dahin formuliert hat, dass die Beklagte eine "Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach den verbesserten Bedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatzversorgung" zu leisten hat. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Beklagte ihre Prüfungsbereitschaft mit Bedacht von der Vorlage eines Bescheids über eine Erwerbsunfähigkeitsrente abhängig gemacht hat, weil sie der Meinung war, dass der Kläger sich nicht nur auf eine seinem zuletzt ausgeübten Beruf ähnliche Tätigkeit, sondern auf nahezu jeden Beruf verweisen lassen müsse, dessen Ausübung keine besonderen Voraussetzungen erfordert. Dass ihr aus diesem Grund die Bewilligung einer öffentlichen Berufsunfähigkeitsrente nicht ausreichte, hätte sie dem Kläger jedoch deutlich machen müssen, zumal eine öffentlich-rechtliche Rente wegen Berufsunfähigkeit einer privatrechtlichen Berufsunfähigkeitsrente von den Anspruchsvoraussetzungen her näher steht als eine öffentlich-rechtliche Erwerbsunfähigkeitsrente und die Beklagte den Rentenbescheid auch zur Grundlage der erneuten Prüfung der Berufsunfähigkeit im Sinne des privaten Versicherungsrechts machen wollte.

3. Um Missverständnissen vorzubeugen, hat der Senat ferner festgestellt, dass die Beklagte zur Entrichtung der vereinbarten Überschussanteile verpflichtet ist. Ein Erfolg der Berufung ist darin nicht zu erblicken, da nichts darauf hindeutet, dass das Landgericht die Beklagte tatsächlich zur Erbringung einer unbezifferten und daher ohnehin nicht vollstreckbaren Geldleistung verurteilen wollte.

4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3, 543 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Berufungsstreitwert:

Laufende Rente (782,28 € x 42 =) 32.855,76 € Rückstand (782,28 € x 13 =) 10.169,64 € Überschuss: (12,27 € x (42 + 13) x 0,8 = ) 539,88 €.

Ende der Entscheidung

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